Me The Tiger

Ti(g)erisch gute Musik

03.10.2015 - Natürlich ist ein prägnanter Bandname ein nicht zu unterschätzender Bonus, besonders, wenn er zu Wortspielen einlädt. Wenn sich hinter diesem Namen jedoch keine gut gemachte oder gar mitreißende Musik verbirgt, ist dieser Bonus auch schnell wieder verpufft. Eine Gefahr, die im Fall von Me The Tiger nicht besteht, denn Ihr knalliges Album "Vitriolic" kann mit tollem Power-Electro-Pop überzeugen. Von: Torsten Pape

Image Hier ist zwar keine schwedische Tiger-Ente zu sehen, aber dafür Jonas Martinsson (Drums und Programming), Gabriella Åström (Gesang) und Tobias Andersson (Gitarre und Programming) (Foto: Ryan Garrison)

BODYSTYLER: Stellt Euch doch bitte zunächst einmal unseren Lesern vor! Woher kommt Ihr? Wie alt seid ihr? Was macht Ihr hauptberuflich? Gab es ausschlaggebende Momente, die Euch zur Entscheidung brachten, Musiker zu werden?

TOBIAS: Me The Tiger ist eine Electronic-Pop-Band aus Falun/Schweden. Eigentlich kommt niemand von uns ursprünglich aus Falun, aber wir sind alle aus verschiedenen Gründen hier gelandet. Falun ist eine recht kleine Stadt und wenn Du in irgendeiner Weise mit Musik zu tun hast, läuft man sich hier früher oder später über den Weg. Das erste Mal trafen wir uns, glaube ich, auf einer Party bei Jonas zu Hause im Jahr 2007. Fünf Jahre später waren wir dicke Freunde und sogar Nachbarn geworden. Eines Abends klopfte ich an die Tür von Gabriella und Jonas und hatte einen USB-Stick mit ein paar halbfertigen Melodien sowie eine Flasche Wein dabei. Kurz darauf war bereits der erste Song fertig und Me The Tiger erblickte bei Sonnenaufgang das Licht der Welt.
Ich selbst bin 33 Jahre alt und arbeite mit Jugendlichen, die auf Grund von Missbrauch, einer kaputten Familie oder Kriminalität von der Schule geflogen sind. Ich versuche, sie wieder auf den richtigen Weg zu bringen, motiviere sie dazu, wieder mit der Schule weiterzumachen oder sich einen Job zu suchen. Ich habe übrigens nie die bewusste Entscheidung getroffen, Musiker zu sein. Das war mir einfach schon als Kind klar, spätestens als ich Playback-Konzerte für meine Eltern gab. Seit damals habe ich in diversen Formationen gespielt und hunderte Gigs absolviert.

BELLA: Ich bin 27 und neben der Musik versuche ich auch anderweitig kreativ zu sein. So baue ich gern verschiedenste Sachen zusammen oder arbeite an Textil-Projekten. Im "normalen" Job arbeite ich in einer Studien-Gemeinschaft und beschäftige mich mit kulturellen Dingen, Geschlechtergleichstellung und diversen, kreativen Projekten in Dalarna. Als ich fünf Jahre alt war, habe ich meinen Eltern bereits mitgeteilt, dass ich Sänger oder Tierarzt werden würde.

JONAS: Ich bin 32 und arbeite bei einer regionalen Musik-Stiftung, die den Auftrag hat, lokale Musik zu fördern, aber diese auch weltweit zu verbreiten. Als Kind wusste ich bereits, dass ich einmal ein Musik-Produzent werden würde, hatte aber natürlich keinen Plan, wie ich das bewerkstelligen sollte. Nun bin ich einer geworden und produziere Musik für verschiedene Gelegenheiten, Bands und Gesellschaften.

BODYSTYLER: Ich denke, ich bin nicht der erste, der Euch nach Eurem prägnanten Bandnamen befragt, oder? Ich habe bereits anderswo eine Erklärung gelesen, wobei mich speziell Näheres zu diesem gelb-blauen Tiger interessieren würde, der ja ein absolut typisches Tier in Schweden sein dürfte (zwinkert). Habt Ihr eventuell sogar auf den Effekt spekuliert, dass man diesen Namen wegen seiner Ungewöhnlichkeit so schnell nicht vergisst?

JONAS: Da das schon eine sehr spezielle, schwedische Sache ist, kann man das wirklich schwer erklären. Kurz gesagt steht dieser Tiger für einen schwedischen Bürger, der sich ruhig verhält. "Ruhig" und "Tiger" bedeuten im Schwedischen das Gleiche und da wir genau das Gegenteil von leise sind, passte dieser Name einfach zur Band. In einer Zeit, in der besonders der Individualismus aufblüht, wollten wir solidarische Werte wieder etwas in den Fokus rücken und etwas zu einer besseren Gesellschaft beitragen. Wir leben zusammen und haben eine gemeinsame Verantwortung füreinander, unabhängig von Herkunft und Geschlecht.

BODYSTYLER: Ich war wirklich davon beeindruckt, wie viele tolle Melodien man auf Eurem Debüt findet. Würdet Ihr sagen, dass es einfach ist, einen guten Pop-Song zu schreiben oder ist das für Euch eher harte Arbeit? In welchen Situation fallen Euch diese Melodien bzw. Ohrwürmer ein?

TOBIAS: Dankeschön erstmal für Deine Worte! Manchmal ist das mit den Melodien ganz einfach und alles fügt sich schnell zusammen. Dann aber braucht es manchmal auch wieder Monate bis ein Song fertig ist. Wie genau das passiert, ist immer unterschiedlich. Manchmal sitze ich mit meiner Gitarre in meiner Wohnung, sehe einen Film und spiele einfach so vor mich hin. Manchmal schießt mir eine fertige Melodie durch den Kopf oder ich sitze an meinem Computer und probiere einfach Rhythmen und Klänge aus. Allerdings passiert es selten, dass ich einen Song in einem Rutsch fertigstelle. Vielmehr bastele ich an vielen Ideen gleichzeitig herum. Die Texte entstehen dabei übrigens zuletzt und brauchen auch meist am längsten, bis man vollkommen zufrieden mit ihnen ist. Wenn ein Lied fertig ist, spiele ich es Bella und Jonas vor und wenn sie dann grünes Licht geben, beginnen wir Bellas Gesang aufzunehmen und beschäftigen uns mit Änderungen im Arrangement. Jonas ist am Ende für den Mix zuständig.

BODYSTYLER: Ich könnte mir vorstellen, dass es schwierig war, zu entscheiden, welches Lied die erste Single wird. Warum habt Ihr Euch letztendlich für "What promises are worth" entschieden?

TOBIAS: Wir haben den Song gar nicht ausgewählt, sondern die Plattenfirma. Trotzdem bin ich froh, dass man sich für diesen Track entschieden hat, da er ein ganz gutes Bild von unserem aktuellen Stand abgibt.

BELLA: Seit wir "What promises are worth" live spielen, gab es nicht ein Konzert, wo dieser Song nicht dabei war. Er ist ein echter Favorit geworden.

"Ich kann es zum Beispiel nicht fassen, dass es immer noch eine Menge Rassisten in den einzelnen europäischen Regierungen gibt, dass wir unseren Planeten zerstören oder Frauen immer noch weniger Geld bekommen, wenn sie den gleichen Job ausüben wie ein Mann. Das macht mich echt krank!"

BODYSTYLER: In Euren Texten beschäftigt Ihr Euch oft mit Dingen und Situationen, die eher privater Natur sind. Oft legt Ihr aber auch den Fokus auf soziale Probleme, obwohl Ihr dabei vermeidet, zu konkret zu werden. Liege ich mit meiner Einschätzung richtig? Wo findet Ihr die Inspirationen für Eure Texte?

TOBIAS: Mit den meisten Texten wollen wir schon Dinge aufdecken, die wir falsch oder idiotisch finden bzw. die geändert werden müssen. Es geht dabei oft um Ungerechtigkeit, Vorurteile, Neid und Betrug. Ich kann es zum Beispiel nicht fassen, dass es immer noch eine Menge Rassisten in den einzelnen europäischen Regierungen gibt, dass wir unseren Planeten zerstören oder Frauen immer noch weniger Geld bekommen, wenn sie den gleichen Job ausüben wie ein Mann. Das macht mich echt krank!

BODYSTYLER: Besonders würden mich ja die Hintergründe zu den Songs "Myheroine", "Headlines" und "Like feathers" interessieren. Könnt Ihr den Lesern vielleicht ein paar Tipps oder Erklärungen geben, worum es in diesen Liedern geht?

TOBIAS: "Myheroine" ist einem tollen Menschen gewidmet, der uns leider viel zu früh verlassen hat. Er hat einmal gesagt: "Arbeite nicht zu viel. Lass die Emotionen nicht in Deinem Herzen! Rede! Kämpfe nie wegen des Geldes! Trau Dich Nein zu sagen! Trau Dich Ja zu sagen! Das Paradies kann ein Ort auf Erden sein." Das ist so wahr!
In "Headlines" geht es um die Angst unserer Band vor dem, was gerade so passiert. Ein rechtes Leichentuch legt sich über Europa. Man findet Parteien mit xenophoben und anti-demokratischen Ansichten in fast jedem Parlament und mittlerweile ist das Internet voll mit Seiten, die Spaltung fördern und Sündenböcke suchen.
"Like feathers" beschäftigt sich mit den Idioten, die andere Menschen mit Hilfe der Anonymität des Internets bedrohen und einschüchtern.

BODYSTYLER: Ich muss gestehen, dass ich Eure Ballade "2013, it's over" sehr mag. Versteht mich nicht falsch, aber warum habt Ihr nicht noch ein, zwei Stücke mehr von dieser ruhigen, bombastischen Art auf das Album gepackt? Hätte bestimmt wunderbar gepasst...

TOBIAS: Danke Dir und Du magst recht haben. Keine Ahnung. Obwohl ich schon denke, dass das Album recht ausgewogen ist. Aber wer weiß schon, wie das auf dem nächsten sein wird...

""Ruhig" und "Tiger" bedeuten im Schwedischen das Gleiche und da wir genau das Gegenteil von leise sind, passte dieser Name einfach zur Band."

BODYSTYLER: Ihr seid noch eine recht junge Band und da wäre es doch ganz interessant zu erfahren, welche Musik Ihr privat so bevorzugt? Vielleicht könnt Ihr mal eine Top 5 erstellen?

TOBIAS:
Alben:
Nirvana – "In Utero"
Nine Inch Nails – "The Fragile"
Smashing Pumpkins – "Mellon Collie and the Infinite Sadness"
Refused – "The Shape of Punk to Come"
At The Drive-In – "Relationship In Command"

Songs:
Nirvana – "Heart-Shaped Box"
The Cure – "A Night Like This"
Rage Against The Machine – "Know Your Enemy"
Sinéad O'Connor – "Nothing Compares 2 U"
Imogen Heap – "Hide and Seek"

JONAS:
Placebo "Without you I'm nothing" (1998) - Placebo sind wahrscheinlich meine Lieblingsband aller Zeiten und aller Kategorien. Ich höre sie seit 1996 und sie stellen für mich die größte Inspirationsquelle dar, wenn es um Pop und Rock geht, melodisch wie textlich betrachtet. Dieses Album habe ich als Medizin benutzt, als ich noch jünger war. Jeder einzelne Song hat eine Bedeutung für mich bzw. einen Effekt auf mich. Ich habe mir den Titel sogar auf den Arm tätowieren lassen.
Refused "The shape of punk to come" (1998) - Ich hatte, wie viele aus meinem Jahrgang, eine Art Hardcore-Zeit in meinem Leben, in der ich Baggy-Hosen und ein Band-Hoodie trug. Ich hörte Bands wie Refused, 59 Times The Pain oder Raised Fist und habe irgendwann dieses Album entdeckt, das seitdem in meiner Top 5-Liste ist. Ich höre es immer noch von Zeit zu Zeit und die demokratischen und menschlichen Werte, die es vertritt, haben es mir einfach angetan. Das ist Musik für eine herzlichere und faire Gesellschaft.
Dimmu Borgir "" Enthrone darkness triumphant" (1997) - Wenn ich mich recht erinnere, war dieses Album meine erste und auch eine der prägendsten musikalischen Erfahrungen. Es hat zudem mein Interesse an der Produktion und der dahinterstehenden Kunst geweckt. Es klingt so verdammt gut und die kraftvollen Songs haben mich einfach überwältigt und weggeblasen.
Joy Division "Unknown pleasures" (1979) - Diese Pioniere haben mit ihrer Musik ein Mal in meinem Herzen hinterlassen. Dieses Album ist durch und durch Gefühl und Ian Curtis war ein Genie. Außerdem findet man hier eins der schönsten Coverartworks dieser Welt.
Opeth "Blackwater park" (2001) - Ich war schon immer auch ein Metal-Head und als ich dieses Album zum ersten Mal hörte, hat es mein Metal-Universum auf den Kopf gestellt. Die progressiven Songs, die fantastischen Musiker und der tolle Gesang - auf diesem Werk passt alles zusammen. Ich habe es zuerst mit ein paar Freunden gehört, mit denen ich damals auch in einer Band war und es erinnert mich an einen von ihnen, der tragischerweise gestorben ist und uns viel zu früh verlassen hat.

BODYSTLER: Wird es in absehbarer Zeit die Möglichkeit geben, Euch in Deutschland live zu erleben? Was erwartet den Besucher Eurer Konzerte?

TOBIAS: Im Oktober werden wir nach Deutschland kommen. Im Moment sind Gigs im Matrix in Bochum (29.10.) und beim Autumn Moon Festival in Hameln (31.10.) gebucht und man darf von uns eine leidenschaftliche Show erwarten, da wir das Energie-Level immer bis zum Maximum treiben. Wir lieben es, live zu spielen, und ich denke, das merkt man auch.

JONAS: Die Leute sagen oft, dass wir eine Live-Band sind. Man muss uns also live erleben, um das Gesamtbild zu verstehen, was eine sehr energetische, herzerwärmende und ehrliche Erfahrung beinhaltet.