Kasper Hate

Gefühlvolle Geheimniskrämerei

15.10.2015 - Das Hamburger Duo Kasper Hate kann man noch guten Gewissens als Geheimtipp bezeichnen. Das könnte sich jedoch schon bald ändern. Nach zahlreichen Web-Releases steht nun nämlich das zweite in physischer Form erhältliche Album "Raw patchouli" ins Haus und überzeugt mit einer schönen sowie sympathischen Kollektion aus elektronischen Klängen, tollen Stimmungen und gefühlvollen Texten. Von: Torsten Pape

Image Ein mögiches Bühnenoutfit? (Foto: Roberto Antonietti)

BODYSTYLER: Bis dato habe ich Kasper Hate als Solo-Projekt wahrgenommen, aber im Booklet des neuen Albums wird mit T.Kulicke ein musikalischer Partner genannt. Wie ist Kasper Hate entstanden, welche Entwicklungsstadien wurden durchlaufen und was kannst Du über die aktuelle Projekt-/Band-Konstellation berichten?

BJÖRN PERSIGLA: Entstanden ist das aktuelle Projekt bzw. die Band Kasper Hate vor gut zehn Jahren. Allerdings war das alles eher als Zeitvertreib gedacht. Ich schreibe schon seit dem Jugendalter Songs und habe damals schon in diversen Bands gespielt. Meist als Songschreiber, Gitarrist und Sänger. Wenn ich einen Text schreibe, habe ich oft bereits recht klar im Kopf, wie der betreffende Titel klingen, welche Stimmung er vermitteln soll. Im Laufe der Zeit ist mir aufgefallen, dass es mir mit Gitarre, Bass und Schlagzeug nicht möglich ist, meine Songs so klingen zu lassen, dass sie ausdrücken, was ich eigentlich ausdrücken möchte. Also habe ich den elektronischen Weg eingeschlagen und mich darin, sagen wir mal, musikalisch auch gefunden. Mein damaliger Mitbewohner Thorsten (Kulicke) wiederum war seinerzeit DJ und besitzt (dadurch) ein hervorragendes Gehör für die Produktion an sich, ein Gefühl für Struktur und das letztendliche Mastering der Songs. Etwas, das mir damals noch komplett fehlte. Also haben wir uns zusammengetan und die ersten Stücke gemeinsam produziert. Mit billigem Mikrofon und dem an Software und Synthesizern, was wir uns seinerzeit leisten konnten. Unsere Songs haben wir dann zum freien Download ins Internet gestellt, um den Leuten zu zeigen, dass es uns als Projekt überhaupt gibt und um erste Reaktionen zu erhalten. Man konnte das Ganze durchaus Garage-Synth Pop nennen… Im Laufe der Zeit haben wir uns dann mehr und besseres Equipment zugelegt und das Ganze wurde uns immer ernster und professioneller. Unsere ins Netz gestellten Songs führten damals zunächst zu kleinen Web-Releases über Download-Vertriebe und später dann zu ein paar digitalen Singles und Album-Releases über kleinere Netlabels. Letztendlich bekamen wir die Chance, unser letztes Album „WolfSkill“ über Scentair Records als CD zu veröffentlichen.

BODYSTYLER: Da Du mit Deinem Projekt eine recht breit gefächerte elektronische Palette präsentierst, wäre es interessant zu erfahren, wo Du Deine musikalischen Wurzeln siehst? Welche Musik hat Dich in Deiner Kindheit und Jugend geprägt und welche Idole von damals hast Du Dir ins Jetzt und Heute herübergerettet?

BJÖRN PERSIGLA: Meine musikalischen Wurzeln sind tatsächlich im Grunge, Punk Rock und Trip Hop der frühen bis späten 90er Jahre. Das würde man wahrscheinlich weniger vermuten, wenn man sich Kasper Hate anhört. Die ersten elektronischeren Sachen, die mich gekriegt haben, waren dann z.B. Björk’s "Post" oder auch die frühen Sachen der Chemical Brothers. Aber auch die ganze Bewegung um Trip Hop und damit Bands wie Tricky, Ruby, Portishead oder auch Massive Attack. Ein Idol im direkten Sinne habe ich vielleicht nicht, dafür allerdings seit dem ersten Album eine Schwäche für Hole. Courtney Love ist für mich eine begnadete Songschreiberin und Entertainerin und in meinen Augen die unterbewertetste Frau im Musikgeschäft. Ich habe quasi wegen Hole Gitarre spielen gelernt und auch Courtney Love’s Art der Lyrics hat mich mit Sicherheit geprägt.

BODYSTYLER: Ihr umgebt Euch bei Eurem Projekt mit dem Schleier des Mystischen. Man erfährt aus dem Booklet wenig über Euch und Bilder, auf denen Ihr erkennbar seid, gibt es nicht. Wie ist dieses geheimnisvolle Image entstanden und warum ist es Euch wichtig?

BJÖRN PERSIGLA: Entstanden ist die ganze „Mystik“ eigentlich gar nicht wirklich gewollt. Bevor wir auch bei Facebook präsent waren, stellte sich die Frage schon mal gar nicht. Erinnerst du dich an die ersten Jahre von The Knife? Obwohl sie schon recht erfolgreich waren, wusste keiner so ganz genau, wer das war und wie sie aussehen. Auf Fotos und bei Auftritten trugen sie Masken oder Gesichtsbemalung. Ich fand das eine spannende Idee. Gerade in der heutigen Zeit, wo man ja nun jeden und alles recht fix im Internet finden kann, wollte ich das Projekt Kasper Hate einzig auf die Musik und das künstlerische Konzept-Drumherum konzentrieren.

BODYSTYLER: Darf ich vermuten, dass im Rahmen des selbst gewählten Images Live-Auftritte kein Thema sind? Oder wäre es auch für Euch evtl. eine Möglichkeit mit Masken oder ähnlichem auf der Bühne zu erscheinen?

BJÖRN PERSIGLA: Ich würde sogar gerne mal wieder live spielen. Dann zum ersten Mal ohne Gitarre und mit ein paar Jahren Abstand.

BODYSTYLER: Was steht denn einem Konzert im Wege?

BJÖRN PERSIGLA: Das Thema Konzerte ist insofern schwierig, als dass ich Kasper Hate immer als Studioprojekt gesehen habe und nun aber seit geraumer Zeit feststelle, dass ich auch Lust hätte, die Songs mal live darzubieten. Das Problem bzw. die Herausforderung wird dabei die Arbeit mit den verschiedenen Gesangsstimmen sein, die ich ja alle selbst singe. Wir müssten uns dazu überlegen, wie es live umzusetzen ist, ohne etwas "einzubüßen".

"Das Album und dessen Themen sind rauchig und düster, die Stimmung manchmal etwas kühl und geheimnisvoll. Gleichzeitig ist es aber auch verführerisch, warm und beruhigend. Wie Patchouli."

BODYSTYLER: Es gab vor den beiden physisch erhältlichen Alben, bereits einige Web-Releases. Es ist allerdings recht schwer, hier den Überblick zu bekommen, da man im Netz keine wirkliche Diskographie von Kasper Hate findet. Magst Du vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen? Wann erschien welches Werk und wie würdest Du die jeweils enthaltene Musik beschreiben wollen? Was kannst Du über die bereits älteren, auf "WolfSkill" enthaltenen Songs bzw. die teilweise erfolgten Neuaufnahmen berichten?

BJÖRN PERSIGLA: Wie ich vorhin kurz angesprochen hatte, gab und gibt es eine ganze Reihe an Songs im Netz. Auch viele Demos und Arbeitsversionen. Die eigentlich zu erwähnenden, offiziellen Releases beginnen dann erst später mit den digitalen Singles und Alben, die über BRM Electro und Davino Records erschienen sind. Das waren zunächst die Singles „I am the center“ und „I’m a Hunter“ sowie das Album „Monotronia“. Später folgten dann die Singles „Dark Waters“ und „Sunset Marquis“ sowie das Album „Starving King“. Zeitgleich veröffentlichten wir dann auch die ersten Videos. Als Letztes möchte ich das Album „Weltenbaum“ nicht unerwähnt lassen, welches Remixe von zehn unterschiedlichen Musikern enthält. Als sich die Möglichkeit einer CD-Veröffentlichung ergab, waren wir und Scentair Records uns einig, dass wir eine Art Zusammenstellung aus den bisherigen Singles und neuen Songs daraus machen wollten. Teils haben wir die älteren Stücke nochmal etwas aufpoliert und manche auch etwas umgeschrieben. Die neuen Songs auf „WolfSkill“ sind etwas kühler und elektronischer angehaucht als der Rest und deuten damit eigentlich schon an, in welche Richtung nun auch das aktuelle Album geht.

BODYSTYLER: Dein aktuelles Album erscheint gegenüber Deinem CD-Debüt "WolfSkill" wirklich etwas dunkler, um nicht zu sagen schwerer im Ausdruck. Wie würdest Du selbst die beiden Werke vergleichen und was kannst Du zur dazwischenliegenden Entwicklung sagen?

BJÖRN PERSIGLA: Ich denke, es ist einfach die Mischung von Songs aus verschiedenen Veröffentlichungen, die „WolfSkill“ etwas „bunter“ erscheinen lässt. „Raw Patchouli“ als Konzept besteht bereits seit nunmehr eineinhalb Jahren und ich wollte damit in der Tat wieder etwas zurück zu „dunkleren“ Tönen. Darum auch der Albumtitel.

BODYSTYLER: Dann setzen wir da doch gleich mal an. Ihr nennt das neue Album "Raw patchouli" und für viele dürfte das entweder ein Hinweis auf die asiatische (indische) und afrikanische Kultur oder aber auch die Gothic-Szene sein, da dieser Duft dort sehr oft verwendet wird. Warum ist die Patschuli-Pflanze, die meines Wissens nach nur für ihren Duft bekannt ist, für Dich persönlich wichtig und was möchtest Du mit dem Albumtitel ausdrücken?

BJÖRN PERSIGLA: Der Name des Albums ist schlichtweg eine Anlehnung an mein Lieblingsparfum. Darüber hinaus fand ich die Idee spannend, Musik mit einem Duft oder Geruch in Verbindung zu bringen. Das Album und dessen Themen sind rauchig und düster, die Stimmung manchmal etwas kühl und geheimnisvoll. Gleichzeitig ist es aber auch verführerisch, warm und beruhigend. Wie Patchouli.

BODYSTYLER: Auf der parallel präsentierten Free-Download-Single "Running blind" ist ein zweiter Song mit dem Titel "Running blind against the world" enthalten. Was magst Du über diese Variation erzählen?

BJÖRN PERSIGLA: Dieser Remix oder diese Abwandlung von „Running blind“ gibt in erster Linie die Schwere und das elegische des Textes musikalisch wieder. Die Originalversion hingegen ist viel elektronischer und tanzbarer. Heutzutage sind Remixe oft so gestrickt, dass der Originalsong kaum bis gar nicht mehr zu erkennen ist. Ich wollte bei diesem Remix den Song in ein völlig anderes Gewand stecken, die eigentliche Stimmung und Aussage aber beibehalten.

BODYSTYLER: In Deinen Texten geht es oft um Schmerz, Verzweiflung oder Betrug, Herzen werden herausgerissen und auch schon mal zu Handgranaten. Trotzdem vermittelst Du all diese aufwühlenden Eindrücke/Erfahrungen zumeist mit einer geradezu sanften Stimme und manchmal auch gespenstischen Ruhe. Bist Du ein Mensch, der sich in schwierigen Situation eher in sich zurückzieht und die Ruhe bewahrt oder gibt es auch Dinge, die Dich zum Explodieren bringen?

BJÖRN PERSIGLA: Ich würde mich sogar als sehr temperamentvollen Menschen beschreiben. Und natürlich gibt es (persönliche und globale) Dinge, die mich wütend machen. Das reicht von Ungerechtigkeit und Intoleranz bis hin zu Homophobie, Gewalt oder Rassismus. Textlich bewege ich mich meistens jedoch eher in persönlicheren Gefilden und nutze Erfahrungen, die wahrscheinlich jeder kennt. Dass ich mich hierbei gerne an Metaphern halte, liegt an dem künstlerischen Anspruch, den ich selbst an meine Lyrics stelle. Die letztendliche stimmliche Umsetzung schreit den Schmerz oder die Botschaft nicht heraus. Das wäre wohl auch nicht passend zum Rest. Ich verwende da eher andere künstlerische Mittel, wie den Einsatz mehrerer Gesangsstimmen und experimentiere auch gerne mit Voice-Pitching oder diversen Filtern.

"Courtney Love ist für mich eine begnadete Songschreiberin und Entertainerin und in meinen Augen die unterbewertetste Frau im Musikgeschäft."

BODYSTYLER: Der Titel des Instrumentals "Yggdrasil" (früher hieß das Lied mal "Weltenbaum", oder?) verweist auf die nordische Kultur, was man angesichts der anderen Songs, präsentierten Bilder etc. nicht unbedingt erwarten würde. Was ist der Hintergrund für diese recht lebendige, ja sogar tanzbare Komposition?

BJÖRN PERSIGLA: Der Song bestand ganz ursprünglich aus dem reinen Anfangsteil und sollte eine Art Interlude werden. Da „Yggdrasil“ als Wort zunächst mal keinen besonders schönen bzw. einen eher rohen Klang besitzt, verwendeten wir damals den Titel „Weltenbaum“ und machten aus der Grundidee einen kompletten Song. Bei der Arbeit an „Raw Patchouli“ stand zunächst die Idee im Raum, das ursprüngliche und unveröffentlichte Interlude auch als solches mit aufs Album zu nehmen. Aus dieser Idee wurde dann der Song „Yggdrasil“ – eine Mischung aus beiden Stücken. Bezieht man sich übrigens bei dem Begriff „Weltenbaum“ oder „Yggdrasil“ z.B. auf die Wikinger, so stellt der monströse Baum die Verbindung zwischen Himmel, Mittel- und Unterwelt dar und stützt die Himmelskuppel. Dass die Komposition eher stampfend und cluborientiert, im Vergleich zu den meisten anderen Songs auf dem Album vielleicht sogar etwas monströs daherkommt, lag für mich beim Gedanken an dieses Bild nahe.

BODYSTYLER: Die Bilder, die Du im Booklet verwendest, sind definitiv ein absoluter Blickfang. Was kannst Du uns zum Fotografen erzählen, wie seid Ihr in Kontakt gekommen und was bedeuten Dir persönlich die ausdrucksstarken Bilder?

BJÖRN PERSIGLA: Der Fotograf heißt Roberto Antonietti. Ich habe seine Bilder in einem Fotoblog entdeckt und ihn kurzum angeschrieben. Seitdem stehen wir in Kontakt und arbeiten zusammen. Ich verbinde mit seiner Art, die Bilder in Szene zu setzen, das, was ich selbst an Bildern mit der Musik von Kasper Hate verbinde. Teilweise sind es Bilder, die vor unserem Kennenlernen entstanden, es gibt aber auch welche, die Roberto extra für das Album oder für verschiedene Single-Cover angefertigt hat. Er ist unglaublich kreativ und ehrlich in seiner Inszenierung. Die Bilder sind roh und oftmals düster in der Thematik. Gleichzeitig aber besitzen sie etwas Schönes und anziehendes. Das gefällt mir.

BODYSTYLER: Du hast neben der Musik noch einen Job, in dem Du mit vielen Menschen arbeitest. Darf ich fragen, ob diese wissen, dass Du Musik machst? Gibt es aus diesem Umfeld Rückmeldungen, die Dich bestärken bzw. beeinflussen?

BJÖRN PERSIGLA: Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich Musik mache und lege durchaus großen Wert auf das Feedback aus meinem persönlichen Umfeld. Sowohl positive als auch kritischere Rückmeldungen empfinde ich hierbei als bestärkend und motivierend. Die positiven Meinungen freuen mich natürlich mehr… Beeinflussen im eigentlichen Sinne lasse ich mich allerdings nicht. Dafür weiß ich zu genau, wie Kasper Hate klingen soll und was ich mit meiner Musik vermitteln möchte. Wenn sich darin dann der ein oder andere wiederfindet, ist mein persönliches Hauptziel erreicht.