Diary of Dreams

Graue Perspektiven

29.10.2015 - Äußerlich trist erscheint das neue Werk von Diary Of Dreams und das passt nicht nur zu Jahreszeit, sondern auch zu vielen zwischenmenschlichem Tragödien und dem Zustand unserer Welt. Perspektivwechsel könnten an dieser Stelle beunruhigen, aber auch die Erhellung, die der Albumtitel "Grau im Licht" verheißt, ermöglichen. Gemeinsam mit Mastermind Adrian Hates blicken wir ins Traum-Universum. Von: Torsten Pape

Image Meister der Grauzonen-Illumniation: Diary of Dreams (Foto: Guido Fricke)

BODYSTYLER: Lass uns zunächst doch einfach mal kurz in die Vergangenheit schauen. Zwischen "Ego:X" und "Elegies in darknes" lagen ungefähr drei Jahre, das Akustik-Album sowie das .com/kill-Debüt. Nun schiebst Du anderthalb Jahre nach "Elegies..." bereits das nächste Werk hinterher. Da könnte man sich angesichts der erneut gegebenen Tiefe der Musik und der Texte schon fragen, wann Du dazwischen die Zeit hattest, genügend Inspirationen zu erleben?

ADRIAN HATES: Ganz ehrlich? Wenn man die Augen aufmacht und durch die Welt läuft, bekommt man doch manchmal mehr Inspiration als einem lieb ist. Ich denke, dass gerade die letzten zwei Jahre an katastrophaler Traurigkeit kaum zu übertreffen waren. Gott sei Dank trifft das auf mein Privatleben nicht zu, aber ich finde, wenn man die Außenwelt ausblendet, ist das nicht gerade förderlich. Es ist vielmehr wichtig, sich mit dem Elend auch zu befassen. Insofern gibt es immer genug Futter für meinen Kopf, der muss das dann irgendwie verarbeiten und das mache ich über die Musik. So entstand dann "Grau im Licht" sehr schnell und ich denke, dass die Grauzonen des Lebens eine große Inspirationsquelle sind.

BODYSTYLER: Da nimmst Du mir ja meine nächste Frage vorweg, da ich Dich nach dem Albumtitel befragen wollte und schon vermutet hatte, dass es um eine nähere Betrachtung bzw. Beleuchtung von eben diesen Grauzonen geht...

ADRIAN HATES: Ja, auf jeden Fall. Ich denke, wir leben in einer Welt, die aus Schwarz, Weiß und Grau besteht, dass das zum einen Gemütszustände ausdrückt, sich aber auch in Weltanschauungen wiederspiegelt. Grau kann dabei ein Kompromiss sein, eine Grauzone aber auch etwas, was nur bedingt geduldet ist.

BODYSTYLER: Was erscheint denn grau im Licht, was vorher vielleicht nicht grau war?

ADRIAN HATES: Die Perspektive.

BODYSTYLER: Ich habe mich im Vorfeld des Interviews natürlich auch mit dem Cover-Motiv auseinandergesetzt und da sind mir auf jeden Fall viele Parallelen zu Deiner Vergangenheit aufgefallen. Lass mich mit "Bird without wings" anfangen, dann gab es den Raben auf dem "Nigredo"-Album und jetzt die Vögel, die das neue Artwork bestimmen. Außerdem findet man immer wieder Verweise auf andere geflügelte Wesen, wie Engel oder Schmetterlinge und mit "Ikarus", dem Namen eines aktuellen Songs, assoziiert man ja ebenfalls das Fliegen. Welche Bedeutung haben für Dich die Flügel oder der Traum vom Fliegen?

ADRIAN HATES: Das ist eine gute Frage und ich bin mir solcher Dinge oft nicht bewusst, wenn ich Songs schreibe. Das naheliegendste wäre natürlich das damit verbundene Freiheitsgefühl, gerade bei "Ikarus". Es ist aber auch ein Symbol für einen Aufbruch, beispielsweise der Vögel im Herbst. Somit natürlich aber auch für einen Abschied und es beginnt gerade eine tristere Zeit, der Winter. Dennoch haben Vögel etwas Majestätisches, Hoffnungsvolles und bringen auch etwas Positives mit sich. Bei "Bird without wings" war es zum Beispiel die beschnittene Freiheit, die Reduktion auf minimalste Werte. "Grau im Licht" beschäftigt sich, wenn man so will, mit unseren beschnittenen Perspektiven.

"Die Versionen, die Johnny Cash von U2s "One" oder "Hurt" von den Nine Inch Nails gemacht hat, höre ich zum Beispiel lieber als die Originale!"

BODYSTYLER: Dann lass uns doch direkt ins Album einsteigen, das mit dem Song "Sinferno" beginnt. Das ist ja mal wieder eines Deiner gelungenen Wortspiele, was mich zunächst zu der Frage führt, ob Du im Allltag auch jemand bist, der gern Doppeldeutigkeiten aufspürt und zwischen den Zeilen liest?

ADRIAN HATES: (lacht) Das wird mir zumindest nachgesagt. Spitzfindigkeiten im Sprachgebrauch sind leider so eine Art Marotte geworden. Das ist zuweilen recht anstrengend, da ich sehr auf die Sprache achte. Das kann natürlich auch nerven, nicht mich, aber andere (lacht). Dann ist es aber auch so, dass ich vieles, was ich höre, weiterdenke, aufschreibe und Inspiration daraus schöpfe.

BODYSTYLER: Was bedeutet denn der Begriff "Sinferno" für Dich und wie ist er entstanden?

ADRIAN HATES: Das steht schon für "Sündenapokalypse". Ich denke, dass die Anhäufung von Überzeugungstaten auf der Basis von vermeintlichem Wissen ein infernalisches Ausmaß angenommen hat und somit zwangsläufig in die Irre führt. Wenn man das aus einer ganz neutralen Perspektive betrachtet, geschieht das alles aufgrund einer ganz simplen Sünde.

BODYSTYLER: Da bringst Du vieles auf den Punkt. Ich finde ja auch die Kombination mit den verwendeten Klängen sehr spannend. Zeitweise muss man ja sogar an die "Carmina Burana" denken. Wie stehst Du zu diesem Vergleich?

ADRIAN HATES: Mit Carl Orff verglichen oder auch nur in einem Satz genannt zu werden, ist grundsätzlich ja erstmal eine Ehre. Bei der "Carmina Burana" denkt man natürlich immer zuerst an diese Stakkato-Chor-Einsätze und ob man es will oder nicht, so etwas klingt auch in anderem Kontext immer danach. Ich stehe nun mal auf brachiale, opulente und kräftige Chor-Passagen - da geht mir das Herz auf. Es ist mir selbst aufgefallen, dass es zu solch einer Assoziation kommen könnte und habe das sogar mit meinen Bandkollegen diskutiert. Wir sind zu dem Schluss gekommen es so zu lassen, da das nun mal nichts Geklautes, sondern nur ein voluminöser Chor ist.

BODYSTYLER: Kommen wir nun zu "Endless nights". Zunächst wirkt in diesem Song alles ganz beruhigend, Du singst, dass man sich nicht fürchten soll und zum Schluss erklingt diese bedrohliche Stimme, die verkündet, dass es keine Hoffnung gibt...Wie ist denn die Ambivalenz im Text entstanden?

ADRIAN HATES: Ist das nicht ein Spiegelbild dessen, was wir alle in unserer Realität erleben? Das passiert doch täglich in den Medien, die uns zum einen die Katastrophe vorgaukeln, aber auf der anderen Seite ist wieder alles gut und schön und wir müssen uns doch vor nichts fürchten. Das ist aber auch das, was die Mutter am Bett zu ihrem Kind sagt, auch wenn sie selbst Angst hat. Das ist die Ambivalenz des Lebens, die zwei Facetten, die zwei Farben Schwarz und Weiß - es sind keine Farben, ich weiß (lacht) - aber die Kontraste des Lebens.

BODYSTYLER: Mein absoluter Ohrwurm ist gerade der gefühlvolle Hit "Ikarus". Im Text geht es anscheinend um falsche Freunde, aber in ihm versteckt sich auch ein Plädoyer für die Einsamkeit oder auch die Ruhe in sich selbst. Liege ich mit meiner Deutung halbwegs richtig?

ADRIAN HATES: Ja. Zum einen geht es um menschliche Enttäuschungen, die, glaube ich, jeder schon mal erlebt hat, aber auch Vertrauensmissbrauch und das Gefühl hintergangen zu werden. Das ist nicht mal auf eine Partnerschaft bezogen, sondern handelt wirklich rein auf freundschaftlicher Ebene. Mit der Beschreibung "Plädoyer für die Einsamkeit" bringst Du es sehr schön auf den Punkt, insofern, dass man das Selbstvertrauen braucht, um sich selbst auch mal kritisch zu betrachten und zu sagen, dass man einen Fehler gemacht hat. Es ist wichtig, sich zu hinterfragen, aber gleichzeitig muss man sich nicht jeden Schuh anziehen und erkennen, wann Kritik berechtigt ist.

BODYSTYLER: Ich weiß ja, dass Du nicht mehr so viel vom Single-Format hältst, aber das wäre doch im Grunde ein absolut tauglicher Kandidat, oder? Vielleicht könnte man ihn ja auch noch gesondert in einer anderen Form präsentieren...?

ADRIAN HATES: Das wird bestimmt auf die ein oder andere Weise geschehen, genau wie bei "Endless nights" und "Sinferno", die bestimmt ein Highlight im Club und auf der Bühne werden. Wie immer werden ganz unterschiedliche Songs angeführt, wenn man die Leute nach ihren Favoriten befragt. Da werden zum Beispiel auch immer wieder "Grau im Licht" und "Ikarus" genannt. Ich bin natürlich zu dicht dran, um das zu bewerten, aber in meinem Umfeld wurde zum Beispiel gesagt, dass "Ikarus" der neue "Traumtänzer" werden könnte. Eine CD-Single im klassischen Sinne wird es aber bei Diary of Dreams wirklich nicht mehr geben. Da müsste schon ein kleines Wunder geschehen oder man macht das höchstens mal für einen Song, der auf keinem Album drauf ist. Eine "normale" Single ist jedoch vergebene Liebesmüh' und verschwendetes Geld. Von daher konzentriere ich mich lieber auf Medien, die von allen dankbar angenommen werden, mir mehr Spaß machen und ein ganz anderes Gesamtbild ergeben. Mit einem Album kann man ja ganz anders arbeiten.

BODYSTYLER: Der nächste Song, den ich mir etwas näher betrachtet habe, ist "Die my phobia", der den grandiosen Satz beinhaltet: "We lost the chance to lose". Welche Erfahrung oder Situation hat denn diese Erkenntnis geformt?

ADRIAN HATES: Hm, schwer zu sagen. Ich glaube, es ist der Umgang jedes Einzelnen mit sich selbst, wie aber auch der ganzen Welt mit sich selbst, verbunden mit der Tatsache, dass jeder von sich behauptet richtig zu liegen und in politischer oder zwischenmenschlicher Hinsicht alles richtig zu machen. Das Eingestehen von Versagen ist ein soziales Tabu. Eine Schwäche zu zeigen, ist nicht gut und wird in der Regel bestraft. Das ist etwas, das wir uns über die Jahrzehnte oder Jahrhunderte anerzogen haben. Man muss immer Stärke zeigen und darf nie verlieren. Dabei zeugt es doch von viel mehr Größe, wenn man auch ein Verlieren annehmen kann. Das sagt dieser Satz für mich aus.

BODYSTYLER: Das sieht man ja auch bei Kindern, die heutzutage nach einem Spiel kaum mehr gefragt werden, ob es denn Spaß gemacht hat. Vielmehr wollen alle immer nur wissen, wer am Ende gewonnen hat.

ADRIAN HATES: Da nennst Du ein gutes Beispiel und ich erlebe das auch in meinem Freundeskreis, dass es immer nur ums Gewinnen geht oder wer die meisten Tore geschossen hat. Ich kann mich nicht erinnern, dass das in meiner Kindheit auch so war. Fußball war nie mein Sport, aber ich hab' da auch mal mitgespielt und am Ende haben wir oftmals nicht mal die Tore gezählt. Diese Freude am eigentlichen Spiel ist leider verloren gegangen, aber ich bin auch davon überzeugt, dass das Leistungsprinzip bzw. das kapitalistische System, in dem wir leben, eigentlich am Ende ist. Die meisten Leute haben das jedoch noch nicht eingesehen, obwohl die aktuelle Situation in Deutschland deutlich zeigt, dass das Leben auf Kosten anderer am Ende einen Preis haben wird, den wir bezahlen werden. Die Menschen müssen begreifen, dass die aktuellen Zustände ein Ergebnis unseres Handelns bzw. Nichthandelns ist. Wenn man diese Brisanz erkennt, erhält man vielleicht auch eine andere Perspektive.

BODYSTYLER: Spannendes Thema, aber lass uns trotzdem zum nächsten Song kommen und zwar ist mir bei "Sinnflut" sofort aufgefallen, dass es hier eine Diskrepanz zwischen Titel und Text gibt, denn im Text wird später nur das Wort "Sintflut" benutzt. Welcher Gedanke steckt denn dahinter?

ADRIAN HATES: Es ist auch hier wieder die Tatsache, dass wir ständig mit vermeintlichen Sinn-Inhalten überflutet werden und mit der Benutzung des Wortes "Sintflut" im Text wollte ich die Aussage treffen, dass dieser fiktive Charakter keine Erlösung schenken möchte. Er möchte nicht von dem befreien, was belastet, sondern er sagt, dass ihr das, was ihr gesät habt, auch selbst ertragen müsst. ("Ich schenk' Dir meine Sintflut nicht."; Anm.d.Red.)) Die Sintflut ist natürlich ein biblisches Bild, das im Kopf des Hörers den Begriff einer Übermacht entstehen lassen soll.

"Ich denke, dass die Anhäufung von Überzeugungstaten auf der Basis von vermeintlichem Wissen ein infernalisches Ausmaß angenommen hat und somit zwangsläufig in die Irre führt.
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BODYSTYLER: Mir ist aufgefallen, dass über die Jahre in Deinen Songs immer wieder der Begriff "Gift" auftaucht, aktuell bei "mitGift" und im grandiosen Text von "Schuldig!" ("In Deinem Blick ein Tier erfriert, Dein Gift die Sinne schon betäubt..."). Was bewirkte denn in diesen Fällen die erneute Anziehungskraft dieses Begriffes?

ADRIAN HATES: Schwer zu sagen. Das war ja früher schon bei "(ver)Gift(et)?", "End(-Giftet)?" oder "Giftraum" der Fall. Es gibt schon einige "Gift"-Beispiele (lacht). Ich glaube, mich fasziniert das Bild der Wesensveränderung, dass man aus einem Menschen oder auch Tier etwas anderes macht, wenn eine Vergiftung da ist und man nicht mehr sinnvoll oder moralisch handeln kann. Außerdem denke ich, dass ganz viele Dinge eine Vergiftung darstellen und bereits das Einschalten des Fernsehers oder das Konsumieren von Medien eine Art von Vergiftung ist. Das ist eine Belastung, eine Veränderung und ein Eingriff in unseren Kopf. Werbung ist vielleicht sogar die größte Vergiftung, die wir haben. Ich glaube, deswegen benutze ich das Wort "Gift" so häufig, weil es in den verschiedensten Bedeutungen so kraftvoll und omnipräsent ist. Ein Giftraum war ja ein Isolierraum, in dem man auf sich selbst gestellt ist und versuchen muss, sich von seinem Gift zu befreien. Das geschieht in Form von Nicht-Konsumieren. Ich habe ja zum Beispiel mal elf Jahre ohne Fernseher gelebt und das war eine sehr sinnvolle Zeit. Auch heute hat er keine große Präsenz in meinem Leben und je weniger man sich mit Dingen auseinandersetzt, die uns manipulieren sollen, umso besser ist es für uns. Ich liebe es übrigens auch, wenn ein Wort in verschiedenen Sprachen verschiedene Bedeutungen hat und man zum Beispiel die englische Übersetzung "Geschenk" in den Kontrast zur deutschen Bedeutung setzen kann...

BODYSTYLER: Schaffst Du es eigentlich, wenn man Dir einen Songtitel oder eine Textzeile nennt, diese dem passenden Album, der entsprechenden EP etc. zuzuordnen?

ADRIAN HATES: Das kommt darauf an. Es gibt Alben mit großer Präsenz in meinem Schädel und ich kann Dir bei ganz vielen Stücken auch sagen, wann, wo und in welchem Studio sie entstanden sind. Andere Sachen hingegen sind im Kopf-Nirwana verhallt und nur sehr diffus zu greifen. Bei manchen Songs muss ich sogar nachschauen, auf welchem Tonträger sie sind. Ich glaube, es gibt mittlerweile 25 CDs von uns und darunter sind 12 reguläre Studioalben, wobei man die Mini-Alben, die ja immer mindestens sieben Songs beinhalteten, ja im Grunde dazu zählen muss. Insofern ist das eine Menge Material und auch für mich schwer, da alles auf Anhieb zu wissen. Wieso fragst Du eigentlich? Wolltest Du mich testen? (lacht)

BODYSTYLER: Nein, so gemein bin ich dann doch nicht, aber Du kannst gern mal Beispiele nennen, was Dir absolut präsent bzw. was ganz weit weg ist...

ADRIAN HATES: Ich weiß zum Beispiel noch ganz genau, wie ich damals mit Daniel Myer im Studio saß und mit ihm die Sequenz am AKAI S 3000 für die Filtermodulation von "O'Brother sleep" programmiert habe. Ich weiß auch noch, wie ich am Klavier saß und die ersten Zeilen und Töne von "She and her darkness" geschrieben habe. Ich weiß, wo ich dabei gesessen habe und sogar, was auf meinem Tisch lag. Das war nämlich der Spruch "Ich wollte meinen Frieden mit der Welt, aber die Welt wollte meinen Frieden nicht.", eine Zeile, die immer wieder bei Diary of Dreams vorkam. Von solchen Beispielen könnte ich schon noch eine halbe Stunde weiter erzählen, gerade aus der "Nigredo"-Zeit. Dafür habe ich gestern für das neue Live-Set alte Stücke durchgehört, weil es ja interessant ist, auch mal wieder was Frisches an Bord zu nehmen. Bei Songs wie "Poison breed" (schon wieder "Gift"...; Anm.d.Red.) oder generell Sachen aus der Zeit von "If" oder "Nekrolog 43", da fällt es mir schon manchmal schwer, sie dem entsprechenden Album zuzuordnen. Kein Ahnung warum, aber früher waren die Zeitspannen zwischen den Alben etwas länger und die frühen Sachen manifestieren sich auch ganz anders im Kopf, als wenn man schon 150 Lieder geschrieben hat.

BODYSTYLER: Als Fan oder Musikhörer weiß man ja irgendwann auch nicht mehr genau, wann man sich welche CD gekauft oder wann man sie geschenkt bekommen hat...

ADRIAN HATES: Wobei ich zum Beispiel sogar glaube, dass viele Fans die Alben mittlerweile besser kennen als ich. Ich persönlich schließe ja jedes Album für mich ab, wenn ich damit fertig bin. Es passiert dann auch nicht, dass ich mir die CD Sonntag nachmittags raushole und sie mir anhöre. Ich beschäftige mich erst wieder mit den alten Sachen, wenn wir eine Tour vorbereiten.

BODYSTYLER: Kannst Du denn vielleicht eine dieser Ausgrabungen schon der Öffentlichkeit preisgeben?

ADRIAN HATES: Dafür ist es leider noch zu früh, aber es gibt schon eine Menge Songs, die auf der Liste stehen. Wenn ich jetzt einen Titel nenne, ist es am Ende wahrscheinlich genau der, der es dann nichts ins Set schafft. Dafür kann ich aber verraten, dass wir seit einem Dreivierteljahr an der Gestaltung der Bühne arbeiten. Es wird nämlich das erste Mal ein richtig opulentes Bühnenbild geben. Die geplanten Aufbauten haben unser Team schon an die Grenzen ihrer nervlichen Belastbarkeit gebracht haben. Das wird bestimmt ein ganz schöner Hingucker.

BODYSTYLER: Es ist bezüglich Deiner Band einen ungewöhnlichen Fakt und zwar habt Ihr, wenn ich mich recht besinne, nie eine Coverversion gemacht...

ADRIAN HATES: Nee, da hast Du eine verpasst: "Bladerunner".

BODYSTYLER: Na gut, kenne ich natürlich, aber das ist ja jetzt auch keine typische Coverversion, wenn man eine instrumentale Filmmusik nimmt...

ADRIAN HATES: ...und der Song ist ja auch auf keinem regulären Album drauf...

BODYSTYLER: Trotzdem frage ich Dich jetzt natürlich, ob Du nie Lust verspürt hast, mal eine Fremdkomposition zu adaptieren? Oder anders gefragt: Gibt es Songs, die Du gern geschrieben hättest?

ADRIAN HATES: Es gibt mit Sicherheit einige Songs, die ich für spektakulär halte und die bei mir Dauerbrenner sind. "Shape of my heart" von Sting zum Beispiel und den könnte man bestimmt auch gut in eine Diary Of Dreams-Klangfarbe verpacken. Generell finde ich auch die Band The Neibourhood toll, da sind auf dem ersten Album 50 Prozent der Songs sensationell. IAMX sind klasse und das "Mezzanine"-Album von Massive Attack ist eine Legende. Warum ich keine Coverversion gemacht habe, lag vielleicht auch daran, dass der Aufwand ungefähr genauso groß ist, als wenn man einen neuen Song schreibt und dann schreibe ich eben lieber einen neuen (lacht). Gleichzeitig muss ich sagen, dass es innerhalb der Band Gespräche gibt, mal an einem Cover-Projekt zu arbeiten, aber ob das jemals das Licht der Welt erblicken wird, weiß ich nicht. Mein Ansatz wäre dabei, eben mal nicht Cover von Songs zu machen, die naheliegend sind, sondern die zu nehmen, die etwas abwegig sind. Es gibt viele Projekte in der Szene, die die typischen Lieder beinhalten, die ich auch gern höre und toll finde, aber das wäre für mich keine Herausforderung. Da finde ich es reizvoller, wenn man erst ein paar Mal hinhören muss, um zu erkennen, welcher Song das ist. Die Versionen, die Johnny Cash von U2s "One" oder "Hurt" von den Nine Inch Nails gemacht hat, höre ich zum Beispiel lieber als die Originale!

BODYSTYLER: Da gebe ich Dir Recht. Ich bin jedenfalls gespannt, ob aus Euren Ideen etwas wird. Darf ich denn an der Stelle vielleicht gleich noch fragen, wie es denn bei Deinem Nebenprojekt .com/kill gerade aussieht?

ADRIAN HATES: Super. Wir haben dieses Jahr sogar noch ein Konzert in der Moritzbastei in Leipzig und ich denke, direkt nach der Tour mit Diary Of Dreams sitze ich wieder am Rechner und arbeite an .com/kill. Da dürfte dann im Frühling oder Sommer des nächsten Jahres das nächste Album kommen.