Transponder

Körpermusik und Handarbeit

17.12.2016 - Betrachtet man rückblickend das Jahr 2016 so hat wohl kaum eine andere Band vergleichbar viele Veröffentlichungen wie das deutsche Duo Transponder in die Welt gesetzt. Zeitweise gab es in einem Abstand von einigen Tagen oder Wochen Nachschub des stilistisch recht breit aufgestellten elektronischen Projektes, wobei u.a. EBM, New Beat und Miami Bass im Angebot sind. Von: Torsten Pape

Image Hanz Acid und Freund 242 sind die verantwortlichen Transponderanten. (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Welche Details sind denn vom ersten Kontakt und den folgenden Treffen zwischen Hanz Acid und Freund 424 überliefert und wann genau bzw. wie wurde die Zusammenarbeit besiegelt?

FREUND 424: Facebook sei Dank! Hanz und ich hatten schon lange via Facebook miteinander zu tun. Er hatte öfters an den Samplern von „Body Music“ teilgenommen. Mit der Zeit ist der Kontakt gewachsen und als die Idee, Transponder zu gründen, gereift ist, hatte ich ihn gefragt, ob er Lust an einer dauerhaften Zusammenarbeit hätte, was er gleich bejahte und sich diese auch gleich in dem ersten Album „The Strength Of My Fist“ manifestierte.

HANZ ACID: Ja, das Ganze fing eigentlich damit an, dass ich auf zwei Rhesus Factor-Tracks als Gastsänger fungierte. Das war der erste Grundstein. Diese Kollaboration hat uns so gut gefallen, dass daraus mehr oder weniger ein eigenständiges Projekt namens Transponder wurde.

BODYSTYLER: Ihr arbeitet mit einem selbst geschriebenen Musik-Programm, um Eure Tracks zu komponieren / umzusetzen. Wie darf man sich das denn genau vorstellen? So ein Programm schreibt sich ja nicht mal so nebenbei, oder? Ist das nur für Euren Privatgebrauch oder vielleicht etwas, was auch andere Künstler interessieren könnte?

FREUND 424: Ich hatte in meiner Vergangenheit noch andere musikalische Projekte, die ausschließlich aus Hardware Synthesizern, Drummachines usw. bestanden. Irgendwann entwickelt man ein Ohr für diverse Hardwareklänge und erkennt auch in Stücken anderer Bands z.B. einen Roland, Korg oder Oberheim oder sogar direkt Geräte wie den TB 303 oder die TR 808. Das hat mich immer gestört. Ich habe mich dann mal daran gemacht, selber ein Musikprogramm zu kreieren, was genau das beinhaltet, was ich brauche. Angefangen von VST-Plugins bis zu Effekten, einem Midi-Editor etc. Besonders hat mich an Hardwaregeräten gestört, dass sie auch nur das können, was ein Programmierer ihnen erlaubt zu machen. Jemand, der nur an Reglern dreht, bekommt auch nur das, was ein Programmierer an Funktionen dem Gerät erlaubt hat. Das war mir irgendwie zu wenig. Wenn man sich nur einmal die Yamaha RM1X Workstation anschaut: für z.B. EBM sind da ein paar Bassläufe prima, aber alles andere ist ein ganzer Mist. Ich hatte dann beschlossen, meine eigene Drummachine und mein eigener Sequenzer zu werden. Dazu verwende ich ausschließlich „One Shots“ für Kicks, HiHats, Snare, Crash, Zaps, … . Diese setze ich dann per Hand genau so, wie ich das haben möchte und nicht, wie es ein Gerät vorgibt. Auch der Basslauf ist Handarbeit. Das ist zwar alles viel Arbeit, aber es garantiert, dass wir uns nicht anhören wie andere Bands.

BODYSTYLER: Ein Blick auf Eure Diskographie kann jemanden, der die Band kennenlernen möchte, ohne weiteres sprach- und ratlos machen. Im Jahr 2016 habt Ihr bis jetzt sage und schreibe sechs Alben sowie neun Singles zumeist im Download-Format veröffentlicht. Da blieb wahrscheinlich nicht viel Zeit für die anderen schönen wie notwendigen Dinge des Lebens, oder? Was würdet Ihr denn den potentiell Interessierten für einen gesitteten Einstieg in die Transponder-Materie empfehlen?

FREUND 424: Tja, gute Frage... Wer EBM-Alben haben möchte, sollte sich mit „The Strength Of My Fist“, „EBM For The Masses“, „Hammer And Anvil“ und dem bald erscheinenden Album „The Black Gold“ befassen. Wer sich eher in diverse Dark Electro -Alben begeben möchte, dem empfehle ich „The Past Is The Future“ und „10. Travanj“. Wer mal was ganz anderes hören möchte: „Beats, Bass & Scratches“. Das ist allerdings eher was für Leute die Miami Bass mögen und auch für 3-4 Lieder keine Angst vor Oldschool Hip-Hop haben.
HANZ ACID: Ich empfehle auf jeden Fall als Einstieg unser Debüt Album „The Strength of my Fist“, es zeigt sehr gut alle Facetten unseres Stiles und gleich danach unser neues Werk „Hammer and Anvil“. Man könnte fast meinen, wir hätten wirklich nichts anderes zu tun außer Musik zu machen, aber tatsächlich ist 2016 nur das Erscheinungsjahr, bei vielen Veröffentlichungen aber nicht das Entstehungsjahr.

BODYSTYLER: Am 1.12. wurde via Bandcamp das Album „The Past Is The Future“ und am 2.12. die Single „The Bar Lev Line“ veröffentlicht, die zusammen 20 komplett neue Stücke enthalten. Erzählt doch bitte etwas zu den Themen, die hier aufgegriffen werden und zur Entstehung der Songs!

FREUND 424: Das sind Stücke, die sich meist mit geschichtlichen Ereignissen des 20. Jahrhunderts befassen sowie einigen rein auf das Tanzbein zielenden Songs. Die Songs sind nur dieses Jahr veröffentlicht worden, aber schon letztes Jahr in den Grundzügen entstanden.

BODYSTYLER: Noch in diesem Jahr soll Euer Tribut an The Cure erscheinen, aber langsam könnte das ganz schön knapp werden, oder? Wie ist hier der aktuelle Stand und was darf man genau erwarten?

FREUND 424: Wir sind damit leider etwas in Verzug. Bei diesem Album arbeiten wir musikalisch mit der Kasseler Band evo-lution zusammen. Die Vocals macht in diesem Fall nicht Hanz Acid, sondern Rio Black von der Coldwave Band Atomic Neon. Durch einen Wasserschaden in Rios Studio sind noch nicht alle Vocals fertig. Es wird vermutlich 2016 noch fertiggestellt, aber erst 2017 veröffentlicht.

BODYSTYLER: Beschäftigt man sich eingehender mit Eurer Musik stößt man auf das Album „Beats, Bass And Scratches“, welches einen ganz anderen Stil / Einfluss offenbart. Bitte erzählt doch mal etwas zu diesen musikalischen Wurzeln!

FREUND 424: Ich bin ein großer Freund der TR 808 Sounds. Dieses Gerät wird in der Musikrichtung Miami Bass verwendet, welche vornehmlich von Latinos in Miami produziert wird. Auf die Drumsounds wird fast ausschließlich gesampelt: Sprachsamples, Melodien usw. Was in den meisten Stücken gesampelt wird ist definitiv Kraftwerk. Wer Kraftwerks „Electric Cafe“ mag, wird sicherlich auch die Musikrichtung Miami Bass mögen, besonders Bands wie Maggotron, 2 Live Crew usw. Dass es da auch Hip-Hop Elemente gibt, versteht sich von selbst. All das wurde in „Beats, Bass & Scratches“ umgesetzt.

BODYSTYLER: Hanz, Du bist auch gerne mal solo unterwegs und zudem bei der Band Werksfront involviert. Stelle diese Betätigungsfelder doch bitte einmal kurz vor. Wo liegt deren Fokus und was kannst Du bei Transponder verwirklichen, was anderswo nicht möglich wäre?

"Man könnte fast meinen, wir hätten wirklich nichts anderes zu tun außer Musik zu machen..."

HANZ ACID: Ich bin bei Werksfront größtenteils für die Kompositionen verantwortlich. Beim ersten Liveauftritt war ich noch an den Drums tätig, aber leider stieg aus Zeitgründen unser damaliger Sänger aus, sodass ich danach ans Mikrophon wechselte. Stilistisch bewegt es sich zwischen Anhalt EBM und Industrial Rock. Auf den letzten Studioaufnahmen war es eher elektronisch gehalten, aber live wird es mit mittlerweile zwei Gitarristen gewürzt und alles klingt ein bisschen rockiger. Ich kann mir auch vorstellen, dass es in Zukunft noch mehr Gitarreneinsatz auf den Studioaufnahmen geben wird. Es wird sich zeigen, wie sich alles entwickelt.
Mein Solo Projekt, das ich unter dem Namen HanZ AciD betreibe, ist mehr zufallsbedingt entstanden. Beim komponieren weiterer Werksfront-Stücke habe ich leider immer mehr den Stil „verfehlt“, hatte aber auch irgendwie Gefallen an diesen teilweise synthpop-, teilweise EBM-lastigen oder teilweise auch ganz anderen Stilarten, die dabei entstanden sind. Das Ergebnis kann man bei meinem aktuellen Album „Phönix“ hören, das es auf meiner Bandcampseite momentan zum freien Download gibt.
Falls ich irgendwann mal ein neues Album aufnehmen sollte, ist der darauf dominierende Stil auch noch völlig unbekannt. Ich werde mich musikalisch weiterhin so frei bewegen, wie ich gerade Lust habe. Das ist der Sinn dieses Projektes.
Die Arbeit an Transponder läuft im Gegensatz zu meinen anderen Projekten völlig anders ab. Ich bin mal zur Abwechslung nur für den Gesang zuständig während Freund 424 die Kompositionen und auch die Texte erstellt. Ich kann mich also völlig auf das Singen konzentrieren und arbeite mit den mir gegeben Vorgaben und versuche, das Beste daraus zu machen. Ab und zu baue ich noch hier und da mal einen Synth ein, wenn mir etwas Gutes einfällt, aber das ist eher sehr selten der Fall.

BODYSTYLER: Freund 424 hat ansonsten die Band Rhesus Factor am Start, die ebenfalls eine umfangreiche Diskographie vorweisen kann. Einige Songs, u.a. Kollaborationen mit Claus Larsen tauchen jetzt auch unter dem Transponder-Banner auf, so dass die Grenze zwischen den Projekten zuweilen recht fließend erscheint. Wie darf man sich dieses mal Neben-, mal Miteinander vorstellen? Wie wird entschieden welcher Name am Ende drüber steht und wie kann sich der Hörer/Fan hier am besten orientieren?

FREUND 424: Rhesus Factor existiert nicht mehr. Schon zu der Zeit des letzten Rhesus Factor-Albums war es schon mehr Transponder als Rhesus Factor. Die mit Leaether Strip entstandenen Stücke sind u.a. der Abschluss der Rhesus Factor-Zeit und der Beginn der Transponder-Zeit. Da Claus nicht abgeneigt ist, mit uns auf der Bühne zu stehen, ist es ganz natürlich, die Stücke als Beigabe nochmals mit auf die CD2 des aktuellen Albums „Hammer And Anvil“ zu packen.

BODYSTYLER: Auf „Hammer And Anvil“ präsentiert Ihr neben neuen und alten Stücken weitere Zusammenarbeiten mit Künstlern wie Engelsstaub oder Les Berrtas, wobei interessant wäre zu erfahren, wie der Kontakt gerade zu diesen beiden, aber auch zu solch unerwarteten Remixern wie Parralox und Sixth Comm zustande kam?

FREUND 424: Engelsstaub sind wie ich aus Kassel. Obwohl ich mich seit 1988 der EBM-Szene zuschreibe und mich dann auch in allen bestehenden und früheren dunklen Locations in Kassel rumgetrieben habe, lief ich den Engelsstaub-Mitgliedern nie über den Weg. Erst Facebook machte es möglich uns kennenzulernen. Genauso war es bei Les Berrtas, Parralox und Sixth Comm.

BODYSTYLER: Ihr habt mit „10.Travanj“ ein Download-Album am Start, das ausschließlich kroatische Texte enthält. Wie kam es dazu?

FREUND 424: Ich liebe fremde Sprachen, z.B. entzückt mich persisch, wobei ich bedauere, dass ich es nie lernen werde, denn dafür fehlt mir die Zeit. Eine der Sprachen, die ich zumindest lesen, schreiben und verstehen kann, ist kroatisch (allerdings hapert es mit dem Sprechen). Da die Musik von Transponder auch von Sprachsamples lebt, war es ganz natürlich, auch mal kroatische Samples zu nutzen. Das erste Lied über die „Bad Blue Boys“ ist ein ziemlicher Erfolg geworden. Mit weitem Abstand ist es unser erfolgreichstes Lied bei Youtube. Da war es dann ganz natürlich, das Album „10. Travanj“ nachzulegen.

"Jemand, der nur an Reglern dreht, bekommt auch nur das, was ein Programmierer an Funktionen dem Gerät erlaubt hat. Das war mir irgendwie zu wenig."

BODYSTYLER: Ihr habt bis dato eine grandiose Kollektion von Coverversionen vorzuweisen, die Songs von so unterschiedlichen Künstlern wie Hubert Kah, Tragic Error, Depeche Mode, Front 242 oder auch 2 Live Crew enthält. Wie wird hier die Auswahl getroffen und wie geht Ihr eine solche Interpretation an?

FREUND 424: Wir haben auf dem ersten Album „The Strength Of My Fist“ bereits die erste Coverversion von Johnny O.´s „Fantasy Girl“. Ich wagte einfach mal das Experiment, auf Hanz' kräftige männliche Stimme zu setzen, anstatt wie im Original eine nur aus Höhen bestehende Stimme einzubauen. Das Ergebnis hat mir sehr gefallen. Da ich oft komplett den musikalischen Teil bei Transponder übernehme, muss für Coverversionen ja auch eine Möglichkeit gefunden werden, dass sie sich am Ende auch nach Transponder anhören. Bei den auf der 2CD befindlichen Stücken haben wir das meiner Meinung nach geschafft.

HANZ ACID: Ich versuche mich gesanglich zwar schon am Original zu orientieren, aber wie Freund 424 schon sagte, es muss sich ja auch nach Transponder anhören, sodass ich mit meinem Gesangstil dann teilweise vom Original abweiche und es zu einer Eigeninterpretation des Stoffes kommt.

BODYSTYLER: Mit Eurem graphischen Erscheinungsbild greift Ihr die minimale Darstellung oft technischer Dinge auf, die maßgeblich von Bands wie Nitzer Ebb, Front 242 oder auch Depeche Mode geprägt wurde und sich in der EBM-Szene bis heute großer Beliebtheit erfreut. Bei Euch tauchen jedoch auch mal andersartige Piktogramme wie ein Smiley oder ein persischer Drache (??) auf. Wie erfolgt hier die Ideenfindung und die letztendliche Umsetzung?

FREUND 424: Nun der Smiley ist ja ein aus der New Beat- und Acid-Zeit typisches Motiv. Die Single-Auskopplung heißt ja auch „The Return Of The New Beat“. Der persische Drache ist genauso passend: das Stück „Man Zane Iraniam“ bedeutet übersetzt „Iranische Mutter“ und ist ein Gedicht der iranischen Frauenrechtlerin Hila Sedighi. Sie kämpft wie ein Drache für die Rechte der Frauen im Iran. Da passte das Motiv.

BODYSTYLER: Welche Erfahrungen konntet Ihr bereits auf der Bühne sammeln? Wie sieht ein Transponder-Auftritt aus?

FREUND 424: Hanz hat diverse Auftritte mit Werksfront und den anderen Bands, in denen er mitspielt, absolviert, ich selbst auch mit anderen Projekten. Wir wollten erst mal genügend Material veröffentlichen, bevor wir uns mit Auftrittsplänen befassen. Die Veröffentlichungen sind jetzt nahezu abgeschlossen und wir sind ab 2017 bereit, auf der Bühne zu agieren. Vielleicht kommt noch ein Drummer für das Liveset dazu, was aber auf jeden Fall zu sehen sein wird, ist ein kräftiger Strobo mit viel Nebel.

HANZ ACID: Ja, live bin ich ab und zu mal mit Werksfront auf der Bühne, aber man konnte mich auch immer mal wieder an Drums, Bass oder Gitarre in diversen Metalbands sehen, womit ich deshalb eine stattliche Zahl an Auftritten in den letzten Jahren vorweisen kann. Wie ein Transponder-Auftritt aussieht, wird sich noch zeigen.

BODYSTYLER: Vielen Dank und weiterhin frohes Schaffen und Transpondern!

FREUND 424: Danke für das Interesse.

HANZ ACID: Vielen Dank für das Interview.