Haujobb

"Schade!"

17.06.2011 - Dejan Samardzic hält 50% der Anteile an der erfolgsgekrönten Klanggesellschaft HAUJOBB, die in unregelmäßigen Abständen nicht nur famose Musikperlen veröffentlicht - unter Kennern umweht Haujobb seit Veröffentlichung ihres Debutalbums "Homes & Gardens" 1993 auch eine angenehme Brise Kult. Von: Marshall & Bodyhorst // Assis: Pippi von Schnippi / Junk / Spider

Image Myer und Samardzic: Gelernte Synthschrauber mit Mut zur Glatze (Foto: Alex Beran)

Und dieser Kult wuchs in den letzten 8 Jahren stetig an, obwohl in dieser Zeit kein einziger Sound veröffentlicht wurde. Man nennt dies auch das Bud Spencer-Phänomen!

Aber 8 Jahre ohne Sound? Geht das? Ist das nicht der Tod für jede Klangkapelle? Immer wieder wurde auf einschlägigen Börsen, Foren, Haujobb-Fan-Meetings und -Conventions nach neuem Material gefragt, immer wieder wurde verschoben, die Fans vertröstet. "Kein Kommentar" hieß es nur mit prägnantem Nachdruck. Und nach einem offiziellen Abschiedskonzert glaubte man erst Recht nicht, jemals wieder etwas von dem smarten Duo zu hören. Wenn man nur gewusst hätte!

Denn Samardzic machte sich schon vor Jahren an, grobe Skizzen zu entwerfen und Vorabdemos zu produzieren. Alles sieht in dieser Zeit nach einem Soloprojekt von Samardzic aus, bis der andere 50%-Anteilseigner, Daniel Myer, sein protziges Rumgetoure mit Ex-Depeche Mode Alan Wilder beendet und zum Produktionsendspurt bläst. Das Blatt wendet sich. Myer bringt von seinen Touren frische Luft und sogar Ideen mit, Samardzic geht fast die Puste aus. Doch nach gemeinsamen Luftholen steht das neue Haujobb-Album "New World March" in den Startlöchern. Und es soll "schon" im Herbst 2011 veröffentlicht werden.

BODYSTYLER lud die Herren Myer und Samardzic zu einem nährstoffreichen Talk bei einem leckeren Abendessen in die hauseigene Redaktionskantine, wo Chefkoch und -Redakteur Bodyhorst leider nicht nur die erste Frage lauwarm servierte...

"Wir hatten genügend Abstand, um einen wirklich neuen Sound auszudenken!"

BODYSTYLER: Bevor ich den Topf mit den grünen Bohnen und den Speck vom Herd nehme, die wir gleich verschnabulieren werden, die vielleicht wichtigste Frage des heutigen Abends: Wie würden eigentlich Stühle aussehen, wenn wir die Kniescheiben hinten hätten?
DANIEL MYER: Das wir von euch immer wieder auf unsere Gebrechen angesprochen werden ist nicht lustig.

BODYSTYLER: Echt nicht?
MYER: Nee, echt nicht.

BODYSTYLER: Und wie lustig findet das Dejan?
DEJAN SAMARDZIC: Bei mir würde das genauso aussehen wie in der jetzigen Wirklichkeit: Ich mache immer Schneidersitz, auch auf Stühlen – kein Witz!

BODYSTYLER: Kein Witz sind auch die Deutschen Alternative Charts an. Dort ist Haujobb bereits die 3. Woche Platz 1...
MYER: ...die vierte, mein junger Freund, die vierte.

BODYSTYLER: Ja, ist gut, mittlerweile die 4. Woche. Jetzt kam noch Platz 2 der Electronic Web Charts dazu, demnächst Platz 98 der Media Control Charts – wie fühlt sich das an?
SAMARDZIC: So ganz ohne Knebelvertrag fühlt sich das tatsächlich an wie (überlegt lange) Freiheit!

BODYSTYLER: Gab es das schon mal bei Haujobb?
MYER: Das ist eine Premiere in unserer mittlerweile fast 20-jährigen Geschichte. Allerdings auch, weil es vor 20 Jahren noch keine Deutschen Alternative Charts und dergleichen gab.

BODYSTYLER: Naja, zumindest die Media Control Charts gab es damals schon. Bleiben wir aber mal bei Zeitsprüngen: Warum dauerte es diesmal so besonders lange bis neues Material kam?
MYER: Weil wir zum einen durch die räumliche Trennung etwas kontaktfaul waren und zum anderen erstmal wieder zu uns finden mussten. Das klingt sehr nach Hollywood, oder doch eher GZSZ, oder?

BODYSTYLER: Weiß nich. Gucke kein GZSZ. Warum?
MYER: Nun, wir waren wirklich etwas faul. Als der Dekan dann nach Leipzig gezogen ist...

BODYSTYLER: ...meinst Du Dejan oder tatsächlich Deinen „Dekan“?
MYER: Äh ja, Dejan natürlich. Als der dann nach Leipzig gezogen ist, ging alles sehr schnell - für unsere Begriffe zumindest.
SAMARDZIC: Die Pause hat allen gut getan. 1.: Wir hatten genügend Abstand, um einen wirklich neuen Sound „auszudenken“; 2.: Die alte und auch neue Hörerschaft hatte ausreichend Gelegenheit sich umzuschauen und nix Besseres zu finden.

BODYSTYLER: Und genau da kommt Ihr mit neuem Material…
SAMARDZIC: Genial, oder?

BODYSTYLER: Abwarten. Lange abwarten tut Ihr aber nicht unbedingt, wenn es um Labelwechsel geht. Eure bisherigen Plattenbuden wechseltet Ihr immer so schnell wie Katja Kassin ihre Unterwäsche. Warum veröffentlicht Ihr nun Eure Outputs gewissermaßen selbst?
MYER: Weil wir aufgegeben haben, nach der richtigen Unterbuchse zu suchen.

BODYSTYLER: Eure eigene Unterbuchse ist also die beste?
MYER: Wir fühlen uns in unseren eigenen Boxershorts nun mal am wohlsten.
SAMARDZIC: Es könnte auch sein, dass Labels, wie man so hört, in Zukunft überflüssig werden, und da wollen wir natürlich dabei sein!
MYER: Anfangs haben wir uns noch auf Labelsuche begeben, dann aber festgestellt, dass wir das wohl am besten allein und mit Hilfe von Freunden machen können.

BODYSTYLER: Mit Hilfe eines Freundes, dem Boris von Klangstabil, habt Ihr auch das „erste Video in der Geschichte Haujobb’s“ gedreht, und zwar zur Single „Dead Market“ - ein sehr, sehr gelungenes Video.
SAMARDZIC: Boris ist unglaublich!

BODYSTYLER: Warum?
SAMARDZIC: Kurz bevor es zum Dreh ging, schwor er uns noch alle auf eine Parole ein: „Low Budget – High Output“!

BODYSTYLER: Ach so, deswegen. Warum aber gab es nicht schon früher ein Video? Auch andere Haujobb-Singles hatten das Zeug dazu.
MYER: Die Umstände waren einfach perfekt. Wir sind sehr gut mit Boris befreundet, der auch Regie führte. Er kam mit einem sehr guten Skript um die Ecke. Und Videos kosten auch keine 10.000 von MYERark mehr!

BODYSTYLER: MYERark? Hahaha. Im Clip schraubt Ihr selbst ein Auto zusammen - könnt Ihr das in echt oder musste das Euch Euer „Low Budget – High Output“-Regisseur erst zeigen?
MYER: Wir sind Schrauber, gelernte Synthschrauber.
SAMARDZIC: In diesem Fall waren das aber alles Computereffekte. Unsere Hände wurden beim Synthschrauben vor einer Greenscreen aufgenommen. Dann haben Stuntmen die Schrauberreien gemacht, am Ende wurde das alles zusammengefügt.

"Es ist echt nicht lustig, dass wir von euch immer wieder auf unsere Gebrechen angesprochen werden!"

BODYSTYLER: Und was seid Ihr beide in echt? Also laut Ausbildungsschein vom Beruf?
MYER: Wir sind Schrauber, gelernte Synthschrauber. Unsere berufliche Ausbildung spielt keine Rolle. Wir können alles.

BODYSTYLER: Das haben wir gemerkt. Zum Beispiel konntet Ihr Euch auch erlauben, ein offizielles „Wir spielen dann nicht mehr Live!“-Abschiedskonzert vor Jahren auf dem Amphi-Festival zu geben. Nun kommt Ihr wieder zurück auf die Bühne? Häh?
MYER: Wir waren es leid, verheizt zu werden. Ganz ehrlich.

BODYSTYLER: Nochmal: Häh?
MYER: Vorgruppe für Hocico, VNV, etc.. Wir mögen diese Bands, aber wir wollten den Leuten nochmals so richtig zeigen, wo der Hammer hängt.

BODYSTYLER: Ja, und?
MYER: Dann kam das Angebot vom Amphi und wir haben es wahrgenommen. Wir wollten uns sozusagen erstmal wieder neu orientieren.

BODYSTYLER: Wieviele Abschiedskonzerte müssen wir denn künftig noch ertragen?
MYER: Nun kommen wir mit einem neuen Livekonzept zurück. Wir wollen praktisch das auf CD gebannte live so authentisch wie möglich umsetzen. Ihr dürft gespannt sein.

BODYSTYLER: Gespannt sind nicht nur meine Eltern auch auf das neue Album „New World March“, das laut Plan im Herbst kommt.
MYER: „Dead Market“ ist ein guter Indikator, wo es mit dem Album hingeht. Back to the Oldschool: dark, deep, cold!

BODYSTYLER: Gibt es hierauf noch mehr musikalische Kooperationen oder haben die sich auf die Remixe für die Single beschränkt?
MYER: Es gibt eine Menge Kollaborationen bzw. haben wir sehr viel Material von befreundeten Musikern bekommen. Unter anderen von Hecq, Xabec, In the Nursery, Forma Tadre, Joakim von Covenant, Tricil, etc.. Eine sehr spannende und aufregende Sache.

BODYSTYLER: Wenn sich die Masse in Bewegung setzt und Euch zum „New World March“ folgen soll - welche zehn Dinge dürfen im Rucksack nicht fehlen?
MYER: Auf jeden Fall ein zweiter Rucksack - für die Getränke, die wir an der Tanke kaufen werden! Des Weiteren ein paar gute Bücher, denn so redselig sind Dejan und ich nicht wirklich.

BODYSTYLER: Bisher quasselt Ihr hier aber so ziemlich ohne Unterbrechung - und das mit vollem Mund!
MYER: Die an der Tanke gekauften Getränke lockern zwar die Stimmung auf, aber wahrscheinlich werden die Gespräche eh in Techtalk enden. Wir werden noch den kleinen DSI Mopho einpacken.

BODYSTYLER: Den kleinen?
MYER: Das ist ein kleiner Synth, der in keiner Sammlung fehlen darf und der den Weg mit schönen schrägen Sound untermalen kann.
SAMARDZIC: Aber eigentlich braucht’s nur ein Internet, wenn man zum New World March - lasst uns zusammen alle marschieren!

BODYSTYLER: Ein Marsch würde Euch in der Tat gut tun. Wenn ich Euch so ansehe, kann ich nur vermuten, dass Ihr nicht gerade gerne Gemüse esst – vor allem Du, Daniel, hahaha. Was denkst Du, welcher Markt erholt sich schneller von der Seuche: Die europäischen Gemüse-Verkäufer oder das weltweite Musikbusiness?
MYER: Der Gemüsemarkt hat sich ja bereits erholt.

BODYSTYLER: Das glaubst Du!
MYER: Dank der Gentechnik geht das ja alles sehr fix heutzutage.

BODYSTYLER: Und wie schätzt Du selbst das Musikbiz der kommenden Jahre ein?
MYER: Leider adaptiert sich das Musikbiz nicht ganz so schnell an die globalen Veränderungen und es wird wohl noch ne Weile dauern, bis sich da was tut. Ich selbst denke ja, es wird sich nichts tun.

BODYSTYLER: Also alles beim Alten.
MYER: Zu einfach ist es mittlerweile, Musik selbst zu machen, die dann auch noch halbwegs gut klingt.
BODYSTYLER: Apropos halbwegs gut klingen und Musikselbermachen und so: Haujobb wird bisweilen zuallererst immer mit Dir, Daniel, in Verbindung gebracht, erst dann mit Dejan.
MYER: Ja, das ist schon eine nervige Geschichte.

BODYSTYLER: Lass mich bitte ausreden! Danke. Gerüchten zufolge soll Haujobb zu wesentlich größeren Anteilen eigentlich Dejan sein – ist das richtig?
MYER: Also mir geht das wirklich verdammt auf den Zeiger. Deswegen versuche ich auch in jedem Interview das richtigzustellen.

BODYSTYLER: Na, ein Glück sind wir Dank Deiner sehr, sehr ausführlichen Antwort nun schlauer. Macht mal Butter bei die Fische: Könnt Ihr eine genauere Aufteilungsprozentualisierung geben?
SAMARDZIC: Ich denke, die Prozentualisierungen sind schwankend.

BODYSTYLER: Wieder so eine schwammige Aussage. Falls Du Dich schämst oder Dich nicht ausdrücken kannst, sprich doch einfach in der 3. Person, Dejan!
SAMARDZIC: Ok, also zum Beispiel zu den Arbeiten an „New World March“: Daniel wenig bis gar keine Zeit, Dejan fängt schon mal an, macht grobe Skizzen und Vorabdemos. Alles sieht nach einem Soloprojekt von Dejan aus, bis: Daniel beendet sein Rumgetoure, bläst zum Endspurt und das Blatt wendet sich. Dejan geht fast die Puste aus! Kurz vor der Zielgeraden wird es ein spannendes Rennen und alles sieht nach einer 50/50-Situation aus.

BODYSTYLER: Na siehste. War doch nicht so schwer. Und jetzt Du noch mal, Daniel. Kannst Du uns vielleicht ausführlichere, ja gar intime Details zu Alan Wilder verraten, der ja mittlerweile Dein bester Kumpel ist? Nimmt der immer noch Groupies mit auf’s Hotelzimmer oder musstest DU – trotz eigenwilliger Kombination aus Brille + Glatze – dran glauben?
MYER: Ich habe wirklich alles versucht, aber die Groupies ließen sich nicht mal mit Westschokolade in mein Zimmer locken.

BODYSTYLER: Dann hättest vielleicht Deinen Pay-TV-Pornobummskanal auf Deiner Bude nicht so laut stellen sollen. Da fällt mir just ein, Du hattest als Haupteinnahmequelle mal angegeben, dass Du Musik für Pornos produzierst. Stimmte das?
MYER: Das war sehr großkotzig so dahingesagt, damals. Es war mein großer Plan.

BODYSTYLER: Bei Pornos kenn ich mich aus. Nenn mir mal die Hauptdarstellerin!
MYER: Ich habe für einen Katja Kassin-Film drei Songs gemacht...

BODYSTYLER: ...Katja Kassin? Ohhhh yeah! (Bodyhorst wiehert und lechzt)
MYER: ...und dachte, das wird mein Durchbruch.

BODYSTYLER: Aber Dank Deiner eigenen Libido-Absenkung nun doch nicht mehr?
MYER: Die junge Dame hat sich entschieden, aus dem Geschäft auszusteigen und meine Karriere im Pornogeschäft war beendet, hahaha.

BODYSTYLER: Dafür setzt jetzt Lady Gaga Trends mit Spitzenunterwäsche. Welche Trends wird künftig Haujobb setzen?
MYER: Mut zur Glatze!
SAMARDZIC: (lacht).

BODYSTYLER: Wo ich Dich gerade lachen seh’, Dejan, was passiert eigentlich, nachdem man sich 2 Mal halbtot gelacht hat?
SAMARDZIC: Man wartet ab, wann endlich das 3. Mal passiert.

BODYSTYLER: So viel Zeit haben wir aber nicht mehr, im Gegensatz zu Dir, der nun auch endlich von Bielefeld nach Leipzig gezogen ist. Was hat Leipzig, was Bielefeld nicht hat?
SAMARDZIC: Leipzig gibt’s, aber Bielefeld nicht.

BODYSTYLER: Aber es gibt Facebook. Hier hast Du nur knapp über 280 Freunde, Daniel dagegen mehr als 440. Kannst Du uns das philosophisch erklären?
SAMARDZIC: Nun ja, wenn Daniel nicht einen Großteil seiner „Freunde“ gelöscht hätte, dann wäre er mittlerweile wohl bei 43.000 oder mehr.

BODYSTYLER: Und wie ist das wissenschaftlich zu erklären?
SAMARDZIC: Im Prinzip ganz einfach: Ich habe mich später angemeldet.

BODYSTYLER: Hast Du noch mehr Facebook-Anekdoten auf Lager?
SAMARDZIC: Jo! Wenn ich die Augen zumache, dann hab ich 0 Freunde, hehe. Außerdem hat Facebook zurzeit ein kritisches Auge auf Daniel geworfen. Es kann also sein, dass ich bald 280 mehr Freunde habe als er!

BODYSTYLER: Ja, aber nur ein Teil dieser Freunde hilft Dir bei einem anstehenden Umzug. Mögt Ihr als wahre Freunde und echte Männer vielleicht noch einen Nachruf auf die Frauennationalmannschaft machen?
MYER: Schade.

BODYSTYLER: Wie jetzt?
SAMARDZIC: Egal.

BODYSTYLER: Möchte noch jemand Nachtisch?
(Stummes Schweigen füllt den Raum)