NOYCE™

Popschweine und das Liebes-Aus

06.01.2018 - Die schwarze Silhouette einer Frau steht vor einer Küstenlandschaft und Möwen ziehen ihre Runden. Darüber prangt ein altbekanntes Logo, das in den letzten zwanzig Jahren zum Markenzeichen geworden ist. Es handelt sich um das Covermotiv von "Love ends", dem neuen Album von NOYCE™, das nicht nur ein Augen-, sondern auch Ohrenschmaus ist. Frontmann Florian Schäfer gibt Einblicke in die Entstehung. Von: Torsten Pape

Image Noyce & Royce im Neandertal vereint (Foto: Simone Horn)

BODYSTYLER: Ursprünglich seid Ihr mal als Formation namens Silence Gift gestartet und habt Euch später in NOYCE™ umbenannt. Florian, könntest du bitte diese Transformation noch einmal aus heutiger Sicht beleuchten! Ist die Frage erlaubt, ob Silence Gift vollkommen in NOYCE™ aufgegangen ist oder verkörpert(e) die Band etwas, was man evtl. noch einmal unter diesem Namen reanimieren sollte?

FLORIAN: Klar ist die Frage erlaubt, denn es betrifft ja unsere Vergangenheit. Wir haben in der Tat überlegt, ob wir bei unserer "20 Year Anniversary" Show mit NOYCE™ letztes Jahr im November als Support Silence Gift spielen lassen sollen, sprich: Uns einfach selber supporten. Wäre sicherlich unterhaltsam geworden, allerdings wohl eher für uns! Ich bezweifle, dass es noch viele Menschen gibt, die sich an Silence Gift überhaupt erinnern können, obwohl wir damals gar nicht so erfolglos waren. Aber Silence Gift wirkt rückblickend wie aus einem anderen Jahrhundert... oh, wait! Im Ernst: Gescheitert ist die Idee in erster Linie einfach daran, dass wir für 6-7 Songs den alten Atari ST sowie die alten Synths hätten entstauben müssen, um mit einem immensen Zeitaufwand diese Songs wieder hörbar zu machen. Damit wäre kaum noch Zeit verblieben, die NOYCE™-Songs, die wir noch nie oder selten live gespielt haben, vorzubereiten.
Silence Gift war damals genau das, was wir machen wollten, aber eben sehr pop/wave-lastig. Dadurch waren wir in unserer musikalischen Freiheit, die wir Mitte der 90er verspürten, limitiert. Abgesehen davon, dass es immer noch die gleichen Menschen sind, die da musizieren, denke ich, dass ein Großteil der NOYCE™-Songs genauso klingen, wie Silence Gift dies heute tun würde. Es ist aber durchaus möglich, dass wir in Zukunft weiterhin Silence Gift-Songs in ein NOYCE™-Gewand kleiden, wie wir das u.a. mit "Un:Jahre" oder "Freiheit" gemacht haben. Viele Songs waren damals schon brillant, aber von der Umsetzung, dem Gesang, den Texten oder einfach den musikalischen Möglichkeiten her bei weitem nicht auf dem Level, auf dem wir heute sind. Das erste NOYCE™-Album "The White Room" war musikalisch sicherlich am weitesten weg von Silence Gift und genau deshalb wollten wir damals auch den Cut und einen Re-Start unter neuem Namen.

BODYSTYLER: Zwischen dem ersten Auftauchen des Songs "Fall (out)" anno 2013, der offiziellen Single-Veröffentlichung 2015 und dem Album klaffen jeweils Lücken von zwei Jahren. Unter Marketinggesichtspunkten kann man es so sehen, dass ihr Euren Namen einfach dauerhaft im Spiel gehalten habt, andererseits wurden einige Fans bestimmt schon ungeduldig. Was waren denn die Gründe für diesen Ablaufplan und ist er aus Eurer Sicht aufgegangen?

FLORIAN: Nun, unter Marketinggesichtspunkten war das wohl eher ein Desaster! Es war aber auch nicht geplant, dass wir noch so lange an dem Album rumschrauben würden, aber dadurch sind eben diese Abstände entstanden. Wer sich schon länger mit NOYCE™ beschäftigt, weiß jedoch, dass es bei uns eben manchmal ein wenig dauern kann. Wichtig ist für uns nur das Resultat am Ende, wenn wir einen Song produziert haben und die entscheidende Frage, ob uns der Song, so wie er ist, glücklich macht oder eben nicht. Im "schlimmsten" Fall lassen wir ihn dann wie einen Wein "reifen" und gehen erst nach ein paar Wochen oder Monaten noch einmal dran. Ich glaube, „The World is Quiet“ war der erste Song, den wir 2011 für „Love Ends“ gemacht haben und es war einer der letzten Songs, die fertig wurden. Die Sounds waren alle so schon da, aber die Gänsehaut war eher nach innen, weil wir eben keinen relevanten Mix hinbekommen haben. Unter dem Strich ist uns klar, dass wir recht lange für ein Album brauchen, dadurch werbetechnisch wieder von vorne anfangen und NOYCE™ eigentlich immer ein Newcomer ist. Auf der anderen Seite denken wir aber, dass nur, wenn man zu 100 Prozent hinter seiner Arbeit steht und das Album mit jeder Faser liebt, es auch Chancen hat, erfolgreich zu werden.

BODYSTYLER: Am Mischpult saßen dieses Mal verschiedene und namhafte Produzenten. Wie ist diese bunte Mischung der Namen entstanden und wie mischten sich am Ende die verschiedenen Misch-Stile?

FLORIAN: Das war erst gar nicht so geplant, da wir eigentlich schon sehr gerne einen Mischstil auf unseren Alben haben, so wie bei „Coma“ und „Un:Welt“, die von Olaf Wollschläger (Mesh, In Strict Confidence, Melotron usw.) gemischt wurden. Vielleicht haben wir uns einfach zu lange mit der Möglichkeit beschäftigt, uns neben dem Produzieren auch selber abzumischen! Das war auch eine Frage des Geldes, da wir alles selber finanzieren. Letztendlich haben wir aber eingesehen, dass unsere Mixe nie unserem eigenen Anspruch gerecht werden. Wenn man lange an Songs produziert, verliert man bei bis zu 60 Tracks einfach das Gefühl für Lautstärken. Natürlich hat jeder Produzent seinen eigenen Stil, einen Mix anzugehen. Angefangen hat es 2013 mit Krischan Wesenberg (Rotersand), der „Fall[out]“ gemischt hat. Diese Zusammenarbeit war der Startschuss für „Love Ends“. Die Idee, von John Fryer mal ein paar Songs abmischen zu lassen, hatten wir schon länger im Kopf, da er u.a. für brillante Alben wie „Medusa“ von Clan of Xymox, „Head/Down“ von Moev oder in Teilen für Nine Inch Nails „Pretty Hate Machine“ zuständig war. Alles Alben, die Oliver (Goetz) und mich gleichermaßen fasziniert und beeinflusst haben. Klanglich richtig rund wurde das Album aber erst durch Adrian Le Monde, der ein wahrer Klangfetischist ist und den Sound vom Album (u.a. Stimme mehr im Fokus als in der Vergangenheit...) durch seine Mixe vorgegeben hat. Er hat die verschiedenen Mixe in ein homogenes Album verwandelt, das in Klang und Dynamik überragend ist.

BODYSTYLER: Ihr habt auf dem Album ja wieder ein paar besonders ohrwurmige Melodien am Start und erhöht Euer Scorer-Konto diesbezüglich in schwindelerregende Höhen. Erzählt doch mal bitte, wie sich die Wege hin zu einer solchen Einprägsamkeit in der Regel gestalten? Gibt es überhaupt ein Geheimrezept oder ist es eher die Muse des Zufalls, die Euch in diesen Fällen küsst?

FLORIAN: Als erstes muss ich natürlich festhalten, dass es ja dem individuellen Geschmack des Hörers überlassen ist, ob er das „ohrwurmige“ ähnlich empfindet wie wir zwei. Mir fällt es z.B. immer noch recht schwer, "Love Ends" musikalisch einzuordnen, auch wenn die Resonanz bisher großartig ist. Als zweites kann man feststellen, dass wir auf eine gewisse Art und Weise natürlich „Popschweine“ sind, sprich: eine Popsongstruktur (Strophe, Chorus, Strophe, Chorus, Zwischenpart, Chorus) meist die Basis beim Komponieren unserer Songs ist. Ich kann gar nicht sagen, wie die Melodien entstehen, aber ein Geheimrezept kann ich ausschließen. Manchmal entstehen sie in meinem Kopf und dann singe ich sie Oliver vor und er bringt diese dann auf Tastatur. Oder er hat schon etwas komponiert, was wiederum durch die Harmonien eine Richtung vorgibt, bei der mir etwas einfällt oder wir gemeinsam eine Melodie herausarbeiten können. Wichtig ist eigentlich immer nur unser Gefühl für eine Melodie, ob sie uns berührt. Den Gedanken, ob das nun ein Hit sein könnte, der die Massen begeistert, lassen wir gar nicht zu. Wenn es so kommt, freut man sich natürlich, aber wenn nicht, ist es auch in Ordnung, weil wir von unserm Tun absolut überzeugt sind und das lieben, was und wie wir es machen. Die Auswahl der Sounds ist natürlich elementar und die sind oft recht weit von „Pop“ entfernt, aber sonst wäre es eben auch nicht NOYCE™. Einfach gesagt, machen wir eigentlich Pop-Songs, die man mit einer Gitarre am Strand nachspielen kann. Gut, will keiner, aber man könnte!

"Der Mensch, so unterschiedlich er auch ist, könnte soviel großartige Dinge vollbringen, wenn ihm bewusst wäre, dass wir am Ende doch alle gleich sind. Liebe statt Macht!"

BODYSTYLER: Der Anteil der deutschen Texte ist dieses Mal etwas größer ausgefallen. Wie kam es dazu?

FLORIAN: Das ist relativ schwer zu erklären. Meist entscheidet sich die sprachliche Ausrichtung eines Songs schon zu Beginn des Komponierens, wenn sich textliche Ideen zum Gehörten im Hirn entfalten. Meist sind es nur Text-Fragmente, aber eben schon sprachlich festgelegt. Warum das so ist, kann ich auch nicht beantworten. Es ist immer leichter, in Englisch zu schreiben, weil Deutsch als Sprache schnell in schlageresquen Kitsch abrutschen kann. Das gilt es zu verhindern. Darauf achten wir natürlich auch bei den englischen Lyrics, aber besonders bei den deutschen aufgrund der nachvollziehbaren Verständlichkeit. Die Texte, die mir bisher auf Deutsch gelungen sind, finde ich persönlich durchaus gelungen und frei von Kitsch, aber auch das ist natürlich Ansichtssache. Es gibt so manche Textfragmente, die ich wirklich liebe, weil sie auch alleine stehen können und eine schöne Aussage haben. „Die heile Welt wird Nostalgie.“ oder „Das Unglück der Welt geht von den Ungeliebten aus.“ Zusammenfassend kann ich festhalten, dass uns die Texte restlos überzeugen müssen, sonst würde es sie so auch nicht geben.

BODYSTYLER: Euer "Mensch" bekommt ein Update bzw. vermehrt sich zu "Mensch(en)". Warum war es Euch wichtig, gerade dieses ältere Stück in die heutige Zeit und auf das Album mitzunehmen?

FLORIAN: „Mensch“ war eben schon immer so ein Lied, bei dem ich finde, dass der deutsche Text eine wichtige Aussage hat. Dass der Text auch heute, vielleicht sogar deutlich mehr als noch vor zehn Jahren, nah am Zeitgeist ist, habe ich damals nicht geahnt. Die Version von der „Coma“ entsprach allerdings nie unserer Vorstellung, das Lied so auch mal live zu spielen. Als Oliver damit begann, „Mensch“ für eine druckvolle Live-Version umzubauen, wurde uns schnell bewusst, wie elementar dieses Lied für „Love Ends“ wäre, weil die Message eben leider noch so aktuell ist: Der Mensch, so unterschiedlich er auch ist, könnte soviel großartige Dinge vollbringen, wenn ihm bewusst wäre, dass wir am Ende doch alle gleich sind. Liebe statt Macht!

BODYSTYLER: Der Songtitel "Zertrennlich" hat mich ja extrem neugierig gemacht und bei der Internetrecherche bin ich schnell auf ein gleichnamiges Buch gestoßen. Die Inhaltsangabe legt nahe, dass es anscheinend inspirierend auf Dich eingewirkt hat. Liege ich da richtig? Wenn ja, würde mich natürlich interessieren wie Du auf dieses Buch gestoßen bist und was Dich an seinem Inhalt besonders angesprochen/bewegt hat?

FLORIAN: Das muss ich leider verneinen, auch wenn du mich nun wiederum neugierig gemacht hast! Nach meinem Nachgooglen geht es bei dem Buch um Zwillingsschwestern und vielleicht harmoniert dies auch mit unserem Song. In unserem „Zertrennlich“ geht es allerdings um eine sehr lange Beziehung. Das Wort „unzertrennlich“ wird in vielen Beziehungen schnell benutzt. Die Frage war, was nach "unzertrennlich" kommt und die Antwort war eben, dass selbst Unzertrennliches „zertrennlich“ ist. Bisher gab es übrigens nur ein Buch, welches mich zu einem Text inspiriert hat und dies war „A long way gone“ von Ishmael Beah, einem Kindersoldaten aus Sierra Leone. Dieses Buch hat mich damals tief bewegt. Ich kann zwar nicht ausschließen, dass mich noch andere Bücher inspiriert haben, aber meist sind es sicher nur Fragmente und nicht so intensiv wie eben bei „A long way gone“.

BODYSTYLER: Ein geschrienes "The world is quiet" birgt in sich natürlich einen markanten Gegensatz. Ist es ein Schrei gegen die Stille oder aufgrund der Stille? Zusatzfrage: Wie bekommt man sich in die richtige Stimmung, um diesen Schrei loszulassen?

FLORIAN: Es ist ein Schrei gegen die Stille! Die Stille der Menschen. Der Mensch neigt gerne dazu, sich meist erst dann zu echauffieren, wenn etwas so richtig gegen die Wand gelaufen ist. Beispiel Trump: Ich meine, ganz im Ernst, wer sich ein wenig mit der Vita dieses Menschen beschäftigt hat, kann doch jetzt nicht ernsthaft überrascht sein, dass für Ihn die Erderwärmung ein Einfall der Chinesen ist, um die amerikanische Wirtschaft zu schwächen. Immerhin ist es aktuell saukalt an der Ostküste! Was hat er bisher erreicht? Nichts, aber sein populistischer Dünnschiss erhält eine Menge Zuspruch. Was ist mit den ganzen Ländern, Deutschland inklusive, in denen es wieder „en vogue“ ist, Rechts zu wählen oder nostalgisch braun zu denken? Mit Ländern wie u.a. der Türkei oder Polen, wo demokratische Grundrechte der Menschen abgeschafft werden? Mit Syrien, wo ein Diktator mit Hilfe von Putin Menschen aus dem Land bombt? Völlig zurecht haben Depeche Mode „Where is the Revolution“ gefragt, aber es wird verhallen wie der „Dann müssen wir eben mal wieder auf die Straße gehen“-Spruch aus dem IKEA-Werbespot vor ein paar Jahren. Es gibt unzählige Brennpunkte auf dieser unseren Welt, die so einen Schrei leicht über die Lippen gehen lassen, aber der Mensch, dem es gut geht, verbleibt lieber in seiner Komfortzone.

BODYSTYLER: Eure in verschiedener Form immer wieder auftretende Vermischung von Mensch und Maschine mit romantischen bis tragischen Endzeitstimmungen lässt mich des Öfteren an Filme wie "Bladerunner" "I, robot" oder aktuell "Ghost in the shell" denken. Mittlerweile ist das alles ja auch gar nicht mehr so Science Fiction wie noch vor dreißig Jahren. Mit welchen Gefühlen betrachtet Ihr die technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte?

FLORIAN: Auf der einen Seite ist es schon fein, was für Entwicklungen wir in den letzten Jahren erleben durften. Aber eigentlich sollte die technologische Entwicklung dem Menschen doch zuarbeiten und zu etwas Positivem führen. Ich habe aber eher das Gefühl, dass wir uns in die falsche Richtung bewegen. Meinungen werden im Internet gemacht und nicht mehr im Gespräch auf der Straße und durch diese Anonymität wird der Ton rauer. Was nimmt der Mensch noch wahr von seiner Umwelt, von den Menschen, von den Geräuschen um sich herum, wenn es elementarer scheint, in eine seelenlose Maschine zu starren und sich mit Kopfhörern abzuschotten? Wäre es für viele nicht sinnvoller, statt der selbst zusammen gelikten Wahrheit und den fremdenfeindlichen Populisten Glauben zu schenken, einfach die Augen vom Bildschirm zu nehmen, um zu sehen, dass die Welt gar nicht so schlimm ist? Der Mensch hat durch diese Technologie an Wertigkeit verloren. Verfälschte Profile suggerieren nur noch schöne Menschen und der Mensch glaubt, dass diese ganzen Foto-Upgrades elementar sind. Deshalb war die weibliche Computerstimme sehr wichtig für das Album. Die Idee war, den fühlenden Menschen in den Liedern eine nüchterne, kühle und emotionslose Maschine zur Seite zu stellen und zwar so, dass die Stimmen nicht zu aufdringlich sind, aber ein wichtiger Teil des Albums wurden. Somit ist es sehr schön, dass sich die von uns gewünschte Endzeitstimmung bei Dir eingestellt hat. Trotz der vielen schönen Melodien war uns dieser Kontrast sehr wichtig.

"Einfach gesagt, machen wir eigentlich Pop-Songs, die man mit einer Gitarre am Strand nachspielen kann. Gut, will keiner, aber man könnte!"

BODYSTYLER: Ihr pflegt nicht nur ein typisches Klangbild, sondern bleibt Eurem Stil auch in Sachen Layout über die Jahre (sogar schon seit Silence Gift-Zeiten) treu. Für die Fans haltet Ihr in diesem Rahmen immer wieder neue Facetten bereit. Was ist es, dass Euch diese Art der optischen Präsentation nicht langweilig werden lässt?

FLORIAN: Ich war schon immer ein großer Bewunderer von Alben, die mich nicht nur musikalisch sondern eben auch optisch angesprochen haben. Ein feines Artwork kann eine wunderbare Ergänzung zur Musik sein. Eines der ersten Szene-Alben, die ich gekauft habe, war die „Medusa“-LP von Clan of Xymox. Es war nur das Artwork, eines von vielen, brillanten von Vaughan Oliver für 4AD, welches mich angesprochen hat. Ich habe nur das Intro gehört, das Album dann direkt gekauft und erst zu Hause festgestellt, dass da auch jemand singt. Wie dem auch sei, ich finde, das Auge hört mit und im besten Fall erschafft ein Artwork eine Stimmung, die den Hörer auch auf dem Album erwartet. Bei "Medusa" war es eben der Steinkopf in Kombination mit dem Titel. Dieser Matt/Glanz-Druck hat NOYCE™ in unserer DigiPak-Gestaltung ohne Zweifel beeinflusst.

BODYSTYLER: Die Promo-Bilder aus dem Neandertal und auch das dort gedrehte Video zu "Sense of despair" sind wirklich sehr ästhetisch und sehenswert. Außerdem gehen (Rolls) Royce und Noyce natürlich auch gut zusammen... Wer ist denn auf diese Location mit den ganzen Oldtimern (und ich meine natürlich die Autos...*zwinkert*) gekommen?

FLORIAN: Das war meine Idee, die ich schon lange verfolgt habe. Der private Autoskulpturen-Park liegt von meiner Wohnung gerade einmal fünf Kilometer entfernt, und ich kenne ihn schon seit rund zehn Jahren. Die Idee vom Besitzer, sich zu seinem 50-jährigen Geburtstag 50 Autos mit dem Baujahr 1950 zu kaufen, fand ich immer schon überragend und abgefahren. Vor allen Dingen, sich diese dann in den Garten zu stellen und dem Verfall durch die Natur zu überlassen. Der erste Gedanke „wie kann man nur so großartige Auto so vergammeln lassen“ weicht vor Ort schnell dem, „was für eine großartige Idee von vergänglicher Kunst" das doch ist. Mit Automobilen der letzten Jahre wäre das so gar nicht mehr möglich, da der Rost gar nicht mehr so eine schöne Arbeit verrichten kann, wie bei den 50 Wagen dort. Für uns war es einfach die passende Location für „Sense of Despair“, da der Song sich lyrisch damit beschäftigt, wie es wäre, wenn es keine Menschen mehr gäbe, sondern nur noch die beiden Protagonisten. Dass die Autos ein älteres Baujahr haben, passte dann noch schöner zum Thema "Die Welt ohne Menschen".

BODYSTYLER: Mit Focile Art Tribe habt Ihr eine eigene Plattenfirma am Start. Dort erschien bis auf eine Ausnahme nur Euer Material. Könntet Ihr Euch vorstellen, die Plattform auch wieder anderen Künstlern zur Verfügung zu stellen?

FLORIAN: Das ist aktuell eher kein Thema. Es wird schwierig genug, die immensen Kosten, die durch „Love Ends“ entstanden sind, zu deckeln. Auf der anderen Seite hat sich der Musikmarkt in den letzten Jahren leider nicht gerade zum Positiven gewandelt. Um ehrlich zu sein, gibt es aktuell in meinen Augen auch wenig innovative und ungesignte Projekte, die ich auf unserem Label sehen würde.

BODYSTYLER: Wie sieht es in nächster Zeit mit Live-Aktivitäten aus? Sind eine eigene Tour, Support-Auftritte oder Festivals geplant?

FLORIAN: Wir versuchen in der Tat gerade, eine kleine Tour für das Frühjahr zu buchen, und ich denke, wir können bald ein paar Termine nennen. Es ist kein Geheimnis, dass sich die Möglichkeiten, so etwas alleine zu realisieren, in den letzten Jahren deutlich verschlechtert haben. Aber durch den Erfolg vom „Love Ends“-Album und die entsprechenden CD-Verkäufe, haben wir einen so großen Zuspruch erfahren, dass eine eigene Tour durchaus Sinn macht. Deshalb sehe ich auch aktuell wenig Sinn darin, Support für andere Bands zu spielen, es sei denn, es sind deutlich größere oder genrefremde Bands, wodurch wir neue Menschen erreichen könnten. Festivals haben sich leider auch in eine Richtung entwickelt, in der es nicht mehr elementar ist, ob man ein neues Album hat und live wirklich etwas anbieten kann. Es ist so ein geschlossener Bandkreislauf, dass bei vielen Festivals jedes Jahr eben nur ein paar Slots frei bleiben. Die gehen dann verständlicherweise an die Booker, die neben Ihren großen Künstlern auch noch ihre Newcomer unterbringen wollen oder eben an Bands, die umsonst spielen oder gar Geld mitbringen. Letzteres werden wir aber nicht machen, da ich der Meinung bin, dass selbst eine kleine Gage zur Kostendeckung etwas mit Respekt vor dem Künstler zu tun hat. Aber so lange sich die meisten Festivals rechnen, wird sich daran nachvollziehbarerweise eben auch nichts ändern. Ob diese Entwicklung nun an den Festivals oder an den Besuchern, die gerne immer wieder die gleichen Bands hören, liegt, kann ich nicht beurteilen. Wir gehen auf jeden Fall recht positiv ins neue Jahr und wer uns live erleben möchte, wird sicherlich die Gelegenheit bekommen.