Simple Minds

Empathische Weltreise

28.01.2018 - Nachdem die schottische Band in den 90ern fast schon abgeschrieben wurde, erstrahlt ihr Licht im neuen Jahrtausend wieder zunehmend heller und Anfang 2018 veröffentlichen die Jungs und Mädels um Sänger Jim Kerr und Gitarren-Virtuose Charlie Burchill mit "Walk between worlds" ein weiteres grandioses Album. Der sympathische Frontmann gab telefonische Auskunft über den Stand der Dinge. Von: Torsten Pape

Image Dynamische Weltenbummler (Foto: Dean Chalkley)

BODYSTYLER: Lass uns zunächst einmal über den Albumtitel reden. Ich denke, da können viele Menschen sofort einen persönlichen Bezug herstellen. Diese Welten können zum Beispiel die virtuelle Welt und das reelle Leben oder auch der tägliche Job und das Privatleben sein. Was hattet Ihr im Kopf als Ihr Euch für diesen Titel entschieden habt?

JIM KERR: Gerade an einem Interviewtag wie heute bekomme ich mit, dass man den Titel auf verschiedene Art verstehen kann und jeder einen anderen Bezug dazu hat. Meine Idee war im Grunde recht simpel und zwar ging es mir um Empathie. Sich in jemanden hineinversetzen zu können, zu spüren, was andere spüren. Die eigene Welt in Verbindung mit der Welt eines anderen Menschen zu bringen. Im Titelsong geht es genau darum.

BODYSTYLER: Mir sind übrigens auch noch die beiden Welten eingefallen zwischen denen Du Dich bewegst, da Du ja in Schottland und in Italien wohnst. Welchen Effekt hat das auf Dich?

JIM KERR: Da hast Du natürlich recht, das sind auch zwei sehr verschiedene Welten, eine im Norden von Europa und eine ganz im Süden. In Sizilien ist Afrika sogar näher als Rom (lacht). Ich fühle mich jedoch zutiefst mit beiden verbunden. In Schottland bin ich geboren und aufgewachsen, das hat mich natürlich enorm geprägt. Mit 13 Jahren habe ich erstmals Italien kennengelernt und bin seitdem fasziniert von den Leuten und der Kultur dort. Sizilien ist nun seit zwanzig Jahren ein wichtiger Teil meines Lebens. Wo Schottland die Realität ist, habe ich zu Sizilien eine eher kosmische Beziehung. Vielleicht liegt das an der Landschaft oder dem großen Vulkan.... (lacht)

BODYSTYLER: Als ich das Testbild im Albumartwork entdeckt habe, musste ich übrigens lächeln, da es mich doch sehr an die 80er erinnert hat. Es ist ein Relikt aus einer Zeit, als es noch nicht rund um die Uhr Fernsehen gab. Was assoziierst Du mit diesem Bild, das jüngere Menschen ja gar nicht mehr kennen?

JIM KERR: Das kennen viele Leute wirklich nicht mehr. Ich war aber auch total erstaunt, dass es dieses langweilige Testbild auch außerhalb von Großbritannien gab. Mitten in der Nacht hörte das Programm damals einfach auf und morgens wartete man vor der Schule ungeduldig darauf, noch die ersten Bilder mitzubekommen. Unser Grafikdesigner ist übrigens sehr jung und hat solche Erlebnisse bestimmt nicht selbst gehabt. Aber das Bild passte einfach gut ins Gesamtkonzept.

"Es ist schon komisch. Ich singe häufig über Träume, kann mich aber meist nicht mal an meine eigenen erinnern..."

BODYSTYLER: Im Presse-Info wurdest Du dahingehend zitiert, dass das zwischenzeitliche Akustik-Projekt einen großen Einfluss auf das neue Album gehabt hat. Magst Du das vielleicht anhand von ein oder zwei Ideen erläutern, die sich dadurch vielleicht ganz anders entwickelt haben?

JIM KERR: Was da geschrieben steht, ist ja immer so eine Sache. Das eine ist nun mal akustisch und das neue Album im Grunde genau das Gegenteil, da haben wir ja wieder den vollen Sound aufgefahren. Wir haben die Arbeit am Album jedoch dafür unterbrochen und vielleicht unsere Einstellung dadurch etwas verändert. Bei den Akustik-Konzerten haben wir ja extra andere, junge Leute in die Band geholt, die einfach frischen Wind und eine neue Dynamik mitgebracht haben. Davon wollten wir etwas in den zweiten Teil der Aufnahmesessions mitnehmen. Es ging also eher um den Prozess als um den konkreten Sound.

BODYSTYLER: Der erste Eindruck, den ich von der Platte hatte, war übrigens, dass es sich anfühlte, als ob man mit weit geöffneten Augen durch die Welt geht und die Sonne, den Regen und den Schnee genießt. Woher kam die Inspiration für diese sehr positiven Gefühle?

JIM KERR: Da stimme ich Dir zu. Wir sind aber schon immer eine Band, die viel über Positives singt. Wir hatten bereits Songs über den Sommer, über Träume und generell optimistische Dinge. Das ist einfach ein wichtiger Teil von uns, diese Art von Poesie liegt uns anscheinend. Das wollten wir auch in den neuen Songs wieder haben, in denen es aber auch um eine Art Flucht geht.

BODYSTYLER: Es ist jedenfalls ein absoluter Genuss, diese schönen Lieder zu hören. Mein Lieblingtrack ist aktuell übrigens "The signal and the noise". Magst Du etwas über diesen Ort erzählen, zu dem man kommt, wenn man die Kopfhörer und die Sonnenbrille abnimmt?

JIM KERR: Das Lied mag ich auch besonders. Wenn man die Arbeit an einem Album beginnt, überlegt man sich natürlich, welche Ideen es beinhalten soll und wo genau der Ausgangspunkt liegt. Als Charlie mit der Musik für "The signal and the noise" ankam, wirkte der Track auch in diesem frühen Stadium schon sehr komplett. Innerhalb einer Stunde war ich mit dem Text fertig und hatte dabei ein gutes Gefühl. Da waren all die Dinge, die das neue Gesicht der Band ausmachen, aber auch all die für uns schon lange typischen Elemente. Ich dachte mir, dass wir uns in diesem Territorium weiter bewegen müssen und so wurde der Song zum Schlüssel für das Album.

BODYSTYLER: Großartig. Lass uns auch noch über das wunderbare "In dreams" reden, in dem Du folgende Zeilen singst: "In dreams nothing ever goes wrong". Sind Träume für Dich also eher etwas Positives? Was ist jedoch mit schlechten Träumen oder gar Alpträumen?

JIM KERR: Es ist schon komisch. Ich singe häufig über Träume, kann mich aber meist nicht mal an meine eigenen erinnern... (lacht). Ich hatte aber auch schon ein paar seltsame Träume. Ansonsten stehen Träume natürlich auch für etwas, in das man seine Wünsche projeziert und Dinge, die man realisieren möchte.

BODYSTYLER: Darf ich Dich trotzdem noch fragen, ob Du sagen kannst, ob Du in Schwarz/Weiß oder farbig träumst? Ich weiß nicht, ob Du von den verschiedenen Theorien darüber gehört hast...

JIM KERR: Das ist eine tolle Frage (lacht). Ich hatte schon etliche Träume über mein Lieblingsfussballteam Celtic Glasgow und die waren zumindest immer in Grün und Weiß (lacht)...

BODYSTYLER: Großartige Antwort! Dann komme ich doch gleich zum nächsten Song und zwar finde ich den Verweis auf "Alive and kicking", den Ihr in "Sense of discovery" eingebaut habt, fantastisch. Damit schließt sich zum einen ein Kreis und ihr greift gleichzeitig diese Energie erneut auf. Ich habe mich gefragt, ob das neue Lied das alte vielleicht bei Konzerten sogar ersetzen könnte? Oder könnt Ihr Euch eher eine friedliche Koexistenz oder gar ein Medley vorstellen?

JIM KERR: "Alive and kicking" ist ein so toller Song, dass man ihn nicht weglassen darf, also werden wir wohl beide live spielen. Aber Du hast recht, es gibt da diese Verbindung und es wird spannend sein zu beobachten, was sich daraus entwickelt...

"Wo Schottland die Realität ist, habe ich zu Sizilien eine eher kosmische Beziehung."

BODYSTYLER: Es gab in den letzten Jahren oftmals Gerüchte über die neuen Lieder und es tauchten auch verschiedene Songnamen im Netz auf. Davon befindet sich "Silent kiss" auf der Deluxe Edition, aber darf man fragen, was zum Beispiel aus dem Track "Fireball" geworden ist?

JIM KERR: Es gibt immer eine Unmenge von Ideen und ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Manchmal ist man von einer Idee vollkommen begeistert, manchmal fehlt etwas und man kann nicht genau sagen was. Manchmal ist es einfach ein guter Ansatz, aber nicht der richtige Zeitpunkt. Am Ende geht es bei der Songauswahl natürlich auch um das Zusammenspiel mit den anderen Tracks und die Balance des Albums. In diesem Kontext muss man alle möglichen Dinge abwägen. Den von Dir erwähnten Track hatte ich übrigens schon total vergessen. Vielleicht taucht er ja irgendwo mal wieder auf. Wir werden sehen.

BODYSTYLER: Bis jetzt wurden fünf Konzerte in Deutschland angekündigt. Was für ein Set darf das Publikum erwarten?

JIM KERR: Wir haben auf jedem Konzert das Problem, eine Auswahl aus so vielen Songs treffen zu müssen. Letztendlich geht es darum, die Leute mitzureißen und eine Spanne von den frühen Tagen bis hin zum aktuellen Album abzudecken. Natürlich gehören die großen Hits dazu, aber immer auch etwas Obskures, das selbst die Die Hard-Fans nie im Leben erwartet hätten. Ich persönlich mag zudem auch immer wieder eine gute und vielleicht auch ungewöhnliche Coverversion. Es sind ja zum Glück noch ein paar Monate Zeit bis zu den Auftritten, aber mit Sicherheit werden wir unser Bestes geben.

BODYSTYLER: Zum Schluss möchte ich Dich noch gern zu den konstant aufkommenden Gerüchten zu einem nächsten Lostboy-Album (Jims Soloprojekt; Anm. d. Red.) befragen. Gibt es da etwas Konkretes zu berichten?

JIM KERR: Da gibt es ebenfalls schon jede Menge Ideen, aber Lostboy kann nur aktiv werden, wenn es bei den Simple Minds nichts zu tun gibt. Aktuell haben wir jedoch dauerhaft viel um die Ohren, aber wenn wir da mal eine Pause einlegen, wird es mit Sicherheit etwas aus der Richtung geben. Letzte Woche hat meine Freundin übrigens Lostboy-Songs rausgekramt. Ich hatte das eine Ewigkeit nicht mehr gehört, aber wir fanden das beide großartig. Da habe ich dann erstmals wieder darüber nachgedacht... (lacht)