Lionhearts

Doppelherz

04.02.2018 - Frank Spinath ist zum einen Professor der Psychologie, aber auch einer der umtriebigsten Musiker/Sänger der Electro-Szene. Im letzten Jahr brachte er sein offizielles Solo-Debüt unter dem Namen Lionhearts heraus, dem nun ein zweites Album ("Companion") zur Seite gestellt wird, das Remixe sowie einen neuen Song enthält. Wir baten erneut zum Gespräch, denn aller guten Dinge sind bekanntlich zwei. Von: Torsten Pape

Image Kinnlastige Löwenmähne... (Foto: Claudia Schöne)

BODYSTYLER: Wie würdest Du das Wort "Companion" am liebsten übersetzen? Kumpan, Kumpel, Kompagnon oder Weggefährte?

FRANK SPINATH: Weggefährte ist meine bevorzugte Übersetzung. Der Titel drückt einerseits aus, dass die EP ein vollwertiger Begleiter zum Album ist, nicht nur ein Fragment oder eine Singleauskopplung. Andererseits beschreibt Companion mein Verhältnis zu den Menschen, die die Remixe erstellt haben. Es handelt sich dabei nämlich ausschließlich um Freunde und Musikerkollegen, mit denen mich eine persönliche Geschichte verbindet und deren musikalische Arbeit ich sehr schätze.

BODYSTYLER: Seit wann besteht eigentlich die Überlegung, Deinem Debütalbum ein Addendum folgen zu lassen und was gab den Ausschlag, dass diese Idee auch umgesetzt wurde?

FRANK SPINATH: Ehrlich gesagt, reifte diese Überlegung ziemlich rasch nach der Veröffentlichung des Albums, denn mir war klar, dass einzelne Songs noch ein verborgenes „zweites Gesicht“ hatten. „No Going Back“, das Stück über eine verlorene Liebe, ist ein gutes Beispiel dafür: die Albumversion fängt v.a. die Melancholie und die Traurigkeit ein, die zu dieser Situation gehören. Aber da ist eben auch noch die Wut; und diese Wut hat in der Bearbeitung von Mildreda/Jan Dewulf nun hörbar die Oberhand und darf sich entfalten. Und dann ist da natürlich noch meine Neugier, wie meine Stücke nach liebevoller Zuwendung durch befreundete und sehr geschätzte Künstler wohl klingen mögen. Ich habe an anderer Stelle gesagt, dass Remixe so ein bisschen was von Partnertausch haben. Dazu muss natürlich die Chemie stimmen… (lacht).

BODYSTYLER: Analog zu Deinen Zwillingsforschungen als Professor kann man feststellen, dass Deine Solo-Werke auf ihre Art jeweils in zwei Sektionen aufgeteilt sind. Außerdem sind Deine bisherigen Projekte immer als Duo angelegt. Würdest Du sagen, dass die "2" eine besondere Zahl für Dich ist?

FRANK SPINATH: So habe ich das bislang noch gar nicht gesehen, aber da ist schon was dran. Bei Ghost & Writer haben wir den Gedanken des musikalischen „Zwillings“ ja sogar zum Konzept gemacht, weil auf unseren beiden (sic!) Alben jeder Song in zwei Versionen vertreten ist. Bevor das hier jedoch zu sehr ins Mystische abdriftet, sei gesagt, dass in diesem Jahr eine Veröffentlichung mit mir ansteht, bei der die Band aus vier Personen besteht.

BODYSTYLER: Ich finde die Idee übrigens schön, dass Du nur Musiker aus Deinem Freundes- und Bekanntenkreis um eine Bearbeitung gebeten hast. Manch ein Remix-Unfall der Musikgeschichte hätte auf diese Art sicherlich vermieden werden können. Waren solche "Sternstunden" ausschlaggebend für Deine Entscheidung oder war es Dir schlicht ein unumgängliches, inneres Bedürfnis?

FRANK SPINATH: Klare Antwort von mir an dieser Stelle: Es war mir ein innerstes Bedürfnis, und ich hatte das wirklich große Glück, dass alle Gefragten auch Zeit und Lust hatten. Remix-Katastrophen habe ich in all den Jahren glücklicherweise kaum erlebt.

"Ansonsten genieße ich die monatlichen Besuche im türkischen Barbershop und die täglich hinzugewonnenen Schlafminuten, weil ich mich nicht mehr rasieren muss."

BODYSTYLER: Wie meinst Du, würde es sich gestalten, wenn Du gemeinsam mit Ben Lukas Boysen (Hecq), der bei Lionhearts für die Produktion verantwortlich ist, für zwei Wochen in den Urlaub auf die viel beschworene, einsame Insel fliegen würdest? Sollte ein hochwertiges Aufnahme-Equipment vorhanden sein oder würde Euch auch ohne Technik nicht langweilig werden?

FRANK SPINATH: Ich kann sagen, dass ich mit Ben schon Stunden durchgequatscht habe, und ich bin mir sicher, dass uns auf der besagten Insel auch ohne Aufnahmeequipment nicht langweilig werden würde. Bei nochmaligem Nachdenken gefällt mir die Vorstellung ohnehin besser, mit vielen neuen Ideen und Eindrücken von der Insel zurückzukommen und dann Musik zu machen. Zumal ich vor vielen Jahren mal ein hochwertiges Abspielgerät versehentlich im Meer versenkt habe. Also: Kein Equipment auf der Insel!

BODYSTYLER: Mittlerweile hast Du anderswo verraten, dass es sich bei der Hecq-Variation von "To What I Don't Know" um die ursprünglich geplante Albumversion handelt. Mich würde nun natürlich interessieren, wie er die Bearbeitung von "The Ardent City" angegangen ist, nachdem er ja maßgeblich an der Entstehung des Originals beteiligt war?

FRANK SPINATH: In diesen Dingen ist Ben wunderbar pragmatisch. Um der Gefahr vorzubeugen, das Stück nur in Nuancen zu verändern, hat er einfach die Original-Audiospuren komplett außen vor gelassen und, beginnend mit den Vocals, den Song von Grund auf neu programmiert. Die Version sollte insgesamt ein etwas tanzbareres Feeling verströmen, aber ansonsten gab es keine Vorgaben. Diese Leichtigkeit hört man der Version auch an, finde ich. Fast so, als wäre sie auf einer einsamen Insel entstanden… (lacht)

BODYSTYLER: Was sofort auffällt, ist die Tatsache, dass alle Remixe schlicht mit dem Namen der Remixer versehen wurden. Gab es denn gar keine Ansätze im Sinne fantasievoller Bezeichnungen a la "(Bullet Of A) Gone" oder "No Going Back" (Power And Rhythm - Edit) o.ä.??

FRANK SPINATH: Das ist mal eine ungewöhnliche Frage – sehr schön. Bei anderen Künstlern mag ich diese Remixbenennungen eigentlich ganz gern. Als Kind der 80er bin ich zudem aufgewachsen mit so „wilden“ Remixnamen wie „Twelve Wild Disciples Mix“ (von Frankie Goes To Hollywoods „Warriors“) oder „Wilder Than Wild Boys“ (von Duran Durans „The Wild Boys“). Sehr schön auch Erasures „Extended As Far As Possible Mix“ (für die B-Seite „Push Me, Shove Me”). Die Entscheidung für die reine Verwendung der Remixernamen habe ich ganz früh aus dem Bauch heraus getroffen und nie hinterfragt. Vermutlich weil es mich selbst am Ende auch am meisten interessiert, wer den Remix gemacht hat und nicht, wie kreativ dann noch die Namensfindung ausfällt.

"Remix-Katastrophen habe ich in all den Jahren glücklicherweise kaum erlebt."

BODYSTYLER: Im neuen Demo "Stars" durchläufst Du diverse Arten des Stimmvortrags. Was ist die Idee hinter der Präsentation dieses imposanten Spektrums?

FRANK SPINATH: Die Musik von „Stars“ hat etwas hypnotisch-surreales, und zwischendurch könnte man meinen, man höre entfernte Feuerwerksgeräusche. Das Bild eines Nachthimmels war unmittelbar und allzeit präsent bei dieser Produktion. Aber die Stimmung wandelt sich: Das entspannt-groovende IDM/Ambient-Stück à la Boards Of Canada entwickelt Fangzähne, und die Titanic fährt in meiner Vorstellung auch durch’s Bild. Dabei verlässt der Song immer nur für kurze Momente seine Grundhaltung, aber das reicht aus, um den Zuhörer aufzurütteln. Ich liebe diesen Song.

BODYSTYLER: Beim Dero von Oomph! sorgte jüngst angeblich ein plötzlicher Bartwuchs für unverhältnismäßig hohe Wellen im Internetz. Welche Situationen/Reaktionen durftest Du aufgrund der neuerdings vorhandenen Gesichtsbehaarung erleben und was sagt der Psychologe dazu?

FRANK SPINATH: Der verstörendste Ausspruch zu meinem Bart kam von einer Freundin meiner Frau. Als die mich zum ersten Mal mit Bart sah, rief sie in einem vollbesetzten Restaurant laut aus: „Krasse Schenkelbürste!“ Ansonsten genieße ich die monatlichen Besuche im türkischen Barbershop und die täglich hinzugewonnenen Schlafminuten, weil ich mich nicht mehr rasieren muss. Kann ich nur jedem empfehlen.

BODYSTYLER: Welches Deiner anderen Projekte wird als nächstes (erneut) an die Öffentlichkeit treten? Ist ja wohl einiges in der Mache...

FRANK SPINATH: Na, ihr seid aber gut informiert… (lacht). Also: In diesem Jahr soll nun endlich das langerwartete Album von Radioaktivists erscheinen, bei dem ich gemeinsam mit Daniel Myer (Haujobb, Architect), Krischan Wesenberg (Rotersand, Future Lied To Us) und Sascha Lange (ja, genau der Sascha Lange, der gemeinsam mit Dennis Burmeister die ultimate Depeche Mode-Bibel „Monument“ veröffentlicht hat) zu Werke gehe. Wir arbeiten aktuell am finalen Mix der Tracks und stellen das Bonusmaterial für eine limitierte Edition zusammen. Bislang existieren offiziell ja lediglich zwei Samplerbeiträge auf "Dependence 2012" und "Dependence 2017", aber nun sind wir auf der Zielgeraden.
Und dann stehen Mario Schumacher und ich seit einiger Zeit wieder in regem Austausch, um am längst überfälligen nächsten Edge Of Dawn-Album zu arbeiten. Darauf freue ich mich ebenfalls schon sehr.