M.I.N.E

Manchmal Ist Nie Ewig

20.05.2018 - Der Name Marcus Meyn ist im Lexikon der Synth-Pop-Kultur untrennbar mit der Formation Camouflage verbunden. Anders als in den vorherigen Bandpausen startet der Frontmann anno 2018 jedoch mit seinem Soloprojekt M.I.N.E durch, bei dem er tatkräftig von Jochen Schmalbach und Volker Hinkel unterstützt wird. Das anstehende Debütalbum ist Grund genug für den BS, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen. Von: Torsten Pape

Image M.I.N.E - Jungs - Verschiedenheit (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Zunächst einmal möchte ich Dir sagen, dass ich das M.I.N.E-Debüt "Unexpected truth within" sehr mag. Es enthält eine schöne Mischung aus schnellen und langsamen Stücken und es sind auch einige Ohrwürmer drauf. Ein richtiges "Wohlfühl"-Album.

MARCUS MEYN: (lacht) Super! Das freut mich.

BODYSTYLER: In Eurer Vita legt Ihr Euch weder räumlich noch zeitlich fest, wenn es um die Bandgründung geht. War das wirklich ein eher schleichender Prozess oder gab es doch ein Schlüsselerlebnis?

MARCUS MEYN: Mit uns Dreien hat es ungefähr 2006 angefangen. Da habe ich den anderen beiden Jungs die ersten Songs gegeben und sie haben daran weiter gearbeitet. Sie haben sie weiter produziert, Gitarre und Schlagzeug aufgenommen und zusätzlich experimentiert. Als Camouflage 2015 dann zu dem Schluss kam, dass jetzt eine Pause kommt, haben wir einfach mit M.I.N.E weiter gemacht.

BODYSTYLER: Ich muss ja gestehen, dass es bei mir einen Moment gedauert hat, bis ich den Bezug vom Bandnamen zu Deinem Nachnamen auf die Reihe bekommen habe. Was gab es denn ansonsten für Reaktionen?

MARCUS MEYN: Eigentlich gab es keine besonderen Nachfragen. Die Leute kennen meinen Namen und wissen nur manchmal nicht, wie sie ihn aussprechen sollen. Und damit ist nun auch diese Frage geklärt (lacht).

BODYSTYLER: Ihr habt auf Eurer Internetseite ja auch noch ein Statement abgegeben, was der Name für Euch bedeutet, aber wofür stehen denn nun die Punkte?

MARCUS MEYN: Das ist ganz einfach: Es gibt eine deutsche Künstlerin, die Mine heißt und vor ein paar Jahren ihr Debütalbum veröffentlicht hat. Ich habe damals gleich die Plattenfirma angerufen und gesagt, dass das mein Pseudonym sei. Die meinten dann, dass wir uns doch nicht in die Quere kommen, da das doch deutschsprachig und auf einen ganz anderen Markt ausgerichtet ist. Im Nachhinein ärgere ich mich natürlich schon, dass ich damals nichts dagegen unternommen habe, denn wenn man uns im Internet sucht, findet man natürlich zuerst die Sängerin. Ich wollte den Namen aber nicht ändern und habe mich deshalb für die Punkte entschieden, die eine Differenzierung ermöglichen.

BODYSTYLER: Habt Ihr vielleicht auch damit gerechnet, dass die Leute überlegen, ob sich dahinter Worte verbergen könnten?

MARCUS MEYN: Ich muss gestehen, dass ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht habe.

BODYSTYLER: Magst Du dann vielleicht mit mir mal ein paar mögliche Ideen durchgehen, was hinter den ver-M.I.N.E-tlichen Abkürzungen stecken könnte?

MARCUS MEYN: Okay, klar (lacht).

BODYSTYLER: Das erste Produkt meiner Fantasie wäre: "Musik Ist Natürlich Emotion".

MARCUS MEYN: Oh, das ist schön. Da gehe ich natürlich mit.

BODYSTYLER: Nr.2: "Marcus Ist Noch Essen"

MARCUS MEYN: Hahaha, okay... Ich bin Stier und von daher ein Genießer. Das ist ein ganz wichtiger Teil meines Lebens.

BODYSTYLER: Was gehört für Dich denn zu einem guten Essen?

MARCUS MEYN: Ruhe. Ich mag es nicht, in Hektik zu essen. Außerdem gute Zutaten und ein gutes Getränk.

BODYSTYLER: Was wäre ein solches Getränk?

MARCUS MEYN: Das hängt natürlich davon ab, was ich esse. Zum Beispiel ein guter Wein oder auch mal ein Gin Tonic oder ein Wodka Lemon. Bier trinke ich auch ab und zu, aber im Sommer lieber ein alkoholfreies Weizen. Ich mache ja auch viel Sport und da ist das immer eine schöne Erfrischung.

BODYSTYLER: Magst Du noch mehr Deutungen des Bandnamens hören?

MARCUS MEYN: Klar doch.

BODYSTYLER: "Marcus Ist Nicht Eitel"

MARCUS MEYN: Das kann ich leider nicht unterschreiben. Eitel bin ich schon, wenn auch vielleicht nicht übermäßig. Ich stehe nun mal in der Öffentlichkeit und bin mir der Wahrnehmung bzw. dass mich die Leute teilweise auch kritischer als andere anschauen, bewusst.

BODYSTYLER: Nächster Vorschlag: "Mathematik Ist Nicht Essenziell"

MARCUS MEYN: Das sah mein Abi-Mathe-Lehrer natürlich ganz anders (lacht). Ich habe Mathematik eigentlich immer sehr geliebt, auch nach wie vor, obwohl ich es mittlerweile kaum noch brauche. Ich meine natürlich die höhere Mathematik. Es macht natürlich unheimlich Spaß, wenn Du mit Deinen Kindern Mathe lernst. Das finde ich cool.

BODYSTYLER: Das kann ich gut nachvollziehen (lacht). Jetzt habe ich noch eine mögliche Assoziation für Dich: "Muss Irgendwas Noch Erledigen" - passt das irgendwie zu Dir?

MARCUS MEYN: Ja, sehr. Total. Das könnte auch auf meinem Grabstein stehen. Ich weiß ganz oft nicht, wo mir der Kopf steht. Das ist ganz, ganz schlimm. Aktuell habe ich vier oder fünf Jobs und das unter einen Hut zu bekommen, ist nicht einfach.

BODYSTYLER: Magst Du da vielleicht einen kleinen Einblick geben?

MARCUS MEYN: Ich mache ja nicht nur Musik, sondern habe auch eine Baufirma. Wir machen Glasfaserbau, schnelles Internet und im Zuge dessen habe ich da mehrere Bereiche bzw. Kunden, die ich bediene bzw. betreue. Dazu kommt dann noch die Familie und mein Problem ist einfach, dass ich mich oft verzettele. Wenn ich es schaffe, Prioritäten zu setzen und mich nur auf eine Aufgabe zu konzentrieren, bin ich extrem stolz auf mich.

"Ich liebe "Sing meinen Song" und wäre sofort dabei."

BODYSTYLER: Das verstehe ich ebenfalls. Lass uns in diesem Sinne doch zurück zur Band kommen... Mit M.I.N.E habt Ihr ja nun ein Debüt-Album am Start. Fühlt es sich für Euch denn auch wie ein Neustart an oder ist es doch eher eine Fortsetzung?

MARCUS MEYN: Es fühlt sich schon wie ein Neustart an. Obwohl wir uns schon länger kennen, ist es doch in dieser Konstellation oder auch was die Live-Präsentation angeht, etwas völlig anderes als bei Camouflage. Ich finde es auch total spannend, wieder kleinere Konzerte zu spielen, das macht echt viel Spaß.

BODYSTYLER: Wo würdest Du denn Unterschiede oder auch Ähnlichkeiten in der Arbeitsweise bzw. dem Songwriting sehen? Was ist identisch, was total unterschiedlich im Vergleich zu den letzten zwanzig, dreißig Jahren?

MARCUS MEYN: Das Schreiben der Songs läuft gleich ab. Ich schreibe ein Lied und schicke es den anderen. Was dann kommt, läuft jedoch ganz anders, denn bei M.I.N.E ist es mehr ein Miteinander. Bei Camouflage produziert Heiko und das ist dann in Stein gemeißelt. Jetzt ist das viel offener. Da werden Sachen hin und her geschickt und weiter bearbeitet.

BODYSTYLER: Mich würde an der Stelle interessieren, welchen der neuen Texte Du aktuell am bedeutendsten bzw. gelungensten findest?

MARCUS MEYN: Was ich gerade sehr mag, ist "World without a smile", aber auch "Wonder". Letzteren habe ich geschrieben, nachdem Donald Trump die Wahl gewonnen hat und ich mich gefragt habe, was das jetzt bitte ist? Ist das Wahnsinn oder Methode? Oder auch "Same but different"...

BODYSTYLER: ...obwohl man bei dem Lied doch überlegen muss, was Du da genau sagen willst, da es etwas verklausuliert ist.

MARCUS MEYN: Da habe ich einfach Gefühle niedergeschrieben und mir nicht großartig den Kopf darüber zerbrochen, ob das in sich immer komplett schlüssig ist. Für mich ist Texten oft genau wie Komponieren. Es gibt für alles einen gewissen Moment und ich gestehe auch einem Text zu, dass er manchmal nur ein Gefühl überträgt oder in ihm Dinge zusammen kommen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht hundertprozentig Sinn ergeben, aber dann im Gesamtbild zusammen passen.

BODYSTYLER: Und es funktioniert anscheinend und das sogar schon sehr lange. Was sind denn auf lange Sicht Songs, die Dir besonders ans Herz wachsen? Was zeichnet solche Nummern aus?

MARCUS MEYN: Das sind Songs, zu denen ich zum Beispiel emotional einen besonderen Bezug habe, wie zum Beispiel "That smiling face". Das ist für mich ein Alltime-Favorit. Als ich ihn damals geschrieben habe, stand ich in meinem Zimmer in der Wohnung meiner Mutter, hatte die Jalousien unten und habe stundenlang diesen Sequencer laufen lassen (singt die markante Sequenz vor...). Das verschafft mir heute nach all den Jahren immer noch eine Gänsehaut. "Harmful" von "Sensor" ist auch so ein Song, der in dem Fall das ambivalente Verhältnis zwischen mir und meiner Ex-Frau beschreibt und wo ich mich die ganze Zeit für die Scheiße, die ich gebaut habe, entschuldige. Oder nimm "Love is the perfect key", der die Beziehung zu meiner Frau beschreibt, also etwas sehr Enges und Persönliches ist. Es gibt aber wirklich immer wieder Lieder, die mir besonders wichtig und damit auch eine Art Anker im Leben sind. Jetzt fällt mir auch noch "Suspicious love" ein, das ist einer meiner Lieblingssongs. Das Verrückte war, dass ich ein Jahr nachdem ich diesen Track geschrieben habe, erst gemerkt habe, dass ich ihn über mich geschrieben habe. Das war unfassbar.

BODYSTYLER: Dafür ist Musik immer gut, oder? Man findet retrospektiv oft Sachen, die man plötzlich mit ganz anderen Augen betrachtet...

MARCUS MEYN: Natürlich. Für mich ist das wie ein Seelenstrip und das beste Ventil, das ich habe.

"Die Leute kennen meinen Namen und wissen nur manchmal nicht, wie sie ihn aussprechen sollen. Und damit ist nun auch diese Frage geklärt."

BODYSTYLER: Ihr habt ja bereits vor über einem Jahr die ersten M.I.N.E-Songs veröffentlicht. Welche Reaktionen gab es denn da und welche waren für Euch am schönsten?

MARCUS MEYN: Die Reaktionen waren sehr gut und die Leute fanden die Single "The things we've done" toll. Das ist auch ein solch ganz besonderer Song für mich, der mich musikalisch und inhaltlich extrem berührt. Wie kommen wir als Menschheit mit dem Mist, den wir die ganze Zeit bauen, überhaupt klar? Das ist eine Frage, die mich mein Leben lang begleitet und das hat anscheinend auch viele andere Leute sehr berührt. Genau wie das Video, das ja sehr persönlich ist. Man sieht ja fast ausshließlich mein Gesicht, auf dem sich jedoch Sachen wie die Verbrennungsöfen von Auschwitz, Napalmbomben, Vulkanausbrüche etc. spiegeln.

BODYSTYLER: Ich glaube, man kann auch insofern keinen besseren Einstieg mit einer neuen Band haben, wenn der erste Song gleich so ein Ohrwurm ist. Er funktioniert ja auch wunderbar in der Akustikversion, die man auf der Single findet...

MARCUS MEYN: Das ist auch etwas, wo mir immer das Herz aufgeht. Das geht bei M.I.N.E immer, auch wenn zum Beispiel auf der Bühne mal das Licht ausgeht und Stromausfall ist. Dann nimmt Volker die Akustikgitarre und wir interpretieren die Songs analog. Das ist geil und macht total Spaß. Das verschafft mir Sicherheit, aber auch eine gewisse Freiheit. Wir hatten sogar mal die Situation, dass an der Gitarre etwas kaputt gegangen ist und dann hat Jochen Schlagzeug gespielt und ich habe dazu gesungen. Früher wäre man in eine Schockstarre gefallen, heute machen wir einfach weiter...

BODYSTYLER: Das war nicht zufällig "Dangerous", weil der ja schon sehr rhythmisch angelegt ist?

MARCUS MEYN: Doch, genau der Song. Wir haben ihn dann vorgezogen und das hat perfekt gepasst.

BODYSTYLER: Lass uns doch kurz auf Deinen aktuellen Wohnort Berlin zu sprechen kommen. Darf ich fragen, in welchem Teil der Stadt Du wohnst?

MARCUS MEYN: Ich wohne in Müggelheim. Die Familie meiner Frau hatte hier Datschen und dadurch kannten wir die Gegend. 2006, bei der Geburt unserer ersten Tochter, haben wir dann überlegt, dass unserer damaliger Wohnort in der Prenzlauer Allee mit all dem Dreck und Lärm für ein Kind nicht so optimal ist.

BODYSTYLER: Noch einmal eine ganz andere Frage und zwar läuft ab nächster Woche die neue Staffel von "Sing meinen Song", bei der auch Marian Gold von Alphaville dabei ist. Bekommst Du so etwas mit bzw. wäre das auch was für Dich?

MARCUS MEYN: Ich liebe "Sing meinen Song" und wäre sofort dabei. Das Format ist richtig klasse und cool. Da ist es sogar schon passiert, dass ich das erste Mal in meinem Leben bei einem PUR-Song eine Gänsehaut bekommen habe. Die Jungs kommen ja aus der gleichen Stadt wie wir und die Interpretation von Daniel Wirtz hat mich echt umgehauen. Es ist immer total spannend, was die Leute da aus den Songs machen und ich fände es total geil, mal eine andere Version von "Love is a shield" oder "The great commandment" zu hören. Oder "Love is the perfect key" von jemandem mit einer Wahnsinnsstimme, da würde ich durchdrehen...