Abwärts

Smart Punks

01.10.2018 - Aktuell steuern Abwärts auf ihr 40-jähriges Band-Jubiläum zu und bringen kurz vor dem runden Geburtstag eine stramme Punk-Platte namens "Smart bomb" unter das pogowillige Volk. Alte Tugenden treffen auf gewohnt (wort-)witzige Ideen und die traditionelle Prise Unmut darf natürlich auch nicht fehlen. In einem Kreuzberger Lokal entwickelte sich ein kurzweiliges Gespräch mit Bandkopf Frank Ziegert. Von: Torsten Pape

Image Ein unkommerzielles Projekt: Abwärts, bestehend aus Kessler, Gonzales, Werra und Ziegert (Foto: Rodrigo Gonzales)

BODYSTYLER: Was ist in Deiner Welt aktuell der neueste Abwärts-Trend?

FRANK ZIEGERT: Im Moment natürlich, dass ich mich um die neue Platte kümmere (lacht). Wir haben ja ein neues Label, was echt positiv ist. Mit Cargo Records gab es ein paar Probleme, was auch daran liegt, dass sie einfach zu viel machen. Das neue Label kommt aus Hamburg und die haben wirklich Bock auf uns. Alle sind motiviert und gerade sowieso gut drauf, da sie mit Feine Sahne Fischfilet in den Charts sind. Die sind ja aktuell zu Totenkopf gewechselt, mal sehen, wo die nächste Platte rauskommt... (lacht) Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...

BODYSTYLER: Da Du ja aus Hamburg kommst, schließt sich ja vielleicht auch ein Kreis...

FRANK ZIEGERT: Das ist aber Zufall, die hätten auch in Bremen sitzen können. Aber in Bremen ist ja nix... (lacht)

BODYSTYLER: Labelwechsel gab es ja in der Abwärts-Historie schon einige, teilweise ja auch nicht von Euch gewollt, da einige Plattenfirmen aufgelöst wurden. Siehst Du das im Rückblick mit Ironie? Ist das vielleicht schon eine Art Glücksbringer oder eine Tradition?

FRANK ZIEGERT: Früher hatten wir ja teilweise sogar Deals, wo wir richtig viel Geld bekommen haben. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Da wurden teilweise allein für das Studio 60.000 bis 70.000 D-Mark ausgegeben und es gab Vorschüsse, von denen man gut und gern ein Jahr leben konnte. Jetzt geht es darum, wie motiviert die Leute sind und wenn man Glück hat, kann man vielleicht sogar ein bisschen Geld verdienen.

BODYSTYLER: Mit dem neuen Album habt Ihr aber wirklich gute Karten und die ersten Reaktionen sind ja sehr positiv. Ich finde es ebenfalls richtig frisch, es sind tolle Songs drauf und es macht richtig Spaß, es zu hören...

FRANK ZIEGERT: Danke. Find ich auch ganz gelungen das Ding (lacht) Nun geht es erstmal darum, es ein bisschen bekannt zu machen, die Leute müssen es auch hören. Es ist aber auf alle Fälle zugänglicher als das letzte Album. "Krautrock" hatte einfach ganz andere Ansätze. Das war eher so laid back, jetzt ist es wieder mehr Punkrock. Das ist aber auch das Gute bei uns, dass wir so unterschiedliche Platten machen und keiner dahinter steht, der uns sagt, wie es klingen soll. Und wir bringen auch nicht wie manch andere Band jedes Jahr ein neues Album raus.

BODYSTYLER: Magst Du die Idee, dass man sich zwischen zwei Alben einmal komplett ab- und dann wieder anschaltet, mit einem Album richtig abschließt bevor man mit dem nächsten beginnt?

FRANK ZIEGERT: Ja, schon. Abwärts ist ja im Grunde auch mehr ein unkommerzielles Projekt und keine Geldmaschine. Da hat man dann eben schon die Möglichkeit, sich auch mal vier Jahre Zeit zu lassen. Wenn man dann Bock hat, wieder etwas zu machen, fragt man die anderen, wie es bei ihnen aussieht.

BODYSTYLER: Darf ich fragen, wie Du eine solche Zeit überbrückst?

FRANK ZIEGERT: Ich mach dann alles Mögliche, das geht schon. Ich hab schon andere Sachen produziert. Ich häng das auch nicht an die große Glocke, wenn ich zum Beispiel mal was in der Werbung gemacht habe. Eine Zeit lang habe ich sogar in einer Internetfirma gearbeitet. Wenn ich nur von Abwärts leben wollte, hätte ich zwischendurch schon Hartz 4 beantragen müssen. Es gibt eine Handvoll Bands, bei denen das funktioniert, am besten wahrscheinlich bei Rammstein, weil die eben auch international am Start sind...

BODYSTYLER: Du sagst, dass Du bei einer Internetfirma warst. Was sind denn heutzutage Fluch und Segen des Internets für Dich bzw. für die Band?

FRANK ZIEGERT: Die Vorteile liegen ja auf der Hand und ich habe mich auch recht früh schon dafür interessiert, weil mich Technik schon immer begeistert hat. Bis in die 2000er hatte das Internet ja auch noch einen gewissen anarchischen Touch. Das war eine Plattform, die sich komplett außerhalb der etablierten Medien abgespielt hat. Trotzdem hat es am Ende natürlich dazu geführt, dass kleinere Bands umdenken mussten. Man hat einfach in alten Segmenten kein Geld mehr verdient. Musik hatte irgendwann keinen Wert mehr. Wir verkaufen zum Glück immer noch ein paar Stück, aktuell zum Beispiel auch die "Computerstaat"-Vinyl-Single zum Record Store Day. Das war eine Auflage von 1000 Stück, die innerhalb von ein paar Tagen ausverkauft war. Ich kann aber auch verstehen, dass man sich etwas von Youtube runterzieht und in eine mp3-Datei umwandelt, wenn man nur den einen Song haben will. Obwohl eine mp3 vom Sound her natürlich immer etwas flacher ist, aber fürs Auto oder nebenbei reicht das doch aus. Aber um zur Frage zurückzukommen: Es ist natürlich absolut negativ, dass mittlerweile jeder Idiot zu jedem Thema eine Meinung hat, die er im Internet kundtut. Diese ganzen Shitstorms sind doch meist nur inkompetentes Geqautsche. So war das ganze Ding natürlich nicht gedacht. Ich habe damals in Hamburg noch Leute vom Chaos-Computer-Club kennengelernt. Das waren echte Freaks und Anarchos, aber selbst die haben nicht damit gerechnet, dass sich das auf diese Art entwickelt.

BODYSTYLER: Ich habe im Internet übrigens folgenden Satz über Euch gefunden: "Still active but on a low level today." Das kann man als total frech, aber auch positiv verstehen. Wie klingt das in Deinen Ohren?

FRANK ZIEGERT: Das stimmt ja auch. Genau so, wie ich es gesagt habe. "Aktiv, ohne viel zu machen." Das ist doch ganz treffend.

"Zu viel Präsenz ist auch nicht gut."

BODYSTYLER: Mich würde interessieren, ob Du evtl. drei Zutaten benennen könntest, die es braucht, damit am Ende ein Abwärts-Song entsteht?

FRANK ZIEGERT: Zunächst wäre da ein halbwegs brauchbarer Text, dann entwickele ich eine grobe Melodie und der dritte Schritt ist, dass ich das mit Gonzales im Studio ausarbeite.

BODYSTYLER: Ich finde dass bei Euren Song auch immer ein guter Rhythmus, ein gewisser Groove eine Rolle spielt...

FRANK ZIEGERT: Wenn wir produzieren, nehmen wir das zuerst immer nur mit einem Drumcomputer auf. Das nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch und am Ende kriegt der Drummer eine Datei und haut seins da drauf. Der Bass kommt auch extra und am Ende klingt das wirklich fast so, als ob Du eine extrem eingespielte Band hast. Unser Schlagzeuger ist aber auch ein absoluter Top-Mann. Rod ist auch nicht gerade schlecht... Ich bin eigentlich der einzige Dilletant... (lacht)

BODYSTYLER: Deine Texte enthalten ja oftmals eine gewisse Unzufriedenheit oder auch Wut über gewisse Zustände. Mich würde aber mal interessieren, was so die Dinge sind, bei denen Du gut entspannen kannst? Was erzeugt bei Dir Zufriedenheit?

FRANK ZIEGERT: Wenn ich mich entspannen will, fahre ich zum Beispiel an die See. Eine Cousine von mir hat ein sehr schönes Haus am Atlantik in Spanien. Es muss aber auch nicht immer so weit weg sein. Ich war jetzt gerade auch ein paar Tage in Friesland. Ich wohne ja jetzt schon ein paar Jahre in Berlin, aber die Stadt ist auf Dauer auch ganz schön anstrengend. Da muss man manchmal einfach raus.

BODYSTYLER: Kommen wir doch (wieder) zum aktuellen Album. Was kannst Du denn zur Entstehung des Covers berichten?

FRANK ZIEGERT: Ich hatte diese Idee von der intelligenten Bombe, aber der Grafiker und ich wollten die Sache möglichst einfach halten. Weißer Hintergrund, auch das Booklet eher schlicht und auf der Rückseite eines dieser Büschel, die in der Wüste rumfliegen. Ich bin gespannt, wie das beim Vinyl aussieht, denn für diese Größe ist das eigentlich gemacht.

BODYSTYLER: Was verbirgt sich denn hinter dem Binär-Code in der Mitte des Booklets?

FRANK ZIEGERT: Das war die Idee des Grafikers und ich fand das sofort super. Jeder Computer, jede Programmiersprache, alles besteht am Ende nur aus 1 und 0. Das ist so ein Wissen, was man mittlerweile vergessen hat. Das bezieht sich natürlich auf die Bombe, die ja auch programmiert ist. Da steckt aber jetzt kein Text oder eine Botschaft dahinter, zumindest weiß ich davon nix.

BODYSTYLER: Lass uns doch über Deine Texte sprechen. Gleich im ersten Lied haben mich ja folgende Zeilen beeindruckt: "Und der eine vegetarisch, der andere vegan. Kein Alkohol, kein Satan - was hat man euch getan?" Was hat Dich denn zu dieser Theorie gebracht, dass man diesen Menschen ein Trauma zugefügt hat?

FRANK ZIEGERT: Da musst Du doch nur einen Trip in den Prenzlauer Berg machen. Ich sag immer, dass die Verprenzelung der Stadt voranschreitet... (lacht) Auf diese Klientel bezieht sich der Text. Für mich ist das oft nur Attitüde, so ein aufgesetzter Scheiß. Da rennen so viele Leute in Bio-Läden und zahlen unheimlich viel Geld für diese Sachen und essen lieber Brot, das nicht schmeckt. Oder sie schaffen sich Ersatz durch Dinge wie Soja-Wurst...

BODYSTYLER: Das nächste Lied, das mich als Berliner natürlich angesprochen hat, ist "Autonomes Fahren". Welche Feldbeobachtungen haben denn zu diesem Text geführt?

FRANK ZIEGERT: Das sind eigentlich gar keine einzelnen Ereignisse. Wenn man versucht, aus dieser Stadt rauszukommen, egal in welche Richtung man fährt, man hat doch immer den Eindruck, dass da viele Leute dabei sind, die wie ferngesteuert agieren. Oder die Leute, die völlig unmotiviert die Spur wechseln oder auch nur so halb wechseln... Da muss man richtig vorsichtig sein. Deshalb fand ich diese Entwicklung mit dem autonomen Fahren, die u.a. von Tesla vorangetrieben wird, so interessant. Das ist ja auch schon so manches Mal nach hinten losgegangen... Dazu kommt dann der ständig zunehmende Tablettenkonsum. Das ist ja zum Beispiel in den USA noch viel schlimmer, das wird hier auch noch kommen. Ich möchte jedenfalls nicht wissen, wieviele Leute hinter dem Steuer sitzen und sich diese Dinger eingeworfen haben...

BODYSTYLER: Ich finde es übrigens spannend, dass Du einen Song "Charlie Brown" gewidmet hast und diese Figur mal aus einer ganz anderen Perspektive betrachtest. Wie sieht Dein persönlicher Bezug zu den Peanuts aus und wie ist die Idee zu diesem Text entstanden?

FRANK ZIEGERT: Die Peanuts waren früher jeden Tag in der "Hamburger Morgenpost" drin. Das war mein erster Kontakt und ich fand die immer ganz witzig. Snoopy, der auf seiner Hundehütte liegt oder Lucy mit ihrer psychologischen Beratung... (lacht) Das ist ja eigentlich schon sehr alt und wir haben in der Mitte auch dieses Original-Sample drin. "Why is everybody always picking on me.." Irgendwann hatte ich die Idee, das mal als Aufhänger zu benutzen. Charlie Brown hat nun mal immer Unsinn im Kopf, das ist doch echt ne Punk-Nummer (lacht).

BODYSTYLER: Und er bekommt ziemlich oft was auf den Deckel...

FRANK ZIEGERT: Ja, klar. Genau wie viele dieser alten Comic-Helden. Nimm doch nur Donald Duck...

BODYSTYLER: Eine Nummer, auf die Du wahrscheinlich in jedem Interview angesprochen wirst, ist die Coverversion von "Rum & Coca Cola" im Original von den The Andrews Sisters. Nach "Capri-Fischer" ja schon das zweite Lied aus den 1940er Jahren, das damals ja noch auf Schellac-Platten erschienen ist.

FRANK ZIEGERT: Ich habe die Nummer mal zufällig im Radio gehört und mir daraufhin den Text genauer angeschaut. Da ist der blanke Sarkasmus drin. Das ist in einer Zeit entstanden, in der die USA ihre Stützpunkte ausgebaut haben und ein Einheimischer beobachtet die GIs, wie sie die einheimischen Mädchen für ein paar Dollar durchvögeln und dabei Rum und Coca Cola, also die frühe Form von Cuba Libre, trinken. Die Nummer war natürlich damals in den Staaten verboten. Das war für mich einfach interessant und eine gewisse Herausforderung.

"Diese ganzen Shitstorms sind doch meist nur inkompetentes Geqautsche."

BODYSTYLER: Ich habe mich mal ein wenig im Netz umgeschaut und festgestellt, dass viele Eurer alten Platten nicht mehr erhältlich sind. Ihr hattet 2006 die Best of "Breaking News", auf der natürlich alte Songs drauf waren und präsentiert seit "Hurra" (1994) auf vielen Alben immer wieder Klassiker in neuen Versionen. Aktuell sind das "Um in das Meer zu gehen" und "Vorsicht". Wie sieht es jedoch mit kompletten Neuauflagen der alten Alben aus?

FRANK ZIEGERT: Wir würden das generell machen, aber das lohnt sich nicht. Genau deshalb haben wir ja mit diesem kleinen Hamburger Label, die "Best of" herausgebracht... Das ist eine gute Zusammenstellung und auch recht aufwändig gemacht.

BODYSTYLER: Aber selbst die ist mittlerweile nur noch Second Hand zu teils horrenden Preisen erhältlich.

FRANK ZIEGERT: Ach, pressen die das nicht mehr nach? Das verstehe ich nicht. Obwohl das nur ein Zwei-Mann-Betrieb ist, hätten sie ja die Möglichkeiten, aber vielleicht auch nicht den Überblick, ob sich eine weitere Auflage lohnen würde.

BODYSTYLER: Ich möchte Dich auch noch auf ein altes Lied von Euch ansprechen. Euer "Sonderzug zur Endstation" hat mich als Teenager durch die Nach-Wendezeit begleitet. Dieser Song besitzt natürlich gerade in der heutigen Zeit wieder einen ganz aktuellen Bezug. Die Warnung, dass hier eben nicht alles rosig ist, könnte doch auch für viele Einwanderer interessant sein, oder?

FRANK ZIEGERT: Genau, das ist ein interessanter Aspekt und das kann man durchaus so sehen. Oder nimm Dir den "Zonenzombie". Wenn man sich anschaut, was gerade passiert, kann man auch bei dem Lied aktuelle Bezüge herstellen. Das ist "the way of the world", viele Dinge wiederholen sich und es spricht ja einiges dafür, dass es nicht besser wird.

BODYSTYLER: Trotzdem möchte ich Dich noch mal explizit fragen, mit welchem Gefühl Du in die Zukunft blickst. Wo siehst Du Abwärts in fünf oder zehn Jahren?

FRANK ZIEGERT: Gute Frage. Weiß ich nicht. Ich habe auch bei der vorigen Platte nicht gewusst, ob wir danach noch mal eine machen. Das hängt von vielen Faktoren ab. Ich mach es einfach, wenn ich Lust drauf habe. Ich habe vor einiger Zeit sogar ein Buch geschrieben, aber noch keinen Verlag dafür gefunden. Das ist eine Geschichte mit ein paar autobiografischen Bezügen. Aktuell sitze ich schon am nächsten, was aber eher ein Thriller ist, der hier in Berlin spielt.

BODYSTYLER: Ich denke, es gibt nicht wenige Leute, die sich über weitere Alben, Auftritte oder auch ein Buch freuen würden.

FRANK ZIEGERT: Man soll ja auch nicht zu viel machen. Zu viel Präsenz ist auch nicht gut. Ich finde es jedenfalls ganz okay, wie wir es gerade machen und freue mich wirklich auf die anstehenden Gigs.

BODYSTYLER: In diesem Sinne wünsche ich Dir viel Spaß und viel Erfolg mit dem neuen Album. Danke für das nette Gespräch.

FRANK ZIEGERT: Ich danke Dir auch.