Janosch Moldau

Unter dem Sonnenschirm

19.12.2019 - Mit dem mittlerweile fünften Album "Host" kehrt Janosch Moldau zu seinen Wurzeln zurück. Die zehn neuen Songs bewegen sich weg vom voluminösen Sound des Vorgängers, befinden sich jedoch immer noch im Bereich des Synthie-Pops. Sie strahlen Gelassenheit aus, bieten aber auch reichlich Ecken und Kanten. Der Künstler gab gern Auskunft über dieses rundum gelungene und faszinierende Werk. Von: Torsten Pape

Image Ein geerdeter Emo am See... (Foto: Tobias Müller)

BODYSTYLER: Ihr kommt gerade von einer kleinen Stippvisite aus den USA zurück. Was könnt Ihr vom Konzert und den Reaktionen der Fans berichten? Gab es schöne Begegnungen oder Erlebnisse?

JANOSCH MOLDAU: Wir waren wirklich sehr positiv überrascht. Da wir das erste Mal überhaupt in den USA gespielt haben, hatten wir keine zu großen Erwartungen im Vorfeld. Was wir dann aber erlebt haben, als wir die Bühne betreten durften, war einfach grandios. Diese Stimmung war fast schon mit Konzerten in Russland zu vergleichen. Wir haben nun in Folge dessen direkt eine Anfrage für Tel Aviv erhalten.

BODYSTYLER: Wie gestaltete sich der künstlerische Weg von "Minor" zu "Host"? War es ein geradliniger oder gab es Unterbrechungen, Umwege oder gewollte wie ungewollte Pausen? Welche Rolle spielten dabei die "Ghost Tracks"?

JANOSCH MOLDAU: Es war tatsächlich schwierig. „Minor“ war irgendwie in Bezug auf diesen energetisch, synthetischen „Trance-Trash-Sound“ nicht zu toppen. Nach dem Remix Nachfolger „Ghost Tracks“ habe ich wirklich eine Weile experimentieren müssen, um einen Weg und Sound für meine neu geschriebenen Songs zu finden. Durch das Remix Album „Ghost Tracks“ bin ich sozusagen direkt in Übung geblieben und habe im Prinzip ohne Pause weiter produziert.

BODYSTYLER: Wo siehst Du selbst die größten Unterschiede, resp. die größten Entwicklungen im Sound, wenn Du "Host" mit Deinen bisherigen Alben vergleichst?

JANOSCH MOLDAU: Ich persönlich empfinde „Host“ als ein Album, welches sehr nahe an meinen Wurzeln liegt. In genau dieser Verbindung aus Pop, Synthpop und Alternative habe ich einen neuen Weg für meine Songs gefunden. Songs schreibe ich ja sowieso zum Glück immer.... Das Problem ist aber eher, sich mit jedem Album wieder neu zu finden und mutig zu sein. Das meine ich auch speziell von der technischen Seite einer Musikproduktion her. Das ist für mich meist mehr Arbeit als „nur“ gutes Songwriting. Das mache ich, wie gesagt, immer so nebenher...

BODYSTYLER: Deine Musik hinterlässt zumeist einen sehr sanften, gefühlvollen Eindruck. Gibt es Dinge, die Dich richtig wütend machen und inwiefern beeinflussen diese Deine Kompositionen und Texte?

JANOSCH MOLDAU: Nun ja, meine Texte haben ja immer auch diese dunkle und provozierende Ebene. Ich singe ja nicht nur über sanfte und positive Gefühlswelten. Eine gewisse Härte ist da auch zu finden, wie bspw. in den Titeln „Not With The Son“ (von "Motel songs", 2008, Anm. d. Red.) oder auch auf dem Album „Host“ der Song „Abel“. „I couldn't find my God at the church...“ ist ja tatsächlich eine Abrechnung mit all diesen Kirchen, die denken, sie seien die einzig wahre Gemeinschaft unter Gottes Sonnenschirm.

"...keinen großen Cappuccino bitte! Den gibt es nämlich gar nicht im Original!"

BODYSTYLER: In Deinen Songs finden sich immer wieder unerwartete, kleine Häkchen und überraschende Sounds. Wie entstehen diese und an welchem Punkt der Komposition kommen sie dazu? Vielleicht könntest Du das am Beispiel von ein/zwei Liedern (evtl. "Simon of Cyrene" und/oder "Embrace me"?) beschreiben?

JANOSCH MOLDAU: Bei „Simon Of Cyrene“ ist es dieser gnadenlos krachige Hooksound. Mit diesem Sound habe ich auch tatsächlich begonnen und wie durch ein Wunder kommt der Sound am Ende des Songs eben wieder zurück und zwar zusammen mit dem Refrain. Den Sound habe ich mit der Korg Volca Keys programmiert. Bei „Embrace Me“ tauchen eben auch genau solch verzerrte und verstimmte Synth-Sounds plötzlich im Arrangement auf. Ich kann das alles eigentlich nicht genau erklären. Diese ganzen Dinge tue ich, ohne mir dabei viele Gedanken zu machen. Wir (Hendrik und meine Wenigkeit) machen uns lediglich immer erst dann Sorgen, wenn alles irgendwie uncool klingt und eher gewollt als gekonnt. In solchen Fällen müssen wir dann aufräumen und uns auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Es ist eine sehr feinfühlige Angelegenheit und man muss schon sehr genau wissen, was man erreichen will. Die Möglichkeiten sind ja immens und auch komplex.
Dennoch sind wir eine Band, die sich nicht darüber definiert, dass wir uns vorab kluge Gedanken machen oder irgendwelche Geschichten erzählen möchten. Das ist genau der Punkt. Viele hier in Deutschland erwarten von uns oft eine Botschaft, das spüren wir manchmal im Publikum bei Konzerten hierzulande. Sie suchen sozusagen einen Haken, an dem die Botschaft direkt ablesbar hängt, so im Sinne „Wir sind politisch auf eurer Seite oder so“... Diesen Aufhänger haben wir aber nicht. Wir sind pure Energie und Emotion. Wir treiben lediglich Dämonen aus...


BODYSTYLER: Der Albumtitel "Host" ist vielfältig interpretierbar und im Titelsong ist es der Gastgeber für den Heiligen Geist. Dabei fällt auf, dass "Ghost" und "Host" doch recht ähnliche Worte sind und besonders die Zeile "Now we both smell (!) the flavour of death" hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Magst Du an dieser Stelle ein wenig zu den "host"-igen Hinter- und Beweggründen sagen?

JANOSCH MOLDAU: Genau dieser Text ist ja auch nicht gerade so sehr sanft... Es gibt viel Hoffnung („the mercy we walk through...“), aber eben auch die absolute Angst zu scheitern und nicht anzukommen, sozusagen den „Host“ oder die Heimat zu verlieren. Wie im echten Leben eben.... Ich sagte ja bereits, es sind Emotionen und wir haben keinen anderen Aufhänger jemals in meinen Songs finden können… Ich setze mich nicht hin und überlege mir, was für ein Thema nun ein Song von mir haben könnte. Ich warte einfach immer auf diese Momente, in denen sich etwas von selbst öffnet… Wenn dann noch meine Maschinen und Synthesizer genau im richtigen Moment dazu synchron sind, entsteht ein Song.

BODYSTYLER: Kann es sein, dass "Emotionally" der einzige Song ist, der keinerlei religiöse Bezüge / Inhalte aufweist? Bitte erzähle doch etwas zu diesem wunderschönen Song, der anscheinend etwas aus der Reihe tanzt.

JANOSCH MOLDAU: Ich würde sagen, jeder meiner Songs kann auch ohne die religiöse Ebene funktionieren. Es gibt immer mehrere Ebenen. Du kannst alle meine Songs auch als einfache Liebesliedchen interpretieren. In dem Moment, wo Du aber die Texte ganz zu Ende liest, wirst Du sehen, dass es immer mehrere Ebenen und Bedeutungen geben kann. Selbst bei „Emotionally“ könntest Du von der ewigen Liebe reden, wenn da nicht diese schmutzigen Songzeilen zwischendrin wären....

BODYSTYLER: Du bist ein sehr spiritueller/religiöser Mensch, was seit jeher auch in Deine Texte einfließt. Darf ich fragen, ob Du Mitglied einer religiösen Gemeinschaft oder in dieser Hinsicht doch eher ein Einzelgänger bist?

JANOSCH MOLDAU: Ich stehe eben dazu, sehr christlich geprägt zu sein. Ich finde es immer schwierig, wenn westliche Rockmusiker plötzlich die großen Erleuchtungen aus anderen Kontinenten mitbringen, sich deren Religionen einfach zu eigen machen und diese dann als die friedlichsten der Welt zelebrieren. Durch Jesus Christus haben wir ein für allemal die Abschaffung der Tier/Brandopfer und durch das Kainsmal bspw. den Schutz in tiefster Dunkelheit und Unglück...Was wollen wir denn immer mehr? Für mich gibt es eben Gott, Jesus, Maria, Sünde, Sex, Rock 'n' Roll und Vergebung.

"Heutzutage muss man sich auch verteidigen können und den Leuten zeigen, wo man lang will."

BODYSTYLER: Womit beschäftigt sich Janosch Moldau, wenn er keine Musik macht? Was bestimmt Deinen Tagesablauf?

JANOSCH MOLDAU: Ich stehe früh auf und lasse erstmal das Frühstück ausfallen. Für mich ist ein Frühstück ein echtes Hindernis, um den Tag „hungrig“ zu starten. Also sende mir bitte niemals eine Einladung zum „Brunch“ oder wie man das nennt? Mir genügt ein italienischer Espresso und das höchste der Gefühle wäre eine italinische brioche con crema e una spremuta d'arancia dazu und zwar direkt an der Bar – bitte nicht "to go"! Und auch keinen großen Cappuccino bitte! Den gibt es nämlich gar nicht im Original! Mehr nicht.
Wenn ich keine Musik mache und auch nicht auf Tournee bin, liebe ich es, einfach in die Stadt zu gehen, Zeitungen zu lesen, Essen zu gehen, Weine auszusuchen und mich mit Freunden zu treffen... Einfach abhängen. Zum anderen arbeite ich auch an solchen Tagen dann abends immer noch einige Stunden. Ich arbeite jeden Tag.

BODYSTYLER: Wie würdest Du Dich selbst als Person beschreiben wollen und spiegelt Deine Musik diese Eigenschaften wider? Bist Du bodenständig? Ein Realist? Ein Träumer? Pragmatisch veranlagt oder doch eher gefühlsbetont?

JANOSCH MOLDAU: Persönlich bin ich eher zurückgezogen und lebensfroh. Sicher bin ich auch ein “Emo", aber notgedrungen doch sehr geerdet. Es ist ja mittlerweile in der Musikbranche so, dass die Leute gar nichts mit dir anfangen können, wenn du ein totaler Emo bist. Heutzutage muss man sich auch verteidigen können und den Leuten zeigen, wo man lang will. Da kommt niemand mehr, der dich entdeckt und jahrelang durch Höhen und Tiefen aufbaut. Das ist vorbei.

BODYSTYLER: In der Vergangenheit warst Du bereits oft auf deutschen Bühnen zu erleben, so hast Du zum Beispiel Konzerte für De/Vision, Mesh oder Solar Fake eröffnet. Wann wird es die nächsten Gelegenheiten geben, eine Show von Dir zu sehen?

JANOSCH MOLDAU: Diese Frage kann ich Dir wohl erst im neuen Jahr beantworten...Wir haben immer so viele Konzerte gespielt und derzeit müssen wir gerade neu planen und die Dinge überdenken.

BODYSTYLER: Welche Alben haben Dich in letzter Zeit besonders fasziniert oder berührt? Könntest Du bitte eine Top 5 oder Top 10 Deiner Lieblingsalben aus dem Jahr 2019 erstellen?

JANOSCH MOLDAU: Ich höre ja kaum aktuelle Musik. Aber meine Top 5 Musiker/Bands ever habe ich dir hier dennoch:

Colin Vearncombe
Talk Talk/Mark Hollis
Edwyn Collins
Depeche Mode
Crystal Castles