Celluloide

Blick nach vorn und zurück

08.02.2020 - Sage und schreibe fünf Jahre sind seit dem letzten Album des Trios Celluloide vergangen. Die Band aus dem Süden Frankreichs legt mit "Futur Antérieur" nun ein Werk vor, das wieder mehr auf das Zusammenspiel von Melodie und Harmonie setzt, ohne dabei jedoch das experimentelle Element gänzlich zu vernachlässigen. So darf die Zukunft der analogen Klangerzeugung gern klingen. Von: Torsten Pape

Image Verpixelte Töne oder vertonte Pixel? (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Es ist schön, dass Ihr wieder mit einem neuen Album am Start seid. Wie ist es Euch in den letzten fünf Jahren ergangen? Ich nehme mal an, dass sie nicht nur von Musik geprägt waren, oder?

MEMBER U-0176: Nun ja, eigentlich haben wir nie aufgehört zu arbeiten, natürlich auch abseits von Celluloide. Manchmal braucht es einfach eine gewisse Zeit, bis alles komplett und lohnenswert erscheint.

BODYSTYLER: Nach dem letzten Album "Art Plastique" haben einige Leute bestimmt gedacht, dass der Nachfolger noch weiter in die experimentelle Richtung gehen würde. Nun klingt "Futur Antérieur" jedoch wieder mehr nach Pop und sehr melodisch. War das eine bewusste Entscheidung, diesen Weg einzuschlagen oder eher eine unbewusste, vielleicht sogar zufällige Entwicklung?

MEMBER U-0176: Bei "Art Plastique" wollten wir bewusst diese Richtung ausprobieren und die dünne Linie zwischen Melodie und Experiment austesten. Wir haben es immer geliebt zu experimentieren. Unser Debüt "Naive Heart" wurde zum Beispiel in zwei verschiedenen Versionen aufgenommen. Die eine könnte man mit "klassischem" Synthie Pop umschreiben, das hatte eine sehr starke Retro-Note. Die andere war sehr experimental angelegt. Von da an vermischten wir stets Melodie und Experiment, wollten dabei aber immer in Bewegung bleiben und nicht das ewig gleiche Album aufnehmen. Dieses Mal haben wir uns für einen sehr direkten und instinktiven Ansatz entschieden.

BODYSTYLER: Das Artwork wurde dieses Mal von der britischen Künstlerin Marjorie Jewel "Marlow" Moss inspiriert, deren Biographie sehr interessant und bewegend ist. Wie seid Ihr mit ihrer Arbeit in Berührung gekommen und warum hattet Ihr das Gefühl, dass ihre Bilder zu Eurem neuen Album passen könnten?

MEMBER U-0176: Das kann man nicht mit Worten beschreiben. Es ist eher eine ästhetische Verbindung zwischen der Atmosphäre der Musik und ihren Arbeiten.

"Bei Celluloide haben wir seit jeher auch bekloppte Regeln und wir versuchen, sie stets einzuhalten."

BODYSTYLER: Ich weiß ja bereits, dass Ihr nicht gern über Eure Texte sprecht, aber ich wage es doch noch einmal, Euch dazu zu befragen. Vielleicht kannst Du wenigstens ein paar Hinweise geben, um den Hörern, die nicht der französischen Sprache mächtig sind, eine Idee von den behandelten Themen zu geben?

MEMBER U-0176: Es ist nicht so, dass wir nicht gern über unsere Texte reden, aber die Texte sind nun mal bereits die beste Art, wie wir etwas ausdrücken können. Über sie zu reden würde also bedeuten, dass wir etwas auseinandernehmen, was wir gerade erst erschaffen haben. Natürlich ist das für alle, die nicht Französisch sprechen schwierig zu verstehen, aber selbst Franzosen haben damit so ihre Probleme. Wir spielen gern mit Doppeldeutigkeiten und der erste Eindruck entspricht oftmals nicht der eigentlichen Idee...

BODYSTYLER: Warum sind auf den aktuellen Fotos oder auch in den Videos Eure Gesichter nur verpixelt oder im Dunklen zu sehen? Ich hoffe doch, dass alles mit ihnen in Ordnung ist...

MEMBER U-0176: Hehe, der Titel unser Single "Quelque Chose S'Efface" bedeutet soviel wie "Etwas verflüchtigt sich", also haben wir beschlossen zu verschwinden. Darum sieht man uns nicht mehr deutlich. Das, zusammen mit dem Albumtitel "Futur Antérieur" ("Zukunft (ist) Vergangenheit"), könnte doch eine verborgene Botschaft sein. Also mach Dir bitte keine Sorgen um unsere Gesichter. Uns geht es gut. Mal abgesehen von den Schäden, die die Zeit an uns armen, menschlichen Wesen hinterlassen hat (zwinkert)

BODYSTYLER: Habe ich es mir doch gedacht, dass nichts im Celluloide-Universum ohne Bedeutung ist, und ich bin froh, dass Ihr wohlauf seid... Mir ist übrigens nach all den Jahren aufgefallen, dass Ihr beiden Männer in den Credits mit "Stimme links" und "Stimme rechts" vermerkt seid bzw. habe jetzt erst die Übersetzung gecheckt. Kannst Du vielleicht etwas zu dieser ungewöhnlichen und strikten Aufgabenteilung erzählen?

MEMBER U-0176: Nun, bei Celluloide haben wir seit jeher auch bekloppte Regeln und wir versuchen, sie stets einzuhalten. Obwohl ich zugeben muss, dass wir über die Zeit auch mal Ausnahmen gemacht haben... Zum Beispiel stehen alle Songs, in denen eine Zahl vorkommt ("Seven And Forever", "Two Fridays A Week", "Les Quatre Coins de L'Hexagone"...), immer an der entsprechenden Stelle im Tracklisting. Es gibt nur eine einzige Ausnahme. Da ich Linkshänder bin und Patryck Rechtshänder ist, haben wir irgendwann beschlossen, unsere Backingvocals auf der entsprechenden Seite des Stereos zu singen. Vorzugsweise sogar in einer anderen Tonart oder Melodie. Das ergibt interessante Resultate und ist vielleicht zu einer Art Markenzeichen geworden. Da erkennt man mal wieder unseren Hang zum Experimentieren.

"Dieses Mal haben wir uns für einen sehr direkten und instinktiven Ansatz entschieden."

BODYSTYLER: Auf der 7"-Single sowie der limitierten Bonus-CD "Modulation De Fréquence" befinden sich diverse Bonustracks und Remixe. Was kannst Du mir darüber erzählen? Wie sind sie entstanden?

MEMBER U-0176: Nachdem wir die Tracklist für das neue Album zusammengestellt hatten, blieben am Ende drei Songs übrig, die einfach nicht passen wollten. Also dachten wir uns, dass wir doch drei Singles auskoppeln könnten, da wir ja bereits drei B-Seiten hatten. Letztendlich ist es nun doch nur eine Single geworden, aber die Remixe und die verbliebenen Tracks haben wir auf der "Modulation De Fréquence"-EP zusammengefasst. Wir haben auch noch einen speziellen Remix von " Quelque Chose S'Efface" aus dem VHS-Retrowave Video Edit dazugenommen.

BODYSTYLER: Dieses Mal gibt es sogar limitierte Vinylversionen des Albums und der Single. In den letzten Jahren habe ich verschiedene Meinungen über Vinyl-Veröffentlichungen gehört. Die einen sagen, dass es dafür keinen Markt gibt, die anderen, dass das Interesse daran wieder zunimmt. Manche Musiker erfüllen sich aber einfach nur einen lang gehegten Wunsch damit. Wie gestaltete sich Euer Weg zum Vinyl?

MEMBER U-0176: Wir geben uns ja immer besonders Mühe mit dem Design des Artworks und diesbezüglich gibt das Vinyl-Format natürlich mehr her als die CD. Wir haben uns deswegen schon lange eine Vinyl-Ausgabe gewünscht. Bis jetzt war dies jedoch leider nie möglich, aber jetzt haben wir die Gelegenheit dafür bekommen. Natürlich haben wir keine Sekunde gezögert.

BODYSTYLER: Wird es denn noch einen Nachschlag zum Album geben?

MEMBER U-0176: Wir wollen noch ein drittes Video machen. Was die CD-/Vinyl-Veröffentlichungen angeht, so ist das Thema durch. Natürlich hätten wir gern alle drei Singles veröffentlicht, aber wir wollen unserem Label den Bankrott ersparen.

BODYSTYLER: Einmal mehr möchte ich Euch fragen, ob es denn in Zukunft eine Möglichkeit geben wird, Euch live zu erleben, vielleicht sogar außerhalb von Frankreich?

MEMBER U-0176: Wir haben schon vor einiger Zeit aufgehört, Konzerte zu geben. Man soll nie nie sagen, aber es ist nichts geplant.

BODYSTYLER: Bonne continuation et merci beaucoup!!

MEMBER U-0176: Wir danken und beste Grüße aus Marseille!