BODYSTYLER: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum zehnten Album! Wie fühlt sich dieses Jubiläum an und wie habt Ihr es gefeiert?
SEVREN NI-ARB: Natürlich sind wir erstmal stolz, auch diesen Abschnitt unserer musikalischen Reise gemeistert zu haben und da das Album offenbar sehr gut ankommt, sind wir überglücklich! Besonders gefeiert haben wir nicht, aber klar haben Estefanía und ich darauf angestoßen.
BODYSTYLER: Natürlich MUSS man Dich zunächst nach dem Motiv auf dem Albumcover befragen, da es doch sehr markant und ungewöhnlich ist. Zum einen lässt sich dabei eine Verbindung zum Titel "Transformation" herstellen, aber es hat natürlich auch ein surreales Element und eine bildgewordene Bewusstseinserweiterung im besten "Naked lunch"-Sinne kommt einem beim Betrachten ebenfalls in den Sinn. Was ist die Geschichte zum Bild?
SEVREN NI-ARB: Zunächst einmal wollte ich kein düsteres Cover, keine übermäßig dunklen Farben, kein betontes Schwarz – wie noch auf „Secrets“. Ich wollte aber zugleich etwas Symbolisches als visuellen Ankerpunkt. „Transformation" thematisiert ja insgesamt innere Barrieren. Es geht um uns selbst, Menschen und Verhaltensweisen, die uns emotional einengen, von denen wir uns befreien wollen. So steht der Hummer im Gesicht der Frau dafür symbolisch und deswegen ist es wichtig, das gesamte Artwork zu betrachten – sofern man die CD erworben hat. Denn im Booklet findest Du ein weiteres Motiv der Frau. Dort hält sie den Hummer fest in der Hand. Ihr Gesicht siehst Du aber nicht, sie trägt stattdessen eine seltsame Kopfbedeckung. Sie ist nicht mehr der gleiche Mensch wie vorher. Das steht für die echte, bewusste Veränderung.
BODYSTYLER: Dieses Mal sind die Songs allesamt deutlich kürzer ausgefallen, was nicht zuletzt noch mehr das poppige Element betont, welches in den letzten Jahren immer präsenter in Eurer Musik geworden ist. Steckt dahinter eine konkrete Idee oder seht Ihr das als Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung oder gar als Zufall?
SEVREN NI-ARB: Klar ist das schon wichtiger Teil des Konzeptes. Im Vergleich zu „Secrets“ wollte ich den Sound direkter, und offener anlegen. Die Songs sollten griffiger sein, schnell auf den Punkt kommen und den Hörer sofort mitreißen. So ist das Album trotz einem Track mehr als bei "Secrets" in der Gesamtspielzeit kürzer.
BODYSTYLER: Hat sich an der Art des Komponierens und Umsetzens der Songs im Vergleich zum letzten Album etwas verändert? Wir sprachen im letzten Interview über die Verschmelzung von digitalen und analogen Ebenen...
SEVREN NI-ARB: Nein, nicht wirklich. Wie schon bei „Secrets“ sind auch die Songs auf „Transformation“ zu 90 % mit Hardware-/Analog-Synthesizern produziert. Natürlich kommt auch noch ordentlich Software zum Einsatz. Ich hatte mir für „Transformation“ nochmal den einen oder anderen Synthesizer zugelegt, der mir passend für das Sound-Design schien.
"Wir nehmen unsere Schwäche hin, als wäre sie unumkehrbar."
BODYSTYLER: Sowohl "Secrets" als auch "Transformation" beginnen in lyrischer Hinsicht mit einem "Wasser-Bild". Hat das eine tiefere Bedeutung für Euch oder ist das eher ein Spiegeln Eures Unterbewusstseins?
SEVREN NI-ARB: Das ist interessant und mir gar nicht bewusst aufgefallen. Hättest Du nur die Cover-Motive angesprochen, wäre es ja anders gewesen. Da waren „The House of Rain“ und „The Sun, The Cold and My Underwater Fear“ deutlich näher am Wasser gebaut, als „Secrets“ und „Transformation“. (zwinkert) Insgesamt ist das Element Wasser aber natürlich schon reizvoll, da es viel Spielraum gibt, emotionale Aspekte jedweder Art damit in Verbindung zu bringen.
BODYSTYLER: Wenn man das Album als großes Ganzes betrachtet, so wechselt der Blick beständig zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und man bekommt das Gefühl von einer Art Stop-and-Go-Szenerie (Stichworte: Walking/Waiting/Talking/Longing). Wie würdest Du das Konzept bzw. die Verbindung zwischen den Tracks beschreiben wollen?
SEVREN NI-ARB: Die Songs sind natürlich durch die konzeptionelle emotionale Klammer verbunden. "If I Stay" und "Shadows" sind dabei bewusst die äußeren Pole des Albums. Aber nach wie vor schaffen wir mit unseren Songs immer Momentaufnahmen, kleine Mosaiksteine, die aber im Gesamtkontext zueinander stehen.
BODYSTYLER: In unserem letzten Gespräch habt Ihr bereits Dinge wie das Streben nach Harmonie und Perfektion oder auch beständige Veränderungen/Weiterentwicklungen angesprochen. Wurde zu dieser Zeit resp. bei "Secrets" bereits der Samen für die "Transformation" gelegt?
SEVREN NI-ARB: Veränderung und Weiterentwicklung sind ja schon immer Motor meiner Kreativität gewesen. Die ersten Song-Ideen zu „Transformation“ sind bereits 2018 entstanden. Aber manch einer der früheren Tracks hat es dann doch nicht mehr auf das Album geschafft.
BODYSTYLER: Wenn Du an Dich als Teenager zurückdenkst, was sind die gravierendsten Transformationen, die Du seitdem durchlaufen hast? Wenn Du eine davon rückgängig machen könntest, welche wäre das?
SEVREN NI-ARB: Ich habe so viele gravierende Transformationen mitgemacht, da fällt es schwer diese aufzuzählen. Und ich bin eh kein Mensch, der groß zurückblickt. Die Vergangenheit hat uns zu dem Menschen gemacht, der wir heute sind und ich bin neugierig auf die Zukunft.
BODYSTYLER: Wie würde Deine Wahl ausfallen, wenn Du Dir für Dein heutiges Ich eine reale und eine fiktive Transformation wünschen dürftest?
SEVREN NI-ARB: Ich würde gerne hin und wieder die Zeit anhalten können. Die rennt mir doch teilweise sehr schnell davon. Wäre also schön, eine derartige Superkraft zu besitzen.
"Die Songs sollten griffiger sein, schnell auf den Punkt kommen und den Hörer sofort mitreißen."
BODYSTYLER: "Transformind" besticht nicht nur durch den grandiosen Titel sondern auch durch einen unwiderstehlichen Groove. Magst Du vielleicht ein paar Hintergründe zu diesem tollen Song erzählen?
SEVREN NI-ARB: „Transformind“ thematisiert gewissermaßen die Begegnung mit sich selbst. Es geht um die Erkenntnis, dass ich selbst es bin, der persönliche Veränderungen herbeiführen kann. Zu häufig suchen wir im Außen allein. Wir nehmen unsere Schwäche hin, als wäre sie unumkehrbar. Doch das Anerkennen der eigenen Schwächen ermöglicht es, diese in neue Energie umzuwandeln. Das ist ein wichtiger Aspekt der Veränderung. So ist der Refrain als Aufruf an sich selbst zu verstehen.
BODYSTYLER: Bei "Voodoo Love" knüpfst Du mit den verwendeten Sounds und dem Rhythmus ziemlich deutlich bei "Blue Monday" von New Order an. Hommage? Bierlaune? Oder beides? Oder ganz anders?
SEVREN NI-ARB: Ich habe einen neuen Synthesizer ausprobiert – wollte mal die Filter und Hüllkurven genauer unter die Lupe nehmen und habe spontan eine Basslinie in den Sequenzer gespielt – ohne große Hintergedanken. Die Bassharmonie ist ja jetzt nicht neu oder kompliziert, aber von da an ging alles recht schnell. Ich habe einen Beat und ergänzende Sequenzerlines dazu programmiert und war auf einmal mitten im Song. Den Song-Titel hatte ich schon vorher ganz konkret geplant und ich wusste, das ist der richtige Track dazu. Am nächsten Tag habe ich Estefanía ins Studio geholt, damit wir einfach mal ausprobieren, was uns in Sachen Vocals einfällt. Und gleich die erste spontane Idee war die Strophe zu "Voodoo Love". Diese Spontanität hat der Song irgendwie behalten und es ist ein toller energetischer Song, der aber so viel emotionale Facetten bereithält. Klar schimmert da irgendwie „Blue Monday“ hindurch, aber es war nicht wirklich bewusst. Wir haben uns treiben lassen und der Song war jetzt einfach zu weit und zu stimmig, um ihn zu verdrehen. Also ist es so geblieben. Ich liebe „Blue Monday“ – es ist ein großartiger und unglaublich zeitloser Song. Aber er ist auch deutlich anders als "Voodoo Love". Und ja, dann würde ich vielleicht "Voodoo Love" eher als Hommage verstehen wollen, da mich der Song in meiner Jugend lange begleitet und nun vielleicht zu "Voodoo Love" auf unserem neuen Album geführt hat.
BODYSTYLER: Gehört Ihr zu den Musikern, die die Corona-Krise in kreativer Hinsicht eher beflügelt oder eher gelähmt hat? Was wäre ohne die Geschehnisse der letzten Monate beim neuen Album anders gewesen?
SEVREN NI-ARB: Wie bereits erwähnt sind erste Song-Ideen zu "Transformation" bereits 2018 entstanden. Aber aufgrund meiner beruflichen Situation als Unternehmer kann ich für die Musikproduktion immer nur verfügbare Zeit investieren. Und da ich auch noch ein Privatleben habe, ist diese wirklich begrenzt. In den Zeiten von Corona haben auch wir mehr Zeit zu Hause verbracht. Wir hatten eigentlich viele Events und Kurztrips mit unseren Söhnen gebucht und auch ein Urlaub war schon fest geplant. All das fiel nun ins Wasser. Also habe ich mich entschieden, die Produktion am Album voranzutreiben. „Transformation“ ist dadurch gut drei Monate schneller fertig gewesen.
BODYSTYLER: Darf ich mich nach dem aktuellen Stand erkundigen, was den ersten Roman von Estefania anbelangt? Im Internet habe ich leider nix gefunden. Gibt es da bereits Details zu vermelden?
SEVREN NI-ARB: Estefanía ist als Geschäftsführerin eines meiner Unternehmen ebenso zeitlich sehr eingebunden. So ist das Projekt leider irgendwann wieder auf der Strecke geblieben.