Collapse Under The Empire

Zerstörung und Neubeginn

07.04.2021 - In unserem letzten Interview aus dem Jahr 2017 sprachen Martin Grimm und Chris Burda von der Apokalypse und einem Virus, welches den Untergang eingeläutet haben könnte. Auf ihrem neuen Album „Everything we will leave beyond us“ kommt es nun zur Zerstörung unserer Welt, aber im erneut präsentierten, klanggewaltigen Post-Rock schwingen auch unerwartete Hoffnungsschimmer und Perspektiven mit. Von: Torsten Pape

Image Der Blick zurück und der Blick voraus (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch nachträglich zum 10jährigen Jubiläum von Collapse Under The Empire. Ich denke, Ihr habt in dieserZeit enorm viel erreicht, worauf Ihr stolz sein könnt. Wie hat es sich angefühlt, dieTracks für die 2019 erschienen LP-Box zusammenzustellen und wie war das Feedback auf diese wirklich besondere Veröffentlichung?

MARTIN: Vielen Dank, ja wir haben in den letzten 10 Jahren einiges erlebt und auch viel Neues dazu gelernt. Wir sind zwei Produzenten, die sehr fokussiert wöchentlich an neuen Songs arbeiten. Neben der Albumproduktion haben wir aber mindestens genauso viel Zeit in Label-Arbeit und Album-Promotion investiert. Durch Fleißarbeit haben wir bis 2018 exakt 92 Songs, 7 Studioalben sowie diverse EPs und Singles veröffentlicht. Wir hatten somit wirklich viel Material, das uns für das 4 LP Boxset „The end of something“ zur Verfügung stand. Die größte Herausforderung war es für uns, als wir die älteren mit den neuen Titeln kombinieren mussten. Auf eine Vinyl-Seite passen maximal 3-4 Songs. Deshalb haben wir immer in Blöcken gearbeitet und versucht, diese Titel möglichst gut miteinander abzustimmen. Der Hörer wird auf eine lange Reise geschickt und muss sich durch epische Klangwelten und dicke Gitarrenwände kämpfen. Wir finden, dass es dabei nie langweilig wird, weil wir über die letzten Jahre immer sehr darauf geachtet haben, etwas Neues zu erschaffen und zu experimentieren, damit wir uns nicht wiederholen. Das Feedback war großartig, denn neben der Vielfalt an Songs waren die Fans auch von der Aufmachung sehr begeistert. Die 4LPs wurden in einer großen Box mit vielen Extras geliefert und die limitierte Auflage war binnen wenigen Wochen ausverkauft. Für die Leute, die keine Box bekommen haben, gibt es natürlich das Release auch digital:
https://collapseundertheempire.com/shop/the-end-of-something-mp3/

BODYSTYLER: Seht Ihr Euer Bandjubiläum eigentlich eher als Geburtstag oder doch als Abschluss eines Kapitels oder sogar als Punkt, um Rückschau zu halten? So ein bisschen könnte man ja auch denTitel des neuen Albums mit so einem Ereignis in Verbindung bringen, oder?

CHRIS: Eher als Abschluss eines Konzepts. Wir beschäftigen uns bereits seit unserem Debüt "Systembreakdown" aus dem Jahre 2009 mit der dunkleren Seite der Menschheit. Dazu trägt auch unserer melancholischer und düsterer Sound bei, der weniger dafür geeignet ist, die Sonnenseiten des Lebens zu untermalen. Das Grundthema des aktuellen Albums hat sich bereits auf dem Vorgänger "The End of Something" und dem Video "Beyond Us" aufgebaut. Thematisch gesehen waren wir nie näher am Geschehen dran als zur Zeit. Alle unsere Alben haben eine Art durchgehendes Konzept, welches thematisch zusammenhängt und in sich geschlossen ist. Mit "Everything We Will Leave Beyond Us" haben wir dieses Kapitel vollendet. Auf dem Album beschreiben wir eine düstere Welt, die außer Kontrolle geraten ist. Brennpunkte an allen Enden, allen voran das Coronavirus, die Umweltzerstörung, die Gier der Menschheit, Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Armut, Krieg, Widerstände, Krisen, Konflikte, Katastrophen, Tod, Isolation, Sehnsüchte und Freiheit. Leider geht diese Geschichte am Ende nicht gut aus, aber daraus entsteht etwas Neues. Ein Kreislauf, den man kennt.
Wir arbeiten übrigens bereits an neuen Material. Anfang April kann man sich das Ganze bereits anhören, dann werden wir eine neue Single namens "Section IV" veröffentlichen. Der Track ist rein elektronisch geprägt, Rockstrukturen wird es hier nicht zu hören geben. Die Musik ist nach wie vor rein instrumental aber nicht mehr im Post-Rock verortet. Das Ganze kommt diesmal ohne Konzept und Story, um eine gewisse Leere und Reinigung zu vollziehen. Im Herbst 2021 ist ein Album mit 9 Tracks geplannt.
Hier der Link Link zur Single:
https://collapseundertheempire.com/shop/-p306636522

BODYSTYLER: Wo seht Ihr eigentlich den Startpunkt für das aktuelle Album? In welcher Stimmung wart Ihr, als Ihr Euch auf den Weg gemacht habt?

MARTIN: Den Startpunkt von "Everything We Will Leave Beyond Us" setzten wir bereits vor vielen Jahren. Der älteste Song ist tatsächlich der Opener „Ark of horizon“, den wir 2014 komponiert haben. Jedoch war die Zeit scheinbar noch nicht reif. Wir haben diverse Alben in der Zwischenzeit aufgenommen, aber nie hat der Titel gepasst. Als wir Anfang 2020 nach alten Perlen für ein neues Werk suchten, haben wir „Ark of horizon“ wieder entdeckt, ihn vom Sound optimiert und als Fundament für das gesamte Album genutzt. Er kombiniert das Alte mit dem Neuen. Ich wusste 2014 schon, dass der Song ein extrem großes Potential hat und für etwas Größeres bestimmt war.

BODYSTYLER: Ihr habt von Beginn an großen Wert auf die optische Gestaltung Eurer Alben gelegt. Gerade wenn es sich um instrumentale Musik handelt, gibt man dem Hörer damit besonders wertvolle Ansatzpunkte und Ideen, um ein Werk besser zu verstehen. Was könnt Ihr dieses Mal darüber berichten, wie das Artwork Gestalt angenommen hat?

CHRIS: Mit Hilfe von Artwork, Press-Sheet und den Tracktiteln kann man den Hörern einen Leitfaden mit auf den Weg geben, was uns beim Komponieren durch den Kopf ging und inspiriert hat. Das Schöne ist, dass jeder seine eigene Interpretation und Stimmung zu dieser Musik finden soll. Jeder kann seiner Fantasie und Vorstellung freien Lauf lassen, alles ist möglich. Bei dem aktuellen Album haben wir nach etwas gesucht, was die zerstörerische Kraft der Menscheit zeigt und auch etwas Endgültiges aufweist. Die Menschen verstehen leider den Ernst der Lage erst, wenn es zu spät ist. Das Bild einer zerstörten Erde passte also sehr gut in unser Konzept.

BODYSTYLER: Es ist einmal mehr erstaunlich, wieviel Klanggewalt ihr zu zweit in der Lage seid aufzufahren. Wie schafft Ihr es, bei all der Komplexität den Überblick zu bewahren? Gibt es eigentlich auch Momente, in denen Ihr darum kämpfen müsst, die Kontrolle zu behalten?

MARTIN: Ja, tatsächlich stelle ich mir die Frage seit dem ersten Album selbst. (lacht) Du musst dir das so vorstellen, dass sich unsere Wahrnehmung während des Produktionsprozesses komplett ändert. Chris und ich hören die eigene Musik tatsächlich anders, wenn wir sie schreiben und aufnehmen. Wir brauchen nach der Albumproduktion immer 2-3 Monate bis sich unser Gehör wieder “normalisiert”.
Ich schätze, die Antwort auf deine erste Frage lautet: Fokus und Kreativität (zwinkert). Wir kennen jedes Instrument, jeden Akkord, jeden einzelnen Ton und wissen genau, wie wir den Gesamtsound kreiert haben. Einen Moment des Kontrollverlustes haben wir in der intensiven Produktionsphase nicht.

BODYSTYLER: Mich würde interessieren, wieviele Spuren Ihr im Durchschnitt am Start habt bzw. wo das Minimum und Maximum liegen? Könnt Ihr bitte mal an ein oder zwei Beispielen aufzeigen, wie sich ein Song über die Zeit entwickelt?

MARTIN: Wir sind schnell bei 30-40 Stereo-Spuren, weil wir oft während des Songs komplett neue Sounds einspielen. Jedes Instrument und jeder Effekt bekommt seine eigene Spur. Weil wir nicht wie andere Komponisten den Song mit einem Hauptinstrument durchkomponieren, sondern uns Schritt für Schritt von vorn nach hinten durcharbeiten, nutzen wir von Anfang an so viele Spuren, wie wir benötigen. Früher wäre so eine Produktionsweise unmöglich gewesen. Da war man froh, wenn man sechs Mono-Spuren parallel aufnehmen und abspielen konnte (das entspricht drei Stereo-Spuren).

BODYSTYLER: Beim Song "Destruction" hätte man durchaus auch noch brachialere Soundscapes auffahren können. Warum habt Ihr Euch dagegen entschieden und so der Zerstörung geradezu sanftmütige Züge abgewinnen können?

MARTIN: „Destruction” heißt auf deutsch „Zerstörung“, „Untergang“ oder auch „Vernichtung“. Es ist das Gegenteil von Erschaffen, Gründen oder Erblühen. Das eine kann nicht ohne das andere existieren. Viele Musiker empfinden die Zerstörung als negativ und müssen sie brachial in ihrer Klangwelt darstellen, aber wir sehen das anders! Unser lieblichster Song „There is no sky“ zeigt in der Video-Szene bei 4:30, dass selbst der Tod mit sanftmütigen Klängen sehr viel Positives in sich trägt.

BODYSTYLER: "Destruction" ist zudem der einzige Songtitel, bei dem man einen direkten Bezug zum Coverbild herstellen kann. Ist der Track somit ein oder gar DER zentrale Dreh- und Angelpunkt des Albums?

CHRIS: Die Geschichte wird chronologisch erzählt und baut sich langsam auf, das eine führt zum anderen. Das dann auch Titel mit viel Interpretationsspielraum dabei sind, war so gewollt. Wir haben versucht, die Zerstörung der Erde/Menschheit und alles was damit zusammenhängt vom Anfang bis zum Ende zu vertonen. Man kann sagen, die Tracks "Resistance" und "Destruction" sind neben dem Titeltrack die Referenztracks, welche das Album zusammenhalten.

BODYSTYLER: Was bedeutet für Euch die "7" ("Seven") im Albumkontext und generell?

CHRIS: Mir hat hat an der Wahl des Tracknamens gefallen, dass er so viele Bedeutungen hat. Die „7“ ist eine besonders heilige Zahl und bedeutet biblisch gesehen Vollständigkeit und Ganzheit im göttlichen Sinne. Sie setzt sich aus 3 und 4 zusammen, aus dem göttlichen Handeln und der weltlichen Ordnung. Sie umfasst also "Alles". Gott erschuff die Welt in sieben Tagen. Es geht um die vollkommene Schöpfung und im Kern um das, was wir mit dem Album versucht haben auszudrücken. Alles wird zunächst zerstört bis es dann irgendwann wieder erschaffen wird. So ist der Kreislauf der Dinge.

BODYSTYLER: Bei einem Songtitel wie "Resistance" fallen einem natürlich sofort politische Widerstandsbewegungen ein. Die Störgeräusche (Interferenzen?) im Song selbst lassen aber auch an den rein technischen Widerstand denken. Welche Ideen/Gedanken wolltet Ihr in diesem Track umsetzen?

CHRIS: Der Track "Resistance" soll u.a. die weltweiten, politischen Unruhen der letzte Jahre aufzeigen, vor allem die der Amtszeit von Trump. Ich will zu diesem Mann keine Worte verlieren, aber ich frage mich noch immer, wie die Welt zusehen konnte, von so einem Selbstdarsteller regiert zu werden. Fest steht, die USA sind gespalten wie nie zu vor und das wird sich leider in nächster Zeit nicht ändern. Das ist eine ganz schlechte Vorraussetzung für eine friedliche Welt. Der Track ist kein wütender Track geworden sondern ein bedrohlicher, der aber auch immer wieder Lichtblicke durchdringen lässt. Von der Schnelligkeit ähnelt er an machen Stellen gar einem Punk Song. So schnell waren wir vorher noch nie unterwegs (lacht).

BODYSTYLER: Am Ende des Albums finden sich sehr hoffnungsvolle Stimmungen und Ihr perfektioniert die akustischen Sonnenstrahlen, die Euer Schaffen seit Anbeginn durchziehen? Was gibt Euch selbst Hoffnung in diesen doch recht schwierigen und traurigen Zeiten?

CHRIS: Ja, etwas Hoffnung gibt es auch auf jedem Collapse Under The Empire-Album, ansonsten wären die Geschichten zu eintönig. Es muss immer ein Schwarz und Weiß geben, man darf die Hoffnung nie verlieren und sich stets aus eigener Kraft aus der Krise ziehen. Leider gelingt das nicht immer. Das Gleichgewicht in der Musik ist uns sehr wichtig. Einen depressiveren und düsteren Track wie z.B. "The Sirens Sound" aus dem Jahr 2010 könnte man nicht 50 Minuten ertragen, das würde einen erschlagen. Deswegen brauchen wir auch immer hoffungsvolle, melodische und teilweise auch liebliche Variationen.

BODYSTYLER: Ihr habt ja bereits in der Vergangenheit ungewöhnlich viel Zeit und Mühe investiert, Eure Songs von anderen Musikern auf der Bühne präsentieren zu lassen. Gerade in der heutigen Zeit ist eine Frage nach Konzerten sowieso schon schwierig, aber ich traue mich doch mal wieder, mich nach dem aktuellen Stand bzw. Euren diesbezüglichen Plänen zu erkundigen. Was könnt Ihr an Neuigkeiten vermelden?

MARTIN: Bisher gab es nur eine große Show in Belgien 2016. Das nahm wirklich extrem viel Zeit in Anspruch, so dass wir in der Zeit davor auch keine neuen Songs schreiben und veröffentlichen konnten. Weil wir nur positives Feedback bekommen haben und es auch Spaß macht, haben wir 2019 die Live-Show-Aktivitäten wieder aufgenommen. Wir haben das Team wieder zusammengestellt, geprobt und eine großartige Show kreiert. Zwei große Exklusiv-Shows waren für 2020 geplant. Die Veranstalter mussten diese jedoch coronabedingt absagen. Wenn es irgendwann mal wieder möglich ist, dann können Fans und Booking-Agenturen unter https://collapseundertheempire.com/live/ sehen, ob es noch freie Slots gibt. Die Shows von uns werden nämlich auf zwei pro Jahr begrenzt sein.