Oren Amram

Synthpopklänge aus Israel

24.07.2021 - Oren Amram präsentiert u.a. die Radioshow „Synthesize Me“ und hat auch schon zahlreiche Remixe angefertigt. In einem Interview gab er viele Hintergrundinfos preis und gewährte einen guten Einblick in seine Arbeit. Von: Roman Golub

Image Oren Amram im Studio (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Du warst u.a. an den Songs „The Guest House“ von !distain (veröffentlicht auf dem Album „Farwell To The Past“) und „Die Gesellschaft“ von Arsine Tibé (erschienen auf der Single „I'm Your Blues“) beteiligt. Wie kommt es, dass du dieses gerade bei Titeln gemacht hast, die sehr düstere Lyrics haben? Wie stark ist deine Identifikation bzw. dein Faible für solche Inhalte? Was verbindet dich mit diesen beiden Tracks?

OREN AMRAM: Beide Texte wurden von Manfred Thomaser geschrieben. Du wirst nicht darum herumkommen, ihn nach den „düsteren Texten“ zu fragen. Aber grundsätzlich: Ich liebe Manfreds Texte, und als er mich bat, den Gesang zu übernehmen, habe ich mich sehr gefreut. Ich liebe einfach düstere Texte. Ich habe es immer getan. Und ich habe versucht, diese beiden Songtexte von meinem eigenen persönlichen Standpunkt aus zu erzählen. Ich hatte das Gefühl, jeweils eine Geschichte vorzutragen, von der ich ein Teil bin, und sie so real und glaubwürdig wie möglich zu erzählen.

BODYSTYLER: Du bist auch als Remixer tätig. Worauf legst du beim Remixen besonders Wert? Worauf achtest du etwas genauer? Was zeichnet deine Remixe aus?

OREN AMRAM: Meine Arbeit basiert auf zwei unterschiedlichen Einflüssen. Ich komme aus einer klassischen Ausbildung, d.h. als Kind lernte ich viele Jahre klassisches Klavier und später wurde ich DJ. Es liegt nahe für mich, diese beiden Welten, in denen ich lebe, zu kombinieren. Meine erste Herangehensweise an einen Remix ist die eines Club-DJs. Normalerweise werfe ich zunächst einmal die Schlagzeugparts des Originals raus. Manchmal höre ich sie mir im Vorfeld auch gar nicht erst an. Ich baue ein ganz neues Drum-Loop-Arrangement, bei dem ich mich nur am Gesang orientiere. Dann wende ich mich den anderen Teilen zu, wie dem Bass und anderen Instrumenten. Nachdem die wichtigsten Grundlagen erledigt sind, krame ich meine klassische Ausbildung hervor und verwende Klänge wie Klavier und Streicher. Wenn ich alles zusammen habe, fange ich an, an der Struktur des Remixes zu arbeiten. Ich arbeite z.B. an Intro und Outro wie ich sie als DJ sehe und ändere gerne auch die BPM, um vom Original abzuweichen.

BODYSTYLER: Gehst du an einen Clubmix (so etwa an den Clubmix zu Mindmodvl - „You' re an icon“) anders heran als an einen herkömmlichen Remix? Was willst du mit einem Clubmix auslösen und bewirken?

OREN AMRAM : Das ist von Remix zu Remix verschieden. "Mindmodvl" (und "Rename" natürlich, Marcus Mokusos Vorgängerprojekt) ist ein Beispiel für einen Remix, der mich zum klassischen "Pet Shop Boys"-Sound und zum Thema 12‘‘ führte. Vielleicht lag es am Gesang von Marcus, vielleicht einfach am gesamten Feeling des Songs. Einerseits kann ich als großer Fan der Pet Shop Boys nicht anders, als einen PSB Club Mix zu machen und andererseits – bleibe ich durchgehend Oren Amram als Remixer. Aber es ist nicht immer so einfach.

BODYSTYLER: Seit wann bist du als Remixer tätig? Für wen hast du schon alles gearbeitet? Inwieweit spielen da deine Radioshows bei der Zusammenarbeit mit hinein?

OREN AMRAM: 1993 habe ich meine ersten Remixe für israelische Künstler angefertigt. Mein erster Remix war für den israelischen Künstler Baruch Friedland und seine Band "Doppler Effect". Dieser Remix enthielt viele Einflüsse von den Pet Shop Boys / Talk Talk / New Order. Übrigens hatte ich vor einigen Jahren eine Zusammenarbeit mit Baruch als Gastsänger beim "!distain"-Track "Inside Out", eine Zusammenarbeit, die den Kreis für mich geschlossen hat.
Nach 1993 habe ich weitere Remixe für israelische Künstler gemacht, die nicht allzu erfolgreich waren, das gebe ich zu. Remixen war damals nicht üblich in Israel, so dass es nicht genug Werbung gab. 1996 verliebte ich mich in das Genre "Dream". Es war genau die Kombination meiner beiden Themen, die ich an der Musik liebe. Das klassische Klavier und die Clubbeats. Nach Robert Miles' "Children" veröffentlichte und produzierte ich viel Dream-Musik auf hiesigen Compilations, was zu einem großen Erfolg führte. Allein in Israel verkaufte sich die erste „Dream“-Veröffentlichung über 60.000 Mal.
Zu meinem ersten Versuch, einen nicht-israelischen Künstler zu produzieren und zu remixen, kam es 1999, als ich Marian Gold von Alphaville traf und ein paar Tracks für Alphaville-Tribute-Alben machte. Es folgte ein Remix zu "Atlantic Popes" (von Bernhard Lloyd - ehemaliges Alphaville-Mitglied) und ein weiterer für Max Hollers Debütsingle "World". Bis heute beträgt die genaue Anzahl meiner offiziell veröffentlichten Remixe 100! Und jetzt ist es an der Zeit, die Nr. 100 offiziell zu promoten! Es ist eine Remix-Kollaboration zwischen mir und Marcus Mokuso von Mindmodvl & Rename für die neue "Vogon Poetry"-Single "Atomic Skies".
Ich spiele heutzutage viele meiner Remixe in meiner Radiosendung, obwohl einige sagen werden, dass dies möglicherweise nicht akzeptabel und ethisch auch nicht sauber ist. Aber so wie "Synthesize Me" eine Möglichkeit ist, den Hörern das SynthPop-Genre zu präsentieren, so spiele ich meine Remixe, um sie den Künstlern selbst zu präsentieren. Und ich bin sehr stolz, dass meine Remixe den Künstlern in gewisser Weise helfen.

"Meine erste Herangehensweise an einen Remix ist die eines Club-DJs. […] Nachdem die wichtigsten Grundlagen erledigt sind, krame ich meine klassische Ausbildung hervor und verwende Klänge wie Klavier und Streicher."

BODYSTYLER: Wie ist „Synthesize Me“ entstanden? Auf was für eine Historie kannst du da zurückblicken?

OREN AMRAM: "Synthesize Me" begann als One-Song-Spot in meiner 80er-Show "Layla Shmonim" ("80's night") im Jahr 2009. Mit der Zeit wurde diese Idee ein größerer Bestandteil der Show, mit mehr und mehr Songs jede Woche, bis ich beschloss, das SynthPop-Genre sollte eine eigene Show haben. Da der Radiosender, für den ich arbeitete, mir diese Art von Show nicht erlaubte, habe ich sie über ein Jahr lang als wöchentlichen Podcast gemacht. 2014 war dann die erste Live-Übertragung von „Synthesize Me“, und seitdem gibt es jede Woche sonntags ab 21 Uhr MEZ eine neue Sendung. 2017 war dann das Geburtsjahr von „Radio Plus“. Als Mitbegründer und Inhaber dieses Radiosenders gehört „Synthesize Me“ für mich natürlich zum Wochenplan.

BODYSTYLER: Wie sieht dein Sendekonzept zu „Synthesize Me“ aus? Wie bereitest du diese Sendung musikalisch vor? Wie gehst du bei der Songzusammenstellung vor?

OREN AMRAM: „Synthesize Me“ ist eine Kombination aus 50% klassischen SynthPop-Tracks und 50% völlig neuer Tracks von unabhängigen elektronischen Künstlern. Jede Woche bekomme ich mehr als 50 neue Songs von vielen neuen Künstlern, von denen ich noch nie gehört habe, und ich muss entscheiden, was ich spiele. Und da ich für jede Show nur die Zeit für 10-20 Songs habe, kann ich nicht alle auflegen.

BODYSTYLER: Wie bist du zum Namen deiner Show „Synthesize Me“ gekommen?

OREN AMRAM: Natürlich über die „Diorama“-Hymne 2007 „Synthesize Me“. Und ja, Torben und Felix von „Diorama“ haben 2016 in einem Interview in einer „Synthesize Me“-Show ihren Segen dafür gegeben. Apropos „da schließt sich der Kreis“, ein Sample aus „Synthesize Me“ von „Diorama“ war 2018 in meinem Remix zu "SynthPopBoy" von !distain enthalten. Wie man sieht, ist am Ende alles miteinander verknüpft.

BODYSTYLER: „Synthesize Me“ moderierst du auf Englisch auf Radio Plus. Dann hast du weitere Sendeformate, so eine Sendung die du auf Hebräisch über 80's Musik machst. Was ist der grundlegende Unterschied in musikalischer Hinsicht bei diesen beiden Shows?

OREN AMRAM: Ich entschied, dass „Synthesize Me“ auf Englisch sein sollte, obwohl mein Radio Sender in Israel und die Sprache hier Hebräisch ist. SynthPop sollte in einer internationalen Show präsentiert werden. Ich denke, dass meine Zuhörer in Israel das verstehen können. Meine anderen Shows auf Radio Plus sind "UK Top 30" Charts (mittwochs um 21:00 Uhr MEZ). Es ist eine Rekonstruktionsshow, in der ich auf das gleiche Datum vor 38 Jahren zurückgehe und die originalen UK Top 30 Charts von diesem Datum spiele. Als Beispiel spiele ich diese Woche die UK Top 30 Charts vom 29. Juli 1983. Die Geschichte des Pops, als "Everything Counts" von Depeche Mode den ersten Platz in den Charts belegte. Eine weitere Show von mir ist "Layla Shmonim" ("80's night"), donnerstags um 23:00 Uhr MEZ. Diese Sendung reicht bis ins Jahr 1993 zurück und bleibt für alle Zeiten in Hebräisch. "Layla shmonim" basiert nur auf dem 80er-Jahre-Jahrzehnt mit all den Musikgenres, die es damals gab. SynthPop natürlich auch, aber nicht nur.

"Deutschland ist für mich die Basis für SynthPop-Musik. Eine der Bands, mit der ich Ende der 70er aufwuchs, waren Kraftwerk, und sie kommen aus Deutschland."

BODYSTYLER: Du machst des Weiteren auch noch eine „Rare Mixes„ Show. Wie kommt es da zur Auswahl der Musiker, über die du diese Mixe anfertigst?

OREN AMRAM: In der Rare Mixes Show werden die legendären Remixe von "Disco Mix Club" (DMC), Hot-Mix & Razormaid aus den frühen 80ern bis Mitte der 90er gespielt. Viele davon sind sehr schwer auf CD zu finden, und wir spielen sie von den Original-Vinyls, mit all dem "Zischen" und den "Klicks". Ein reines Vergnügen. (Samstag, 17:00 Uhr MEZ auf Radio Plus).

BODYSTYLER: Du bist in Israel ansässig. Wie kommt es, dass du so sehr in die Arbeit von Musikern aus Deutschland involviert bist?

OREN AMRAM: Deutschland ist für mich die Basis für SynthPop-Musik. Eine der Bands, mit der ich Ende der 70er aufwuchs, waren Kraftwerk, und sie kommen aus Deutschland. In den 1980ern wurden Alphaville zu einem meiner absoluten Favoriten. In den späten 80ern kamen Camouflage und Beborn Beton hinzu. In den 90ern folgten De/Vision, Diorama, And One und !distain, um nur einige zu nennen. Ich war auch daran beteiligt, einige Konzerte deutscher Bands in Israel zu organisieren, und so sind Freundschaften entstanden. Facebook ist ein großartiger Ort, um Leute miteinander zu verbinden. Um mich über die Musik und neue Künstler auf dem Laufenden zu bleiben, reise ich mindestens einmal im Jahr zu einem Festival nach Deutschland. Besonders das Amphi-Festival hat es mir angetan. Festivals bieten eine großartige Gelegenheit, die Menschen zu treffen, und ich habe viele Freunde dort. Ich lege auch ab und zu in Deutschland auf, und zwei meiner Radio Plus DJs kommen aus Deutschland: Stefan Käshammer und natürlich Elvis Rashidi, ein berühmter DJ & Produzent aus Köln. Ich muss zugeben, dass es faszinierend ist, Nachrichten von Musikern zu erhalten in der Art: "Hallo, ich bin von dieser Band und habe von deiner Show gehört, ich freue mich, wenn du die Zeit hast, meine neue Band zu hören..." - und dann berichtet dieser Künstler seinen Freunden von mir und da geht es dann von Mund zu Ohr und von einer Mail zur anderen. Und am Ende bin ich es, der DJ aus Israel, dem winzig kleinen Land im Nahen Osten, der diese Menschen durch eine Internet-Radiosendung zueinander führt. Verrückt.

BODYSTYLER: Darf ich fragen, was dein regulärer Beruf ist?

OREN AMRAM: Ich arbeite in einem Musikgeschäft als Verkäufer. Mein beruflicher Schwerpunkt sind PA-Systeme und Studioequipment, Pianos & Synthesizer. Ich fühle mich wie ein kleines Kind, das in einem Süßwarenladen arbeitet.

BODYSTYLER: Willst du zum Schluss noch etwas sagen?

OREN AMRAM: Ich wünsche mir, dass die Welt wieder ein sicherer Ort zum Leben ist. Keine COVID19-Krankheiten Ich wünsche mir, dass Juden und Araber lernen, miteinander zu leben. Kein Krieg, kein Hass, keine extremistischen Menschen auf beiden Seiten.

BODYSTYLER: Vielen Dank für das Interview.

OREN AMRAM: Danke, dass ich zu Gast sein durfte. Das hat Spaß gemacht! Frieden und Liebe aus Israel!