Pond

Von der Pioniertrommel zum Planetenwind

22.08.2021 - Diesmal werden wir schon fast nostalgisch, denn wir haben keinen Geringeren als den " JM Jarre / Tangerine Dream" des Ostens zum Interview eingeladen! Wolfgang "Paule" Fuchs hat sicherlich ein Stück Musikgeschichte in der DDR mitgeschrieben, denn er ist mit Begleitung seit 1978 im Bereich der elektronischen Klangerzeugung unter dem Bandnamen Pond aktiv und unterwegs. Von: Sven Hauke Erichsen

Image The ExPONDable (Foto: Promo)

Angefangen im Ostberliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg gingen die Sounds zuerst eher in Richtung progressive Rockmusik und bestanden auch aus Adaptionen klassischer Stücke. Ab 1980 wurde die Musik dann in Richtung elektronische Instrumentalmusik umgestellt und im Jahre 1982 der erste größere Erfolg mit dem Stück "Planetenwind" gefeiert, das in den Jahrescharts auf Platz 14 landete. Auf dem bekannten Amiga Label (42 Jahre lang DAS DDR-Label für Platten) wurden dann grandiose und erfolgreiche Platten wie "Planetenwind" und der atmosphärische Soundtrack "Auf der Seidenstrasse" veröffentlicht. Als erste Band zu der Zeit spielten Pond sogar Live Events in Planetarien. Die Platte aus 1988 ("Space Walks") war dann sogar ein Auftrag der Carl Zeiss Jena GmbH und diese Klänge wurden speziell als Hintergrundmusik für Planetarien konzipiert. Ich könnte hier noch seitenweise weiterschreiben, übergebe aber jetzt das virtuelle Mikro an "Paule" weiter, der auf unsere Fragen doch recht informativ geantwortet hat. Viel Spaß beim Lesen.

BODYSTYLER: Hallo Wolfgang "Paule", heute gehen wir mal in die Historie Deines Herzensprojektes Pond. Erzähl uns doch bitte einmal etwas über Deinen beruflichen Werdegang, natürlich besonders in Sachen Musik. Wie kam es dazu, dass Du Dich für eine Laufbahn als Keyboarder / Synthmusiker entschieden hast? Wann hast Du ein erstes elektronisches Instrument gespielt? Hat man die Geräte im Osten überhaupt bekommen und war die Politik eventuell auch hier und da mal "unbequem" (künstlerische Freiheit ) oder hast Du davon nichts mitbekommen? Wie hat Deine Musikkarriere in der DDR begonnen? Wie waren die ersten Gehversuche und wie bist Du auf die musikalische Electro-Ausrichtung a la "Berliner Schule" gekommen?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Das sind ja gleich mehrere Fragen auf einmal. Also der Reihe nach: Angefangen habe ich ca. 1968, da habe ich mich für die aufkommende „Beatmusik“ begeistert. Ich wollte diese nicht nur hören, sondern auch selber machen, wenn möglich. Ich besorgte mir ein Drumset, das eigentlich den Namen nicht verdient, denn es bestand aus einer verbeulten Pioniertrommel, einer Charlestonmaschine (HIHat) aus den 30iger Jahren und einem Becken, das im Klang einem Kochtopfdeckel ähnelte, auch optisch. Aber so ging es los und ich begann zu üben. Und damit begann die Ära des Rockdrummers Paule Fuchs. Ich spielte in mehreren Berliner Hardrockbands bevor ich meine eigene Gruppe Pond gründete: Zwei Keyboarder (Hammondorgel und Polymoog) und ein Drummer. In dieser Besetzung spielten wir eine Art -Rock á la Emerson, Lake & Palmer, Klassikadaptionen und eigene Werke mit sinfonischem Charakter.
Viele Jahre später, als die Bombast- und ArtRockwelle abebbte, suchten viele Bands nach neuen Ufern, so also ich auch. Ich sah auf einem Foto einen Musiker auf einem Flokatiteppich sitzen und ringsherum standen etliche Keyboards. Das hat mich beeindruckt,so etwas wollte ich auch machen, obwohl ich keine Ahnung hatte, auf was ich mich da eingelassen habe. Mein erster Synth war ein Roland SH 2000, den ich über Umwege und teures Geld erwarb, dabei immer ein Bein im Knast. Ich war stolzer Besitzer eines West-Synthies und befasste mich mit dieser Technik.

BODYSTYLER: Wie lief es generell in der Szene um Berlin zu Deinen Anfängen ab, gab es damals Kontakt zu anderen Bands oder Newcomern der Electro Szene aus der Gegend? Wann bist Du zum ersten Mal in der Öffentlichkeit aufgetreten?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: In der Berliner Szene war ich so ziemlich der einzige, der sich zu dieser Zeit mit EM auseinandersetzte. Reinhardt Lakomy experimentierte schon, trat aber so gut wie nie live mit EM auf. Darum war Pond die erste Gruppe der DDR, die solch eine Musik live darbot und 1978 das erste Mal live spielte: Görlitz, Gaststätte "Zwei Linden'. Mit der Umstellung von ProgRock auf EM spielte ich nun mit meinem neuen Mitstreiter H.Wittkowski das erste mal im Januar 1981 live mit ausschließlich elektronischen Instrumenten.

"Ich bevorzuge CD-Alben/ DVDs, da diese einfach zu handhaben sind."

BODYSTYLER: Bitte erkläre den Lesern einmal das Konzept eines Deiner vielen genialen Alben. Welches Konzept steckt dahinter und wie viel Arbeitszeit hast Du in die Produktion investiert. Wie lief der Arbeitsprozess ab?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Mein mit Abstand musikalisch größtes Werk ist das Willi Sitte Projekt "Gemälde einer Vernissage". Dabei habe ich 12 Bilder von dem international geschätzten DDR-Maler Willi Sitte vertont. Die Uraufführung von „Gemälde einer Vernissage“ mit den Brandenburger Symphonikern im ehemaligen Stahlwerk in Brandenburg/Havel war im September 2013. Es war einfach nur gigantisch , wenn 50 Orchestermitglieder dein eigenes 'Meisterwerk' intonieren. Es ist der Ritterschlag eines altgedienten Rockers. Von diesem Ereignis erschien 2015 dann ein Doppelalbum (CD+DVD)! Gleichermaßen vom Publikum als auch von Kritikern hochgelobt und mit Auszeichnungen dekoriert. Von der GEMA wurde diese Fassung als zeitgenössische E-Musik eingestuft, ein nicht alltäglicher Vorgang.

BODYSTYLER: Wer macht das famose Coverartwork bei Dir für die CD-/Vinyl-Veröffentlichungen und wie kamst Du auf Deinen Bandnamen??

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Der Bandname sollte kurz und knackig sein und wurde 1977 aus einer langen Liste von uns ausgesuchten Begriffen ermittelt. Zur damaligen Zeit durften wir keine englischen ,sondern nur deutsche Wörter verwenden. Das gleiche galt auch für Texte: nur auf Deutsch! Zuerst ärgerte dies uns, aber allmählich entwickelte sich nach und nach eine ostdeutsche Identität. Somit wurden viele tolle Lieder mit wunderbaren Texten produziert, die heute Ihresgleichen suchen und auch in der BRD nicht zu finden waren. Außer Udo Lindenberg, Rio Reiser und noch zwei, drei anderen wurde nur auf Englisch gesungen. Nach der Wende sprach man auch etwas mitleidig und herablassend von Ostrock. Heute ist dies ein Qualitätsmerkmal und steht für anspruchsvolle, gute, ostdeutsche Rockmusik. Das gesamte gestalterische Artwork wie Cover, Poster, PR-Artikel und sonstige grafische Sachen sind von mir persönlich und werden von einem Freund nach meinen Angaben zusammen entwickelt.

BODYSTYLER: Hast Du eine musikalische Ausbildung genossen und mit welchen Instrumenten bist Du 1978 gestartet? Heute arbeitest Du sicher mit digitaler Hardware oder Software, oder? Wie sieht Deine Produktionsumgebung mit Equipment im Studio aus - bei Liveauftritten dann sicherlich ganz anders ?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Alle DDR-Berufsmusiker mussten eine musikalische Ausbildung nachweisen. Entweder erlangte man diese an einer Hochschule für Musik oder an der extra eingerichteten Spezialklasse für Tanz-und Unterhaltungsmusik Berlin Friedrichshain, die etwa 3 Jahre dauerte.
Professionelles Equipment zu bekommen war fast unmöglich und obendrein sehr, sehr teuer. Dennoch besorgten wir uns über abenteuerliche Wege die ersten Synthesizer wie Minimoog, Polymoog, Arp und Rolandsynthies. Eine große Hammondorgel, Hohnerclavinet sowie zwei Hayman-Drums nebst Kirchenglocke und Paiste-Gongs waren bereits vorhanden. Von nun an wuchs das Keyboardarsenal langsam aber beständig an, denn ab 1986 durfte ich zu sogenannten Bildungsreisen nach West-Berlin fahren und schmuggelte das eine oder andere Gerät über die Grenze.

BODYSTYLER: Welche musikalischen Einflüsse gibt es bei Dir? Hast Du Vorbilder gehabt? Wie sieht Deine Motivation und Inspiration für Deine vielen verschiedenen Produktionen aus? Woher kommen Deine Themen für die Songs?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Früher hatte ich natürlich Vorbilder wie Tangerine Dream, Klaus Schulze, Vangelis und andere Vertreter dieses Genres. Nach so vielen Jahren habe ich mir mittlerweile einen eigenen Stil erarbeitet, so hoffe ich. Hören tue ich alle Arten von Musik von Rock bis Klassik, besonders Hardrock, da ich im Herzen immer noch ein Hardrock-Drummer bin. Aus diesem Grund mag ich nach wie vor sehr Deep Purple und vor allem Rammstein und Sons of Apollo.
 
BODYSTYLER: Wie sieht es mit Videos aus - ist das für Dich wichtig Clips zu den Tracks für z.B. Youtube, Insta, Facebook und andere Kanäle zu produzieren?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Es gibt von Pond über 100 Videoclips/Beiträge bei Youtube u.a. Portalen, hier waren wir sehr aktiv und fanden das Visuelle auch wichtig.

BODYSTYLER: Wo hast Du schon Auftritte im Ausland absolviert und wo bist Du live am liebsten in unseren heimischen Gefilden, besuchst Du auch selbst Konzerte für Deine Inspiration?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Ich suche mir die geeigneten Locations aus und bin meistens selber auch Veranstalter, so dass ich alles steuern und überblicken kann . Das macht natürlich viel Arbeit und ist sehr kostenintensiv.Darum konzentriere ich mich auf ein paar gute, aber wenige Konzerte im Jahr. Klasse statt Masse. Im Moment geht dies natürlich nicht.

"Ich war stolzer Besitzer eines West-Synthies und befasste mich mit der Technik."

BODYSTYLER: Was sind Deine All Time Heroes im heimischen Plattenregal, sind da auch Sachen von Karat, City, Puhdys, N. Hagen, Silly, Petra Ziegler, Stern Combo Meissen, Veronika Fischer usw. dabei?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Meine Lieblingsscheiben sind immer noch: Emerson, Lake & Palmer („Pictures at an Exhibition“), Deep Purple („Made in Japan“) Vangelis, Rammstein und Sons of Apollo. OstRock-LPs im allgemeinen habe ich keine.

BODYSTYLER: Was außer Musik bereichert noch Dein Leben, außergewöhnliche Hobbys oder Filme, Bücher etc.?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Meine Leidenschaft sind seit Jahren Antiquitäten und Gartenarchitektur.

BODYSTYLER: Da ich ein Fan vom guten alten Vinyl bin: Wie stehst Du zur gerade wieder auflebenden Vinylkultur? Veröffentlichst Du auch auf Vinyl? Oder ist die Zukunft wirklich das digitale Streaming, also Bandcamp, Spotify und Co.?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Ich bevorzuge die CD-Alben/ DVDs, da diese einfach zu handhaben sind. Dazu kommt, dass nicht alle meine Lieblingsalben, insbesondere die neueren als Vinyl erhältlich sind.

BODYSTYLER: Was mich immer wieder begeistert hat sind sogenannte Nebenprojekte von Künstlern, ist so etwas wichtig, um sich hier künstlerisch "auszutoben" oder "auszuprobieren"? Welche hast Du über die Jahre eventuell umgesetzt / geplant?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Mein Interesse galt Mitte der 90er Jahre auch der Verpackung. So habe ich CD-Hüllen eine Form gegeben und diese beim Patentamt rechtlich schützen lassen. Zur Zeit erarbeite ich gerade eine 12-teilige Serie im Dokutainmentformat. Darin erkläre ich in kurzen Beiträgen unterhaltsam den Alltag als Rocker in der DDR: KultUlk - Musik + Spass mit OstRocker Paule Pond & Gästen.

BODYSTYLER: Der Franzose JM Jarre hat 2008 seine erste erfolgreiche Platte "Qxygene" mit den Original Instrumenten aus 1976 Live im Konzert eingespielt, wäre das mal was für Dich?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Der Wunsch, doch mal wieder Musik im 'alten Stil' zu machen, wurde von vielen Fans schon des öfteren geäußert. Nach meinen Ausflügen in die Klassik („Bilder einer Ausstellung“ / „Gemälde einer Vernissage“ und „Edelweiß“) kehre ich wieder back to the roots. Das neue Album „Planetenwind 2“ wird einige Titel beinhalten, die vorwiegend mit meinen alten Schätzchen wie Roland Pro Mars, Vocoder VP330, Arp Odysse u.a. eingespielt werden. Außerdem gibt es einen Tribut-Block von unseren einstigen Vorbildern wie Kraftwerk,
Tangerine Dream und JM Jarre in unserem neuen Liveprogramm für 2022.

BODYSTYLER: Und zum Schluss: Was können wir noch von Dir in 2021 erwarten? Was planst Du noch? Konzerte in Planetarien wohl erst ab Winter?

WOLFGANG "PAULE" FUCHS: Vor kurzem habe ich zusammen mit Thorsten Quaeschning ein tolles Livekonzert in der UFA-Fabrik performt: „Behind closed doors“. Diese Veranstaltungsreihe hat Thorsten Quaeschning selbst ins Leben gerufen, um mit bekannten E-Musikern zu musizieren. Nach Paul Frick, Schiller und einigen anderen interessanten Leuten hat er diesmal mich ausgesucht. Nach rund 31 Jahren der Einheit Deutschlands kommt nun zusammen, was zusammen gehört. Die Masterminds von Tangerine Dream - ehemals West-Berlin und Pond aus Ost-Berlin. Veröffentlicht wurde das Konzert im Mai 2021 auf Youtube.
Des weiteren dreht der MDR eine dritte Folge von : 'Die größten OstHits'. In dieser Sendung gebe ich auch Auskunft, insbesondere über den erfolgreichsten Pond-Titel „Planetenwind“. Dieser Titel ist übrigens der erfolgreichste Instrumentaltitel der DDR-Musikgeschichte. Zusammen mit dem erfolgreichsten Rocktitel der DDR-Musikgeschichte „Am Fenster“ präsentiere ich einen Rock-Mix.

Homepage www.pond.de