Massiv in Mensch

Türkis für Fortgeschrittene

22.08.2021 - Wo ist bloß die Zeit geblieben? Das denkt man sich unweigerlich, wenn man auf die eigene Geschichte zurückblickt. Genau an diesem Punkt ist Massiv in Mensch aktuell. Das 25-jährige Jubiläum feiert man mit einer Best-of-Compilation, die nur auf Vinyl erscheinen wird und dem gleichzeitig erscheinenden neuen Album „Türkis und Schwarz“. Daniel Logemann gibt Einblicke in die Geschichte von MiM. Von: Kai Grothaus

Image Fernab der Küste (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Moin Daniel, das Jahr 2021 ist ja ein ganz besonderes Jahr für dich. Du feierst mit deinem Projekt Massiv in Mensch 25-jähriges-Jubiläum, sozusagen Silberhochzeit mit deiner Musik. Wie fühlst du dich grad?

DANIEL LOGEMANN: Ich fühl mich gut, habe derzeit Urlaub. Das Wetter könnte besser sein. Aber ansonsten bin ich recht erholt.

BODYSTYLER: Erzähl mal ein bisschen aus deinen Anfangstage mit Massiv in Mensch. Wie hat das alles begonnen? Wie kam es zum Namen Massiv in Mensch?

DANIEL LOGEMANN: Mirco Osterthun und ich, wir kannten uns aus der Schule und haben bereits 1993 begonnen, Musik zu produzieren. Damals noch unter verschiedenen Projektnamen. Das lief dann einige Jahre noch sehr holprig bis wir dann 1996 Massiv in Mensch gründeten. Die Songs wurden in der Folge komplexer und auch produktionstechnisch besser. Ende der 90er-Jahre haben wir dann erstmals Gesang integriert und durch Sängerin Sarah Folkens, heutige Vosen, wuchsen wir zum Trio. Den Namen haben wir in einer lauen Sommernacht „erfunden“ durch Wortspielerei. Wir wollten irgendwann die Begriffe „massiv“ und „Mensch“ unterbringen, weil es auch thematisch um Dekadenz ging. Am Ende klang es einfach gut und dann war das Kind geboren.

BODYSTYLER: Passend zum Jubiläum veröffentlichst du ja gleich zwei Alben. Lass uns zuerst beim limitierten Vinyl „Best of 25 Jahre 1996 – 2021“ bleiben. Wenn du die Songs rekapitulierst, was für Erinnerungen hast du an die einzelnen Epochen?

DANIEL LOGEMANN: Ganz unterschiedliche aber vor allen Dingen immer sehr positive. „Offensivschock“ war seinerzeit vielleicht so etwas wie der „Durchbruch“-Song für MiM. Mit „Dark Rave“ und „Mein letztes Bonbon“ verbinde ich auch meine Techno- & Trancezeit Anfang der 2000er. Damals war man halt permanent in Clubs und Diskotheken unterwegs. Manche Songs bedeuten einem persönlich mehr, manche weniger. Oft ist ja auch die Reaktion des Fans oder Publikums eine andere, als die man selbst hat. „Zero Gravity“ z.B. aus der aktuellen Phase ist eine Coverversion. Da hat mich der Originalauftritt beim ESC unheimlich inspiriert.

BODYSTYLER: Gab es zu den Songs bestimmte Einflüsse, die dich hier inspiriert haben?

DANIEL LOGEMANN: Ja unbedingt. Die kann ich jedoch nicht alle aufzählen. Das können Ereignisse oder persönliche Erfahrungen oder natürlich auch aktuelle Hörgewohnheiten sein. Wie gesagt. Das Album „Menschdefekt“ entstand in einer Phase, wo ich sehr viel Techno und Trance gehört habe.

BODYSTYLER: Mit der Zeit hat sich ja neben der allgemeinen Entwicklung im Musikmarkt auch die Technik verändert. Wie stehst du zu den jeweiligen Entwicklungen?

DANIEL LOGEMANN: Grundsätzlich befürworte ich Entwicklung und technische Neuerungen. Die Arbeit wird mitunter stark erleichtert. Es gibt aber auch „Gefahren“, die ich in der nächsten Frage beantworte.

BODYSTYLER: Neben Hardware-Equipment hat ja vor allem der Computer die Produktion der Musik stark verändert. Welche Erleichterungen hat dies für dich gebracht und welche Probleme siehst du im Hinblick darauf, dass Musik heutzutage immer einfacher und vor allem kostengünstiger zu produzieren ist?

DANIEL LOGEMANN: In der Tat kann mittlerweile jede/r ein Album zu Hause einspielen ohne großen Aufwand. Mit etwas Investition stehen einem professionelle Instrumente zur Verfügung. Ein Mastering kann mittlerweile auch kostengünstig erworben werden. Das erhöht meiner Meinung nach die Beliebigkeit. Die musikalischen Bemühungen, allein die Arbeit, gute Sounds zu finden oder zu generieren ist nicht mehr so vorhanden. Dadurch hört man natürlich auch gewisse „Presetsounds“ in vielen Produktionen wieder und es entstehen zahlreiche Klone einer gewissen musikalischen Grundausrichtung.

BODYSTYLER: Das „Best of“ gibt es nur als Vinyl. Eine Reminiszenz an die gute alte Schallplattenzeit oder auch als kleine Kritik an der Skip-Mentalität der Hörer?

DANIEL LOGEMANN: In erster Linie erfüllen wir uns damit einen großen Wunsch. Wir wollten schon immer mal ein Album auf Vinyl veröffentlichen. Jetzt bot es sich zum Jubiläum quasi an, ein Doppelalbum (türkis koloriert) anzufertigen. Sicherlich schwingt bei vielen von uns auch eine gewisse Nostalgie mit, schließlich sind wir mit Schallplatten aufgewachsen.

"Das Album sollte dieses Mal bewusst kein Konzeptalbum werden."

BODYSTYLER: Jetzt mal ne ganz andere Frage. Wenn der HSV wieder in die erste Liga aufsteigt, würdest du die Aufstiegshymne beisteuern?

DANIEL LOGEMANN: Im Grunde bin ich kein Fan von Stadionhymnen oder Fußballsongs. Wir haben seinerzeit mit „Hamburg“ eine Hommage an die Stadt geschrieben, in der der HSV eine Nebenrolle besetzt. Immerhin hören wir dort den Sicherheitssprecher des Volksparks, Heinz Jungclaussen. Insofern haben wir unsere Arbeit erledigt. Jetzt ist der HSV am Zug. (zwinkert)

BODYSTYLER: Nun aber zu deinem neuen Album „Türkis und Schwarz“. Wie bist du auf diesen doch recht ungewöhnlichen Namen gekommen?

DANIEL LOGEMANN: Es gab bereits das Wortspiel auf einem Album zuvor. Dort hieß es noch „Türkis ist das neue Schwarz“. Die beiden Farben, die wir auch visuell inszenieren, stehen hier für zwei musikalische Stränge des Albums. Schwarz für die melodische, eher düstere und zum Teil sogar rockige Seite von MiM. Türkis hingegen für verspielte Elektronik. „Paganinis Geige“ ist quasi ein Hybrid aus beiden Stilen und hier kippt es klanglich auf dem Album von schwarz zu türkis.

BODYSTYLER: Was erwartet die Hörer auf dem Album?

Daniel: Wie man es von uns gewohnt ist eine Vielzahl an klanglichen Eindrücken und Stilen. Es gibt verschiedene Gastsänger (Sam Winter, Bojana), natürlich Rana Arborea aber auch wieder Reiner Schöne im Intro. Zum Teil sind die Songs recht gitarrenlastig ausgefallen. Das ist sicherlich eine Neuerung in unserem klanglichen Kosmos. Da würde ich den Song „84“ erwähnen.

BODYSTYLER: Wie bist du bei dieser Produktion an die Arbeit gegangen?

DANIEL LOGEMANN: Das Album sollte dieses Mal bewusst kein Konzeptalbum werden. Seit 2017 haben wir viele Singles veröffentlicht, die jetzt endlich auf einem Album zusammenfinden. Produktionstechnisch habe ich in meinem Studio weitere Songs produziert und eingespielt. Andererseits hatten wir vermehrt Sessions mit meinen Musikern Tomas Appelhoff und Muck Kemmereit, wo wir dann eher die akustisch geprägten Songs produziert haben („Gestrandet“, „84“).

BODYSTYLER: Gibt es Besonderheiten, die du bei der Arbeit an „Türkis und Schwarz“ so zum ersten Mal verwendet hat oder auch lange vergessene Produktionstechniken, die du nun wieder ans Tageslicht gebracht hast?

DANIEL LOGEMANN: Nein. Die Arbeitsweise hat sich so schon seit „The Cortex Zero Effect“ (2013) etabliert. Sie ist höchstens noch verstärkt worden. Das Mastering übernahm Tomas Appelhoff.

BODYSTYLER: Stecken bestimmte Geschichten oder Erlebnisse hinter den Songs?

DANIEL LOGEMANN: Hinter jedem Song stecken bestimmte Geschichten oder auch Erlebnisse.
„84“ erzählt z.B. die Geschichte von „Der alte Mann und das Meer“ und ist eine Reminiszenz an Hemingway. Der „Gonger“-Mythos faszinierte uns schon lange und es war immer klar, dass wir darüber mal ein Lied schreiben werden. „Badminton“ erzählt hingegen keine Geschichte, sondern ist Ausdruck einer Leidenschaft. Auch das kommt vor und da bedarf es nicht immer großer Worte.

"Grundsätzlich befürworte ich Entwicklung und technische Neuerungen."

BODYSTYLER: Wie hat dich die Situation um die Corona-Pandemie bei deiner Arbeit beeinflusst?

DANIEL LOGEMANN: Eigentlich ist nur der „Live“-Aspekt weggefallen. Ansonsten haben wir so weiter gearbeitet, wie bisher. Die meiste Zeit arbeiten wir ja eh in unseren Studios und produzieren Songs. Ich habe Anfang 2020 Twitch für mich entdeckt und hier gab es die Möglichkeit, einige MiM-Livestreams durchzuführen. Das war natürlich schön, hier auch direkte Reaktionen des „Publikums“ zu erhalten und in Kontakt zu bleiben.

BODYSTYLER: Wenn alles gut geht besteht ja auch wieder die Möglichkeit Konzerte zu veranstalten. Wie sind deine Planungen in diesem Bereich fortgeschritten?

DANIEL LOGEMANN: Größtes „Projekt“, das wir coronabedingt erst einmal verlegen mussten, war ein Jubiläumsfestival „25 Jahre MiM“. Die Planungen werden wir aber demnächst wieder aufnehmen, so dass wir es 2022 vielleicht durchführen können. Ansonsten gab es lose Anfragen und ein Termin ist schon konkret:
Am 18. Februar 2022 spielen wir in der „Lila Eule“ in Bremen zusammen mit Me the Tiger.

BODYSTYLER: Wenn du in deinen Plattenschrank/CD-Regal schaust, welche Künstler sind dort deine Favoriten?

DANIEL LOGEMANN: Das ist bunt gemischt. Natürlich ist dort sehr viel Material aus den 80ern und 90ern vertreten. Ich habe als Kind Dschinghis Khan verehrt, daher habe ich auch die komplette Diskographie hier. Aber natürlich gibt es auch viel „Pop & Wave“ (Sandra, Desireless, Visage) oder EBM (Front 242, Die Krupps, Cultivated Bimbo oder Laibach). Zudem besitze ich alle 12 TKKG-Folgen auf Vinyl. Mehr gab es nicht! (zwinkert)

BODYSTYLER: Was außer Musik bereichert noch dein Leben?

DANIEL LOGEMANN: Neben der Liebe zum Fußball (ich habe hier auch einen Podcast laufen „Allianz Brisanz“), bin ich sehr gerne in der Natur und gehe angeln. Ich koche sehr gerne und ich treffe gern Menschen. Just war ich eine Woche im Urlaub in Oberbayern. Auch das war sehr bereichernd.

BODYSTYLER: Gibt es eine Interviewfrage, die dir in den ganzen 25 Jahren noch nicht gestellt wurde, du aber unbedingt mal beantworten möchtest?

DANIEL LOGEMANN: Mir fällt ad hoc keine ein. Ich kann nur sagen, welche Frage am häufigsten gestellt wurde:
Wie seid ihr auf den Namen Massiv in Mensch gekommen.

BODYSTYLER: Vielen Dank, dass Du dir die Zeit genommen hast für das Interview. Wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft, bleib gesund und auf die nächsten 25 Jahre.

DANIEL LOGEMANN: Alles Gute!