Elektrostaub

Vertrauenssache

12.12.2021 - Vor vier Jahren gab es das erste Mal Elektrostaub in Albumlänge und nun liegt endlich der Nachfolger namens „Reliance“ vor. Erneut strotzt das Werk vor illustren Kollaborationen aus dem Synthie-Pop-/Electro-Genre und auch in Sachen Abwechslung bzw. Qualität wird wieder einiges geboten. Mastermind Patrick Knoch, aber auch zwei der Gastsänger melden sich zu Wort und geben Auskunft. Von: Torsten Pape

Image Oberster Elektrostaub-Partikel: Patrick Knoch (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Erschien Dein Debüt-Album 2017 noch rein digital und beim Echozone-Label, erfolgte zwischenzeitlich der Wechsel zu Alfa Matrix, die den Nachfolger jetzt auch physisch veröffentlichen. Wie kam dieser Wechsel bzw. der Kontakt zur neuen Plattenfirma zustande und warum war es Dir wichtig, dieses Mal auch eine CD anzubieten?

PATRICK KNOCH: Wie sagen Fußballprofis immer so schön: „Ich wollte den nächsten Schritt in meiner Karriere gehen.“ (zwinkert) Vielleicht kann man das so ein bisschen vergleichen. Ich wollte mich verändern, habe den Kontakt zu einigen Labels gesucht und von Anfang an bei den Gesprächen mit Alfa Matrix ein gutes Gefühl gehabt. Ich hatte sehr viele Anfragen bekommen, warum die Songs bzw. die Alben nicht auch physisch erscheinen. Von daher bot sich eine CD einfach an.

BODYSTYLER: Gibt es Überlegungen, das Debüt nachträglich auch noch als CD herauszubringen oder passiert das erst beim ganz großen Durchbruch bzw. dem xx-ten Jubiläum der VÖ?

PATRICK KNOCH: Aktuell gibt es diesbezüglich keine Gespräche, aber vielleicht hast Du da etwas angestoßen (zwinkert). Für die Zukunft sicherlich eine Überlegung wert.

BODYSTYLER: Es ist spannend und nur konsequent, dass Du in Sachen Artwork Deiner Linie treu bleibst, was in dieser Hinsicht zu einem deutlichen Wiedererkennungswert führt. Wie wichtig ist Dir diese einheitliche Optik und spricht der größere Bandname auf dem Cover eher für größeres Selbstbewusstsein oder abnehmendes Augenlicht (zwinkert)?

PATRICK KNOCH: Das einheitliche Bild ist mir schon wichtig und wie Du schon sagst, führt es zu einem gewissen Wiedererkennungswert. Meine Sehkraft lässt in der Tat langsam ein wenig nach. Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste (lacht). Aber im Endeffekt hat der größere Bandname einfach etwas damit zu tun, den Titel und den Bandnamen besser auseinander zu halten.

BODYSTYLER: Nachdem versus auf der ersten Vorabsingle in ihrem Remix von „Wake up“ bereits eigenen Gesang ins Spiel gebracht haben, bist Du auf der zweiten Single „We are dreamers“ sogar noch einen Schritt weiter gegangen und präsentierst den Titelsong gleich mit zwei verschiedenen Stimmen. Wie kam das zustande und welche Reaktionen hast Du auf beide Vorboten erhalten?

PATRICK KNOCH: Beim Debütalbum „Birthday and Death“ hatte ich auch schon eine exklusive Version eines Songs. Bei der Singleauskopplung „Funeral of Love“ (feat. Ruined Conflict) gab es zusätzlich eine Version in spanischer Sprache, gesungen von einem neuen Sänger (Nórdika). Bei „We are dreamers“ kam mir spontan die Idee, dass es interessant sein könnte, den Song mit weiblichen Vocals zu versehen. Ich kam dann relativ schnell auf die Idee, Claudia zu fragen, mit der ich schon vor langer Zeit mal in Kontakt stand. Die Reaktionen fielen durchweg positiv aus und im Endeffekt kam die Version überraschend für die Leute.

BODYSTYLER: Die beiden Versionen von „We are dreamers“ sind ja auf musikalischer Ebene nicht identisch. Wie kam es zu den Veränderungen bzw. Anpassungen an Claudias Stimme?

PATRICK KNOCH: Wir haben für diese Version lediglich die Tonart geändert. Gerade im Hinblick, dass der Song in erster Linie auf männliche Vocals ausgelegt war, war eine Anpassung sinnvoll und notwendig.

"Ich war bei diesem Album nicht involviert."

BODYSTYLER: In unserem ersten Interview hast Du berichtet, wie der Schaffensprozess und die Aufnahmen für das Debüt vonstatten gingen. Zum Beispiel gab es laut Deiner damaligen Aussage leider keine persönlichen Treffen oder Sessions mit den anderen MusikerInnen. Wie sah es diesbezüglich mit den neuen GastsängerInnen aus? Hast Du generell auf die ursprünglichen Methoden gesetzt oder gab es Veränderungen in der Arbeitsweise?

PATRICK KNOCH: Never change a running system (lacht). Also habe ich in dieser Hinsicht nichts verändert.

BODYSTYLER: Magst Du vielleicht erzählen, wie der Kontakt zu Stefan Netschio (Beborn Beton) und Darrin Huss (Psyche) zustande kam? Wie gestaltete sich in diesen Fällen die Zusammenarbeit?
Mögen die beiden eventuell selbst erzählen, wie der Text entstanden ist und Ihr Gesang sich im Laufe der Produktion entwickelt hat? (Liebe Grüße an Stefan und Darrin!!!)

PATRICK KNOCH: Meine Frau ist ein großer Beborn Beton-Fan. Die Band verfolge ich schon seit sehr vielen Jahren schon aufgrund der örtlichen Nähe. Das bot sich dann einfach mal an. Ich habe Stefan angeschrieben und er erklärte sich sehr schnell bereit, an einem Song für das Album mit mir zu arbeiten. Daraus entstand dann mit „Mantis“ einer meiner Favoriten des Albums. Ganz abgesehen davon ist Stefan ein grandioser Sänger und Musiker.
Darrin Huss kenne ich schon seit Ewigkeiten. Wir haben uns damals persönlich in der Matrix in Bochum kennengelernt und hatten auch einen gemeinsamen Auftritt mit meiner damaligen Band in einer anderen Location. Nachdem ich das Instrumental zu „The Light Disappears“ geschrieben habe, tat sich die Frage auf, welcher Sänger diesen Song am besten interpretieren könnte. Na klar, dachte ich mir, der Darrin passt sehr gut zum Song und fragte nach.

STEFAN NETSCHIO: Mein Part begann mit dem Ersinnen einer Gesangsmelodie. Ich hatte gerade wieder eine Session zum kommenden Beborn Beton-Album abgeschlossen und immer noch so ein gewisses rockig-bluesiges Feel im Nacken. Das kam mir insoweit zupass, da die Musik, die Patrick mir schickte, recht straightforward und mit stakkatoiden Sequenzen durchsetzt war. Deshalb wollte ich dem Song etwas Organisches geben. Der Text handelt vom längst überfälligen Fall des Patriarchats. Wer denkt, dass Frauen in unserer Gesellschaft mittlerweile die gleichen Rechte haben und die gleiche Akzeptanz genießen, der ist in der Realität noch nicht angekommen. Während ich die ersten Spuren einsinge, habe ich meistens schon Zweitstimmen und Intervalle im Kopf. Und da der Sound des Instrumentals schon recht dicht und kraftvoll war, habe ich dann so lange die Takes gelayert, bis die Stimme zu dem druckvollen Elektrosound passte. Außerdem fand ich, dass das Thema so wichtig ist, dass die Vocals schon sehr eindringlich sein sollten. Ich denke, das hat gepasst. Ich glaube, dass sich dieser Song von den anderen Tracks auf dem Album unterscheidet. Ist halt kein Tanzfutter. Ist eben etwas sperrig. Aber so mag ich es am liebsten.
Liebe Grüße zurück an Dich, Torsten.

DARRIN HUSS: „The Light Disappears“ ist ein Semi-Hoffnungs-Lied was an Überlebende gerichtet ist weiterzumachen, auch wenn es düster aussieht. Der Refrain und der Titel kamen durch die Melodie und Synth-Arrangements von Patrick. Es klang für mich hymnisch und etwas wie ein Wegweiser für Hoffnung. Der Titel sprang einfach dabei raus und dann habe ich den Rest dazu aufgebaut. Auch von mir liebe Grüße zurück (lacht).

"Meine Sehkraft lässt in der Tat langsam ein wenig nach."

BODYSTYLER: Was die Texte anbelangt, so fällt auf, dass es dieses Mal keine deutschsprachigen gibt. Bewusste Entscheidung oder Zufall? Bonusfrage: Wie ist es denn zum überraschenden, französischen Textbeitrag gekommen?

PATRICK KNOCH: Keine bewusste Entscheidung. Die Texte haben dieses Mal komplett alle Gäste geschrieben. Ich war bei diesem Album nicht involviert. Ich finde es generell spannender, wenn die Sänger/innen ihre eigenen Ideen und Einflüsse in das Projekt einbringen. Manfred von !distain hatte die Idee, Oren Amram und Peter Rainman zu fragen, ob die beiden die Strophen einsingen könnten, da diese etwas spezieller sind. Irgendwie entstand dann die Idee, die zweite Strophe ins Französische zu übersetzen und zu singen.

BODYSTYLER: Setzt Du die Tradition fort und veröffentlichst auch im Nachgang zum Album noch zwei Singles? Gibt es schon Kandidaten? Ich würde meine Stimme ja für „Mantis“ abgeben… (zwinkert)

PATRICK KNOCH: Überlegungen dazu gab es bereits. Ich könnte mir das sehr gut vorstellen. Ob es dann zwei Singles werden bleibt abzuwarten. Dazu kann ich noch keine genauen Angaben machen und das werden wir in Ruhe zusammen mit der Plattenfirma besprechen. Aber an „Mantis“ habe ich ehrlich gesagt auch schon mal gedacht (zwinkert).

BODYSTYLER: Könnten sich denn aus den aktuellen Remix-Kooperationen vielleicht sogar weitere Zusammenarbeiten an Deinen (zukünftigen) Songs ergeben?

PATRICK KNOCH: Auf jeden Fall. Meine Liste für mögliche Kandidaten für zukünftige Songs ist nicht kleiner geworden in letzter Zeit, da ich auch mehrere Remixe anfertige bzw. angefertigt habe.

BODYSTYLER: Was reizt Dich denn daran und vor welche Herausforderungen stellen Dich diese Bearbeitungen fremden Materials?

PATRICK KNOCH: Ich bin immer offen was Remixe angeht und lerne sehr gerne neue Künstler kennen. Das erweitert den eigenen Horizont. Remixe sind teilweise eine richtige Herausforderung, weil man einen fertigen und bestehenden Song versucht ganz neu zu interpretieren. Es kommt immer auf das Original an, wie herausfordernd dann die Arbeit am Remix selbst wird. Ich versuche immer so zu tun, als ob der Song von mir wäre und meinen eigenen Stil einzubringen.

BODYSTYLER: Spannend wäre bestimmt weiterhin ein Zusammentreffen aller bei Elektrostaub involvierten Künstler, was man mittlerweile ja gleich zu einem mittleren Szene-Festival aufbauschen könnte, oder?

PATRICK KNOCH: Das ist richtig. Ich vermute, das ist einfach schwer umsetzbar. Aber reizvoll auf jeden Fall.

BODYSTYLER: Abschließende Worte?

PATRICK KNOCH: Vielen lieben Dank für Deine Zeit und Fragen. Hat mich wieder einmal sehr gefreut. Bleibt alle gesund da draußen und passt auf Euch auf.

BODYSTYLER: Dankeschön und alles Gute!