Ecki Stieg

Ausflug ins Hinterland

02.02.2022 - Wer kennt ihn nicht, Ecki Stieg, den Mann mit der samtweichen Stimme von der legendären Kult Radiosendung „Grenzwellen“, die früher bei Radio FFN und heute bei Radio Hannover läuft. Wir haben die Gelegenheit genutzt und Ecki zu seiner ersten eigenen Veröffentlichung „Hinterland“ ein paar Fragen gestellt. Lest selbst, was er uns für Einsichten zur neuen Platte geschickt hat, viel Spaß dabei. Von: Sven Hauke Erichsen (NAM)

Image Ich mag es, mich auf längere musikalische Reisen zu begeben. (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Hallo Ecki, ein großer Entertainer hat mal gesungen: "Mit 66 Jahren da fängt das Leben an.", bei Dir aber anscheinend schon mit 61 Jahren und Deiner ersten, eigenen Platte! Dabei dachte ich bisher immer, Deine Platte "Ogrody" mit Markus Rosenkranz und Accessoires "Vendetta" (mit Axel Machens) waren schon die ersten eigenen Gehversuche in Sachen musikalischer Eigenständigkeit. Auch Deine fast unzähligen und gelungenen Covertracks von teils großen Künstlern über die Jahre hinweg haben viele Musikfans begeistert. Die Kultsendung Grenzwellen gibt es ja - fast nebenbei erwähnt – auch noch und sind sicherlich über die Jahre eine große Inspirationsquelle für Dich, wenn ich da speziell an die Ausrichtung Deiner neuen Platte in Verbindung mit Stunde 3 der GW denke. Vor allem  "Hinterland Suite" mit guten 40 Minuten hat es mir sehr angetan. Wie Du immer so schön bei einigen Songs selber schreibst, ist das für mich diesmal ein "Großod"! Erzähl uns doch bitte einmal generell etwas über Deinen musikalischen Werdegang mit Deinen vielen Projekten bisher und erklär den Lesern einmal das Konzept Deines neuen Albums. Welche Ideen steckten dahinter, wie viel Arbeitszeit hast Du in die Produktion investiert und wie lief der Arbeitsprozess ab?

ECKI STIEG: Die Arbeit an dem Album erstreckte sich eigentlich über das gesamte Jahr 2021 und begann zunächst spontan und ohne Plan. Das Stück „Shoreland“ habe ich zuerst aufgenommen, es erschien im Januar auf einer Compilation des Neotantra-Labels. Dann habe ich die Aufnahme meinem Freund George Kochbeck gesandt, der das Stück editiert und veredelt hat. Daraus entstand „Shoreland 2“. Ab diesem Zeitpunkt kristallisierte sich die Idee heraus, dass es ein ganzes Album werden könnte.
Nach all den bisherigen Arbeiten mit Axel Machens (in Accessoires) und Marco Rosenkranz bei dem „Ogrody“-Album ist es aber tatsächlich das erste Album, bei dem ich, trotz der wertvollen Mitarbeit von George Kochbeck, die alleinige Regie hatte. Darum auch „erstes Soloalbum“.

BODYSTYLER: Was reizt Dich persönlich an Songs / Soundstrukturen etc. in diesem epischen Ausmaß (bezogen auf den erwähnten Lieblingstrack 3)?

ECKI STIEG: Ich mag es, mich auf längere musikalische Reisen zu begeben. Bei einem Film wie „Vom Winde verweht“ fragt ja auch niemand, warum der nicht 4 Minuten lang ist. Ich selber höre sehr gern Musikstücke, die genau diese Reise ermöglichen und das Leben entschleunigen.

BODYSTYLER: Geht man einen solchen Track etwa anders an, als die kürzeren Titel von Deiner Platte?

ECKI STIEG: Ja. Von vornherein war geplant, dass ein Stück des Albums eine sehr lange Reise sein soll. Während „Shoreland“ und „Path“ sehr schnell entstanden sind, hat sich die Produktion der „Hinterland-Suite“ über Monate erstreckt, wurde immer wieder verändert. Es ist ja eine Suite, bedeutet also, dass verschiedene Elemente zu einem großen Ganzen verbunden werden. Ich hoffe, dies ist mir einigermaßen gelungen.

BODYSTYLER: Hattest Du im Enstehungsprozess eventuell sogar mal die Idee, auch Gesang zu integrieren, mit Gastsängern/in wie bei L. Gerrard/K.Schulze - Lustmord/Karin Park?

ECKI STIEG: Nein. Von vornherein war ausgeschlossen, dass auf diesem Album meine Stimme zu hören ist. Es sollte ein Landschaftsgemälde werden. Und kein Selbstportrait.

BODYSTYLER: Wer macht das kreative Coverartwork bei Dir für Deine Grenzwellen-Sampler und z.B. die neue Veröffentlichung?

ECKI STIEG: Die Cover für die „Grenzwellen“-Compilations entstehen in Zusammenarbeit mit Katrin Rathsfeld, die eine sehr gute Photographin ist, bei „Hinterland“ war es ein Foto von mir, das in ein Gemälde von Nadine Gnauck gemorpht wurde. Ich denke, es spiegelt die Stimmung des Albums gut wieder.

BODYSTYLER: Wie ein Album klingen würde, das in Pandemiezeiten erstellt wurde, brauch ich nicht zu fragen, denn genau in der Zeit hast Du produziert. Oder hätte Dein Album zu normalen Zeiten anders geklungen?

ECKI STIEG: Die Pandemie hatte auf das Album absolut keinen Einfluss, ebenso wenig wie sie mein persönliches Leben in den letzten zwei Jahren tangiert hat. Schon vor Corona habe ich – freiwillig – sehr isoliert gelebt. Hier auf dem Dorf sind die Einschränkungen kaum spürbar. Bei meinen solitären Radtouren und bei meiner inhäusigen Arbeit ohnehin nicht.

BODYSTYLER: Hast Du eigentlich dereinst eine musikalische Ausbildung genossen (war früher so beliebt wie Tanzunterricht)?

ECKI STIEG: Klavierunterricht vom 4. bis 14. Lebensjahr.

BODYSTYLER: Welche musikalischen Einflüsse gibt es bei Dir, hast Du Vorbilder, wie sieht Deine Motivation und Inspiration aus?

ECKI STIEG: Die Herausforderung bei „Hinterland“ war genau das Gegenteil, nämlich alle Einflüsse oder was sonst tagtäglich an guter Musik auf mich niederprasselt, so gut wie möglich auszublenden. Wann immer ich das Gefühl hatte, es ist zu dicht an irgendwelchen Vorbildern oder Klischees, habe ich es verworfen.

BODYSTYLER: Mit welchen Künstlern aus der aktuellen Szene verstehst Du Dich am besten und würdest gerne mit ihnen musizieren?

ECKI STIEG: Dazu müsste man erst mal den unseligen Begriff „Szene“ definieren. Ich bin an „Szenen“ immer weniger interessiert, sondern vielmehr an der Musik und den Individuen, die sie produzieren. Und hier arbeite ich mit Vorliebe mit Menschen zusammen, mit denen ich mich intuitiv gut verstehe, die aber musikalisch möglichst nicht auf der gleichen Linie liegen. Das ist auch einer der Gründe, warum ich gern mit George Kochbeck arbeite. Zwischen uns gibt es die Offenheit, das gegenseitige Verständnis – aber auch die kreative Reibung, die es benötigt.

BODYSTYLER: Wie sieht es mit Videos aus? Ist es für Dich wichtig, Clips zu den Tracks für z.B. Youtube, Insta, Facebook  und andere Kanäle zu produzieren?

ECKI STIEG: Eigentlich überhaupt nicht. Für mich bleibt die Musik das wesentliche Medium. Die Videos zu „Shoreland“ und „Path“ sind auf die Initiative von George entstanden, er hatte auch die Ideen zu der Umsetzung, mit der ich sehr zufrieden bin.

BODYSTYLER: Da ich ein Fan vom guten alten Vinyl bin, wie stehst Du zur gerade wieder auflebenden Vinylkultur? Oder ist die Zukunft wirklich das digitale Streaming, also Bandcamp, Spotify und Co.?

ECKI STIEG: Das Medium ist für mich absolut zweitrangig. Das gute am Vinyl-Boom ist, abgesehen davon, dass es natürlich eine große Ressourcen-Verschwendung ist, der entschleunigende Aspekt. Wenn man eine Platte auflegen und nach 20 Minuten umdrehen muss und das Zappen schwierig wird, hört man zwangsläufig intensiver.
Ansonsten sehe ich für mich persönlich keine Vorteile. Vinyl besitze ich nur noch wenige handsignierte Exemplare, meine CD-Sammlung habe ich schon 2003 eingefroren. Ein Album wie „Hinterland“ würde sich z.B. auch kaum für eine Vinyl-Veröffentlichung eignen: 40 Minuten passen nun mal beim besten Willen auf keine Schallplatten-Seite.

BODYSTYLER: Welche Rolle spielt die aktuell unsichere Zeit für die Zukunft der Musik im Allgemeinen und wie wird das nach der Pandemie aussehen, könntest Du uns das mit Deiner Erfahrung darstellen?

ECKI STIEG: Da ich mit vielen Menschen befreundet bin, die vorwiegend als Bühnenmusiker aktiv sind, bekomme ich ziemlich genau mit, wie frustrierend und existenzbedrohend die Situation ist. Das betrifft auch die ganzen damit zusammenhängenden Bereiche, die Ton- und Lichttechniker, Clubbetreiber, Veranstalter und so weiter. Für das kulturelle Leben ist das eine Katastrophe. Und obwohl die Kulturschaffenden - im Gegensatz zu vielen Profisportlern z.B. – die Maßnahmen bislang fast ausnahmslos mitgetragen haben, haben sie die geringste Lobby und leiden dank mangelnder Unterstützung am meisten.

BODYSTYLER: Hat die Situation gerade etwas in Deinem Leben / Deiner Sichtweise
geändert und wie würdest Du Dir ein Leben danach wünschen und was würdest Du sofort nach der Pandemie Beendigung tun?

ECKI STIEG: Mich hat die Pandemie persönlich absolut nicht tangiert oder mein Leben irgendeiner Weise eingeschränkt, was aber mit meinem autarken, sehr zurück gezogenen Lebens- und Arbeitsstil zu tun hat. Von daher wird sich wenig bis gar nichts ändern.

BODYSTYLER: Vielen Dank für die Antworten und alles Gute für 2022 und Deine neue Platte „Hinterland“!