Thanateros

Beschwingter Goth-Rock

10.05.2022 - Eigentlich sollte der Nachfolger für das Album „Insomnia“ (2019, Neuauflage 2020) schon 2021 erscheinen. Das Warten auf das neue Werk hat sich jedoch absolut gelohnt. Zwölf kraftvolle, düstere, aber auch melodische Goth Rock-Tracks mit teils metallischem Einschlag machen „On fragile wings“ zu einem tollen Klangerlebnis, das durch die Produktion von Simon Rippin zusätzlich veredelt wird. Von: Torsten Pape

Image Fünf Männer stehen im Walde… (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Ursprünglich war das neue Album für den Herbst 2021 geplant. Nun sind doch noch ein paar Monate mehr ins Land gezogen und Corona hat Euch einige Striche durch die Rechnung gemacht. Warum war es Euch wichtig, die Produktion gemeinsam mit Simon Rippin (The Nefilim, NFD, Red Sun Revival etc.) zu machen? Gab es niemals die Überlegung, es auf digitalem Wege zu probieren bevor noch mehr Zeit vergeht?

BEN RICHTER: Das Ganze war schon sehr ärgerlich – wir haben die Produktion ja immer wieder angesetzt und mussten sie dann stets – zum Teil mega kurzfristig – verschieben, was absolut demotivierend war. Aber irgendwie haben wir immer gehofft, dass es beim nächsten Mal klappt. Wir haben zwischendurch durchaus mal besprochen, ob wir das über eine Art „Remote-Monitoring“ machen, aber alle hatten das Gefühl, dass es besser wäre, wenn Simon direkt mit dabei ist. Simon kenne ich ja schon sehr lange und dadurch habe ich auch seine Entwicklung als Produzent mit verfolgt. Seine Arbeit hat alle von uns überzeugt und von daher wollten wir ihn mit an Bord haben.

BODYSTYLER: Wie gestaltete sich denn die Produktion im Detail? Gibt es Anekdoten zu berichten?

BEN RICHTER: Wir haben bei mir unterm Dach das Studio eingerichtet bzw. mein bereits vorhandenes für die Produktion entsprechend erweitert. Wir haben dann ganz klassisch losgelegt – also erst die Drums aufgenommen, dann Bass, Gitarren und dann die Geigen und den Gesang. Das Gute war, dass wir ja nirgends hinfahren mussten und dadurch abends so lange arbeiten konnten, wie wir wollten.
Bei den Vocal-Aufnahmen hat mich Simon dann an den Rand des Wahnsinns gebracht. Er hat mir sehr viele Tipps bei der korrekten Aussprache aller möglicher Wörter gegeben und dann kam das Wort „hope“. Er hat es mir tausendmal vorgesprochen und ich war mir sicher, es genauso auszusprechen wie er, aber stets kam ein: „no, not hope but hope“ – für mich hat sich das alles gleich angehört, aber er hat immer irgendwas zum Aussetzen gehabt. Irgendwann meinte er dann: „Yes! That’s it.“ Nur hatte ich keine Ahnung, was an der Aussprache nun anders war – aber egal: endlich war die Zeile fertig eingesungen. Aber dann: Auch beim nächsten Song kam das Wort „hope“ vor und der ganze Spaß fing von neuem an. Der Hammer war, dass in wirklich jedem Song das Wort vorkommt – ich war echt am Ende und hab mir geschworen, nie wieder das Wort „hope“ in meinen Texten zu verwenden…

BODYSTYLER: Hehe, na dann warten wir mal ab… Glückwunsch übrigens zum sehr ästhetischen Albumcover. Wie bist Du auf die blauen Federn und die gelungene Gesamtkomposition gekommen?

BEN RICHTER: Vielen Dank! Es ging mir darum, die Thematik des Albums auch mit der Covergestaltung umzusetzen. Mir ist es sehr wichtig, dass alles irgendwie Sinn macht, zusammenpasst und eine gewisse Bedeutung hat. Inhaltlich geht es zum einen um schamanische Themen und in der schamanischen Vorstellung ist es unsere Seele, die Prozesse wie Transformation oder die Suche nach der inneren Kraft durchläuft. Als Symbol unserer Seele dient kulturübergreifend der Vogel – es sind Federn und Schwingen, die unsere Seele hinfort tragen.
Das zweite große Thema des Albums sind dann die Abgründe, die Verletzlichkeit unserer Seele, die mitunter ja sehr empfindsam ist und Gefahr läuft, sich in der Dunkelheit zu verlieren. Und dieses Filigrane, diese Zerbrechlichkeit spiegeln die leicht durchscheinenden Flügel wider. Da Blau die Farbe des Transzendenten, der Mystik und der Jenseitigkeit ist, war schnell klar, dass die Flügel blau werden. Auf die Idee bin ich gekommen, da wir immer wieder mal Besuch von einem jungen Turmfalken haben, der unter unserem Giebel übernachtet. Mit etwas Glück kann man ihn abends vom Giebelfenster aus „nach Hause“ kommen sehen. Er fliegt auf das Fenster zu, breitet die Flügel aus und landet dann über dem Fenster auf dem Giebelbalken. Dieser doch recht beeindruckende Anblick hat mich dann inspiriert. Da wir zu Hause etliche Federn haben, die wir über die Jahre hinweg gesammelt haben, hab ich mir die schönsten genommen, abfotografiert und dann am Rechner zu den Cover-Flügeln zusammengesetzt.

"Für mich sind Meditation und schamanisch geprägtes Denken und somit die Arbeit mit den Kräften und Zyklen der Natur, ein wichtiger Teil meines Lebens."

BODYSTYLER: Mit dem Titel des Intros verweist Ihr auf das Buch „Kybalion“, welches Anfang des 20.Jh erschienen ist und sich mit den hermetischen Prinzipien beschäftigt. Inwiefern war dieses Buch Inspiration für das neue Album und wie finden sich diese Ideen in den Texten wieder? Was bedeuten die „unverständlichen“ Worte im Hintergrund?

BEN RICHTER: Es war eher so, dass ich durch das Gesamtkonzept des Albums auf das „Kybalion“ gestoßen bin. Schamanische Gedanken und Sichtweisen sind - wie erwähnt - ein wichtiger roter Faden des inhaltlichen Kontextes von „On Fragile Wings“ und in der schamanischen Vorstellung sind Kreisläufe und Zyklen, aber auch die Ansicht, dass sich im Kleinen das Große findet und umgekehrt sehr wichtig. Und in den hermetischen Prinzipien ist gerade das ja ebenfalls von großer Bedeutung: „Wie oben so unten, so oben“ oder „Wie im Inneren so im Äußeren“ usw.
Die „unverständlichen“ Worte im Hintergrund sind eine sogenannte Wort-Sigille. Wer die echte CD zu Hause hat, kann diese auf der Innenseite des Inlays finden. Und dann einfach rückwärts lesen…

BODYSTYLER: Im Songtext von „Burn“ tauchen Fragmente der Titel der ersten drei Thanateros-Alben auf. Zufall oder Absicht?

BEN RICHTER: Ehrlich gesagt ist das eher Zufall. Wobei es jetzt nicht so ein unwahrscheinlicher Zufall ist, da „Burn“ ja sehr schamanisch geprägt ist und die ersten Alben ebenfalls diese Thematik behandeln.

BODYSTYLER: „Passengers“ beinhaltet erneut das Thema „Traum/Schlaf“ und verbindet es mit einer vor Kraft strotzenden Darbietung. Aber sollte es nicht eigentlich ruhig sein, um zu schlafen oder geht es doch eher um ein Erwecken…?

BEN RICHTER: Ha, ja stimmt… Es geht hier aber eher um dunkle, archaische Träume, die uns aufwühlen, uns mit etwas verbinden, was jenseits der real erfahrbaren Welt liegt – also ein Song der inhaltlich auch auf „Insomnia“ gepasst hätte. Aber der Refrain ist ja dann auch ruhiger gehalten…

BODYSTYLER: „Black forest calling“ wird in der Übersetzung zu „Schwarzer Wald ruft“. Geht es hier um den dunklen Wald oder speziell den Schwarzwald, der ja auch viele alte Geschichten und Mythen in sich birgt?

BEN RICHTER: Sowohl als auch. Ich hab dazu auch Simon gefragt, wie er als Engländer den Begriff auffasst und er meinte, dass der deutsche „Schwarzwald“ in England schon ein Begriff ist, man mit einem „black forest“ aber auch generell einen dunklen, mystischen Wald verbindet. Und genau das hatte ich eigentlich gehofft. Wie du schon sagst, hat unser Schwarzwald ja eine lange Geschichte mit vielen Mythen und auch archäologischen Stätten. Gerade die Kelten waren hier sehr verbreitet. Und das finde ich durchaus sehr faszinierend. Auf der anderen Seite geht es mir aber generell um das Mysterium „Wald“.

BODYSTYLER: Vieles deutet darauf hin, dass „We are the ravens“ der zentrale Song des Albums ist. Welche Bedeutung hat dieses Lied für Euch und warum seid Ihr Raben und keine Lerchen?

BEN RICHTER: „Ravens“ ist einer meiner Lieblingssongs. Es ist ein Song für alle, die sich irgendwie verloren fühlen in dieser lauten, hektischen und kalten Welt, die manchmal nicht wissen, was das alles soll, wie es weitergeht und wie sie dem Ganzen die Stirn bieten sollen. Meist sind diese „verlorenen“ Seelen eher Einzelgänger oder brauchen zumindest viel Zeit für sich allein und ziehen sich gerne zurück. Diese – wir – sind sicher keine Menschen, die ständig unter Leuten sein müssen, die eben nicht wie Lerchen sind, die tagsüber unterwegs sind und sich laut „trällernd“ äußern und die nicht immer im Mittelpunkt stehen müssen oder wollen (wobei sich das für einen Sänger vielleicht erstmal befremdlich anhört – aber es ist wirklich so…). Wir bevorzugen halt eher die Dämmerung…

BODYSTYLER: „Yonder / hidden realm, holy places, kingdom of floating memories, safe harbour“ – diese Begriffe tauchen hin und wieder auf. Was hat es mit diesen Orten / (König-)Reichen oder der Sehnsucht / Suche nach ihnen auf sich?

BEN RICHTER: Ui, das sind natürlich alles zum Teil sehr unterschiedliche „Orte“ mit teilweise sehr verschiedenen Bedeutungen. Von Traum- und visionären Orten, denen wir uns in der Meditation, im Schlaf oder der Trance nähern können, über ersehnte Wunschorte, von denen wir uns eine Art Erlösung oder Befreiung erhoffen, bis hin zu Orten im Jenseits, welche, wie im Fall von „Coven of the Drowned“, als scheinbar letzte Hoffnung und eben sicherer Hafen erscheinen. Ich glaube viele von uns fühlen in sich mit unter eine Art „Verlorenheit“ – unsere westliche Welt scheint immer mehr zu verrohen und Werte entschwinden mehr und mehr und machen einer emotionalen Kälte und Hoffnungslosigkeit Platz. Und dies, obwohl wir alles im Überfluss haben. Aber in einer „perfekten“ Konsumgesellschaft zu leben, in der man einfach wirklich alles schnell mal austauschen kann, scheint auf Dauer eben nicht wirklich glücklich zu machen. Von daher die Sehnsucht nach einem Ort, an dem man einfach „sein“ darf. Ich denke, all diese Orte stehen letztendlich genau dafür. Und noch haben wir – hat jeder von uns – die Möglichkeit etwas zu verändern in der Hoffnung, dass wir irgendwann nicht mehr von diesen Orten träumen müssen, sondern einen solchen Ort hier bei uns erschaffen haben. Ob das eine ewige Utopie bleib? Das liegt an uns…

"Ich war echt am Ende und hab mir geschworen, nie wieder das Wort „hope“ in meinen Texten zu verwenden…"

BODYSTYLER: Ben, Du beschäftigst Dich viel mit Schamanismus und hattest früher in Berlin ein Meditationsstudio. Inwiefern sind diese Dinge heute noch Bestandteil Deines Lebens abseits der Band?

BEN RICHTER: Ja, das stimmt. Zu meiner Zeit in Berlin war ich recht aktiv in einem Magischen Orden und hab mich mehr und mehr für den Schamanismus interessiert. Ich hab dann u.a. auch Religionswissenschaften und Ethnologie studiert, das Studium aber abgebrochen, da mir die praktische Arbeit wichtiger als das Theoretische war.
Diese Thematik, meine Erfahrungen und Ansichten waren von Anfang an ein wichtiges Thema bei Thanateros. Nicht ohne Grund ist der Bandname ja vom magischen Orden „Illuminates of Thanateros“ entlehnt – wobei Thanateros in keinster Weise eine „Ordensband“ ist, sondern absolut eigenständig.
Für mich sind Meditation und schamanisch geprägtes Denken und somit die Arbeit mit den Kräften und Zyklen der Natur, ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich ziehe daraus viel Kraft, innere Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht.

BODYSTYLER: Im Booklet findet man unter Deinem Namen die Credits „Programming, Tin Whistles, Runes and Bones“. Wie darf man sich besonders den Einsatz der letzten beiden Komponenten bzw. das ganze Zusammenspiel vorstellen?

BEN RICHTER: Ich mag es einfach, so kleine spirituelle Dinge auch auf der materiellen Ebene mit einfließen zu lassen. Und so hab ich mir für die „Tribal-Drum“-Parts, die ja immer wieder mal auftauchen meine Runen und rituellen Knochen geschnappt und damit den Rhythmus unterstützt – durch Rasseln und aneinander schlagen. Auch wenn das bewusst nicht dominant hörbar ist, so ist die Energie mit in die Aufnahmen geflossen. Das sind dann so kleine Feinheiten, die ich einfach mag…

BODYSTYLER: Ihr habt zwei schöne Videos zum Album veröffentlicht und viel Arbeit sowie Zeit darin investiert. Wie wichtig sind Euch die bewegten Bilder, wie sind die Drehbücher entstanden und wird es weitere Exkurse in diese Richtung geben?

BEN RICHTER: Ich denke, dass heute Videos sehr wichtig sind – es geht ja alles mehr und mehr viral und digital… und da wollen natürlich auch wir nicht hintenanstehen. Auch hier ist uns wichtig, dass bei der Umsetzung eines Videos das Gefühl, der Inhalt und die Energie des Songs mit einfließen, es also nicht nur produziert wird, weil es nett anzusehende Bilder enthält.
Was den Clip zu „Coven“ angeht, so hat alles damit angefangen, dass wir zusammen am Esstisch saßen und jeder seine Ideen ausgepackt hat. Da es ja um Suizid geht, war eigentlich nur klar, dass dieser irgendwie Thema sein sollte. Ich hab dann aus den Ideen ein erstes Drehbuch „gebastelt“ und nachdem nochmal jeder seinen Senf dazu gegeben hatte, habe ich das Skript detailliert ausgearbeitet und einen „Drehplan“ erstellt. Wir hatten nur einen Tag für den Dreh und wäre da nicht alles generalstabsmäßig geplant gewesen, hätten wir das nie geschafft.
Die Idee zu „Fading“ kam mir als das Album frisch gemastert und somit “fertig“ war und ich es mir mal beim Autofahren angehört habe. Genau als der Song lief, bin ich durch eine kurvenreiche Waldstrecke gefahren und irgendwie passte das einfach – der schnelle, treibende Beat und mit etwas Tempo die Straße entlang (ich kenne die Strecke recht gut…) - so war die Idee zum Video geboren.
Ein weiteres Video ist schon in Planung bzw. in Arbeit. Wir sind sehr froh, dass wir auf Grund einer wirklich sehr erfolgreichen Crowdfunding Kampagne die Möglichkeit dazu haben. Wir wollten eigentlich im Mai das Video drehen, aber da es da zeitliche Probleme gab und wir in einem Wald drehen wollen, der eher etwas mystisch wirkt – also nicht gerade der sprießende „Frühlings-Wald“ – verschieben wir den Dreh nun auf den Herbst. Veröffentlicht werden sollte es dann wohl so im Oktober/November.

BODYSTYLER: Bis dato stehen nur einzelne Konzerte fest. Könnte es noch weitere Dates oder gar eine Tour zum Album geben (Headliner oder Support)?

BEN RICHTER: Wir hätten gerne mehr Konzerte – an uns liegt es nicht… Es ist halt momentan sehr schwer: Die meisten Festivals dieses Jahr sind ja auf Grund von Corona von einem Jahr auf‘s nächste verschoben worden. Und natürlich haben die Veranstalter versucht, das ursprüngliche Line-Up beizubehalten. Das heißt, dass es kaum eine Chance gibt, noch auf Festivals „zu rutschen“. Das kommt dann andererseits auch uns zugute, da wir auf den Festivals, wie dem „Castle Rock“ in Mühlheim oder dem „Feuertal“-Festival in Wuppertal spielen, auf denen wir ansonsten vor zwei Jahren gespielt hätten. Wie es nächstes Jahr ausschaut, muss man dann sehen. Mit Touren ist es zum einen das Problem, dass wir alle mehr oder weniger berufstätig sind und Familie haben. Da mal eben zwei Wochen Jahresurlaub zu opfern ist nicht ganz so einfach. Zum anderen ist es ja so, dass man als Support eine Menge Geld dafür hinlegen muss, um bei irgendjemandem mitfahren zu dürfen und keine Gage bekommt. Da wir letztendlich alles selber finanzieren ist dafür nach CD-Produktion, Videos, Fotos usw. normalerweise nichts mehr übrig. Aber sollte uns eine Band einfach so als Support haben wollen: Schreibt uns – wir sind dabei…

BODYSTYLER: Vielen Dank und alles Gute!

BEN RICHTER: Ich Danke dir für das Interesse – alles Gute!