Wave In Head

Selbstverständlich habe ich ältere Platten von Depeche Mode im Regal

16.05.2022 - Das ist doch mal eine Aussage und damit willkommen an die Bodystyler Leser zum Interview mit einem "alten Hasen" in Sachen Elektro. Hier gibt es einiges Spannendes zu lesen, Euch allen viel Spaß dabei. Von: Sven Hauke Erichsen (NAM)

Image Nicht nur eine Dauerwelle ist Kopfsache... (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Hi Michael, vielen Dank für die neue Werkschau "Happiest Day" – für mich eine ganz grandiose Veröffentlichung in dem Genre. Die melodischen Synthpop-Klänge kommen sehr authentisch, kraftvoll und emotional sowie kreativ rüber und machen einfach richtig Spaß. Auch die Themen und Texte - teils in Deutsch - sind sehr interessant, generell eine rundherum gelungene Veröffentlichung also. Daher vielleicht zuerst mal die Information für die Leser, wie es bei Dir "elektronisch" begonnen hatte?

MICHAEL POHL: Hi Sven, erst mal vielen, lieben Dank für Dein Interesse und die netten Worte zum letzten Album. Sag das bitte auch, wenn ich nicht dabei bin. (zwinkert)
Zu meinen Anfängen: Ich bin ein Kind der 80er. Ich bin also in einer Welt aufgewachsen, in der Kraftwerk schon ganz groß waren und mit ihren absonderlichen Klängen einen wirklichen Unterschied in der Musiklandschaft machten und Bands wie Depeche Mode, Human League, Erasure, Gary Numan und so weiter gerade dabei waren die Charts anzuführen. Ich konnte mit Musik bis dahin nicht unbedingt viel anfangen. Klar, ich mochte die Schulausflüge zu Orgelkonzerten und fand die eine oder andere klassische Musik toll. Bei Kantaten und Zweitstimmen im Musikunterricht, war ich oft die erste Wahl für die komplizierteren Doppelungen. Das Gequäke über Mutters Küchenradio empfand ich allerdings eher als Umweltverschmutzung, die man gelassen hinzunehmen hatte. Als ich eines Tages das Depeche Mode-Video „People are People“ bei „Formel Eins“, damals von Peter Illmann moderiert, sah, die unglaubliche Klanggewalt und den Groove des Songs hörte, konnte ich den Eindruck des eben gehörten kaum fassen und mich gegen den eiskalten Schauer, der über meinen Rücken lief, kaum wehren. Synthpop hatte mich eiskalt erwischt und die 80er hatten mir ihren Stempel aufgedrückt. Ich war fortan auf der Jagd nach neuen Songs für den Kassettenrecorder. Yazoo, Thompson Twins, Howard Jones… das wurde meine alternative Realität. Irgendwann im Mai 1983 hörte ich einen Depeche Mode-Livemitschnitt, eines ihrer Konzerte zu „Construction Time Again“ am See über den Recorder eines Schulfreundes und dachte: „Das ist es!“
Meine Eltern hatten einiges zu verkraften. Diese „Hottentottenmusik“, wie sie sie nannten, lief bei mir jede wache Minute hoch und runter. Zudem wandelte sich mein Erscheinungsbild drastisch. Damals wusste ich noch nicht, dass Musik einmal eine aktive Rolle in meinem Leben einnehmen würde. Es sollte noch Jahre dauern, bis ich selbst anfing, mich mit elektronischem Klang zu befassen.

BODYSTYLER: Wie lief es generell in Deiner Musikszene zuhause in Magdeburg am Anfang so ab? Gab es Kontakt zu anderen Bands aus der Szene? Wann bist Du zum ersten Mal in der Öffentlichkeit aufgetreten?

MICHAEL POHL: Die Musikszene bestand in der Zeit aus persönlichen Kontakten und dem Tausch von Kassettenbandaufnahmen, die mit jeder Kopier-Generationen dumpfer aus dem „Kasten“ schepperten. In der damaligen DDR gab es keine Konzerte meiner Idole. Unsere Musik wurde aber in Clubs gespielt. Die Fans jeder Fraktion waren gut zu unterscheiden. The Cure -Fans hatten spinngewebsartige Toupier-Frisuren, schwarze Baumwolle-Flatterkombinationen mit weißen Kragenhemden und ebenso weiße Gesichter. Die Depeche Mode-Fans hatten den Dave-Gahan-Hackschnitt oder die wasserstoffblonde Martin-Gore-Dauerwelle. Jede Fraktion hatte ihren Tanzstil. Die eine machte der anderen beim Wechsel des Musikprogrammes Platz auf der Tanzfläche.

Im DDR-Radio gab es dann noch die „Electronics“-Sendung, die ähnlich den Grenzwellen ein alternatives Programm anbot.
Nach der Wende gab es die ersten Clubs, die sich auf die schwarze Szene spezialisierten. Die Factory in Magdeburg zum Beispiel. Depeche Mode-Parties wurden populär. Die ersten stadtbekannten Szene-Bands gründeten sich und probten in Kellern und Wohnungen. Gregory´s Return probten in meinem Neubaublock, genau zwei Etagen unter meiner Wohnung.
Ein Klassenkamerad gewann ein Keyboard auf irgendeiner Tombola. Ein Yamaha PSR-2500, das er mir lieh und später verkaufte. Da ich absoluter Synthpop-Fan war, versuchte ich mich dann entsprechend an diversen Stücken und begann eigene Ideen umzusetzen, die ich Jahre vorher a capella mit dem Kassettenrecorder aufgenommen hatte. Ich erinnere mich noch, dass der Sequencer in der Maschine zu wenige Noten speichern konnte, um „Sleeper in Metropolis“ wiederzugeben.
Nachdem ich Wave In Head gegründet und weiterentwickelt hatte, fanden meine ersten Auftritte nicht in meiner Heimatstadt statt. Ich begann in Berlin. 2000 - Christuskirche. Ein dunkler, kühler und akustisch katastrophal schlechter Ort für einen Live-Gig, aber ein Anfang. Falk Berger von Das Schwarze System hatte die Location organisiert und Human Decay, Nitefall, NewVember und andere Bands waren dabei. Ich war nicht nur ein bisschen aufgeregt. Meine Schritte auf die Bühne waren ein Albtraum, der erste Beifall eine Erlösung. Zwei Jahre später stand ich in Los Angeles auf der Bühne. Ich hatte bei A Different Drum unterschrieben und war Teil eines Label-Festivals.
Ich hatte keine Kontakte zu Bands in der Stadt. Die waren alle sehr mit sich beschäftigt. Aus ehemaligen Bekannten und Freunden wurden „Superstars“, die einfach keine Zeit mehr hatten.

BODYSTYLER: Bitte erklär den Lesern einmal das Konzept Deines neuen Albums mit 12 Tracks - welche Konzepte stecken dahinter? Wie viel Arbeitszeit hast Du in die Produktion investiert und wie lief der Arbeitsprozess ab?

MICHAEL POHL: Ich kann den Arbeitsaufwand schwer schätzen, der in „Happiest Day“ steckt. Die Zeit, die ich hatte, habe ich eben investiert. Wobei, „investiert“ der falsche Begriff ist. Für mich ist das kein Invest in dem Sinne, dass es erfolgreich sein muss. Es ist auch keine Arbeit. Es ist Erfüllung. Insgesamt sind sechs Jahre dabei verstrichen vom ersten Demo bis zum Mastering.
Mein einziges Konzept war, dass ich mehr darauf achten wollte, dass ich richtige Songs auf dem Album habe. Wenn Du elektronische Musik machst, ist die Versuchung groß, alles zu zeigen, was Deine Maschinen hergeben. Das klingt dann vielleicht beeindruckend, kann aber mitunter die Songstruktur und die musikalische Idee verdrängen. Also habe ich versucht, die Musik als solches in den Vordergrund zu stellen. Ich will damit nicht sagen, dass das der beste Weg ist, nur dieses Mal wollt ich es auf diese Art versuchen. Herausgekommen ist ein Album, das meinem Debüt von 2001 „Time to Speak“ ein bisschen ähnelt.
Die Texte sind kurze Einblicke in meine Gedanken- und Erlebniswelt. Es geht um Fragen, die ich mir in den letzten Jahren gestellt habe, um die Liebe aus einer Metaperspektive, Selbstverwirklichung, Angst und das Ende allen Leids, auch die Angst, um die Betrachtung der Welt in ihrem Wahn, um Impulse und die Frage nach dem Wohin und Woher. Irgendwo zwischen den Zeilen sollte er versteckt sein, der Hinweise auf die Antwort, die niemand geben kann, die man erfahren muss. Der Prozess der Produktion ist für mich, das werden viele meiner Kollegen bestätigen, ein Wunder. Etwas drückt sich durch mich aus und ich bin Zeuge und höre zu.
Bei mir starten die meisten Songs aus einer Idee, mit der ich vielleicht morgens wach geworden bin oder die ich hatte, als ich irgend etwas ganz anderes gemacht habe. Manche Songs wie „Weak“ entstanden beim Herumprobieren mit Klängen. Der kleine Mann im Ohr fängt an zu singen, sobald man ihn mit einer einfachen Melodie triggert, und dann versuche ich ihm zu folgen. Aus einer einfachen Melodie entfaltet sich eine Songstruktur, ich probiere Bassläufe und Sequenzen, verschmelze mit den Maschinen ohne darüber nachzudenken, was ich tue.
Meist folgt darauf das Schreiben der Texte, die irgendwie aus der Musik zu kommen scheinen und nur noch ausformuliert werden müssen. Die Gesangslinien stehen bis dahin schon im Großen und Ganzen fest, trotzdem wird das eine oder andere während der Vocal-Recordings noch mal umsortiert oder es kommen neue Linien dazu, die beim Warm Up zufällig entstehen.
Der Rest ist Handwerk. Die aufgenommenen Vocal-Spuren werden sauber geschnitten und arrangiert, der Mix wird nachjustiert. Ich mische eigentlich immer während ich produziere. Zum Schluss gibt es eine längere Test- und Korrekturphase. Auf verschiedenen Anlagen, im Auto, über Ohr- und Kopfhörer teste ich die Übertragbarkeit meiner Mischungen und korrigiere Fehler, wie unschöne Frequenz-Peaks. Done. Alles Weitere gebe ich bisher aus der Hand, was bedeutet, das Mastering geschieht extern.

BODYSTYLER: Wer macht das Coverartwork bei Dir und woher kommt der coole 80s Bandname?

MICHAEL POHL: Die Covergestaltung lag bis 2005 in der Hand von Greg Rolfes, der damals viel für A Different Drum, mein damaliges Label gearbeitet hat. „Time To Speak“, „I Began To Hope“, „Progress“, „You“, „With You“, „For A Special Moment“ und „I Hate To Be In Love“ sind seine Werke.
Das Cover für das „The Voice In Me“ Album und die gleichnamige Single ist von Herbert Brandl, einem befreundeten Grafiker gestaltet worden. Seit 2012, also „Remixed“, „Im Augenblick“ und jetzt „Happiest Day“ habe ich meine Cover selbst gestaltet. 
Der Band-Name Wave In Head entstand nicht in Anlehnung an den 80er Wave, sondern ist eher eine Aneinanderreihung von Worten, die in sich symmetrisch aussehen und für sich alleine eine Bedeutung in der Musik (-Produktion) haben. Es gab 2001 Bestrebungen des Labels, den Namen noch mal zu ändern. In einer Umfrage haben sich die Fans schließlich mit großer Mehrheit dagegen entschieden. Googelt man heute nach Wave In Head findet man deshalb heute fast ausschließlich Informationen zu meinem Projekt - ein Vorteil von solchen Konstrukten.

BODYSTYLER: Hast Du eine musikalische Ausbildung genossen und mit welchen Instrumenten  bist Du gestartet? Wie sieht Deine Produktionsumgebung/ DAW mit Equipment im Studio aus - bei Liveauftritten dann sicher ganz anders?

MICHAEL POHL: Ich hätte sehr gerne ein Instrument gelernt oder gar studiert. Es hat sich anders ergeben. Dafür bin ich selbst verantwortlich, weil ich anders gewählt habe. Abgesehen von einem Projekt in einem Bach-Chor, in dem ich 2013 sang, habe ich meine Zeit in die Erforschung der Musikelektronik gesteckt und habe an meiner Stimme gearbeitet, für die es auch mit den Mitteln moderner DAWs (Digital Audio Workstations wie z.B, Cubase) keine wirkliche Alternative gibt.
Meine Produktionsumgebung besteht derzeit aus einem MacBook Pro mid 2012, Cubase 8, einer Reihe an monophonen analogen (teils vintage) Synthesizern, ein paar Hardwaresamplern und - Synths aus der digitalen oder VA-Ecke und einigen Eurorack-Modulen. Matthias Müller von Pleasures Remain hat mir freundlicherweise seinen Nord Modular geliehen, den ich auch öfter verwendet habe. Ab und zu greife ich auf Fieldrecording zurück oder verwurste Klänge in kauzigen Programmen, wie Audioterm, um neue Wellensätze für den ASR-10 zu generieren.
Ich benutze übrigens auch VST PlugIns, wie Reaktor, Battery, Absynth, versuche aber tragende Elemente so analog wie möglich zu halten oder Hardwareinstrumente zu benutzen. Nicht, dass VSTs schlecht klingen müssen, es gibt aber doch subtile Unterschiede, die die letzten 5% , manchmal auch deutlich mehr ausmachen können oder die Arbeitsweise führt zu anderen Ergebnissen. Zudem ist Prozessorlast bei mir aufgrund des nun 12 Jahre alten Macs ein Thema. Ich habe kaum Outboard, die Nachbearbeitung von Einzelspuren läuft bei mir In The Box.
Analoge Instrumente sind einfach klasse! Punkt. Sie machen mehr Arbeit, besonders die alten Kisten aus den 70er und 80ern. Ich sag nur: „Stimmstabilität“. Das lohnt sich aber meiner Meinung nach absolut. Auch moderne, analoge Synths sind toll und meist zuverlässiger. Die analoge Aufnahmetechnik von damals möchte ich aber nicht zurück, zumindest nicht die, mit der ich gearbeitet habe. Moderne DAWs sind ein Segen und machen viel Dinge erst möglich, die früher nicht oder nur mit extrem viel Aufwand machbar waren.
Bei akustischen Aufnahmen, also bei mir meist Vocals, setze ich auf den Safesound Audio P1 als Pre-Amp und eine modifiziertes Avantone CV-12-Mikrofon. Einen 2. Preamp von Safesound Audio verwende ich für die Aufnahme der analogen Synths. Ein Behringer MX8000 dient mir noch als Verteiler und Verzerrer.
Auf meiner SoundCloud-Seite liste ich in der Beschreibung meiner Songs oft auch die verwendeten Synths auf - für Leute, die das interessiert. Die Überschrift lautet dann: „Nerd-Info“.
Bei Livegigs habe ich früher nur das Nötigste mit auf die Bühne genommen, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Meine Analogschätzchen blieben zu Hause. Ab und zu habe ich den AN1x mitgenommen und mit Alesis AirSynth oder Air FX Dinge gemacht, die live ein bisschen mehr Farbe ins Spiel bringen. Gerold Basner hat einiges im Hintergrund für mich geregelt und ich konnte mich auf den Gesang und die Interaktion mit dem Publikum konzentrieren. Das ist schon eine Weile her. Ich habe einige Jahre nicht mehr live gespielt.

BODYSTYLER: Welche musikalischen Einflüsse gibt es bei Dir? Gibt es Vorbilder? Wie sehen Deine Motivation und Inspiration aus?

MICHAEL POHL: Die Initialzündung konnte ich Dir ja schon beschreiben. Ende der 80er ein Camouflage Album oder die ostdeutsche Amiga Auflage der Greatest Hits von Depeche Mode zu besitzen, war das Wallhalla. Die kopierten Aufnahmen auf Kassette das Methadonprogramm.
In den 80ern gab es, wie eben bemerkt, die Electronics-Sendung, später die Grenzwellen mit Ecki Stieg im Radio. Einiges davon war für mich interessant, einiges hat sich für immer eingebrannt und wurde zum Soundtrack meines Lebens. Aktuell werden die Einflüsse weniger, auch wenn es wirklich viele fantastische Bands in unserem Genre gibt, möchte ich immer weniger so klingen wie… Das passiert ohnehin. Jeder hört was anderes raus und bezieht sich darauf. Auch kann ich mich aktuellen Einflüssen nicht ganz entziehen. Produktionstechnische Herangehensweisen interessieren mich allerdings schon, wenn ich etwas höre, das ich interessant finde.
Meine ursprünglichen Vorbilder sind allerdings nach wie vor all die Autodidakten, die in den 80ern die Musik neu betrachteten, neu dachten oder intuitiv erforschten und damit eine neue Welle lostraten, als auch die Studierten und „echten“ Musiker, die in den 70ern und 80ern ebenfalls neue Wege fanden und die Musik für mich für immer veränderten, um auch z.B. Kraftwerk noch mal zu erwähnen.
Musik-Machen ist für mich, wie jede andere Kunst auch, ein Ausdrucks- und Gestaltungsmittel. Ein Grundbedürfnis, wie essen, atmen, schöne Dinge betrachten oder vielleicht tanzen. Inspiration ist überall, alles ist auch Musik. Ich brauche keine Motivation, um mich dafür zu begeistern.

BODYSTYLER: Mit welchen Künstlern aus der aktuellen Szene verstehst Du Dich am
besten und mit wem würdest Du gerne mal zusammen spielen?

MICHAEL POHL: Ich bin schon vielen interessanten Persönlichkeiten begegnet, die aus unserer Szene und ihren unüberschaubaren Subgenres kommen. Wir verstehen uns alle prächtig. Nicht immer gibt es gemeinsame Schnittstellen, aber ich empfinde gegenseitigen Respekt und Interesse für die Arbeit des anderen, Gemeinsame Begeisterung für die technischen Möglichkeiten oder den gemeinsamen Background machen uns aus.
Aidan Casserly taucht öfter in gemeinsamen Projekten auf - ein unglaublicher Künstler mit exorbitant hohem Output und Schöpfungswillen.
Allerdings arbeite ich gerne allein, auch in Kollaborationen, in denen ich einen Teil der Arbeit mache, mache ich sie gern allein.
Gemeinsame Liveauftritte hat es schon gegeben, sei es auf Festivals in LA, New York, Salt Lake City oder Berlin oder bei Konzerten von Melotron in Brandenburg. Das war toll.
Im Moment denke ich nicht darüber nach, mit wem ich gerne mal live spielen würde. Vielleicht, weil ich im Moment keine Live-Präsenz plane.

BODYSTYLER: Was sagst Du zum Thema „mehr oder überhaupt Radioeinsätze“ von z.B. solch Klängen, wie Du sie produzierst? Wie könnte man so was nochmal mehr anschieben?

MICHAEL POHL: Du sprichst ein schwieriges Thema an. Die Radiolandschaft ist derzeit nicht divers genug, um zu weit ab vom Pfade des Mainstreams zu senden. Ich verstehe auch nicht ganz die Wege der Musik in den Sendern, die sich offener gegenüber dem sogenannten Underground zeigen oder zumindest mal keine offensichtliche Playlist haben, die sich 12 Mal am Tag wiederholt. FM 4 scheint da offener zu sein, sendet aber bevorzugt Musik aus Österreich.
Es gibt allerdings Alternativen im Internetradio. Wer seine Musik hören will, kann sich einen der speziellen Streams raussuchen und ist zu Hause. Solange es das gibt, besteht Hoffnung, nicht wahr?
Vielleicht haben wir in Zukunft neben UKW und DBA auch Internetradio im Auto? Ginge ja jetzt schon über´s Handy.
Wenn man das mehr anschieben möchte, wie Du schreibst, geht das wohl nur mit Hingabe zur Musik. Egal welches Genre, letzten Endes überzeugen Qualität und Authentizität. Also weiter machen und sich weiter entwickeln, besser werden und bei sich selbst bleiben, würde ich empfehlen.

BODYSTYLER: Wie sieht es mit Videos aus? Ist das für Dich wichtig Clips / Spots zu den Tracks für z.B. Youtube und andere Kanäle zu produzieren (Du
hast ja schon einige erstellt...)?

MICHAEL POHL: Ich schließe da nichts aus, aber für mich ist die Musik vorrangig. Ich entscheide also: Musik vor Kommerz und vor Image. Videos selbst sind in meinen Augen eine Kunst für sich, die viel Freude macht, und in der man sich verlieren kann. Das ist für´s Zeit-Management nicht ungefährlich.

BODYSTYLER: Du hast Du schon  Auftritte im Ausland absolviert, auf welchen
Festivals in Deutschland spielst Du denn am liebsten?

MICHAEL POHL: Ja, ich habe in den USA gespielt, nicht allerdings auf den typischen deutschen Festivals wie WGT oder M‘era Luna. Die Label-Festivals waren für mich insofern besonders, als dass man sich mit den Bands vom Label treffen und mit ihnen abhängen konnte. Das war wirklich interessant. Da gibt es irre witzige Persönlichkeiten.

BODYSTYLER: Was sind Deine All Time Heroes im heimischen Plattenregal und gibt es Covertracks, die Dich reizen würden (DM?)?

MICHAEL POHL: Selbstverständlich habe ich alle älteren Alben von Depeche Mode im Regal stehen, And One, Elegant Machinery und De/Vison stehen daneben, aber auch Björk und Brendan Perry oder John Grant. Ich habe, ehrlich gesagt, den Überblick verloren. Ich dachte, ich könnte mal „Pipeline“ oder „In Your Memory“ covern. Vielleicht sollte ich aber einfach weiter mein Zeug machen. Es gibt ja schon so viele Cover…

BODYSTYLER: Was außer Musik bereichert noch Dein Leben, außergewöhnliche Hobbys oder Filme, Bücher, Serien etc.?

MICHAEL POHL: Ich kann mich vor lauter Fülle in meinem Leben kaum retten. Ich arbeite, ich treibe Sport, ich gehe in die Natur, ich lese oder lasse mir vorlesen, ich pflege zusammen mit meiner Frau den Garten, wir sehen uns ausgewählte Filme an, vornehmlich solche, die ohne die Zurschaustellung von Gewalt auskommen. Um Serien mache ich möglichst einen Bogen. Sind sie gut, ist man ruckzuck einen Großteil seiner Lebenszeit los. Ich interessiere mich für die Welt, nicht nur die Welt der Nachrichten. Dann ist da noch das Leben selbst, das geregelt werden muss. Ich bin also nicht in Versuchung, mir weitere Hobbys zuzulegen. Musik reicht völlig aus. Ein Leben ist bereits zu kurz, um allein in der Musik jede Erfahrung zu machen, die erfahrenswert erscheint.

BODYSTYLER: Da ich ein Fan vom guten alten Vinyl bin, wie stehst Du zur gerade wieder auflebenden Vinylkultur? Veröffentlichst Du auch auf Vinyl oder ist die Zukunft wirklich das digitale Streaming, also Bandcamp, Spotify und Co.?

MICHAEL POHL: Ja, Streaming ist die Zukunft, eigentlich bereits die Gegenwart, ob ich das gut finde oder nicht. Immerhin bietet BandCamp Hi RES an, womit der Musikgenuss nicht zu kurz kommt. Vinyl ist für Sammler. Ein Kleinod mit eigenem Klang, da Vinyl diversen physikalischen Begrenzungen unterworfen ist. Es ist ein Abbild mit wärmerem Klangkörper und individuellem Charme. Also so was, wie eine gute Flasche Wein. Da Audio vor dem Pressen noch mal extra remastert werden muss, hat man eine anders klingende Version eines Albums. Ich wäre überrascht, wenn das in Zukunft wieder ein Massenmarkt werden würde. Schön oder interessant ist Vinyl schon. Ich mag auch die großen Coverflächen.
Es gab mit meinem aktuellen Label Intrapop einen Gedankenaustausch darüber, ob wir auf Vinyl veröffentlichen wollen. Martin Rothe denkt da sehr offen und risikofreudig. Das Ergebnis ist allerdings offen. Eine Prognose über die Nachfrage ein Lottospiel.

1BODYSTYLER: Was mich ab und zu begeistert hat, sind sogenannte "Nebenprojekte" von Künstlern. Ist so was wichtig, um sich hier künstlerisch "auszutoben" oder "auszuprobieren" - planst / hast Du welche?

MICHAEL POHL: Für Nebenprojekte gilt dasselbe wie für weitere Hobbys: Kann ich mir für mich nicht vorstellen. Es gibt aber, wie mit dem Beispiel Aidan Casserly oder Dave Hewson (Dave hat übrigens das aktuelle Album für mich gemastert), Künstler, die extrem produktiv sind. Hier bieten sich Nebenprojekte an, falls man auch noch eine sehr hohe Bandbreite an künstlerischem Ausdruck hat. Damit macht man es den Fans vielleicht einfacher, die Musik für sich einzuordnen. Labels sind da manchmal auch dankbar. Ich kann mir vorstellen, dass jemand wie David Bowie, der sich regelmäßig neu erfunden hat, nicht einfach zu fassen war.

BODYSTYLER: Und zum Schluss: Was können wir noch von Dir in 2022 erwarten, was planst Du noch?

MICHAEL POHL: Vielen Dank für diese Frage. Ich hoffe, 2022 noch eine Singleauskopplung in der Größe einer MCD zu veröffentlichen. Ich habe eine Handvoll Bands angefragt und arbeite ebenfalls selbst daran.
Für das kommende Jahr habe ich bereits Pläne, auf die ich noch nicht tiefer eingehen möchte.
Für die weitere Zukunft plane ich, mich weiter zu entwickeln und möglichst interessante, gut klingende Songs zu produzieren, die man sich gerne und vielleicht auch gerne öfter anhört. Jetzt, da Du das gerade liest - tu mir den Gefallen und drück mir die Daumen, dass das auch klappt. (zwinkert)
Wer mich dabei begleiten möchte, kann mir gerne auf Facebook oder direkt über Spotify folgen. Wer die Musik in genau der Qualität hören möchte, in der ich sie produziert habe, kann sich auf BandCamp mit den Original-Files versorgen.
Wer Lust hat, Wave In Head in den Charts zu sehen: Das aktuelle Album „Happiest Day“ ist gerade in den GEWC-Charts. Falls Ihr mitvotet, bleibt es noch etwas länger dort oder steigt sogar.
Wer will, dass ich mehr Musik mache, geht mit dem Hut auf die Straße und sammelt für mich, ansonsten gehe ich weiter arbeiten. Ist sicherer.
Jetzt im Ernst: Vielen Dank und ein Kompliment an alle, die zuhören und bis hierhin mitgelesen haben, ohne einzuschlafen. Euer Musik-Geschmack gefällt mir. (zwinkert)

BODYSTYLER: Vielen Dank für Beantwortung.