The Brute:

Schweizer Elektro-Blues

29.05.2022 - "Ein Quantum Musik" oder “Der Mann mit der goldenen Stimme!" - Daniel Gierke lebt mit The Brute: die Affinität für James Bond und Depeche Mode in Film und Musik aus. Von den legendären Abbey Road Studios bis hin zu original Filmschauplätzen, inklusive Aston Martin und Soul Diven ist hier alles vertreten. Die brillante Musik und Stimme wurden zudem durch Clips mega professionell in Szene gesetzt. Von: Boris Brock / Enrico Janke (NAM)

Image Bereit für Adele. (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Hallo Daniel, magst Du Dich den Lesern des BODYSTYLERs vielleicht einmal kurz vorstellen?
 
DANIEL GIERKE: Aber gerne. Musik mache ich seit 1990 in wechselnden Projekten und seit einigen Jahren alleine. Ursprünglich stamme ich aus Halle, lebe aber seit 15 Jahren in den Schweizer Bergen und habe hier endlich die Inspiration bekommen, die Songs der letzten drei Jahrzehnte und viel neues Material professionell aufzunehmen und zu veröffentlichen. 
 
BODYSTYLER: Wie hat Deine Musikkarriere dereinst begonnen und welche Einflüsse haben dabei eine Rolle gespielt?
 
DANIEL GIERKE: Angefangen hat alles mit einer Schülerband und meinen eignen Schülerdiscos in Halle. Letztere waren regelmäßig freitags und so beliebt, dass selbst die damals größte Diskothek in der Schule intervenierte, weil die Gäste ausblieben. Meinen ersten Live-Auftritt hatte ich 1993 noch solo ganz ohne Gesang, nur instrumental und dabei auch noch einige Klavierstücke gespielt. Eigentlich nichts für Zuhörer an einem Tanzabend. Ich war ganz erschrocken, als man trotzdem nach Zugabe rief. Zumindest machte es Mut, eine Band zu gründen und per Zufall lernte ich dann bei einer MDR Live Sendung mit einem Auftritt von And One einen Sänger kennen. Eine Woche später war schon ein zweiter Gig geplant und wir hatten gerade eine Woche Zeit, um für die meisten Songs noch Texte und Gesangsmelodien zu schreiben und einzustudieren. Es war zwar sehr improvisiert, kam aber trotzdem wieder gut an und eine Woche später sollten wir den Gig an selber Stelle wiederholen. Dann sogar schon zu dritt mit einem zusätzlichen Keyboarder. Bei dem Gig lernte ich zwei spätere Bandmitglieder kennen. Dass ich selber mal singen werde, hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht und es kam dann auch eher aus der Not heraus. Unter sich ständig wechselnden Namen, zuletzt The Name, waren wir bis 2001 zusammen. Bands wie Garbage, Oasis und INXS waren aber auch ein großer Einfluss und so schlich sich logischerweise irgendwann auch eine Gitarre in den Sound ein.
 
BODYSTYLER: Wie lief es generell in der Szene zu Euren Anfängen so ab, gab es Kontakte mit anderen Bands oder Newcomern der Szene aus der Gegend, wann habt Ihr zum ersten Mal geplant in der Öffentlichkeit aufzutreten?
 
DANIEL GIERKE: Kontakt zu anderen Bands hatte damals eigentlich niemand von uns wirklich gesucht. Ich weiß gar nicht warum. Wir waren zwar gerne in Clubs und großen Veranstaltungen wie z.B. in der Hamburger Markthalle. Aber das hatte sich nicht ergeben. Es gab allerdings zu der Zeit Angebote von Labels. Die hatten aber alle einen Haken. Ich erinnere mich an eines aus Köln, das aus unseren Songs eine Art Teenage-Deutschrock mit deutschen Texten machen wollte a là Tokio Hotel. Ein Label aus Hamburg wollte die Songs mit einem kräftigen Tekkno-Beat unterlegen. Am schlimmsten war eigentlich ein Angebot ausgerechnet eines Szene-Labels, das unbedingt wollte, dass die Musik düsterer wird und die Gitarre wieder verschwindet. Die eindeutige Antwort zu allen war „Nein.“ und ich bin heute noch überzeugt, dass es richtig war. In den letzten zwei Jahren war an Gigs aus bekannten Gründen nicht zu denken. Zudem bin ich im Moment alleine und es wäre wohl albern, sich solo auf die Bühne zu stellen. Dann würde alles außer Gesang vom Band kommen. Das stelle ich mir nicht unter Live-Auftritt vor. In der Schweiz ist es gar nicht so einfach, gleichgesinnte Musiker zu finden. Diese Musik hat hier nicht den selben Stellenwert wie im großen Kanton, wie die Schweizer scherzhaft zu Deutschland sagen. Ich bin in Kontakt mit einer tollen Szene-Band aus Augsburg, die sich anbot, mich live zu unterstützen. Sie üben schon kräftig die einzelnen Stücke, aber bisher haben weder das Label noch ich wirklich aktiv nach Auftrittsmöglichkeiten gesucht. Mal sehen, ob sich im Laufe des Herbstes noch etwas ergeben wird.

"In der Tat war ich in meinem ganzen Leben nur ein einziges Mal bei einem Festival."
 
BODYSTYLER: Bitte erklär den Lesern einmal das Konzept hinter Deinen Produktionen. Wie gehst Du an eine Produktion heran und wie lief der Arbeitsprozess ab?
 
DANIEL GIERKE: Es gibt nicht DEN Prozess. Inspiration findet sich in den unerwartetsten Begebenheiten und Momenten. Manchmal fällt mir spontan zu einem Riff auf der Gitarre ein Gesang ein, manchmal sitze ich im Studio im Dunkeln und denke gar nicht groß nach, die Finger auf dem Klavier und die Stimme machen ihren Teil von ganz alleine (und ich nehme immer zu Vorsicht direkt auf). So ist z.B. das neue Arrangement zu “And I Want You…” entstanden. Ich habe stets die Record-Funktion meines Mobiles bei mir und summe oder singe manchmal mitten in der Nacht oder auf der Autobahn einzelne Passagen ein. Eines ist gesetzt, bevor ich aufnehme ist als erstes die Gesangsmelodie da. Die muss auch à capella funktionieren. Sonst kannst Du es vergessen weil einfach Seele fehlt. Danach entsteht dann der Sound und es entscheidet sich, welche Richtung der Song nimmt. Wird es experimental, eine tanzbare Nummer, etwas rockiges oder eher bluesiges. Normalerweise wird dann das Stück über Wochen nur im Kopf in seiner Gesamtstruktur von der ersten bis zur letzten Note und den einzelnen Sounds, den Einstellungen an den Synths etc. komplett durchdacht, quasi vor dem inneren Auge visualisiert, bis ich dann ernsthaft auch nur einen Ton aufnehme. Und dann kommt es vor, dass ich alles lösche, nie wieder anfasse oder direkt neu aufnehme. Meine ehemaligen Bandkollegen kannten das und haben es oft genug verflucht, hahaha!
 
BODYSTYLER: Wer macht das Cover Artwork für Deine Veröffentlichungen?
 
DANIEL GIERKE: Das stammt in der Tat ebenfalls von mir selbst und ist Teil des Gesamtkonzepts The Brute:. Da bin ich wohl zu sehr Kontrollfreak, als dass ich das jemanden anderen machen lassen würde. Aber wer weiß, vielleicht findet sich mal jemand, der da unterstützt. Denn alles - von der ersten Note bis zum Videoschnitt, Internetauftritt und Artwork- selbst zu machen ist recht zeitintensiv.
 
BODYSTYLER: Wie haben sich die Band, oder besser das Projekt, aber auch Deine Musik seit Beginn zu heute verändert?
 
DANIEL GIERKE: Wie erwähnt, wollten wir Anfang der 90er mit der Schulband noch typischen 80s Sound à la Erasure machen. Das war dann aber in Zeiten des aufkommenden Tekkno und Grunge nicht wirklich gefragt und man suchte nach Wegen, eine persönliche Note einfließen zu lassen. Und so kamen später rockige Riffs und Gitarrensolos, klassische, oder besser cineastische Elemente, Industrialsounds, etwas 60s und etwas Big Sound in das eigene Klangbild. Aus dem Synthpop von einst ist etwas geworden, das ich heute selber als Elektro-Blues bezeichne, gespickt mit einigen eher rockig oder tanzbar-poppig anmutenden Songs.
 
BODYSTYLER: Welche musikalischen Einflüsse gibt es für Euch, gibt es Vorbilder, woher nimmst Du Deine Inspiration?
 
DANIEL GIERKE: Der Einfluss elektronischer Musik aus den 80ern und 90ern ist absichtlich unverkennbar in meinen Aufnahmen, obwohl ich selbst im Privatleben nur sehr wenig elektronische Musik höre. Ich bin ein Fan klassischer Musik und gehe gerne in die Oper, vor allem Wagner. Ansonsten darf es mal so richtig laut sein mit Britpop oder in geselliger Runde mit Freunden dann Künstler wie Adele, Duffy, Rumor, Elvis und die Beatles. Dass ich überhaupt Musik mache, ist neben meiner Musiklehrerin in der Schule und ihrer Begeisterung für Händel vor allem Musikern wie Alan Wilder, Vince Clarke und natürlich den Jungs von Kraftwerk zu verdanken.
 
BODYSTYLER: Für die Technikfreaks unter uns, mit welchen Instrumenten, DAW´s etc. arbeitest Du?
 
DANIEL GIERKE: Oh, tolle Frage, die mein Soundtüftlerherz aufleben lässt. Als DAW nutze ich Logic, das aber lediglich als Art digitales Mischpult und Multibandmaschine zum Einsatz kommt. VSTs, also Softwaresynths oder andere Plug-ins nutze ich gar nicht. Als Effektgeräte nutze ich vor allem Lexicon und TC, die digital in die DAW eingebunden werden. Ansonsten habe ich eine Armada von alten und neuen Synthesizern und erweitere beinahe monatlich mein Modularsystem. Lieblingssynths sind der Korg M20, den hört man in quasi allen Aufnahmen, die Mother Familie von Moog (DFAM, Grandmother, Subharmonicon und Mother-32), ein Moog Voyager, einige Drumsynthesizer von Vermona, Jomox und DSI, ein SEM Nachbau von Analogue Solutions, sogar ab und zu ein alter Kurzweil K2000 und gelegentlich auch ein Access Virus TI (virtuell analog), ein Arturia Minibrute, einiges von Waldorf, dann natürlich meine Gitarre, die ich über einen Marschall Verstärker oder einen Kemper einspiele und auch immer dabei mein geliebtes Roland System 500 Modularsystem in Verbindung mit extravaganten Sound- und Utility-Modulen von Make Noise, AJH, Instruo und Noise Engineering. Als Sequenzer nutze ich entweder direkt Logic oder bei komplexeren Sachen einen Doepfer MAQ16/3 oder den 0-CTRL von Make Noise. Gesungen wird über ein Röhrenmikrophon von Brauner. Alles wird über zwei Röhren-Channel Strips von SPL aufgenommen. Das bringt dann noch einmal eine gewisse klassische, analoge Note in die Aufnahmen, um das Flair der 60er und 90er in die Aufnahmen zu zaubern. Mastern mache ich nicht selbst. Da habe ich das unbeschreibliche Glück, vom ersten Tag an mit Simon Gibson von den Abbey Road Studios in London zusammenzuarbeiten. Dem Leser ggf. als Master Engineer z.B. der letzten Depeche Mode Alben bekannt. Die letzten zwei Jahre haben wir immer wieder in langen Sessions zusammengesessen und ich habe ihm bestimmt noch einige graue Haare verschafft.

"Und dann kommt es vor, dass ich alles lösche, nie wieder anfasse oder direkt neu aufnehme."
 
BODYSTYLER: Gibt es Künstler, mit denen Du gern einmal auftreten würdest?
 
DANIEL GIERKE: Also ein Duett mit Adele wäre schon eine tolle Sache. Aber die würde mich dann wohl an die Wand singen. Haha. Ansonsten wäre Aurora sicher auch sehr spannend. Mit Rachel Delgado, einer Soul-Sängerin aus Texas hatte ich ja zu “Rain” eine zweite Version als Duett in einer transkontinentalen Session aufgenommen. Sie im Studio in Texas und ich live zugeschaltet. Gerne würde ich das mit ihr wiederholen und natürlich auch live darbieten.
 
BODYSTYLER: Wie sieht es mit Videos aus - ist das für Dich wichtig Clips zu den Tracks für z.B. Youtube und andere Kanäle zu produziert?
 
DANIEL GIERKE: Ja unbedingt! Das ist in der heutigen Zeit kaum noch zu trennen. Für mich ist das als Gesamtkonzept zu sehen. Wenn ich einen Song schreibe, dann habe ich bei den Stücken, die potentiell als Single in Frage kommen, parallel auch schon ein mögliches Konzept oder Bilder für eine Video vor Augen. Und da lebe ich mich gerne so richtig aus. Das Video zu “Driving To You” war ja letztlich eine Art Mini-James Bond Film mit allem Drum und Dran samt Verfolgungsjagd im Aston Martin, einem Bösewicht, der von seiner Geheimzentrale in den Schweizer Bergen die Weltherrschaft an sich reißen will, dem Girl, das darin dubios verstrickt ist und entführt wird und natürlich dem Hauptprotagonisten, der Held, der sie und die Welt rettet. Aufgenommen wurde das über mehrere Tage bereits 2018 an Original Film Sets von “Goldfinger” am Furka und Gotthardpass und es hat dann einfach lange gebraucht, um es zu schneiden und zu bearbeiten. Sogar die Schweizer Armee hat uns in einer ihrer ehemals geheimen, unterirdischen Festungen die Schlussszene drehen lassen.
 
BODYSTYLER: Wie gefallen Dir Festivals?
 
DANIEL GIERKE: Jetzt nicht lachen. In der Tat war ich in meinem ganzen Leben nur ein einziges Mal bei einem Festival. Das war 2018 beim Amphi in Köln. Als Neuling war das überwältigend. Die ganze Stadt war schwarz und trotzdem lag über ihr ein lethargischer Schleier von Ruhe und friedlicher Ausgelassenheit. Musikalisch gab es damals einige Highlights. Bei OMD war es schon erstaunlich, wie tausende von schwarz gekleideten EBM Fans und Goths mit Tränen in den Augen auch bei den 80er Hymnen schmachtend mitsangen. Dass Bands bei solchen Festivals gerne spielen kann ich verstehen. Man(n) erreicht ein weiteres Publikum. Würde mir auch gefallen.
 
BODYSTYLER: Was sind Deine All Time Heroes im heimischen Plattenregal?
 
DANIEL GIERKE: Das sind letztlich auch Künstler und Bands, die mich in meinem Musikschaffen beeinflussen, so vollkommen unterschiedlich sie auch sind. Oasis, Richard Wagner, Erasure, Depeche Mode, Hans Zimmer, Paul Newman, Massive Attack, Michael Bublé und viele andere. Wenn Gäste kommen lachen sie immer, weil ich im Flur ein ganzes Regal voll “altmodischer" CDs und Platten habe und fragen, ob ich schon mal was von Spotify gehört habe. Haha. 
 
BODYSTYLER: Was außer Musik bereichert noch Dein Leben, außergewöhnliche Hobbys oder Filme, Bücher etc.?
 
DANIEL GIERKE: Da ist vornweg Motorradfahren zu nennen. Hier in der Schweiz haben wir das Glück, die Passstraßen in den Bergen vor der Haustür zu haben und da mach ich gerne ganze Tagestouren mit meinem Café Racer bis hinunter ins Tessin, lass' dann gerne an Orten wie Bellinzona die Seele baumeln oder schraube am Bike einfach bei guter Musik in der Garage herum. Darüber hinaus lese ich enorm viele Bücher. Wieder ganz old school. Meistens Sachbücher über Geschichte und wenn ich mal nicht mit dem Motorrad unterwegs bin, dann gehe ich Sommer wie Winter hier in den Bergen Klettern und Wandern.
 
BODYSTYLER: Und zum Schluss: Was können wir noch von Dir in 2022 erwarten, was planst Du noch?
 
DANIEL GIERKE: Gleich am 01. Juli kommt eine neue Single heraus, die eher durch Zufall entstanden ist. Daniel Hall, ein Musiker aus Australien fragte an, ob ich für sein neues Remix Album einen Remix beisteuern möchte. Das hat mich sehr gefreut, ich wollte aber lieber direkt einen Cover Song aufnehmen. Herausgekommen ist “Feeling Low”, das dann den beiden Plattenfirmen so gut gefiel, dass wir es nun als Single samt Video außer Plan veröffentlichen. Im September wird es dann eine erste Single Vorauskopplung des neuen Albums geben, das für Februar/März 2023 geplant ist. Wahrscheinlich gibt es dann kurz vor dem Jahreswechsel noch eine zweite Single Vorauskopplung. Da sind wir noch am Überlegen ob Dezember oder Januar mehr Sinn macht.
 
BODYSTYLER: Vielen Dank für das sympathische Interview. Wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft und wenn wir nicht alle gerade Affenpocken bekommen oder vom Leoparden gebissen werden, hoffen wir auf einen gemeinsamen Vodka Martini mit Dir.... natürlich gerührt.