No More

Neue (Ostsee-)Welle

24.11.2022 - No More, 1979 in Kiel gegründet, können sich zurecht als Urgesteine der deutschen New und Postpunk Szene bezeichnen. Bekanntheit erlangten sie früh (1981) mit ihrem Song "Suicide Commando", der bis heute natürlich auf keiner guten Party fehlen darf. Wir haben Tina Sanudakura und Andy Schwarz im Interview über Vergangenheit und Zukunft befragt. Von: Boris Brock

Image Licht, Schatten und No More (Foto: No More)

BODYSTYLER: Wie hat Eure Musikkarriere dereinst begonnen und welche Einflüsse haben dabei eine Rolle gespielt?

ANDY: 1979 und Punk war der Auslöser.

TINA: Wobei wir musikalisch in erster Linie von New Wave, also dem, was man heute als Post-Punk bezeichnet, beeinflusst worden sind.

ANDY: Ultravox, Blondie, Stranglers, Wire, P.I.L., Siouxsie and the Banshees, Television, etc.

TINA: Aber auch einige der New Yorker No Wave Bands, wie Lydia Lunchs Teenage Jesus, Dark Day und James Chance.

ANDY: Bowies "Low"- und "Heroes" Alben waren, genauso wie Iggy Pop, Nico, Velvet Underground und Roxy Music stilprägend für uns.

TINA: Und wahrscheinlich für die meisten anderen Musiker in der Szene.

BODYSTYLER: Wie lief es generell in der Szene zu Euren Anfängen so ab, gab es Kontakte mit anderen Bands oder Newcomern der Szene aus der Gegend, wann seid Ihr zum ersten Mal in der Öffentlichkeit aufgetreten, also erste Liveauftritte?

ANDY: Wir haben eigentlich eine Sängerin gesucht und deshalb eine Anzeige in einer Tageszeitung geschaltet: "New Wave Band sucht Sängerin." Daraufhin hat sich zwar keine Sängerin gemeldet, aber ein paar andere Leute aus der Szene, die wissen wollten, wer wir sind.

TINA: Dadurch sind wir da reingerutscht. Kurz darauf hat Andy bei zwei Bands als Bassist auf dem ersten Kieler Punkfestival ausgeholfen und dann mit No Horizon die erste Kieler Punk-Platte aufgenommen.

ANDY: Unseren ersten öffentlichen Auftritt hatten wir Anfang 1980 bei einem Festival für Nachwuchsbands in der Kieler Pumpe. Die erste Reihe hat gepogot und der Rest des Publikums bekam den Mund nicht mehr zu.

TINA: Wir haben zusammen mit anderen Bands Festivals organisiert, gemeinsam den Platten- und Kassettenvertrieb gemacht, Tape-Sampler und Fanzines rausgebracht. Die ersten Jahre waren sehr vom DIY- und Gemeinschaftsgedanken geprägt.

BODYSTYLER: Bitte erklärt den Lesern einmal das Konzept hinter Euren Produktionen. Wie geht Ihr an eine Produktion und wie lief der Arbeitsprozess ab?

TINA: Wir schreiben Ideen auf, machen dann eine musikalische Skizze und legen das erst einmal zur Seite.

ANDY: Wir sammeln und sammeln und sammeln. Dann entscheiden wir, welche Skizze weiter verfolgt wird. Und so arbeiten wir uns Song für Song vor.

TINA: Wir hatten dieses Mal sicherlich um die 80 Skizzen, die wir dann auf drei Dutzend Songs eingekocht haben. 29 Songs sind dann letztlich auf dem Doppel-Album gelandet.

BODYSTYLER: Wer macht das Cover Artwork bei Euch für Eure Veröffentlichungen?

ANDY: Wir besprechen das Konzept und ich versuche, das dann umzusetzen.

BODYSTYLER: Vor No More, wie waren da eure künstlerischen Aktivitäten, wo sind Eure künstlerischen Wurzeln?

TINA: Wir hatten vorher eine Schülerband, so ca. 2 Jahre. Wir wollten dann in Richtung Punk und New Wave umschwenken, aber der Sänger hatte keine Lust darauf. Dann haben wir, Andy, der Drummer und ich, No More gegründet.

ANDY: Einen Mitschüler, der vorher kein Instrument gespielt hat, haben wir als Bassisten rekrutiert. Zu dem Zeitpunkt haben wir von Glam über Pop bis Progressive so ziemlich alles gehört.

BODYSTYLER: Wie hat sich die Band, aber auch eure Musik seit Beginn zu heute verändert?

TINA: In Phase 1 von No More waren wir zu viert, dann eine Zeitlang zu dritt und dann wieder ein Quartett. Anfangs waren wir sehr eklektisch, in der Dreierkombi minimalistisch und elektronisch, später eher ein wenig Gothic.

ANDY: Seit wir 2008 wieder angefangen haben live zu spielen, sind wir zu zweit. All das hat ja automatisch musikalische Veränderungen zur Folge. Und wir leben in einem anderen Jahrtausend und nicht in den 80ern, ein Tatsache, die gerne vergessen wird.

BODYSTYLER: Welche musikalischen Einflüsse gibt es für Euch, gibt es Vorbilder, woher nehmt Ihr eure Inspiration?

ANDY: Inspiration ist sowohl das Leben als auch die Kunst an sich.

TINA: Gestrandet an Leben und Kunst, wie es bei Roxy Music heißt.

BODYSTYLER: Für die Technikfreaks unter uns, mit welchen Instrumenten, DAWs etc. arbeitet Ihr? 

ANDY: Ableton Live ist die DAW, die wir sowohl im Studio als auch live einsetzen. Ich spiele zwei Epiphone Les Paul, einige no name Gitarren obskurer Herkunft, einen Epiphone Junior Komboverstärker.

TINA: Ich spiele einen Roland SH-201, einen Behringer DeepMind 6, einen Yamaha Reface CS, einen Yamaha Reface CP, ein Theremin, den Grünen Kreis (analoger Synth), mehrere kleine Gadgets und Softsynths.

BODYSTYLER: Gibt es Künstler, mit denen Ihr gern einmal auftreten würdet?

TINA: Billie Eilish, Gail Ann Dorsey, Iggy Pop

ANDY: Billie Eilish, John Cale, Lana Del Rey

BODYSTYLER: Wie sieht es mit Videos aus - ist das für Euch wichtig, Clips zu den Tracks für z.B. Youtube und andere Kanäle zu produzieren?

ANDY: Pop besteht immer aus Sound & Vision, damit sind Videos auch Bestandteil des künstlerischen Ausdrucks.

TINA: Genau wie das Artwork und die Fotos produzieren wir auch unsere Videos selbst.

BODYSTYLER: Habt Ihr schon Auftritte im Ausland absolviert? Wenn ja, wo hat es Euch am besten gefallen? Wie gefallen Euch Festivals?

TINA: Unsere ersten beiden Comeback-Auftritte 2008 waren in Posen und Warschau. Und seitdem spielen wir in ganz Europa. In Italien fühle ich mich inzwischen fast zuhause.

ANDY: Festivals sind, soweit sie gut organisiert sind, wunderbar. Man erreicht auch Menschen, die uns als Band sonst vielleicht nicht auf dem Schirm haben.

TINA: Es geht wahrscheinlich sowieso, auch im Indie/Underground immer mehr in Richtung Festival und Event.

BODYSTYLER: Was sind Eure All Time Heroes im heimischen Plattenregal? 

ANDY: Bowie, Eno, Roxy Music, Velvet Underground, Iggy Pop, Wire, Ultravox (mit John Foxx), Japan, frühe Simples Minds, Miles Davis, Jacques Brel, Billie Eilish, Lana Del Rey, Blondie, Portishead, Radiohead, Tricky, Television, The Strokes, Leonhard Cohen, Bob Dylan, The Doors, The Beatles, Pink Floyd, Slade, Kraftwerk, …

BODYSTYLER: Was außer Musik bereichert noch Euer Leben, außergewöhnliche Hobbys oder Filme, Bücher etc?

TINA: Wer Musik oder Kunst macht braucht keine Hobbies.

BODYSTYLER: Und zum Schluss: Was können wir noch von Euch in 2022 erwarten, was plant Ihr noch? 

TINA: Im Augenblick arbeiten wir an neuem Material und proben den Set mit den Songs vom neuen Album.

ANDY: Wir spielen dieses Jahr nur noch auf dem Damaged Goods Festival in Hamburg. Im Frühjahr geht dann das richtige Touren wieder los.

BODYSTYLER: Vielen Dank, dass Ihr euch die Zeit genommen habt für das Interview. Wir wünschen Euch alles Gute für die Zukunft und bleibt gesund.