18.02.2023 - Columbia Theater Berlin

Dark Rush Festival Revival Berlin

25.02.2023 - Bei wem es bei der Erwähnung eines gewissen Dark Rush Festivals im Hinterstübchen klingelt, der dürfte zweifelsfrei weit vor der Wende geboren sein. Oder aber das Klingeln wurde von Leuten verursacht, die jenseits des 40. Lebensjahres sind und von besagter Veranstaltung aus eigener Erfahrung berichten konnten. Von: Torsten Pape

Image White Noise TV - Any Second - DOD - Four Imaginary Boys - Black Nail Cabaret - [:SITD:] (Foto: Corinna Ostrowski (WNTV) / DUV Photography (Rest))

Stattgefunden haben diese nämlich Mitte/Ende der 90er Jahre und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich in der Arena in Berlin Treptow bei den Auftritten von Front Line Assembly, Oomph!, Inside, Terminal Choice, Calva Y Nada oder Plastic Noise Experience abgefeiert habe. Das waren wirklich tolle Abende mit hochkarätigen Acts, die die heutige Electro-Szene nachhaltig geprägt haben. Erwähnenswert ist, dass es damals schon immer einen Platz für Gitarren-Bands (Aimless oder Umbra Et Imago) gab, die für Abwechslung und oft auch Begeisterung sorgten.

Nun stand ein Revival eben jenes Festivals auf dem Plan und nach Verschiebung sowie diversen Line-Up-Wechseln, fand sich reichlich dunkles Volk am 18. Februar 2023 im Berliner Columbia Theater ein, um sieben hochkarätige Acts zu erleben.

Leider verpasste der Autor dieser Zeilen den Warm-Up Gig von DJ Lord Noire und auch die ersten Songs des Opening Acts Knight$ fielen der Parkplatzsuche zum Opfer. Dafür fiel beim Betreten der schönen Location sofort auf, dass der Party-Funke bereits auf das Publikum übergesprungen und die Stimmung bereits am Köcheln war. Der geschmeidige Synth-Pop von Sänger James und seiner Keyboarderin machte Spaß und Laune auf die kommenden Stunden.

Nach erstaunlich kurzer Umbaupause betraten die beiden Jungs von White Noise TV die Bühne. Die als letzte ins Line-Up gerutschten Berliner absolvierten ihren allerersten Auftritt und meisterten ihn wahrhaft souverän. Der dargebotene Synth-Pop mit dezenten EBM-Genen im Rhythmus-Teil hielt die Betriebstemperatur der Anwesenden spielend aufrecht und man darf auf künftige Auftritte und Veröffentlichungen gespannt sein.

Im Anschluss waren die Lokalmatadore von Any Second an der Reihe und nahmen den Saal im Sturm ein. Ihre kraftvollen Songs und die charismatische Performance von Frontmann Jan rissen die tanzfreudige Menge vom ersten Ton an mit und kaum einer konnte sich der Energie von Krachern wie "Dreamer", "Subtil 19", der aktuellen Single "Scalpel" oder dem Oldie "Jetzt erst recht" entziehen. Später verriet uns der Fronter, dass nach dem erfolgreichen Release des Albums "Enemies" Ende des letzten Jahres bald eine neue Single ansteht.
Setlist: Dreamer - I shout - Subtil 19 - Me and my enemy – Scalpel - Where is God - Enemies among friends – Zorn - Jetzt erst recht

Danach hoffte man auf eine weitere, kurze Umbaupause, aber stattdessen schloss sich der Vorhang auf der Bühne, es ertönte "Wut will nicht sterben" von den Puhdys und man fragte sich, ob es die rare Version mit den Vocals von Till Lindemann war. Der Vorhang blieb, andere Songs kamen, einzelne Körperteile blitzten anonym auf und man vernahm die ein oder andere Ansage. Spätestens beim Satz "I can‘t hear you", gesellte sich zum verdutzten Gesicht wohl beim ein oder anderen auch der Gedanke "And we can‘t see you". Nach ca 20 Minuten war der wirklich überraschende Surprise Act vorbei und das Publikum wurde auf den nächsten Programmpunkt vorbereitet.

Nach düsterem Intro betraten alsbald die Mannen von Darkness On Demand die Bildfläche und sparten auch nicht an Hits ihrer ehemaligen Inkarnation Dance Or Die wie "Fire", dem Klassiker "Dance or die", "Psychoburbia" oder "Time Zero". So nahm die Party mit Hilfe von Electro-Krachern, sanften wie bombastischen Momenten wieder Fahrt auf und auch die beiden neuen Songs konnten die Anwesenden überzeugen. "Hang on" kam dabei sehr ruhig daher, "Last attack" erinnerte mit seiner Energie und dem prägnanten Rhythmus ein wenig an "Relationshit" von 1997. Im Übrigen wird gemunkelt, dass schon bald mit einem neuen Album zu rechnen ist.
Setlist: Dark dreams – Fire 2023 – Brain fucked – Candy jungle – Last salvation – Psychoburbia – Back to Psychoburbia – Hang on – Aliens electric – City of the dreamers – Dance Or Die – Last attack – Time Zero 2023 – Man mind machine

Nun war es an der Zeit, die anfangs erwähnte Tradition fortzusetzen, dass auch eine Gitarrenband ihren Platz bekommen sollte. Wer im Vorfeld vielleicht befürchtet hatte, dass die schwarze Electro-Gemeinde mit Ignoranz oder gar Abwesenheit vor der Bühne reagieren würde, wurde schnell eines Besseren belehrt. Die Four Imaginary Boys, eine The Cure-Coverband aus Bayern, brachte den vollen Saal bis in die letzte Reihe in Bewegung und das lag nicht zuletzt an der wirklich packenden, handwerklich vorzüglichen und absolut sympathischen Darbietung der Klassiker aus mittlerweile vier Jahrzehnten Bandgeschichte von The Cure. Am Ende stellten Band wie Publikum fest, dass sich die lange Anreise der Musiker vollends gelohnt hat.

Mittlerweile hatte bereits die Geisterstunde geschlagen und nicht wenige Anwesende warteten gespannt auf den Auftritt von Black Nail Cabaret. Das ungarische Duo hatte vor sage und schreibe acht Jahren das letzte Mal in der Stadt gastiert und in der Zwischenzeit u.a. das fantastische Album "Gods verging on sanity" an den Start gebracht. Mit diesen tollen Tracks im Gepäck konnte einfach nichts schiefgehen und der dunkle, kraftvolle, teils technoide und stets melodische Sound konnte von Beginn an begeistern. Die charismatische Performance, der umwerfende Look und die gesangliche Perfektion von Frontfrau Emese setzten dem Abend vorzeitig die Krone auf und Songs wie "No gold", "My casual God", "Maelstrom" oder das trotz technischer Probleme souverän über die Bühne gebrachte "Black lava" hallten noch lange nach.

Konditionsbedingt verließ unsere Reisegruppe danach die Location in der Gewissheit, dass die gerade aufspielenden Headliner [:STID:] die letzten Reserven der verbliebenen Fans erfolgreich aktivieren würden. Nach diesem äußerst gelungenen Abend bleibt nur zu hoffen, dass es nicht beim einmaligen Revival bleiben wird. Wir wären jedenfalls gern wieder dabei.

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