Collapse Under The Empire

Soundtrack zum Weltgeschehen

20.11.2023 - Bevor das Duo Collapse Under The Empire (bestehend aus Chris Burda und Martin Grimm) Anfang 2024 eine beeindruckende Werkschau in Form einer Vinyl-Box veröffentlichen, stand 2023 ein neues Album auf dem Plan. "Recurring" widmet sich in gewohnt breitspurigen, aber doch feingliedrigen Tönen einer rein instrumentalen Welt zwischen Post Rock und Ambient, Shoegaze und Gothic. Von: Torsten Pape

Image Das Sternbild Chris Martin (ohne Coldplay!)? (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Ihr veröffentlicht bereits das zweite Box-Set, welches dieses Mal nicht nur einen Einblick in Euren Gesamtwerk gewährt, sondern die komplette Diskographie enthält. Das impliziert, dass Ihr sie in gewisser Weise als großes Ganzes seht bzw. auch verstanden wissen wollt. Ist diese Vermutung richtig?

MARTIN: Korrekt, das 11x LP Box-Set mit dem Titel “Works 08-23” kann man als Abschluss einer Ära sehen. 15 Jahre Collapse Under The Empire sind schon eine lange Zeit. In dieser Zeit haben wir einige Bands kommen und gehen sehen. Wir hoffen, dass wir auch weiterhin Inspiration finden, um auch das nächste Chapter zu erreichen. Ich finde, dass das Vinyl-Format wie eine Art Königsdisziplin ist. Es ist ein sehr altes Format, das heute immer noch sehr beliebt ist. Leider haben wir in den letzten 15 Jahren nur vereinzelt Vinyls veröffentlicht. Eine komplette Box mit unserer kompletten Diskografie auf Vinyl stand für mich persönlich auf meiner Bucket-Liste. Also, sollte ich irgendwann mal den Löffel abgeben, dann würde ich mich im Himmel ärgern, wenn wir diese Box nicht veröffentlicht hätten (lacht).

BODYSTYLER: Wenn man sich mit Euren Alben/Songs näher beschäftigt, entsteht zudem der Eindruck, dass sie eine fortlaufende Geschichte erzählen. Selbst ohne Text bzw. nur anhand der Titel in Kombination mit der eigenen Vorstellungskraft werden Zustände, oft auch Missstände beschrieben, Perspektiven aufgezeigt und Wege beschritten. Seht Ihr selbst diesen Zusammenhang resp. den roten Faden?

CHRIS: Seit unseren Anfängen versuchen wir, mit unserer Musik auch thematisch etwas auszudrücken, was sich mit instrumentaler Musik schwierig gestalten kann. Mit Stimmungen und Emotionen, ähnlich wie in der Filmmusik, lässt sich dennoch eine Menge transportieren. Seit unserem Debütalbum "Systembreakdown" aus dem Jahre 2009, haben wir den roten Story-Faden eigentlich nie verloren. Wie unser Bandname schon suggeriert, beschäftigen wir uns mit der Schattenseite der Menschheit, wobei wir auch stetig Licht in die Abgründe lassen. Nach unserem letzten Album "Everything we will leave Beyond us" (2020) war die Weiterverfolgung des Themenstrangs vorgegeben. Nach der "verbrannten Erde" konnten wir mit „Recurring“ die Geschichte nur auf dem biblischen, philosophischen Weg weiterführen. Unser nächstes Album kann sich vom Konzept her nur noch weiter in sphärische, interstellare Dimensionen bewegen.
Wenn man sich mit den verschiedenen sozialen und weltlichen Missständen / Krisen unserer Zeit intensiver auseinandersetzt, hat man den Eindruck, dass viele Ereignisse in der Geschichte schon einmal passiert sind. Diese Themen haben uns die letzten Jahre immer wieder beschäftigt und zum aktuellen Konzept des neuen Albums bewogen. Die Welt dreht sich schneller und die katastrophalen Einschläge folgen im Rekordtempo. Positive Nachrichten gibt es immer seltener, was die Perspektive und Einstellung der Menschheit mit Sicherheit verändern wird. Unsere Konzeptthemen waren inhaltlich immer von düsteren Visionen und Prophezeiungen, aber auch von erhellenden Ausblicken geprägt. Dass uns die bittere Realität mit Lichtgeschwindigkeit eingeholt hat, hätten wir uns vor einigen Jahren nicht vorstellen können.

BODYSTYLER: Was würdet Ihr sagen, wenn sich ein Autor bei Euch meldet, um eine Geschichte zum Sound Eurer Diskographie zu verfassen?

CHRIS: Es ist schön, dass du diesen Punkt ansprichst. Wenn man unsere Alben und EP-Titel zusammenträgt, könnte man daraus sicher ein Buch, einen Film oder eine Serie im Stil von "The Road" konzipieren. Wir meinen, dass man anhand unserer Alben-Konzepte und Titel einen guten Überblick bekommt, was in den letzten 15 Jahren so auf der Welt los war. Wir hatten häufig den Eindruck, dass trotz der technischen Errungenschaften und Fortschritte der Menschheit, alles düsterer wird und wir am Ende auf eine Katastrophe zusteuern. Kriege, Naturkatastrophen, Armut, Ungerechtigkeiten und all das Elend auf der Welt wollte man ursprünglich nachhaltig bekämpfen. Aber wie wir wissen, ist es in vielen gesellschaftlichen und weltlichen Bereichen anders gekommen.
Zu deiner Frage: Ja, eine Geschichte anhand unserer Alben und Titel, die nah an der Realität spielt, könnte ein Autor wahrscheinlich gut als Vorlagen verwenden.

BODYSTYLER: Könntet Ihr diesem potenziellen Schreiber gewisse Freiheiten zugestehen oder sollte er sich strikt an den roten Faden Eurer Titel halten? Wie könnte diese Zusammenarbeit aussehen?

CHRIS: Natürlich muss man einem Autor kreative Freiheiten gewähren. Seine Sichtweise und Erfahrungen wären in dem Kontext, über ein so allumfassendes und komplexes Thema zu schreiben, essentiell. Die Geschichte würde existenzielle Themen über das Gute und Böse auf dieser Welt beschreiben. Es sollte auf jeden Fall eine spannende, philosophische und dramatische Geschichte werden. Quasi der Soundtrack zu unserer Musik. Falls ein Autor dieses Interview liest, kann er uns gerne anschreiben. Wir würden uns riesig freuen, auch mal ein Buch oder Film zu veröffentlichen, vielleicht zusammen mit dem nächsten Album, das unseren Zyklus final abschließt.

BODYSTYLER: Rein musikalisch zeigt sich bei Euch über die Jahre eine fortlaufende Entwicklung. Wo seht Ihr selbst die gravierendsten Unterschiede, wenn Ihr Euch und Eure Fähigkeiten anno 2009 mit den jetzigen vergleicht?

CHRIS: Was das Musikalische angeht, sind wir weiter gewachsen. Wenn man sich unser Debütalbum „Systembreakdown“ anhört und mit dem neuen Album vergleicht, hört man nicht nur von der Produktion einen erheblichen Unterschied, sondern auch von der Herangehensweise ans Arrangement. Auch wächst nach so langer Zeit das Musikverständnis und das Komponieren / Arrangieren geht leichter von der Hand, weil man so viele Erfahrungen im Aufnahmeprozess sammeln konnte. An unseren Instrumenten sind wir vielseitiger geworden, insgesamt sind wir aber immer noch die Gleichen geblieben wie im Jahr 2008. Die Musik will geboren werden und wir fühlen uns besser, wenn wir kreativ tätig sind und ohne Einschränkungen unserem Hobby ohne Druck seitens eines Labels frönen dürfen.

BODYSTYLER: Ihr habt Euch auf "Recurring" personell verstärkt. Wie kam der Kontakt zu Nando Schäfer zustande? (Bonusfrage: Unter dem Tray sind leider die Credits nicht gut lesbar: "Bass?????? / Norman ????" Noch ein weiterer Mitstreiter? Klärt bitte auf.)

MARTIN: Da ist uns leider ein kleines Missgeschick passiert. Im Tray steht “Norman Gatzke”, was etwas schlecht lesbar ist. Auf dem neuen Album hat Norman den Bass zu zwei Songs gespielt. Leider musste er aus persönlichen Gründen die Arbeiten abbrechen, weshalb ich die restlichen Songs eingespielt habe. Norman ist ein guter, langjähriger Freund von mir. Er hat mir früher Gitarrespielen beigebracht und war auch bei unserer Show im Jahr 2016 (Dunkfestival!) als Bassist auf der Bühne.

"Der Fanatismus in manchen Religionen macht einem eher Angst."

BODYSTYLER: Ihr habt in früheren Interviews berichtet, dass Eure Kompositionen oft Momentaufnahmen sind und viel dem Zufall geschuldet ist. Zudem muss ein gewisser Flow gegeben sein. Ist das immer noch so oder gibt es mittlerweile andere Vorgehensweisen, von denen Ihr wisst, dass sie Euch zum Ziel führen?

CHRIS: Von der Herangehensweise an die Komposition hat sich nicht viel geändert, alle Tracks entstehen nach wie vor "aus dem Bauch" heraus. Es fängt meistens mit einer Synth- oder Piano-Melodie an, bevor schon die ersten Effekte und Verfremdungen entstehen. Manche Ideen sind innerhalb von 3-4 Stunden komplett ausformuliert. Andere hingegen brauchen ein paar Tage oder Wochen, um zu wachsen. Die Konzept-Themen entwickeln sich zur Mitte der Album-Produktion, wenn wir wissen, wohin die musikalische Reise geht.
Der Unterschied ist, dass ich seit ein paar Jahren den größten Teil des Songwritings und der Demo-Erstellung übernommen habe und Martin sich mehr um die Produktion und das Marketing kümmert. Wir haben festgestellt, dass wir mit der Arbeitsaufteilung schneller vorankommen. Die Produktionsarbeiten zu „Everything we will leave Beyond us“ (2020) und "Recurring" (2023) fingen an, als die Pandemie noch voll im Gange war. Aufgrund der ganzen Kontaktbeschränkungen mussten wir neue Wege finden, um zu produzieren.
Der gemeinsame, musikalische Flow fehlt leider bei Einzelarbeiten. Zum Glück hat die erzwungene Isolierung aber unsere Musik nicht beeinflusst. Mit dem neuen Album sind wir sehr zufrieden.

BODYSTYLER: Was bereits beim ersten Hören des neuen Albums auffällt, ist die Tatsache, dass all die Elemente, die Euren Sound ausmachen, vorhanden sind: Bombast, Sonnenstrahlen, Dunkelheit, Erhabenheit, schöne Melodien, Vielschichtigkeit etc. In Sachen Härte oder gar Wut, welche man bis dato hin und wieder antraf, sucht man jedoch lange oder sogar vergeblich. Wie kam es dazu?

CHRIS: Für uns wäre es anstrengend, einen psychedelischen Song, wie z.B. "The Sirens Sound" ein gesamtes Album lang durchzuhalten. Auch wenn wir düstere Themen vertonen, steckt in allem ein Fünkchen Hoffnung. Irgendwie scheint dieser Teil, nach all den Beschränkungen, bei uns im Moment mehr durchzustrahlen als Härte und Wut. Ich finde, es gibt genügend Bands, die eben genau das perfekt bedienen. Es ist interessant, dass viele Redakteure bei dem Konzept mit einem heavy Collapse-Album gerechnet haben. Ein Track mit dem Namen „Apokalypse“ hätte sicher härter ausfallen können. Es macht aber Freude mit Überraschungen und Unerwartetem zu spielen. Hätten wir den Track z.B. “Echoes“ genannt, hätte auch keiner darüber geschrieben (zwinkert).
Wenn man unsere Musik über die Jahre analysiert, wird man feststellen, dass der Post-Rock-Anteil aufgrund des fehlenden Gesangs und der Melodieführung zwar der Hauptpfeiler unserer Musik ist, wir aber die anderen 40% mit reichlich anderen Stilen vermischt haben. Angefangen von Synthpop, Ambient, Filmmusik/Soundtrack, Triphop, Shoegaze, Klassik, Heavy Metal, Gothic sowie Prog. Ein durchgehend laut krachendes Album, um z.B. die Apokalypse zu vertonen, ist nicht unser Ansatz. Gerade das Böse kommt manchmal auf leisen Sohlen um die Ecke (lacht). Mit unserem Stil-Mix ist es schwierig, einen Gewalttrip auf Albumlänge zu komponieren. Akzente, wie z.B. beim Track "Stairs to the redemption" aus 2014, streuen wir aber immer mal ein. Wer weiß, vielleicht wird das nächste Album härter, sperriger oder super minimalistisch ausfallen. Wir lassen uns überraschen.

BODYSTYLER: Beschreibt doch bitte wie Eure Songs entstanden sind. Wer von Euch trägt was dazu bei?

MARTIN: Chris hat ein eigenes kleines Homestudio, wo er erste Ideen aufgenommen hat und die Tracks dann finalisiert. Diese schickt er mir dann via Google Drive. Ich gehe dann auf Optimierungssuche (Schnitt- und Midi-Fehler, etc.), räume die Spuren sozusagen auf, optimiere ggf. Übergänge und ändere teilweise auch einzelne Abschnitte. Weil wir die Drums und den gesamten Mix auf eine neue Ebene heben wollten, haben wir bei "Recurring" mit zwei Experten zusammengearbeitet (Drums Nando Schäfer und Mix Lennard Clément). Diese hatten jedoch jeweils eigene Studios und andere Aufnahmeprogramme. Ich konnte also nicht mehr einfach die Projektdatei versenden, sondern musste immer alles einzeln exportieren und hin- und herschicken. Wenn dann später im Mix Chris noch die ein oder andere Melodie eingefallen ist oder wir den Songaufbau nochmal anders gestalten wollten, dann ging das alles nicht mehr so einfach wie früher. Und das ist auch das Kuriose an der Sache: Obwohl ich Arbeiten abgegeben habe, haben wir am Ende mehr Arbeit gehabt. Die Kommunikation war deutlich umfangreicher und das Projektmanagement viel komplexer. Aber es hat sich wirklich gelohnt. Wir klangen noch nie so fett wie heute!

BODYSTYLER: Gehört Ihr eigentlich zu den Musikern, die Ihre Stücke immer wieder anfassen, um sie zu verbessern oder könnt Ihr gut loslassen?

MARTIN: Vor jeder Albumveröffentlichung haben wir eine Art “heiße Phase”. In dieser Phase fassen wir den Song unendlich viele Male an. Da wird an jeder Schraube gedreht, die nicht fest ist. Manchmal schmeißen wir komplette Passagen raus, die sich am nächsten Tag einfach nicht mehr gut anhören. Uns ist wichtig, dass jeder Collapse-Song den Langzeit-Spaßfaktor mit sich bringt. Das bedeutet, dass unsere Hörer immer wieder neue Dinge entdecken sollen und je häufiger sie den Song hören, desto besser werden sie das Gesamtwerk verstehen. Das ist bei all unseren Songs immer primäres Ziel, weshalb wir sehr tief eintauchen. Die “heiße Phase” beginnt meist sechs Monate vor dem Abgabetermin beim Presswerk. Sie ist wirklich sehr intensiv - wir sind quasi im Tunnel.
Nach der "heißen Phase" endet abrupt alles. Wir müssen loslassen, denn das Album geht in die Pressung und die Promotion-Arbeit beginnt. Oft hören wir über Monate keinen einzigen Song mehr, weil wir uns so sehr auf die Promotion konzentrieren müssen. Am Tag der Albumveröffentlichung ist es dann endlich so weit. Ich setze mich auf meinen Stuhl, drehe die Studiolautsprecher auf und höre mir das neue Album komplett an. Das ist immer wieder überwältigend für mich. Ich nehme Dinge ganz anders wahr als in der “heißen Phase”. Manchmal ist es so krass, dass ich zu mir selbst sage: “Wahnsinn… und das haben wir geschaffen?!”

BODYSTYLER: Gibt es auf diesem Album wieder Songs / Ideen, die Ihr schon lange mit Euch herumtragt, aber die bis jetzt einfach nicht gepasst haben?

CHRIS: Tatsächlich stammen 1-2 Intro-Ideen vom aktuellen Album noch aus der „The Fallen Ones“ Album-Session aus 2017, die ich dann weiter mit neuen Ideen verwoben habe. Es bleiben immer mal gute Fragmente übrig, die es nicht auf ein Album schaffen, da entweder das Album bereits die perfekte Länge hat oder es nicht so gut passt. Aber generell handelt es sich bei Collapse-Alben immer um „Frischware“ (lacht).

"Wie unser Bandname schon suggeriert, beschäftigen wir uns mit der Schattenseite der Menschheit, wobei wir auch stetig Licht in die Abgründe lassen."

BODYSTYLER: Das Artwork nimmt bei Euch immer eine wichtige Rolle ein. Auch dieses Mal spielen die Motive wieder mit verschiedenen Bildebenen und vermitteln eine gewaltige Tiefe. Zudem wird die vierte Dimension der Zeit integriert und die kleine menschliche Silhouette (welche ich im letzten Artwork nicht ausmachen konnte...) ist zurückgekehrt. Gebt doch bitte einen Einblick in Eure Gedankenwelt bei der Auswahl der Bilder.

MARTIN: Du stellst aber sehr tiefgreifende Fragen! Über vieles mache ich mir selbst gar nicht so viele Gedanken (lacht). Manchmal muss ich erst mal reflektieren und mich fragen: “Ja, wie haben wir das dieses Mal wieder hinbekommen?” Die Bildauswahl entsteht oft erst, wenn die Geschichte erzählt ist. Das heißt, wir haben alle Songs, wir haben ein Thema und eine Story. Dann tauche ich in Bildwelten ein und lass mich von vielen unterschiedlichen Künstlern inspirieren. Oft spüre ich intuitiv, wenn ich das richtige Bild für das Front-Cover gefunden habe. Natürlich muss ich dabei auf einige Dinge aufpassen. Zum Beispiel muss ich genügend Material haben, damit ich ein 6-seitiges Digipack erstellen kann. Das heißt, es bringt nichts, wenn wir ein schönes Artwork gefunden haben, was sich nicht wirklich erweitern lässt. Beim kompletten Artwork des neuen Albums habe ich mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet. Ich liebe diese Technologie. Sie hilft mir dabei, meinen Horizont zu erweitern.

BODYSTYLER: Die Songtitel sprechen eine sehr religiöse Sprache, da sie alle einen Bezug zu den großen Büchern / Konzepten der Weltreligionen aufweisen. In diesem Zusammenhang macht natürlich auch der Albumtitel ("Wiederkehrend") Sinn, da viele dieser Begriffe / Vorstellungen universell sind und die Jahrhunderte überdauert haben. Wie habt Ihr Euch dem Album thematisch genähert und inwiefern spiegelt es Eure eigenen religiösen Ansichten / Einstellungen wieder?

CHRIS: Wir fanden es spannend, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, obwohl wir beide in unseren bisherigen Leben keinen Bezug zur Religion hatten. Ich bin der Meinung, dass jeder seinen eigenen Glauben in sich tragen sollte und frei entscheiden kann, welche religiösen Aspekte ihn berühren.

Das Konzept von "Recurring" basiert darauf, dass der "immerwährende Kreislauf" des Lebens sich stets auf die eine oder andere Weise wiederholt. Am Ende eines Zyklus wird die Natur die Bereinigung vornehmen, aus der neues Leben entsteht, ein ewiger Kreis von Tod und Wiedergeburt. Der immerwährende Zyklus bezieht sich auf den Planeten Erde, die Natur, die Tiere und natürlich auf die Menschen. Mit dem Unterschied, dass unsere Spezies verlernt hat, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

BODYSTYLER: Weiterhin fällt auf, dass das Album den kürzesten Titel der Bandgeschichte trägt und die Songnamen auch nur aus einem Wort bestehen. Wie kam es zu dieser ungewohnten Buchstaben-Minimalistik?

CHRIS: Bevor das Konzept da war, hatten wir uns zunächst Bibelbegriffe herausgesucht, anhand derer man eine Geschichte erzählen kann. Nicht im Sinne der Bibel, sondern bezogen auf das Hier und Heute. Wir waren selbst überrascht, dass die meisten Begriffe einsilbig waren. Das passte ganz gut ins Konzept. Anschließend haben wir versucht, die Begriffe in eine chronologische Reihenfolge zu legen und schnell entstand die Idee von „Recurring“.

BODYSTYLER: Mittlerweile habe ich bezüglich Eurer Konzertambitionen leider den Überblick verloren. Vor Corona gab es einen Auftritt in Belgien, bei dem ihr beide aber nicht auf der Bühne gestanden habt. Richtig? Im letzten Interview habt Ihr berichtet, dass ihr begonnen habt, weitere Konzerte zu planen. Was ist danach noch diesbezüglich geschehen oder gibt es Konkretes für die kommenden Monate zu berichten?

MARTIN: Ja, es ist etwas kompliziert (lacht). Tatsächlich haben wir eine Show erarbeitet, welche nur einmal aufgeführt wurde. Hier gibt es noch einen Song auf YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=bQQAr10AZZg). Das war 2016. Die Show haben wir so konzipiert, dass sie auch ohne Chris und mich funktioniert. Ich selbst stand aber mit auf der Bühne. Ich wollte mir das nicht entgehen lassen. Chris war krankheitsbedingt außer Gefecht, sonst wäre er sicherlich mitgekommen. Es war das einzige Mal, dass wir die Show präsentieren konnten. Weil die Show nicht einfach umzusetzen ist und es finanzielle Mittel benötigt, haben wir die Stückzahl der Shows auf zwei pro Jahr beschränkt. 2020 hatten zwei Veranstalter zugesagt (in Italien und Belgien). Jedoch hat uns Corona erneut einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir mussten die Konzerte absagen, weil das Risiko eines Ausfalls zu groß war. Heute 1-2 Jahre nach Corona (ich sag das nur so, weil Corona ist ja nicht weg...), haben wir festgestellt, dass die Konzertwelt eine andere geworden ist. Es ist noch viel schwieriger für Musiker geworden, die nicht Mainstream sind. Veranstalter gehen heute noch weniger Risiken ein und buchen deshalb vermehrt Acts, die jeder kennt. Sie gehen auf Nummer sicher, was ich auch aus ihrer Sicht gut verstehen kann. Leider ist das Genre “Post-Rock”, wozu auch unsere Musik zählt, kein Mainstream. Wir müssen jetzt abwarten. Vielleicht reguliert sich der Markt irgendwann von selbst.