Jean-Marc Lederman Experience

Sci-Fi Visionen

13.02.2024 - Der belgische Musiker Jean-Marc Lederman ist ein Garant für Abwechslung und Vielfältigkeit. Unzählige Bands, Projekte und Kollaborationen säumen seinen Weg. Sein neuester Output ist ein Ausflug in die Welt der Science Fiction-Filme und -Geschichten.Zusammen mit Künstler wie Tom Shear, Julianne Reagan, Mari Kattman oder Emileigh Rohn präsentiert er das Konzept-Album/Hörbuch "Sci-Fi Revisited". Von: Torsten Pape

Image Violette Erleuchtung (Foto: Erica Hinyot)

BODYSTYLER: Über die Jahre habe ich verschiedene Versionen über die Entstehung eines Albumkonzeptes kennenlernen dürfen. Mal steht zuerst die Vision, an der sich der Schaffensprozess orientiert. Mal ergeben die Songs ganz aktiv den roten Faden und mal wird das Konzept erst nach Abschluss der Produktion deutlich. Kennst Du all diese oder gar noch andere Wege, um zu einem übergeordneten Kontext zu gelangen?

JEAN-MARC LEDERMAN: Nun, es gibt tatsächlich mehrere Möglichkeiten, an einem Konzeptalbum zu arbeiten. Normalerweise kommt für mich die Idee zuerst und alle damit verbundenen Nebeneffekte machen sich ziemlich schnell bemerkbar: Mit wem ich zusammenarbeite, wie ich die Idee verfeinere, wie ich an der Idee festhalte, usw...

BODYSTYLER: Wie gestaltete es sich im Fall von " Sci Fi Revisited"?

JEAN-MARC LEDERMAN: Die Idee stammt aus einem Projekt, an dem Jean-Luc De Meyer und ich gearbeitet haben: Ein Hörbuch, das auf dem Thema von "Guardian Of The Galaxies" basiert. Jean-Luc war mit Front 242 beschäftigt, also nahm ich die Handlung der Geschichte und schlug sie Jim Marcus vor, der sich sehr für Sci-Fi interessiert. Nachdem das erledigt war, spielte ich das Ergebnis Christian von COP International vor und ihm gefiel die Idee, ein Album mit Sci-Fi-Kurzgeschichten zu machen, welche von Musikern oder Künstlern gelesen/gespielt werden. Es war nicht schwer, den roten Faden weiter zu spinnen: Ich hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, was ich wollte, aber jeder Track war ein weiterer spannender Moment, denn ich hatte nur die Stimme und musste alles um sie herum erschaffen.

BODYSTYLER: Manchmal ist es innerhalb eines kreativen Prozesses wichtig, eine außenstehende Kontrollinstanz zu haben, deren Input einen im besten Fall vor dem Tunnelblick oder Irrwegen bewahrt. Hast Du solche Helferlein / guten Geister?

JEAN-MARC LEDERMAN: Nein, ich habe keinen solchen Helfer, denn ich kenne mich gut genug, um zu erkennen, wann der Tunnelblick einsetzt oder wenn ich zu sehr abdrifte. Ich mag natürlich das Feedback von meinen Mitstreitern, aber meine Projekte passieren ziemlich wild durcheinander, so dass es nicht einfach ist, eine Vision zu teilen, bevor sie fertig ist.

BODYSTYLER: Ich könnte mir vorstellen, dass es einigen Hörern von "Sci Fi Revisted" so gehen wird, dass sie das Werk in mehreren Etappen genießen werden. Andere werden es vielleicht in einem Rutsch konsumieren. Mich würde interessieren, ob Du jemand bist, der sich ein Buch/Hörbuch mit Kurzgeschichten Schritt für Schritt erschließt oder immer mehrere Stories nacheinander liest / hört?

JEAN-MARC LEDERMAN: Als ich jung war, war ich eine richtige Leseratte, und habe mich tagelang abgeschottet und Bücher gelesen. Aber jetzt nicht mehr so sehr. Jetzt ist es eher so, dass es schwierig ist, die Zeit zu finden, um ein Buch zu lesen.

BODYSTYLER: Wirken Geschichten besser/intensiver, wenn man nach dem Ende eine Pause einlegt?

JEAN-MARC LEDERMAN: Manchmal sind Geschichten so geartet, dass sich die Pause schon automatisch ergibt...

BODYSTYLER: Von Anfang bis Ende scheint dieses Projekt ein paar Monate in Anspruch genommen zu haben. Was waren im Nachhinein betrachtet die größten Hürden und die erstaunlichsten Selbstläufer?

JEAN-MARC LEDERMAN: Das Zehn-Track-Projekt hat vier Monate gedauert, abgesehen von der Geburt der ursprünglichen Idee (die Geschichte mit Jean-Luc), für die ich etwa eine Woche brauchte. Dann war da das Spiel, welches mit Irrwegen und Fehlversuchen etwa drei Wochen in Anspruch nahm.
Der komplizierteste Track war sicherlich "Guardians Of The Galaxies", da er 16 Minuten lang war und es schwierig ist, einen Zuhörer so lange bei der Stange zu halten. "Beezle's Bulbs" mit Mari Kattman, war auch nicht so einfach, weil es verschiedene "Locations" gab und das Ambiente des Tracks verändert werden musste. Außerdem gab es drei Hauptfiguren. Am Ende sind alle Tracks für mich Erfolge, denn sie vermitteln das Gefühl, etwas Einzigartiges erreicht zu haben.

BODYSTYLER: Welche Rolle hat letztendlich der Zufall bei der Entstehung von "Sci Fi Revisted" gespielt?

JEAN-MARC LEDERMAN: Ich würde gern das Wort "Zufall" durch "(glücklichen) Unfall" ersetzen, denn Unfälle spielen in meiner Musik und den damit verbundenen Konzepten immer eine immense Rolle.

BODYSTYLER: Ist der Zufall denn ansonsten ein Freund von Jean-Marc Lederman?

JEAN-MARC LEDERMAN: Es kommt darauf an, welchen JM Lederman Du fragst: Der Künstler würde unter der oben genannten Bedingung, dass man es "glückliche Unfälle" nennt, zustimmen. Der Unternehmer würde antworten: Nicht wirklich, denn ich muss jeden Tag arbeiten, um meine Ideen zu vermitteln und sie sind nicht leicht zu vermitteln. Wenn man JM, den Motorradfahrer, fragt: ja und Glück (Zufall) spielt auch eine Rolle.

BODYSTYLER: Im Begleittext zum Track "Titanium aegis" beschreibst Du, wie schwierig es für Dich war und auch noch ist, andere Vorschläge bzgl. der musikalischen Umsetzung eines Songs anzunehmen. Aufgrund all Deiner vielen Kooperationen hätte ich das ehrlich gesagt nicht erwartet, besonders weil die ursprüngliche Idee dabei ja auch nicht verloren geht. Warum fällt es Dir so schwer, andere Visionen einfließen zu lassen?

JEAN-MARC LEDERMAN: Weil jeder, der eine starke künstlerische Vision hat, diese automatisch in eine Zusammenarbeit projiziert, und nicht alle Ideen können miteinander leben. Man muss Wege finden, um eine Vision zu akzeptieren und sie mit der eigenen zu vermischen. Manchmal funktioniert das direkt, manchmal braucht es mehr Zeit und manchmal klappt es einfach nicht, weil die Ideen zu unterschiedlich sind. Es ist nicht so, als würde ich einen bekannten Song covern. Wenn ich einen Song komponiere, können nicht alle Vorschläge von den Mitstreitern so bearbeitet werden, dass es gut passt. Ich bin ziemlich flexibel, aber manchmal klappt es eben einfach nicht.

BODYSTYLER: "Squirrels from outer space" ist eine unterhaltsame / spaßige Geschichte von Emileigh Rohn. Vielleicht kann sie selbst kurz beschreiben, wie diese entstanden ist?

EMILEIGH ROHN: Die Geschichte entstand beim Tagträumen und Beobachten von Eichhörnchen. Die Hauptfigur offenbart seinem Freund die Quelle ihrer außerirdischen Existenz und erklärt, dass sie durch Zusammenarbeit mit den Katzen ihr volles Potenzial im Weltraum ausschöpfen und ihre ihre Spezies retten könnten! Es hat großen Spaß gemacht, das zu schreiben!

BODYSTYLER: In den meisten Fällen finden sich in den Tracks Bezüge zu eher älteren Science Fiction-Serien. Gibt es auch neuere Filme / Serien in diesem Genre, die Dich beeindruckt haben? Wäre eine Top 5 möglich?

JEAN-MARC LEDERMAN: "Arrival" steht ganz oben auf dieser Liste. Außerdem genieße ich ein paar Fernsehserien, denn ehrlich gesagt sind die Produktionsstandards im Fernsehen heutzutage fast so hoch wie im Kino.
Also: "Arrival", "Star Trek Picard", "Star Trek Strange New Worlds", "Beacon 23", "Silo"...

BODYSTYLER: Du scheinst aktuell sehr offen bezüglich der Nutzung von KI zu sein und hast sie auch zum Gestalten der Bilder/Cover benutzt. Gleichzeitig gibst Du zu bedenken, dass es in Zukunft Regeln und Kontrollen geben muss, damit diese Technologien nicht aus dem Ruder laufen. Wo siehst Du in der Zukunft Deine persönlichen Berührungspunkte mit der KI?

JEAN-MARC LEDERMAN: Ich sehe KI als ein lustiges Werkzeug, mit dem ich Ideen entwickeln kann. Ich gebe Texte ein oder kann ein Bild ändern und das Ergebnis wird mir helfen, diese Idee weiterzuentwickeln.

BODYSTYLER: Könnte sie Dir auch dabei helfen Musik oder ein ganzes Konzept zu kreieren?

JEAN-MARC LEDERMAN: Wahrscheinlich, aber ich würde es nie als Ausgangspunkt verwenden, eher als Kollaborateur oder als Mittel, um den künstlerischen Vorschlag aus einer anderen Perspektive zu sehen.

BODYSTYLER: Wo siehst Du für Dich als einzelnes Individuum die größten Gefahren der KI?

JEAN-MARC LEDERMAN: Die größte Gefahr sehe ich darin, dass es zu einem weiteren Bot wird und alle Interaktionen mit Unternehmen oder mit der Stadt nur noch ein endloses Netzwerk von Maschinen sind, die wissen sollen, was man will und braucht. Und, wie es jetzt schon ist, gibt es gar keine Möglichkeit mehr, mit einem echten Menschen zu sprechen.

BODYSTYLER: Dein Sohn hat Dich bei der Programmierung der Grafiken und des Videospiels unterstützt. Kannst Du vielleicht kurz beschreiben, was den Hörer bei diesem Spiel erwartet?

JEAN-MARC LEDERMAN: Du befindest dich in einer Art Labor und vor dir steht ein Radiofernseher auf einem Tisch. Man kann jeden der zehn Tracks hören, indem man auf die Röhren des Radiofernsehers drückt und dieses Labor als einen immersiven Hörraum nutzt. Es gibt zudem sechs Objekte, auf die man klicken muss, damit das Labor keine Zeitverzerrungen und Verzerrungen produziert. Sobald das erledigt ist, gelangt man in den IBM-Raum, wo man alle Tracks und Goodies herunterladen kann. Man kann so oft man möchte in dieses Labor zurückkehren.

BODYSTYLER: Es scheint bereits ein neues Rohn-Lederman-Album in Arbeit zu sein und auch mit Jean Luc DeMeyer befindest Du Dich in der Produktion von neuen Tracks? Kannst Du bereits sagen, in welche Richtung sich diese Projekte bewegen und wann man mit den Veröffentlichungen rechnen darf?

JEAN-MARC LEDERMAN: Ja, Rohn-Lederman wird im späten Frühjahr erscheinen. Man darf ein Doppelalbum erwarten, das zwei sehr unterschiedliche Aspekte dessen zeigt, was Emileigh und ich vorhaben.
Jean-Luc und ich müssen nur noch zwei oder drei Songs fertigstellen, bevor das Album fertig ist. Es ist sehr weit von EBM entfernt. Es sind eher verrückte Songs, die Synthies und Industrial-Musik als Ausgangspunkt nutzen, aber sie haben ihre Ursprünge manchmal schon vergessen (lacht)

BODYSTYLER: Teilweise hast Du mit Künstlern/Musikern zusammen gearbeitet, mit denen Du schon vorher in Kontakt gestanden hast. Teilweise sind jedoch auch neue Kontakte im Zuge der Produktion entstanden. Kannst Du Dir aktuell vorstellen, dass diese neuen Kontakte zu weiteren Produktionen führen könnten?

JEAN-MARC LEDERMAN: Das ist gut möglich, aber wer weiß das schon...

BODYSTYLER: Danke, dass Du Dich mit meiner Neugier beschäftigt und Dir die Zeit genommen hast. Ich wünsche Dir alles Gute mit dieser Veröffentlichung und ich freue mich schon auf Deine nächsten Schritte.