Tevalik

„Schattenläufer“- Ein Albumtitel als Spontaneinfall unter der Sonne Italiens

07.03.2024 - Tevalik sind Thorsten Schumacher und Michéle Pesch. Beide gaben gerne im Interview aufschlussreiche Antworten über ihren zweiten „Longplayer „Schattenläufer“ und einiges andere. Von: Roman Golub

Image Tevalik in Vorbereitung des Siegeszugs durch die Charts? (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Worin seht ihr den Hauptunterschied eures aktuellen Albums „Schattenläufer“ zum Erstlingswerk „Own Rules“?

THORSTEN: Zunächst mal in der Produktion denke ich (lacht). Von „Own Rules“ würde ich vielleicht nur noch eine Hand voll so veröffentlichen. Zudem ist „Schattenläufer“ klarer und gradliniger wie unser Debüt-Album. Wir haben mehr auf das Songwriting Wert gelegt und die Songs auch länger mal ruhen lassen, bevor man irgendwann „soundblind“ wird.

MICHÉLE: Außerdem sind die meisten Songs auf „Schattenläufer“ auf Deutsch getextet, da wir uns hier sicherer fühlen. Bei „Own Rules“ waren es fast ausschließlich englische Texte.

BODYSTYLER: Wie wichtig sind euch die Lyrics eurer Lieder?

MICHÉLE: Sehr wichtig, da Musik und Text manchmal in Kombination durch Atmosphäre mehr zum Ausdruck bringen kann als jede Komponente für sich alleine. Uns ist schon wichtig, Botschaften zu haben. Diese können mal mehr und mal weniger Tiefe haben.

THORSTEN: Das sehe ich ähnlich. Ich mag allerdings auch Instrumentalstücke sehr, wenn sie in sich funktionieren. Gerne können auch mal Sprachsamples vorkommen, dann aber sollten diese auch wiederum eine gewisse, subtile Botschaft transportieren.

BODYSTYLER: Ich würde gerne von euch wissen, wie aus eurer Sicht die einzelnen Tracks thematisch unter einen Hut passen. Warum habt ihr den Longplayer so benannt? Inwieweit ist ferner Tiefgründigkeit mit guter Laune vereinbar?

THORSTEN: Jeder Song beschäftigt sich auf seine Art mit einer oder mehreren Schattenseiten. Seien es gesellschaftliche, psychologische, seelische oder narzisstische. Der Begriff „Schattenläufer“ fiel das erste mal im Urlaub als wir Schutz suchend vor der Sonne mit der gesamten Familie unter Schattenrändern des Turms von Pisa herumliefen. Einer meiner Cousins meinte dann: wir sind Schattenläufer.

MICHÉLE: Thorsten und ich haben uns direkt angeschaut und mussten lachen. Wir wussten in dem Moment, dass es keinen besseren Titel für unser neues Album geben könnte, da sich viele Songs hierunter subsumieren ließen.

THORSTEN: Also danke Jungs für diesen Spontaneinfall unter der Sonne Italiens (lacht)! Ich denke, das beantwortet auch den zweiten Teil der Frage. Ich denke, gute Laune wie an diesem Tag könnte es ohne Tiefgründigkeit nicht geben.

BODYSTYLER: Tanzt der Song “Tanzarroganz“ aus der thematischen Reihe des Albums heraus?Warum habt ihr Euch dafür entschieden, ihn als Single zu veröffentlichen und wie erklärt ihr Euch den Erfolg in den DAC-Charts? Was bedeutet euch persönlich dort die Erstplatzierung?

THORSTEN: Der Song „tanzt“ tatsächlich ein wenig aus der Reihe, weil er ja ein Thema nicht direkt bzw. unmittelbar behandelt, sondern eher persifliert. Außerdem ist er vielleicht am eingängigsten.

MICHÉLE: Ich hätte „Tanzarroganz“ vermutlich nicht ausgewählt. Ich wollte ihn sogar zunächst gar nicht einsingen, weil er mir beim ersten Lesen so „gemein“ also arrogant vorkam. Ich konnte mich damit nicht identifizieren.

THORSTEN: Und ich hatte ehrlich gesagt schon während der Produktion ein gutes Gefühl, eben weil er so direkt und vielleicht auch ein wenig gemein ist. Ja, hierbei kann man auch mal schmunzeln(lacht). Dass „Tanzarroganz“ jetzt gerade so erfolgreich ist, haben wir natürlich gehofft...

MICHÉLE: …aber tatsächlich nicht gedacht, dass er auf Nummer 1 geht. Und dies die zweite Woche in Folge. Wir freuen uns wirklich sehr darüber und sind dankbar für die ganze Unterstützung von so vielen Leuten.

BODYSTYLER: In „Freakstreet“ ist u.a. von einem sozialen blinden Fleck die Rede. Auch heißt es dort: „Hier stirbt der innere Frieden.“ Warum heißt der Song so? Wie sozial- und gesellschaftskritisch seid ihr im Allgemeinen?

MICHÉLE: "Netzhass", "Schattenläufer" und "Freakstreet" zielen schon auf gesellschaftliche Probleme ab, die wir alltäglich wahrnehmen, die uns sehr beschäftigen und die dann Songthema werden. Wir wollen keine erhobenen Zeigefinger sein. Aber vielleicht schon ein Denkanstoß!

THORSTEN: In meiner Kindheit gab es in der Nähe meiner Straße einen stadtbekannten, sozialen Brennpunkt: Hilfebedürftige Menschen, denen nicht genügend geholfen wurde. Die Menschen waren teilweise gesundheitlich verfallen und machten einen entsprechenden Eindruck. Aber auch das Verhalten dieser Leute gab häufiger Anlass zu Klatsch und Tratsch in der Gemeinde. Wir nannten sie als Kinder Freaks. Im Nachhinein furchtbar! „Freakstreet“ behandelt also im Wesentlichen vergangene Eindrücke einer Ungerechtigkeit aus der Kindheit.

BODYSTYLER: Wie wird die Thematik des Titelsongs im Cover verarbeitet? Was stellt es dar? Was hat es damit auf sich, dass sich Abbildung von der Grafik auf der ersten Seite des Booklets ein wenig unterscheidet?

THORSTEN: Wir haben versucht, die Atmosphäre des Wortes Schattenläufer und des Albums grafisch so umzusetzen, dass es eher subtil funktioniert, ohne plakativ zu wirken. Gleichzeitig sollte es ein Hingucker sein, mit dem man sich ggf. etwas länger beschäftigt. Das scheint funktioniert zu haben (lacht)!

MICHÉLE: Wenn man das Cover ganz aufklappt, sieht man die „Schattenfiguren“ immer auf einer anderen Position. Unser Schattenlauf sozusagen. Das Konzept setzt sich im Booklet fort.

BODYSTYLER: Welche Motivation steckt hinter der Thematisierung der ernsten Problematik des Titelsongs? Wollt ihr aufgreifen, worum es da geht?

MICHÉLE: So lustig die Entstehung des Albumtitels auch war, umso schneller wurde uns klar, dass dieser Begriff auch eine sehr dunkle und traurige Seite aufweist. Ich assoziierte mit dem diesem Begriff seelisch und körperlich misshandelte Kinder, die ihre Last, die ihnen andere aufgebürdet haben, ihr ganzes Leben lang tragen müssen. Thorsten hat dazu dann den Text geschrieben.

BODYSTYLER: Inwieweit lässt euer Instrumentalsong „Schlussschatten“ Besinnlichkeit und Nachdenklichkeit zu? Ist er eventuell ein Resümee von „Schattenläufer“?

THORSTEN: Inwieweit er diese Gefühle zulässt oder erweckt, muss jede Hörerin und jeder Hörer für sich alleine herausfinden. Sollte das gelingen, ist das Ziel erreicht (lacht)! Ich sehe „Schlussschatten“ als Ausklang oder besser noch als Check-Out nach einer Reise, weniger als Resümee.

BODYSTYLER: Aus welchen Situationen stammen die Inspirationen für eure Songs?

MICHÉLE: Bei mir sind es oft Alltagssituationen oder Erfahrungen aus der Vergangenheit. Manchmal auch Dokus.

THORSTEN: Bei mir sind es auch Erinnerungen oder Erfahrungen wie bei "Freakstreet" oft aber auch Themen von Filmen und manchmal auch ein Gedanke wie „darüber wurde noch nicht oder wenig geschrieben, hmmm… könnte man mal machen“. Solche Ideen liegen schon seitenweise Zuhause rum (lacht)!

BODYSTYLER: Wie teilt ihr die Gesangparts auf? Berücksichtigt ihr solche Fragen auch schon beim Songwriting?

MICHÉLE: Das entsteht oft während der Produktion. Auch unsere Duette sind eher spontan entstanden.

THORSTEN: Irgendwann gibt es dann einen Punkt, wo es sich richtig anfühlt. "Tanzarroganz" allerdings war von Anfang an für Michéle bestimmt.

BODYSTYLER: Was fasziniert euch so an dunkler Musik und Texten?

THORSTEN: Ich bin Fan von Depeche Mode und Michéle von The Cure und Goethes Erben. Wir beide sind schon szene-sozialisiert. Ich glaube, generell tendiert man eher dazu, Musik zu produzieren, die man selber mag. Ich würde jedenfalls nie einen Schlager-Song machen. Zumindest nicht unter Tevalik (lacht)!

MICHÉLE: Mich hat das Morbide und Melancholische irgendwie immer schon angesprochen bzw. gereizt. Das spiegelt sich dann auch in den Texten wider.

BODYSTYLER: Welche musikalischen Erwartungen habt ihr an die Zukunft?

THORSTEN: Zunächst stehen noch zwei weitere Single-Veröffentlichungen an und derzeit befinden sich neue Projekte in der DAW. Erwartungen haben wir grundsätzlich keine, freuen uns natürlich aber sehr über den momentanen Erfolg.

MICHÉLE: Es wird also auch in Zukunft weiterhin von uns zu hören sein.

BODYSTYLER: Wollt ihr zum Schluss noch etwas sagen?

MICHÉLE: Wir möchten uns wirklich sehr für den Zuspruch, das Feedback und den ganzen Support in den letzten Monaten bedanken. Danke auch an unser Label Echozone und für die Möglichkeit, mit Dir dieses Interview geführt zu haben.