BODYSTYLER: Es gibt einige, wenn auch nicht viele Bands, bei denen der Sänger / die Sängerin gewechselt hat / wurde. Manchmal hat das bestens funktioniert, manchmal gar nicht, aber am Ende entscheiden doch immer die Fans und deren Geschmack. Was hat Euch zuversichtlich gemacht, dass Funker Vogt auch diesen Wechsel gut überstehen werden? Gab es einen besonderen Moment, der Euch die Gewissheit gebracht hat?
BASTIAN POLAK: Also, ich war sehr zuversichtlich, dass unser neues Material gut bei unseren Fans ankommen wird. Schon im Studio haben wir gemerkt, dass wir da was Großes erschaffen haben, denn von den 19 Songs, bei denen ich die Texte geschrieben habe, gab es keinen Ausschuss.
GERRIT THOMAS: Mir war eigentlich schon immer klar, dass bei Funker Vogt nicht unbedingt die Stimme das Wichtigste ist. Deshalb stand der Gesang auch nie so im Vordergrund wie heute. Mit Basti haben wir einen Sänger in die Band geholt, mit dem Einiges mehr möglich ist, als es bisher der Fall war. Insofern ist das aus künstlerischer Sicht ein Schritt nach vorne und so was wird sicher auch vom Publikum angenommen.
BODYSTYLER: Bastian, es wäre interessant zu erfahren, inwiefern Du Dich an das Funker-Universum adaptieren musstest? Wo gab es die größten Hürden und was war der absolute Selbstläufer?
BASTIAN POLAK: Wie auch bei Intent:Outtake sind viele Texte, die ich für Funker Vogt geschrieben habe, von der Thematik ähnlich. Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand und halten der Menschheit den Spiegel vor. Auch habe ich es in den Texten nochmal deutlich gemacht, dass wir gegen Krieg sind und es nicht verstehen können, warum sich die menschliche Rasse so gerne gegenseitig vernichtet.
Eine kleine Umgewöhnung ist, dass bei Funker Vogt eher meine Singstimme im Vordergrund stehen soll, obwohl ich es von Intent:Outtake gewohnt bin, viel mehr zu shouten. Das haben wir dann aber gemeinsam im Studio gut umgesetzt.
BODYSTYLER: Bei SängerInnen, die bei mehreren Bands tätig sind, könnte ich mir gut vorstellen, dass man doch mal mit den Texten/Melodien/Rhythmen durcheinanderkommt. Wie groß ist die Gefahr bzw. ist es schon mal vorgekommen, dass Du die falsche Abfahrt genommen hast?
BASTIAN POLAK: Um ehrlich zu sein: nein. Wenn man im Studio ist, weiß man ja genau welche Songs man einsingen muss und hat schon Wochen und Monate vorher mit den Songs zu tun. Aber wenn es um die Rhythmik geht, ist es mir schon oft passiert, dass Texte und ihr Versmaß auch eins zu eins auf andere Songs passen würden. Was aber mal vorkommen kann ist, dass man einen der hundert Texte auf der Bühne vergisst und auf dem Backup Tablet spicken muss (zwinkert). Manchmal spiele ich übrigens damit, dass ich z.B. beim neuen Intent:Outtake Album mit kleinen versteckten Wörtern oder Aussagen auf die vorherigen Alben anspiele. Es gibt auch eine Zeile “Steinig ist dieser Weg, der sich vor unsere Füße legt“, die ich bei all meinen Musikprojekten verwende und es auch auf dem Arm verewigt habe. Ich versuche aber, jeden Text individuell auf den Song zu schreiben.
BODYSTYLER: Wir haben uns früher schon mal über die Evolution Eures Bandschriftzuges unterhalten. Dieses Mal fällt auf, dass auf der "Death seed"-Maxi noch ein deutlicher Bezug zur Vergangenheit vorhanden ist, auf dem Album jedoch eine noch nicht dagewesene Mutation verwendet wird. Zufall oder Kalkül?
GERRIT THOMAS: Bei uns passiert nichts durch Zufall…(lacht) Nein, im Ernst: Das ist ein simpler Grafik-Prozess. Die Singles werden seit „Der letzte Tanz“ alle im gleichen Look angelegt und die Alben stets komplett neu. Da will man sich auch mal ausprobieren. Hier hat unser Grafiker Alex Fröbel einen Glitch-Effekt über den Schriftzug gelegt. Aber an sich wird er sich immer nur minimal verändern bzw. vermutlich so bleiben, wie er aktuell auf der "Death-Seed"-Single dargestellt wird.
BODYSTYLER: Der erste und der letzte Song von CD 1 enthalten jeweils das Wort "tragedy"/"tragic". Dazwischen zieht sich ein thematischer Faden aus Tod, marschierender Masse und Asche. Thematisch geht es also wieder deutlich in die Richtung Gesellschaftskritik und Hinterfragung / Darstellung von Kriegen. War das angesichts der weltpolitischen Lage unausweichlich oder standen auch andere Ideen im Raum?
BASTIAN POLAK: Wie schon oben beschrieben, erzählen viele Songs auf dem Album von der Vernichtung unserer Spezies, wie dumm wir eigentlich sind und es einfach nicht schaffen, in Frieden zusammen zu leben. Und ja, die momentane Situation lieferte nur mehr Treibstoff für diese Thematiken. Auch erzählen wir von Zusammenhalt, denn nur gemeinsam kann man etwas Großes bewegen und die Welt dadurch vielleicht ein Stück besser machen.
BODYSTYLER: Habt Ihr noch oft damit zu tun, dass die Leute Eure Texte / Optik bzgl. Kriegsthematik in den falschen Hals bekommen und alles als Glorifizierung verstehen? Hat vielleicht zur Vermeidung von Missverständnissen die Friedenstaube den Weg auf‘s Cover gefunden?
BASTIAN POLAK: Das hast Du gut erkannt mit der Friedenstaube.(zwinkert) Natürlich will man etwas polarisieren und unsere Outfits sollen ja auch zu unserer Musik und den Inhalten passen.
GERRIT THOMAS: Aber die Missverständnisse haben schon mächtig nachgelassen. Klar, wer uns nicht kennt und nur die Tracklisten liest, kann da schon irregeleitet werden.
BODYSTYLER: Auf "Final construct" sind wieder viele Eurer Trademarks (Sounds, Rhythmen, voluminöse/bombastische Produktion) vertreten. Zwischendurch gibt es jedoch Einsprengsel, die aus meiner Sicht auf Alphaville ("Blessed or cursed"/"Labyrinth") oder Depeche Mode (beide Versionen von "Dethroned kingdom") verweisen könnten und auch ein ¾ Takt ist dabei ("Im Auge des Orkans"). Gerrit, stimmst Du dem zu und wo siehst Du selbst die wichtigsten, musikalischen Errungenschaften auf dem neuen Album?
GERRIT THOMAS: Also, zu Alphaville kann ich überhaupt keinen Vergleich erkennen. Und bei diesem Beispiel mit Depeche Mode auch nicht. Das ist reiner Zufall oder subjektives Empfinden, wenn jemand solche Vergleiche zieht. Das passiert aber nicht selten, da man mittlerweile kaum noch neue Melodiefolgen erfinden kann. Die Notation ist nun mal begrenzt und irgendwann sind alle Variationen erschöpft. Da kann es durchaus mal vorkommen, dass die ein oder andere Tonfolge ähnlich klingt wie die aus einem anderen Song. Ist aber nie Absicht.
Für mich als Komponist und Produzent ist natürlich die größte Weiterentwicklung von Funker Vogt die Tatsache, dass man dank Basti jetzt im Songwriting nicht mehr limitiert ist und praktisch alles machen kann, ohne Kompromisse eingehen zu müssen und alles sogar live umsetzbar ist. Soundtechnisch habe ich da eher versucht, so weit nach Funker Vogt zu klingen, wie es nur geht, da es meiner Meinung nach mit einem neuen Sänger schon genug Neues gibt, an das sich der Fan erst mal gewöhnen muss. Beim nächsten Album gibt’s sicherlich wieder mehr neue Facetten von uns.
BODYSTYLER: Anno 2024 nehmen deutsche Texte wieder mehr Platz bei Funker Vogt ein. Wie ist das neue Mischverhältnis entstanden? In welcher Sprache werden denn die meisten ersten Ideen verfasst und ist das dann auch immer die endgültige? Warum hat es (in diesem Fall) nicht für einen deutschen Albumtitel gereicht?
BASTIAN POLAK: Also ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Waage zwischen deutschen und englischen Songs zu halten. Für mich haben aber beide Sprachen Ihren Reiz. Meistens geben aber die Songs und ihre Rhythmik vor, in welche Richtung es geht.
GERRIT THOMAS: Der Albumtitel sollte wiedergeben, dass dies die letzte Änderung unserer Formation war und trotzdem typisch nach Funker Vogt klingen. Ich glaube, treffender kann man das nicht machen. Ein deutscher Albumtitel ist uns unter diesen Voraussetzungen auch gar nicht in den Sinn gekommen, weil wir fast nur englische Albumtitel in unserem Backkatalog haben.
BODYSTYLER: Auf "Thanks for nothing" gab es den Song "Funker Vogt", jetzt geht der "Signaller" an den Start. War es Zeit für ein Update?
BASTIAN POLAK: Genau, irgendwie wollte ich als Einstand so einen Song schreiben. “The Signaller“ soll auch Folgendes aussagen: Wir sind wieder da, stärker denn je - „Der Funker ist in der Stadt“!
BODYSTYLER: In "Labyrinth" widmet Ihr Euch auf gelungene Weise dem Gleichklang von "Hast Du" und "Hasst Du". Warum hattet Ihr das Gefühl, zu diesem Thema etwas beitragen zu können und wo liegt die konkrete Inspiration für diesen Track?
BASTIAN POLAK: Mir gefiel die Idee von diesem Wortspiel und ich glaube, jeder von uns kennt das Gefühl, sich zu fragen, warum alles passiert und wie es passiert. Warum man oft mit dem Strom schwimmt, obwohl man manche Dinge im Leben gerne anders machen würde. Warum man einer toxischen Liebe nachgeht, man täglich aufsteht und seinen 0815-Job macht usw. Man sollte einfach aus dieser Spirale ausbrechen, denn wir haben nur dieses eine Leben.
BODYSTYLER: Im Song "Tiefer" begebt Ihr Euch direkt in den Prozess des Tötens eines Menschen. Diesen gibt es seit vielen Jahren nicht nur auf dem realen Schlachtfeld, sondern auch in virtuellen Welten. Wie ist Eure Einstellung gegenüber solchen (Kriegs-)"Spielen"?
BASTIAN POLAK: Solange man den Bezug von Realität zur Wirklichkeit nicht verliert, sehe ich dem Ganzen sehr entspannt entgegen. So was wird es immer geben und ich denke, die wenigsten Menschen entwickeln daraus ein Problem. Meine Idee hinter dem Song “Tiefer“ war eigentlich die folgende: Ich erzähle aus der Sicht eines Soldaten, der von oben Befehle erteilt bekommt und wie wohl das Gefühl sein muss, ein Leben auszulöschen, obwohl man es eigentlich gar nicht will. Denn je mehr man darüber nachdenkt, desto tiefer versinkt man in einem hässlichen Sumpf aus Zweifeln.
BODYSTYLER: "Pommerland" bezieht sich elementar auf das alte Volkslied "Maikäfer flieg". Wo liegt Euer erster Bezugspunkt mit diesem Lied und wie genau hat es den Weg in dem Text gefunden? Kennt Ihr die "Maikäfer flieg"-Interpretation von Heinz Rudolf Kunze und wenn ja, wie findet ihr sie?
BASTIAN POLAK: Diese Interpretation kenne ich leider noch nicht. Werde aber diese Bildungslücke so schnell wie möglich schließen… Ich finde die Geschichte dahinter so faszinierend, da keiner wirklich weiß, was dieses Lied aussagen soll. Ich fand den Titel ziemlich passend, denn in diesem Song erzählen wir davon, dass wenn alles um uns zerstört ist, neben all dem ganzen Leid nur eines zählt: Die Familie, die Liebe und Sicherheit.
BODYSTYLER: Dieses Jahr stehen vorerst nur Festival-Auftritte an. Das hängt sicherlich mit Euren anderen Projekten zusammen, aber sicher doch auch mit der kürzeren Setlist, oder? (*zwinkert*) Für die Konzerte muss sich Bastian schließlich auch Teile des Backkataloges drauf schaffen. Wann könnte es so weit sein, dass Ihr ein vollwertiges Hauptprogramm an den Start bringen könnt?
BASTIAN POLAK: Ich bin schon fleißig am Lernen, denn die Fans werden bei allen unseren Shows auch ältere Songs zu hören bekommen. Aber es macht echt riesig Spaß und es ist auch immer eine große Ehre, Texte von den vorherigen Sängern vortragen zu dürfen.
GERRIT THOMAS: Also, wir haben bereits ein 90-minütiges Programm aufgestellt und könnten das auch dieses Jahr schon vortragen. Nur sind wir bei Skorpio einen Exklusiv-Deal eingegangen, der uns in Deutschland nur auf dem M‘era Luna und dem Plage Noire Festival spielen lässt. Deshalb sind wir zunächst nur in den USA auf zwei kleinen Club-Touren unterwegs. Aber nächstes Jahr reisen wir dann auch wieder durch die Clubs in Deutschland.
BODYSTYLER: Werden eigentlich alte Arrangements an den neuen Sänger angepasst oder muss der Frontmann sich anpassen? Gibt es Fälle, dass das gar nicht funktioniert hat?
BASTIAN POLAK: Also, ich komme gut mit den Stimmlagen und Stimmfarben der vergangenen Sänger klar und ich denke, dass es die Fans auch gut aufnehmen werden.
GERRIT THOMAS: Ja, da haben wir bisher nichts anpassen müssen. Das ein oder andere alte Zeug wurde nur neu arrangiert, um es an den aktuellen Sound anzupassen, aber nicht damit Basti es besser singen kann.
BODYSTYLER: Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen und meinen Fragen gestellt habt. Ich wünsche Euch für die Veröffentlichung und die anstehenden Gigs alles Gute!
BASTIAN POLAK: Wir haben zu danken und wir freuen uns auf das, was kommt.
GERRIT THOMAS: Danke und Grüße!!