Rohn - Lederman

Leidenschaft für die Kunst

19.05.2024 - Die Kreativität und Produktivität, die Emileigh Rohn und Jean-Marc Lederman an den Tag legen, ist wahrlich beeindruckend. Vor einigen Wochen waren sie noch mit den eigenen Projekten (Chiasm und Jean-Marc Lederman Experience) am Start, nun bringen sie gemeinsam das Doppel-Album "Black and bleu" heraus. Dieses überzeugt mit einer durchdachten und doch hoch emotionalen Dualität sowie einem facettenreiches Hörerlebnis der besonderen Art. Von: Torsten Pape

Image Blau und Schwarz (und ein bisschen Weiß, Grau und Lila) (Foto: Artist / Erica Hinyot)

BODYSTYLER: Da wir auf dieser Plattform noch nicht über Euer gemeinsames Projekt gesprochen haben, gebt uns bitte einen kurzen Überblick darüber, wie Ihr Euch kennen gelernt habt.

JEAN-MARC LEDERMAN: Ken Magerman von der Gothic-Band Amaranth aus Kalamazoo empfahl mir Emileigh Rohn von der Detroiter Band Chiasm, als ich auf der Suche nach SängerInnen für das 2020 erschienende Projekt "Letters To Gods (and fallen angels)" war. Ich war sofort davon angetan, wie mutig und experimentierfreudig Emileigh war und daraus sind vier Alben in vier Jahren entstanden…

BODYSTYLER: Hat es in der Zwischenzeit persönliche Treffen gegeben?

JEAN-MARC LEDERMAN: Nein, wir sind uns nie begegnet...

BODYSTYLER: Kleine Herausforderung: Könnt Ihr bitte in wenigen Worten (maximal drei Sätze) beschreiben, wer was zu Eurem Projekt beiträgt?

JEAN-MARC LEDERMAN: Ich mache alles und Emileigh zerstört alles, während sie sich die Nägel lackiert.

EMILEIGH ROHN: LOL, Jean-Marc stellt für mich Rahmen-Tracks zusammen, mit denen ich arbeiten kann. Dann schreibe ich die Melodien und Texte und nehme sie auf. Ich schicke sie arrangiert als Song zurück, und er baut sie normalerweise ein bisschen um und mischt dann die endgültige Version ab.

BODYSTYLER: Mit dem Album "Venus Chariot" und dem späteren Pendant "Apollo Chariot" habt ihr bereits eine gewisse Dualität zelebriert. "Black and bleu" steht ebenfalls für eine Dualität / Gegensätze, allerdings mit jeweils eigenen Songs und vereint in einem Doppelalbum. Inwieweit wäre "Black and Bleu" ohne die zweieiigen "Chariot"-Zwillinge möglich gewesen? Gibt es eine (in)direkte Verbindung zwischen diesen Werken?

JEAN-MARC LEDERMAN: "Apollo Chariot" war der Versuch, "Venus Chariot" einen leichteren Gegenentwurf zu geben, und ja, "Black And Bleu" sind zwei Seiten derselben Person. "Black And Bleu" könnte aber auch ohne "Apollo Chariot" existieren. Die Möglichkeit, mit mehr Material und kreativen Momenten aufzuwarten, erzeugt eine so großartige Energie, dass es für uns nicht schwer ist: Wir lassen es einfach offen, es fließt heraus und wir versuchen, es in anständige Songs zu verwandeln.

BODYSTYLER: Welche Rolle spielt das dazwischen liegende Album "Rage!" für die Entwicklung eures Projekts?

JEAN-MARC LEDERMAN: "Rage" war dazu gedacht, nach dem relativ launischen "Venus Chariot" mehr von unseren Krallen zu zeigen.

BODYSTYLER: Anstelle von "Schwarz und Weiß" habt Ihr die Kombination "Schwarz und Blau" gewählt. Wie seid Ihr auf diese Farben gekommen und inwieweit spielt die Tatsache, dass jemand "black and blue" (im Deutschen "grün und blau"), also "schwer gezeichnet" ist, eine Rolle?

EMILEIGH ROHN: Nun, ich glaube, ich stehe generell auf die Farbe Blau, und ich würde es eher als stolze Kampfnarben denn als blaue Flecken betrachten. Wir haben viel durchgemacht, aber es geht mehr um die Leidenschaft für die Kunst.

BODYSTYLER: War es von Anfang an klar, welche Tracks "schwarz" und welche "blau" sein würden oder gab es Überläufer?

JEAN-MARC LEDERMAN: "Bleu" wurde nach der Fertigstellung von "Black" als sein von den Drums befreiter, problemlösender Gegenpart geschaffen.

BODYSTYLER: Angesichts der Veröffentlichungen eurer anderen Projekte scheint es umso erstaunlicher, dass ihr so schnell ein neues Rohn-Lederman Album herausbringt. Woher kommt diese schier endlose Kreativität? Könnt Ihr anderen Künstlern, die gern in dieser Frequenz veröffentlichen würden, konstruktive Tipps geben?

JEAN-MARC LEDERMAN: Die Kreativität kommt daher, dass man weiß, dass der musikalische Partner Feuer fängt und mit etwas zurückkommt, das einen verblüfft oder zumindest sehr nett überrascht. Es scheint, dass wir keine wirklichen musikalischen Grenzen haben, also kann alles passieren. Tipps? Lasst es bleiben! Rezensionen sind schwieriger zu bekommen, denn die Journalisten haben kaum die Augen von deiner letzten Rezension abgewandt und schon kommst du mit einem neuen Album um die Ecke (lacht)

BODYSTYLER: Euer Weg ist gesäumt von einigen spannenden Coverversionen von so unterschiedlichen Bands/Künstlern wie Depeche Mode, Porno For Pyros, Post Malone, Wham!, The Cranberries... Auf dem neuen Album ist das kein Thema, aber könnt Ihr vielleicht schon die nächste Interpretation am Horizont erkennen? Was braucht es, damit ein Song das Interesse an einer eigenen Version weckt?

EMILEIGH ROHN: Ich denke, dass viele der Coverversionen in unserer früheren Arbeit nur eine Erweiterung dieser experimentellen Stimmung waren, die notwendig war, um unser Potenzial als Künstler zu entdecken. Nach dem Motto: "Oh, ich frage mich, wie wir wohl in dieser oder jener Richtung klingen würden?" Wir haben Spaß daran, neue Dinge auszuprobieren, aber im Moment glaube ich, dass es etwas wirklich Außergewöhnliches bräuchte, um uns aus der Reserve zu locken, denn wir sind ziemlich zufrieden mit der Bandbreite, die wir für uns geschaffen haben.

BODYSTYLER: "Black" - fühlt sich organisch, seltsam, unterschwellig aggressiv/bedrohlich, aber auch getrieben an. Seid Ihr mit diesen Beschreibungen einverstanden? Würdet Ihr gern etwas hinzufügen?

JEAN-MARC LEDERMAN: Ich stimme zu. Ich könnte vielleicht noch katastrophal und sorglos hinzufügen...

BODYSTYLER: Der herausragende Hit dieses Teils ist sicherlich "Faces pretend" - hier ist der Sound etwas geradliniger, wenn nicht sogar sonnig. Worum geht es in diesem Track? Was haben die Gesichter zu bedeuten?

EMILEIGH ROHN: Es geht darum, im Alltag tapfer zu bleiben, sich ständig beobachtet zu fühlen und trotzdem authentisch zu bleiben. Für mich kann das eine echte Herausforderung sein und ich musste das einfach mal loswerden!

BODYSTYLER: Das sanfte "Eggshells" scheint einen Übergang zu markieren. Emileigh, wie bist Du auf dieses Bild der Eierschalen gekommen?

EMILEIGH ROHN: Es ist eine Anspielung auf die Redewendung "Walking on Eggshells", die sich darauf bezieht, auf Zehenspitzen um eine Person oder eine Situation herumzugehen, um kein Aufsehen zu erregen. In dem Song geht es darum, sich auf andere einzustellen, um ihnen zu gefallen, während man eine unangenehme Umgebung erträgt.

BODYSTYLER: "Bleu" wirkt wärmer, kuscheliger, bekömmlicher, weicher. Was haltet Ihr von diesen Eindrücken? War noch eine andere Form des Ausdrucks/der Emotion für Euch wichtig?

JEAN-MARC LEDERMAN: Kuschelig? Wowowowoow (lacht). Ich würde fürsorglich und beschützend hinzufügen.

BODYSTYLER: Bei "Black" sind der Morgen und die Sonnenfinsternis präsent, "Bleu" beginnt mit der Nacht, aber später spielt auch der Morgen wieder eine Rolle. Die blaue Stunde statt absoluter Dunkelheit/Schwärze?

JEAN-MARC LEDERMAN: Zeit, von den Medikamenten runterzukommen, Torsten (lacht). Scherz!

EMILEIGH ROHN: Ich mag die Idee, dass "Bleu" ein frischer Morgen voller Hoffnung ist! Wir haben hier eine Art 24-Stunden-Zyklus. Wenn ich nachts im Studio mit den Aufnahmen fertig bin, ist es in Belgien schon fast Morgen!

BODYSTYLER: "Say goodnight", aber auch andere Stücke von "Bleu" erinnern mich ein wenig an frühe Werke von Tori Amos. Kompliment oder Beleidigung?

JEAN-MARC LEDERMAN: Ich treffe Sie im Morgengrauen mit der Waffe Ihrer Wahl! Ah!
Nein, das ist ein großes Kompliment! Ich danke Dir!

BODYSTYLER: In "Not a waste of time" findet sich die Zeile "Your grass may look much greener but mine reflects a smile" - darf ich fragen, wie es zu diesem lyrischen Genuss kam?

EMILEIGH ROHN: Ich habe dieses mikroskopische Bild von Grashalmen gesehen, auf dem es so aussah, als hätten sie alle winzige lächelnde Gesichter, und konnte nicht aufhören, daran zu denken!

JEAN-MARC LEDERMAN: Emileigh ist Biologin…

BODYSTYLER: Das erklärt einiges… Emileigh, in Deinen Texten gibt es generell viele botanische Bezüge. Warum erwähnst Du aber besonders gerne Bäume? Ist Dir dieses lyrische Bild wichtig oder ist es einfach Naturverbundenheit?

EMILEIGH ROHN: Ich schreibe viele Texte im Park, aber ich schätze das Konzept des Wachstums, der Stärke und der Ausdauer, das mit Bäumen einhergeht. Das beruhigt mich.

BODYSTYLER: "Important" gibt einen Ausblick und strahlt Hoffnung aus. Doch am Ende steht ein Fragezeichen. Wie ist dieses sanfte Ende des Albums zustande gekommen?

EMILEIGH ROHN: Das Leben ist immer ein großes Fragezeichen, aber ich denke, wir möchten unsere Alben immer mit einem hoffnungsvollen Blick beenden und uns auf das freuen, was als nächstes kommen mag!

BODYSTYLER: Warum war es für Euch wichtig, die beiden Teile auf der CD zu trennen? Theoretisch hätte ja alles auf eine Scheibe gepasst…

JEAN-MARC LEDERMAN: Weil die Leute dazu neigen, das Interesse zu verlieren, wenn es zu lang ist. Das hatten wir bei "Venus Chariot". Ich persönlich denke, dass 10 Songs und 40 Minuten ideal sind.

BODYSTYLER: Ich könnte mir vorstellen, dass es spannend wäre, Euch gemeinsam auf der Bühne zu sehen (vielleicht mit einer Mischung aus all Euren Projekten...). Ist das ein Ziel, das Ihr noch verwirklichen wollt?

JEAN-MARC LEDERMAN: Es gibt kein Universum, in dem das passieren kann: Wir beide hassen es, live zu spielen.

BODYSTYLER: Habt Ihr bereits Ideen, wie die nächsten Schritte (einzeln oder gemeinsam) aussehen könnten?

JEAN-MARC LEDERMAN: Ja, haben wir und wir haben bereits mit der Arbeit am nächsten Album begonnen.

BODYSTYLER: Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt, all die Fragen zu beantworten. Ich wünsche Euch alles Gute und freue mich schon auf die nächsten Entwicklungen. Cheers!

EMILEIGH ROHN und JEAN-MARC LEDERMAN: Vielen Dank!