minusheart

Wesensmerkmal Ironie

27.05.2024 - Ich habe am 26.04.2024 im MuK Gießen Diver, Chriss und V-nerv von minusheart interviewt. Sie machten sehr interessante Angaben über ihr nächstes Album „M6“ und plauderten ein bisschen aus dem Nähkästchen. Von: Roman Golub

Image minusheart in ambitionierter Haltung (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Könnt ihr euch kurz vorstellen und sagen, was ihr bei minusheart macht?

V-NERV: Ich bin der Volker und Keyboarder.

CHRISS: Ich bin der Chriss und Gitarrist bei der tollen Truppe von minusheart.

DIVER: Ich bin Diver und Gründungsmitglied von minusheart. Ich freue mich, dass wir heute in Gießen sein dürfen und du uns zu diesem Interview eingeladen hast.

BODYSTYLER: Wann wird euer nächstes Album „M6“ veröffentlicht? Warum trägt es diesen Titel?

DIVER: Wir sind sehr gespannt auf das Album und es wird voraussichtlich erst 2025 veröffentlicht. „M6“ heißt es, weil es unser sechstes Studioalbum ist.

BODYSTYLER: Ist „M6“ ein Konzeptalbum oder eher eine Zusammenstellung von zusammenpassenden Songs? Wie passen die einzelnen Songs zusammen? Chriss hat in einem Podcast gesagt, ein Album könne nicht nur aus Singles bestehen, denn so etwas würde sich niemand anhören.

CHRISS: Das habe ich einmal gesagt und wir sind tatsächlich dabei, uns selbst zu widersprechen. Wir hauen jetzt Singles raus und jede einzelne wird auf „M6“ vertreten sein. Es wird sicherlich noch einige weitere Überraschungen geben. Stilistisch kann man „M6“ auf keinen Fall Konzeptalbum nennen, denn es ist das Ergebnis vieler einzelner Einflüsse. Was die Lyrics und den Zentralgedanken betrifft, könnte man minusheart als Konzept bezeichnen.

BODYSTYLER: Was ist der Grund, dass schon vier Jahre vergangen sind, seitdem euer letztes Album „The dark side of the sun“ herauskam? Spielen die Corona-Beschränkungen eine Rolle?

DIVER: Ja, auf jeden Fall. Unser letztes Album „The dark side of the sun“ haben wir in der Corona-Zeit veröffentlicht. Als wir das Album geplant hatten, gab es noch kein Corona und als es herauskam, waren die Beschränkungen schon in vollen Zügen. Die Live-Aktivitäten für das Album gerieten ins Stocken. Wir hatten schon für 2020 eine Tour geplant. 2021 haben wir auch nur sporadisch Konzerte gespielt. Nichtsdestotrotz war uns damals in den Jahren 2021 und 2022 wichtig, dass wir noch ausreichend Konzerte für das Album spielen konnten. Deswegen startete erst zwei Jahre nach dem Release unsere Album-Tour für „The dark side of the sun“. Darum kann man zwei Jahre wegen Corona abziehen.

CHRISS: Wir waren in den vier Jahren seit der Veröffentlichung unseres letzten Albums nicht untätig. Man konnte viel von uns sehen. Wir haben einige Singles in der Zwischenzeit herausgebracht. Das hat sich alles etwas hingezogen.

BODYSTYLER: Diver, du hast in einem Podcast gesagt, dass es vor allem darum geht, auf das Gefühl zu hören. Warum ist es besser auf das Gefühl als auf den Verstand zu hören? Gibt es von dieser Regel auch Ausnahmen?

DIVER: Ich rede jetzt nicht in Extremen. Ich denke schon, dass es wichtig ist, beide Pole ausgeglichen darzustellen. Aber nichtsdestotrotz ist es wichtig, da wir Menschen sind, den Schwerpunkt leicht auf die Emotionen und nicht auf den Verstand zu setzen. Musik ist einfach Gefühl. Klar, man könnte auch sagen, Musik sei eine Aneinanderreihung von Noten, eine Kombination von Frequenzen, also Mathematik und Verstand. Aber trotzdem ist das Gefühl das Lebendige in der Musik.

BODYSTYLER: Das Video zum Song „A Catastrophe“ spielt in einem U-Boot. Sind militärische Katastrophen die schlimmsten Ereignisse, die eintreffen können? Wie ist im Gegensatz dazu eure Einstufung von Umwelt,- Finanz-, Hungerkatastrophen und anderen worst cases? Ist der Titel mit Schwarzmalerei oder mit Realismus vollgepackt?

DIVER: Also in erster Linie ist dieses U-Boot-Szenario nur sinnbildlich für Katastrophen gemeint, weil es plakativ ist und nicht weil wir denken, dass eine militärische Katastrophe die einzige ist, die passieren kann. Wir haben selber in der Corona-Zeit mitbekommen, dass es viele Katastrophen losgelöst vom militärischem Kontext geben kann. Die Message von „A Catastrophe“ ist einfach, dass Menschen oft eine Katastrophe brauchen, um wach zu werden und die wirklichen Werte des Lebens zu erkennen. Das ist genau der Knackpunkt. Menschen brauchen oft einen Wachrüttler.

BODYSTYLER: Eure Single „Live together“ ist in einem Kreativurlaub entstanden. Handelt der Song von dieser Zeit oder spielt er auf generelle zwischenmenschliche Konstellationen an?

DIVER: Also diesen Kreativurlaub haben wir einem Podcast von uns erwähnt. Da waren wir im Ruhrgebiet in Essen – im süßen Essen auf einer Almhütte, man glaubt es kaum. Dort ist der Song entstanden. Es geht auch bei diesem Track um einen ähnlichen Kontext, denn es ist wichtig, dass Menschen zusammenleben. Wir leben in dieser Zeit auf diesem Planeten. Unsere Seelen treffen sich hier. Ich finde es sehr wichtig zu unterstreichen, dass wir alle zusammen hier sind. Wir sollten gut zu einander zu sein, miteinander leben und nicht gegeneinander. Es ist quasi ein Anti-Kriegssong, der sarkastisch-ironisch herüberkommt.

CHRISS: Bei diesem Song sehe ich das Leben von oben. Uns bleiben im besten Fall maximal 80 bis 85 Jahre, die wir auf dieser Welt verbringen. Dass wir genau in dieser Zeit das Leben gemeinsam erleben dürfen. Die Wandlung der Welt, die Fortschritte der Technik, das Zusammenwachsen Deutschlands, das Entfremden von ganzen Kontinenten und ganzen Kulturen, sowie deren Vermischung - das hat es vorher noch nie gegeben und das wird es nach uns niemals geben. Wir haben als Einzige die Chance, es zu erleben und zu gestalten. Das sollten wir wertschätzen.

BODYSTYLER: Wie ist die Songzeile „We live together – we live apart“ zu verstehen?

DIVER: Wir leben zusammen, aber gleichzeitig leben wir getrennt voneinander, denn sonst würde es keine Kriege geben. Das ist ein Widerspruch und soll plakativ auf folgendes hindeuten: „Ey Leute werdet mal wach!“

BODYSTYLER: Aus welchen Situationen kommt die Inspiration für die Lyrics?

DIVER: Das ist wirklich das Leben. Ich gehe durch die Straßen, treffe mich mit Freunden, sehe soziale Verknüpfungen, schaue mir die Nachrichten an, spreche mit Freunden über Dinge und auf einmal werde ich inspiriert einen Song zu schreiben oder sehe auf mein eigenes Leben, als würde ich in den Spiegel schauen. Die Lyrics sind mein Leben und mein Umfeld im Einfluss mit mir.

BODYSTYLER: Wie verpackt ihr auf euren Werken Sarkasmus und Ironie? Was ist, wenn man diese nicht erkennt? Versteht man dann eure Musik nicht?

DIVER: Die Musik steht losgelöst von den Texten da. Das Gesamtkunstwerk ist halt die Verknüpfung zwischen Musik und Text. Wenn man Ironie nicht versteht, sind manche Texte sehr schwer zu interpretieren. Es reicht nicht aus, die blanke Information zu nehmen. Ich nenne jetzt mal einen Klassiker: „Don't feed the cats“. Damit meine ich in keiner Sekunde, dass man Katzen nicht füttern soll. Wir sind tierlieb. Das ist kein Aufruf. Ich sag es auch einmal in die Kamera: Bitte füttert eure Katzen. Sondern damit ist eher gemeint, den Luxus nicht zu füttern. Die Katze steht als Sinnbild für den Luxus. Und so ist das auch mit „We live together - we live apart“. Wenn man nur sagen würde „live together“, wäre es ein Aufruf, der nicht den Hintergedanken hat, dass wir getrennt leben. Wenn man Ironie nicht versteht, ist es schwer hinter die Nachricht oder die Messages der Texte zu kommen. Da gebe ich dir recht. Aber die Musik ist noch losgelöst von den Texten zu sehen. Die Beats, die tanzbaren Rhythmen, die wir produzieren. Das ist Tanzmusik. Das Gesamtkonstrukt von minusheart ist nur zu erfassen, wenn man hinter die Ironie meiner Texte steigt.

BODYSTYLER: Wie ist euer Bandname entstanden und welche Bedeutung hat er?

DIVER: Den Bandnamen habe ich irgendwann einmal vor mehr als 15 Jahren entwickelt. Damals habe ich tatsächlich an einem Konzeptalbum gearbeitet, das fokussiert auf Gesellschaftskrankheiten war. Das erste Album hieß „Disease“ und ich habe dazu ein bisschen recherchiert, auch in Fachtexten, in diverse medizinischen Fachaufsätzen. Fettleibigkeit nenne ich nur als Beispiel für weit verbreitete Krankheiten. Ich habe in der Fachliteratur gelesen, dass die Diagnose für „Ohne Herzkrankheiten“ im englischen „minusheart disease“ ist. Ich fand dieses Zusammenspiel der doppelten Verneinung, nämlich Krankheit und minusheart als was Negatives, das zusammen etwas Positives ergibt, damals sehr ansprechend. Deshalb habe ich den Namen da rausgezogen. Der Name minusheart stand als Negativattribut, das mit etwas Anderem etwas Positives ergibt.

BODYSTYLER: Welche Zielsetzungen verfolgt ihr mit dem Start eurer Podcastserie MinusheartTV?

DIVER: Chriss ist neben V-nerv der Hauptdarsteller von minusheart TV. Deswegen frage ich die beiden. Ich bin nur derjenige, der das Ganze lenkt.

CHRISS: Wir wollen auch etwas Persönliches freigeben. Es soll nicht nur jedes Video und Lied durch die Zäsur laufen gelassen werden, sondern ein Blick hinter die Kulissen soll auch möglich sein. Und letztendlich ist es auch für uns, um festzuhalten, was wir so treiben, wenn wir uns unbeobachtet fühlen. Wer da mal lustige Geschichten erleben will, darf ruhig mal einschalten.

BODYSTYLER: Da fällt mir eine Situation, die ich jetzt nicht nennen will.

DIVER: Doch Roman, sag mal.

BODYSTYLER: Da hast du V-nerv unvorbereitet gefilmt und er hat da was gesagt.

DIVER: Du meinst, dass er mir das Handy durch die Nase zieht und dabei hofft, dass es nicht zensiert wird. Aber normalerweise ist V-nerv total lieb. Das hat er auch nur so gesagt. Wir hatten dieses Wochenende auch viel um die Ohren. Da war das Dark Dance Treffen in Mannheim und wir sind von da aus nach Aachen gefahren, wo wir Konzertheimspiel im Wild Rover hatten. Das meint der Volker nicht so.Wenn die Kamera aus ist, kommt er immer zu mir und will mich drücken.

V-NERV: Was habe ich da denn gesagt?

DIVER: Du hast gesagt, dass du mir das Handy durch die Nase ziehen willst, hast es aber nicht gemacht.

BODYSTYLER: Wollt ihr zum Schluss noch etwas sagen?

DIVER: Wir wollen sagen, dass wir uns gleich auf unseren Auftritt freuen. Es ist auch schön, dass du uns hier besuchst, Roman. Wir sind hier im Muk Gießen. Im Rahmen der Super EBM Tour 2024 spielen hier Ton: Fehler. Jetzt gerade sind Tension Control auf der Bühne, deren Auftritt wir verpassen. Danach sind wir dran. Und als Headliner sind heute Jäger 90 am Start. Wir freuen uns darauf, dass wir daran teilhaben dürfen dürfen und eine gute Zeit mit Freunden haben. Wir freuen uns morgen auf Köln und gleich auf unsere After Show Party im Hotel Flamingo in Gießen.

CHRISS: Ganz genau, wir sind sehr dankbar.

DIVER: Und ich bin froh, dass es den BODYSTYLER gibt. Ich habe das Magazin in den 90ern gefeiert. Du hast mir schon erzählt, dass ihr euch auf ein Web-Magazin spezialisiert habt und nicht mehr ein Printmagazin mit Karikaturen seid. Hast du denn noch etwas zu sagen, Roman?

BODYSTYLER: Ich freue mich , das ich dieses Interview führen durfte. Das war mein erstes Interview vor Kameras.

DIVER: Ach cool, und das vor zweien. Ich hoffe, du hast eine gute Zeit. Vielen Dank.