MARTINÉ

Zeitlose Themen und gleichzeitig ist alles endlich

06.06.2024 - Thomas Martiné machte in einem Interview sehr interessante Ausführungen über sein zweites Album „Nichts währt ewig“ und wagte sogar sogar einen Ausblick auf einen eventuellen Nachfolger. Von: Roman Golub

Image Thomas Martiné - „Glaube, Liebe, Hoffnung, Krieg“ und seine Gedanken dazu? (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Warum hast du dein aktuelles Album „Nichts währt ewig“ genannt?

THOMAS MARTINÉ: Das ist die Quintessenz der Erfahrungen aus den letzten Jahren. Der Titel stand schon lange fest und die Titel reihten sich dann nahtlos in die Thematik ein. Alles ist endlich: Wir, unsere Welt, alles was uns umgibt.

BODYSTYLER: Inwieweit behandelt „Nichts währt ewig“ neben Themen wie Sterblichkeit auch Werte, Gedanken und Haltungen zu bestimmten Dingen? Währt so etwas vielleicht länger oder ewig? Welche weiteren Themen greifst du auf dem Album auf?

THOMAS MARTINÉ: Sowohl als auch: Länger in Bezug auf den Zeitraum meiner Arbeit an dem Album, ewig, weil die Themen zeitlos sind, nie ihre Relevanz verlieren. Der Mensch ist, wie er ist. Das liegt in den Genen, wird sich nie ändern und letztlich wird es diese Welt daran zugrunde gehen lassen. Gute Absichten reichen leider nicht aus. Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht. Gier und das Streben nach immer mehr werden unser Untergang sein. Und wir sind definitiv zu Viele auf diesem Planeten. Die darauffolgenden Generationen werden vor Probleme gestellt werden, von denen wir heute noch gar nichts ahnen.

BODYSTYLER: Welchen persönlichen Bezug hast du zum Longplayer? Wie bist du dazu gekommen, Themen, wie Vergänglichkeit und Tod zu thematisieren? Woher stammen die Ideen für die Lyrics von „Nichts währt ewig“?

THOMAS MARTINÉ: Der Longplayer: Das bin ich. So ist mein Leben, so sind meine Erfahrungen. Nicht zu 100 Prozent, aber autobiografischer geht es kaum. Das klingt negativ, ist es auch. Aber es liefert die nötigen Ideen für die Texte. Vergänglichkeit und Tod begleiten mich die ganze Zeit und als Sternzeichen Jungfrau rattert mein Kopf 24/7, höchst anstrengend, fordernd und alles abverlangend. Schön ist anders und definitiv nicht so gewollt.

BODYSTYLER: Worum geht es in „Phalanx“? Könntest du bitte die Textzeilen „Ich gehöre dir bis an das Ende dieses Tages/ Ich gehöre mir“ aufschlüsseln?

THOMAS MARTINÉ: „Phalanx“ handelt von Einheit und Zusammenhalt. Dem Versprechen, füreinander da zu sein, bis zum Ende des Tags, immer und immer wieder, bis einem der Egoismus in die Quere kommt. Versprechen und Treue werden gebrochen, aus Einheit wird Einsamkeit.

BODYSTYLER: Was ist die Message von „Macht der Stimme“? Dort gebrauchst du u.a. den Vers „Glaube, Liebe, Hoffnung, Krieg“. Was haben diese vier Begriffe miteinander gemein? Inwieweit geht es bei diesem Song auch um Krieg und um Religiosität?

THOMAS MARTINÉ: Ich bin ein höchst politischer Mensch. Wenn ich sehe und höre, was in den Medien so alles verzapft wird, könnte ich an die Decke gehen. Es ließe sich jetzt eine ellenlange Diskussion über die Zustände in und auf der Welt führen, aber dafür ist hier kein Platz. „Macht der Stimme“ als Denkanstoß. Täglich werden Kriege geführt, aus religiösen Motiven, aus wirtschaftlichen Interessen, aus Dummheit und Ignoranz. Leute mit Macht und Geld versuchen uns, mit geschickt gewählten Worten und Taten für Ihre Zwecke zu gebrauchen, missbrauchen und zu manipulieren. Und alle machen mit. Demokratie, Toleranz und Grundrechte werden plakativ an die große Glocke gehangen und doch verkommt alles zu einem einzigen Witz. Nur ein Beispiel dafür: 20 Prozent der Bevölkerung sprechen sich auf demokratische Art und Weise für die AfD aus. Parteien mit 5 oder 15 Prozent, versuchen den Widersacher verbieten zu lassen und auf diese Art das Problem zu lösen, anstatt sich die Frage zu stellen, warum sie von weniger Leuten gewählt werden und sich an die eigene Nase zu packen. Demokratie ist nur Demokratie, wenn es nicht entgegen der eigenen Ideologie ist. Äußert man dazu ganz neutral und wertfrei seine Meinung (übrigens auch ein Grundrecht), wird man schnell als „rechts“ abgestempelt. Und ehe jetzt der erhobene Zeigefinger kommt: Eben erwähnte Partei landet laut Wahl-o-mat bei mir an letzter Postion.

BODYSTYLER: Welche Stimmung löst bei dir das Thema Tod aus?

THOMAS MARTINÉ: Unbehagen und Angst. Die Welt ist zwar alles andere als prickelnd, aber mit jedem Tag rückt das Thema Vergänglichkeit weiter in den Vordergrund. Nächstes Jahr werde ich 60, körperlich fühle ich mich tatsächlich so, geistig wie ein gereifter 30er. Abtreten wollen steht nicht zur Debatte, abtreten müssen schon. Ich hoffe, dass ich irgendwann den Punkt erreiche, wo ich sagen kann „ich habe alles erreicht, habe alles erlebt, habe gelebt, wenn ich jetzt gehen muss, ist es in Ordnung“. Aber davon bin ich meilenweit entfernt.

BODYSTYLER: War es dir wichtig, eine bestimmte Atmosphäre mit der Remix-CD zu transportieren?

THOMAS MARTINÉ: Nein, überhaupt nicht. Das war auch nie meine Intention. Es gab noch weitere befreundete Bands und Künstler, die es zeitlich leider nicht geschafft haben etwas abzuliefern. Grundsätzlich gab es keinerlei Vorgaben, absolute Freiheit. Jeder bekam zwei Titel zur Auswahl. Das hier ist meine Vision des Songs, welche Ideen entstehen beim Hören bei Dir? Nicht mehr, nicht weniger. Das Spannende an diesem Experiment ist das Ergebnis. Und tatsächlich hört jeder, sieht jeder die jeweiligen Songs mit anderen Augen und Ohren. Mach Fox von Zwaremachine ist ganz old school herangegangen und hat eine extended version gebastelt, Insect Plasma ganz im reduzierten 80er Jahre Stil, Synaptic Defect einen Mix im von mir so geliebten Skinny Puppy-Soundgewand etc. Jeder liefert seine eigene Version, alle sind eine Bereicherung und runden das Gesamtergebnis ab.

BODYSTYLER: Wie sah die Produktion von „Nichts währt ewig“ aus“?

THOMAS MARTINÉ: So eine Produktion ist immer spannend. Anfangs zäh, weil eigentlich hatte ich mit dem Vorgänger ja alles gesagt. Aber getreu dem Kraftwerk-Motto „Es wird immer weitergehen, Musik als Träger von Ideen“ geht dann irgendwie doch was. Als Fingerübung und Einstieg wage ich mich meist an eine Coverversion, die ich aber im Normalfall nur live spiele. "Phalanx" und "Stuka" waren die ersten fertigen Stücke und dann sprudelte es nur so heraus. Irgendwann lagen 25 Stücke in Rohfassung vor, die ich dann ausgearbeitet habe. Das Material für den Nachfolger „Codex“ ist also praktisch auch schon da, aber ich habe nicht unbedingt die Ambition der neue Claus Larsen zu werden. (lacht)

BODYSTYLER: Welche Bewandtnis hat es mit der gewählten Schriftart deines Namens?

THOMAS MARTINÉ: Ich bin ja bereits seit den 80ern unter unterschiedlichen Projektnamen in Erscheinung getreten, aber als sich vor zwei Jahren herauskristallisierte, nur noch unter meinem eigenen Namen Musik zu veröffentlichen, musste halt ein Logo her. Den Grundentwurf habe ich mit Bleistift selber auf ein Blatt gekritzelt, das fertige Ergebnis wurde dann am Computer vom Sohn meiner Partnerin umgesetzt. Keine besondere Bewandtnis, das ist halt mein Name und es sollte einfach nur (für mich) gut aussehen. Und über das auf den Kopf gestellte "T" kann sich ruhig jeder das Maul zerreißen. (lacht)

BODYSTYLER: Was willst du mit dem Cover von „Nichts währt ewig“ ausdrücken“?

THOMAS MARTINÉ: Was das Layout angeht, hatte ich einige Ideen, letztlich haben mich aber die Werke des befreundeten Digital Creators Brian Almon aus den USA so nachhaltig beeindruckt, der dann anhand des Titels und mit Hilfe von KI ein paar geile Teile gezaubert hat. Erinnerte mich auf den ersten Blick an die Sachen der „Too dark park“ Ära von Skinny Puppy und war damit direkt gekauft. Leider ist beim Druck nicht alles glatt gelaufen, eigentlich ist das Cover eher grau statt braun und ein paar Details wurden leider verschluckt.

BODYSTYLER: Warum fließt auf dem Bild des Booklets Blut aus deinem Mund? Was willst du damit kundtun?

THOMAS MARTINÉ: Das war eine Idee meines Fotografen des Vertrauens Stefan Weimbs, aber grundsätzlich beschreibt es mich: Seht her, ich hab auf die Fresse bekommen, aber ich bin immer noch da.

BODYSTYLER: Willst du zum Schluss noch etwas sagen?

THOMAS MARTINÉ: Vor allem möchte ich Danke sagen. Zum einen bei allen Beteiligten, die mit all ihrem Wissen, Ideenreichtum und Einsatz das Album für den jetzigen Zeitpunkt so perfekt haben werden lassen. Des weiteren dem Team von Echozone, das meine Musik einem größeren Hörerkreis zugänglich macht. Und nicht zuletzt Euch allen dort draußen, die sich für meinen kreativen Output interessieren und mich dadurch unterstützen.