White Noise TV

Senden/Empfangen/Signal

16.06.2024 - Seit fünf Jahren sind die Jungs von WNTV am Start. Auf diversen Singles sowie zwei Alben präsentieren sie eine angenehm hörbare, teils tanzbare Synthie-/Electro-Mischung. Nun steht der dritte Langspieler "New dawn" in den Startlöchern und hinterlässt einen so stimmigen Eindruck, dass einer breiteren Bekanntheit nichts mehr im Weg stehen sollte. Oliver (Vox/Musik) und Lars (Musik) im Gespräch. Von: Torsten Pape

Image Musiker, die auf Wände starren (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Es ist kurz vor VÖ – wie ist die Stimmung im WNTV-Lager?

OLIVER STAATS: Vorsichtig optimistisch und in freudiger Erwartung auf (hoffentlich positives) Feedback zu "New dawn"…

LARS GOEHRING: Gut und natürlich auch ziemlich aufgeregt.

BODYSTYLER: Ihr gebt an, bereits lange in der Electro-Szene aktiv zu sein. Kann man frühere, musikalische Projekte von Euch kennen?

OLIVER STAATS: Ich war in der Party- und Konzertszene sehr umtriebig. Ende der 90er und Anfang der 2000er in NRW und seit 2004 in Berlin, also in erster Linie auf der Konsumentenseite. Musik mache ich erst seit WNTV.

LARS GOEHRING: Ich mache seit über 20 Jahren elektronische Musik, aber vor WNTV eher für mich selbst. Es gibt ein paar Stücke auf Soundcloud von mir und ein paar Freunden. Auch ich bin passionierter Konzertgänger, familienbedingt kommt das derzeit etwas zu kurz. In den 90ern war ich beim alten BODYSTYLER, dort unter anderem für Demos und Newcomer zuständig und ich habe auch ein paar Interviews geführt. Ich hatte kurzzeitig auch mal ein Tape-Label.

BODYSTYLER: Mit dem Bandnamen verbindet Ihr einen akustischen mit einem optischen (aber natürlich ebenfalls akustischen) Begriff. Warum war Euch diese Kombination wichtig und was wolltet Ihr damit ausdrücken?

LARS GOEHRING: Als sich die Frage nach einem Bandnamen stellte, habe ich ein paar wohlklingende Begriffe und Wortkombinationen aufgelistet. Der Bezug zu Technik war dabei eine von vielen Ideen. Das retrofuturistische Element, mithilfe einer vergangenen Technologie Neues zu erzeugen, mag ich. Dass man ihn mit WNTV gut abkürzen kann, gefällt mir auch gut.

OLIVER STAATS: Auf White Noise TV haben wir uns schnell einigen können. Weißes Rauschen hat etwas Hypnotisches und positiv Beruhigendes. Gleichzeitig verbinde ich mit dem Begriff auch Senden/Empfangen/Signal, was ja auch gut zu einer Band passt, die was zu sagen hat. Was die Googlebarkeit angeht, hätten wir vielleicht etwas besser aufpassen können. Obwohl: Vielleicht verirrt sich der ein oder andere Weiße-Rauschen-Hörer zu uns - schadet auch nicht…

BODYSTYLER: Ist die grafische Gestaltung der Cover elementarer Bestandteil Eurer Kreativität oder eher notwendiges Übel? Wie ist das aktuelle Artwork entstanden?

LARS GOEHRING: Das Artwork ist in der Regel meine Aufgabe und, sofern Zeit vorhanden ist, kein notwendiges Übel. Ideen hierfür finden sich eigentlich überall. Ich mache häufig Fotos, wenn ich unterwegs bin, meistens natürlich ohne konkrete Artwork-Verwendungsabsicht. Mit der jeweiligen Stimmung, die unsere Musik bei mir erzeugt, ergibt sich dann häufig etwas und ich bearbeite die Bilder entsprechend.

OLIVER STAATS: Die Bilder zum Artwork des aktuellen Albums hat jedoch unser Freund Craig Saunders (Novakill) aus Sydney mit KI-Unterstützung gemacht. Lars war in den letzten Wochen der Albumvorbereitung stark beruflich und familiär eingebunden, daher holten wir uns diesmal externe Hilfe. Das ganze Lettering für die CD habe ich übernommen.

BODYSTYLER: Was unterscheidet aus Eurer Sicht das neue Album von seinen Vorgängern?

LARS GOEHRING: Zunächst einmal sind wir wieder ein Duo. Unser ehemaliges Mitglied Bernd wollte sich seinem eigenen Musikprojekt Tonschleifer widmen und hat die Band nach unserer Single "Equalizer" verlassen. Dadurch hat sich der Workflow wesentlich verändert. War es bisher so, dass Bernd das finale Mixing und Sounddesign übernommen hat, kümmern Oliver und ich uns jetzt selbst darum. Durch meine zeitlichen Einschränkungen hat diesmal Oliver etwas mehr übernommen.

OLIVER STAATS: Da Lars und ich beide in FL Studio arbeiten, ist die Fortschreibung der Tracks jetzt bis zum finalen Ergebnis einfacher geworden. Wir haben außerdem, was Sounddesign und Mixing angeht, eine ganze Menge dazugelernt. Ich würde behaupten, dass unser Sound weiterhin lebendig und abwechslungsreich klingt. Im Gegensatz zum Debütalbum habe ich mittlerweile ein deutlich besseres Mikrofon. Das war aber schon bei "Every Day Lost" (zweites Album, Anm. d. Red.) zu hören. Ein Unterschied zum letzten Album könnte sein, dass diesmal mehr Grundideen von mir gekommen sind und es dadurch wohl etwas poppiger ist.

BODYSTYLER: Viele der neuen Tracks sind tanzbar, aber eher in leicht beschwingten bis mittelschweren Work-Out-Regionen. Teilweise relativiert der elegische Gesang die Beats auf eine ganz eigene Art und Weise. Warum fühlt Ihr Euch anscheinend in dieser Mid-Tempo-Region am wohlsten?

LARS GOEHRING: Mir persönlich gefallen die zurzeit häufig üblichen galoppierenden Four-to-the-Floor-Beats höherer Geschwindigkeit nicht sonderlich gut. Sie würden einfach auch weniger zu unserer Musik und der erzeugten Stimmung passen.

OLIVER STAATS: Tanzbarkeit ist für uns schon auch ein wichtiges Kriterium. Ich habe eigentlich gehofft, den einen oder anderen Track auch mal im Club zu hören. "Deep Waters" zum Beispiel eignet sich hierfür aus meiner Sicht sehr gut (Service-Hinweis an alle DJs: Es gibt da so einen DeepTrance-Remix von DSTR…). Zu einigen Songs würde ein clubartiger Mix aber einfach weniger gut passen, wie beispielsweise "As We Fade" (wobei der eigentlich auch schon so auf der Tanzfläche gehen müsste).

BODYSTYLER: Eure Songs weisen häufig eingängige Refrains auf, die auch pop-typisch oft wiederholt werden. Gesang und Musik gehen dabei eine wunderbare Symbiose ein, wobei die Ohrwurm-Melodie am Ende hauptsächlich vom Gesang getragen wird. Würdet Ihr dem zustimmen?

OLIVER STAATS: Ja, das ist genau so gewünscht! Die Grundidee sollte eingängig und mitreißend sein, dabei aber trotzdem Tiefgang und Spannung haben. Mir gefällt es, wenn innerhalb des Songs ein Spannungsaufbau passiert. Gerne darf zwischendurch ein Zwischenteil oder Brücke alles auf Null drehen, bevor es zum Ende hin noch einmal intensiv wird.

LARS GOEHRING: Dabei haben wir den Anspruch, abwechslungsreich zu bleiben. Unser Album soll man als Ganzes durchhören können, ohne zu denken: “Den hatten wir doch schon…”. So versuchen wir, auch den Songaufbau zu variieren. Es gibt dabei auch das typische Songschema A-B-A-B-C-B, aber eben nicht immer.

BODYSTYLER: Der Track "WERK121" ist eher rhythmisch/tanzbar und erinnert namentlich so halb an Front 242 *zwinkert*. Könnte da was dran sein? Zusammen mit "WERK010" (Slo-Mo) fühlt man sich ja fast schon in alte BODYSTYLER-Zeiten zurück versetzt… Wie kam es denn zu diesen Zahlenspielereien?

LARS GOEHRING: Siehe oben! *zwinkert* Ich bin ein großer Front 242-Fan und der Bezug im Namen war nicht ganz zufällig gewählt. Bei der ursprünglichen Skizze zu dem Track wusste ich natürlich noch nicht, dass wir den mal veröffentlichen. Da wir häufig die Namen der Skizzen beibehalten, heißt er jetzt immer noch so und da ich für den "WERK010" Slo-Mo Mix verantwortlich war, habe ich es durchgezogen.

BODYSTYLER: Ihr schreibt Texte über aktuelle gesellschaftliche (politische?) Befindlichkeiten bis hin zu verschobenen Heiratsanträgen. Das ist ein weites Spektrum, wirft aber die spannende Frage auf, ob es Themen gibt, die man eher nicht in Euren Texten finden wird?

OLIVER STAATS: Deine Teilfrage hinsichtlich politischer Texte kann ich schon einmal bestätigen. Politik ist ein Thema, das uns als alte Revoluzzer natürlich beschäftigt. Und aktuell haben wir Fragen… Die fließen natürlich in unsere Texte ein. Wir wollen dabei aber weniger umstimmen oder belehren, sondern vielleicht den einen oder anderen Denkanstoß geben. Grundsätzlich schließe ich für Texte erst mal nichts aus. Alles kann Vorlage für einen Songtext werden, es muss mich nur irgendwie umtreiben. Dadurch finden sich wahrscheinlich ganz automatisch viele Themen nicht in unseren Songs. Ich bin zum Beispiel kein großer Angler, also…

BODYSTYLER: Es gab bis jetzt einzelne Ausflüge in deutschsprachige Regionen, aber dieses Mal ist kein deutscher Text dabei. Wie kommt‘s?

OLIVER STAATS: Diesmal ist kein deutschsprachiger Song dabei, das stimmt. Es hat sich einfach nicht ergeben. Ich schließe das für die Zukunft aber nicht aus und bin mit unseren deutschen Songs sehr zufrieden. Ich fühle mich im Englischen aber einfach wohler. Der Rhythmus, die Sprachmelodie und die Anzahl der Silben funktionieren für mich beim Schreiben besser. Ein deutscher Text kann schnell schwülstig werden. Das in Kombination mit einem melodiösen Songwriting bringt dich schnell an die Grenze zum Schlager (oder sogar darüber hinaus).

BODYSTYLER: Das neue Album wurde von Sven Wolff gemastert. Wie seid Ihr in Kontakt gekommen?

LARS GOEHRING: Ich kenne Sven seit Ewigkeiten und sein Sound für Patenbrigade Wolff oder Freunde der Technik beeindruckt mich sehr. Er ist ein sympathischer Mensch und stets konstruktiv - und uns Laien gegenüber auch sehr nachsichtig gewesen.

OLIVER STAATS: Sven hat ja auch unser erstes Album gemastert, schon einmal beim Live-Sound geholfen und so haben wir natürlich sofort wieder an ihn gedacht. Wir sind mit dem Endergebnis wieder sehr zufrieden!

BODYSTYLER: Bei Euren Videos ist es interessant zu beobachten, dass sie entweder in einem sehr urbanen Umfeld oder aber in sehr abgeschiedener Natur spielen. Warum sind es diese beiden Umgebungen, die Euch für die Untermalung Eurer Musik am geeignetsten erscheinen?

OLIVER STAATS: Die Umsetzung der Videos fällt in der Regel in meine Zuständigkeit. Wir stimmen uns zu Vorschlägen und Ideen ab und dann versuchen wir es umzusetzen. Die wichtigste Einschränkung dabei ist, dass es praktisch nichts kosten darf und trotzdem muss es irgendwie wertig aussehen. Neben einer Grundausstattung an Ausrüstung ist der Drehort dabei das Wichtigste. Das urbane Umfeld liegt nahe, da ich dort wohne. Die abgeschiedene Natur habe ich dann auf Urlaubsreisen. Das Video zu Drowning Winds" zum Beispiel ist während der Herbstferien entstanden (mein Sohn hat gefilmt). "Equalizer" haben wir beim Besuch bei meinen Eltern gedreht (mit Tochter vor und Sohn hinter der Kamera).

LARS GOEHRING: Neben den praktischen Aspekten passen für mich gerade diese beiden gegensätzlichen Orte inhaltlich-thematisch zu unserer Musik und den Texten. So hadern wir oft mit der Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit in unserer Gesellschaft. Gleichzeitig sehnen wir uns nach etwas Echtem und Natürlichem. Nachdem bei uns ab und an der Zweifel aufflammt, haben wir doch auch den Blick für das Schöne.

BODYSTYLER: Ihr seid auf den großen Streamingplattformen einen ganz eigenen Weg gegangen, indem Ihr frühere Werke dort ausschließlich in gekürzten "Condensed"-Versionen anbietet. Ich verstehe den Ansatz, da ihr die Leute auf für Euch einträglichere Vertriebswege umlenken wolltet, aber ihr gebt selbst zu, dass das nur bedingt funktioniert hat. Wie seid Ihr auf diese Idee gekommen und wo lagen letztendlich die Stolpersteine?

LARS GOEHRING: Der Vorschlag, nur eine kondensierte Version der Alben für das allgemeine Streaming zur Verfügung zu stellen, war meine Idee und letztlich ein Kompromissvorschlag. Es haben einige Hörer nachgefragt, wann sie uns streamen können, aber wir konnten uns erst einmal nicht darauf einigen, unsere Musik über Streaming-Plattformen quasi an deren Eigentümer zu verschenken. So entstand der Gedanke, dass das komplette Paket nur auf Bandcamp zur Verfügung stehen soll. So ähnlich sind wir auch mit dem Leæther Strip Remix von "Returner" verfahren, den es exklusiv auf der CD gibt. Außerdem konnte man so erst einmal schauen, ob wir dadurch unsere Reichweite erhöhen und ob es Auswirkungen auf unserer Bandcamp-Seite gibt.

OLIVER STAATS: Viele Hörer verstehen die Idee dahinter nicht, sind verwirrt oder kennen die Titel nicht, die es exklusiv auf Bandcamp oder CD gibt. Wir selbst kommen mit der Zeit auch durcheinander und haben mit zunehmenden Veröffentlichungen etwas den Überblick verloren, welche Songs es wo gibt und wo nicht. Es ist zusätzliche Arbeit - du musst eine Auswahl treffen, das Cover muss angepasst werden… Da die Auswirkungen auf Bandcamp nicht messbar waren, es besser zu den aktuellen Hörgewohnheiten passt und wir außerdem mittlerweile einen Distributor haben, der die Songanzahl je Veröffentlichung nicht eingeschränkt, stellen wir neues Material derzeit vollständig auf Streaming Plattformen bereit. Das erzeugt dann auch bei einem Release mehr Aufmerksamkeit.

BODYSTYLER: Ihr agiert anscheinend komplett autark. Gab es bis jetzt keine Kontaktversuche zu bzw. von einem Label?

LARS GOEHRING: Zum Debüt haben wir ein paar Schritte Richtung Label unternommen, dann aber wieder gelassen. Dadurch fehlt uns zwar ein gewisses Netzwerk, aber wir bleiben unabhängiger, was bei unserer beruflichen und familiären Situation vielleicht auch besser passt.

OLIVER STAATS: Als auch nach unserem letzten Album kein Interesse eines Labels aufkam, haben wir das für uns so akzeptiert. Im Endeffekt können wir alles auch selbst ganz gut. Was fehlt, sind natürlich die Kontakte zu den DJs, der Presse und den Bookern. Ohne Label stößt man etwas an Grenzen, was die eigene Reichweite und Auftrittsmöglichkeiten angeht. Da unser WNTV Projekt nie hauptberuflich betrieben werden soll, stimme ich Lars zu. Gegen eine größere Hörerschaft und das ein oder andere Konzert habe ich natürlich trotzdem nichts einzuwenden.

BODYSTYLER: Da wir alle aus Berlin stammen und in einem ähnlichen Alter sind, vermute ich mal, dass wir ähnliche Clubs besucht haben. Was waren über die Jahre Eure Club- bzw. Veranstaltungsfavoriten?

LARS GOEHRING: Ich war früher eigentlich überall, wo Parties waren, innerhalb der Szene zum Beispiel im Kato, Non Tox oder Duncker und in Potsdam im Lindenpark Keller. Ganz früher auch in Frankfurt/Oder in der Grotte.

OLIVER STAATS: Ich war während meiner NRW-Zeit im Matrix in Bochum, Wuppertaler Pavillon und einem Club in Remscheid, dessen Namen ich vergessen habe, unterwegs. In meiner Zeit in Berlin dann häufig im Kasi oder später Nuke sowie dem SilverWings. Entsprechend war ich auf den Veranstaltungsreihen KdN!, ElectroRebel, Transition und Dämonenball unterwegs.

BODYSTYLER: Ich durfte letztes Jahr Eurer Live-Premiere beiwohnen und war angenehm überrascht von der überzeugenden Performance. Meines Wissens seid Ihr seitdem noch ein paar Mal aufgetreten und plant weitere Gigs. Gibt es bereits konkrete Termine zu vermelden? Was wird den Zuschauer erwarten?

LARS GOEHRING: Vielen Dank für das Lob. Live werden wir mittlerweile von zwei Freunden am Schlagzeug, Bass und Zweitstimme unterstützt. Wir hatten ein großes Publikum beim Out of Line Weekender im Astra, das war cool und macht Lust auf mehr.

OLIVER STAATS: Wir proben regelmäßig und nehmen neue Songs mit rein. Ich glaube, wir bekommen ein sehr gutes Set zusammen. Im Januar haben wir unser fünfjähriges Jubiläum mit einem Konzert im kleinen Rahmen in der 12° Aetherloge gefeiert. Jetzt suchen wir nach weiteren Möglichkeiten aufzutreten. Konkrete Termine gibt es leider nicht.

BODYSTYLER: Vielen Dank für die Beschäftigung mit meinen Fragen. Ich wünsche Euch viel Erfolg mit dem neuen Album und viel Spaß bei den nächsten Auftritten! Cheers!

LARS UND OLIVER: Vielen Dank - es gefällt uns, dass sie nicht nur an der Oberfläche kratzen!
Liebe Grüße von WNTV!