BODYSTYLER: Die Wurzeln aus welchen letztendlich Dina Summer entsprungen ist, sind vielfältig verzweigt. Wie habt Ihr Euch kennengelernt und wie ist die Idee zum Projekt entstanden? Wie viele Charakteristika von Frittenbude, Local Suicide, Kalipo finden sich in Dina Summer wieder?
JAKOB: Dina Summer entstand erst aus der Idee, dass wir uns als Kalipo und Local Suicide featuren. Die ersten Tracks wie „Dominator“ kamen ja auch anfangs nur unter diesem Namen raus. Erst als wir dann nach ein paar Studio Sessions merkten, dass wir in kurzer Zeit gemeinsam super viel Musik produzierten, wurde uns klar, dass hier ein neues Projekt entsteht. Außerdem klingt Dina Summer als Name viel besser. Ich höre aber klar Parallelen zwischen allen Projekten. Es hat hier und da eine gewisse Roheit, die ich von Local Suicide kenne und Sound Elemente wie Melodien, die ich bei Kalipo schon verwendet hatte. Rampue, ein guter Freund von mir, meinte letztens, dass ihn einige Sachen von Dina Summer an die frühen Electropunk Jahre von Frittenbude erinnern, was ich auch nachvollziehen kann. So hängt für mich alles zusammen.
BODYSTYLER: Eure ersten Songs wiesen hin und wieder bereits düstere Seiten auf, aber die Retro-/Italo-Disco war doch sehr präsent. Wie kam es zur schrittweisen Neujustierung des Kurses hin zu mehr Electro-/Cold-Wave und Synth-Pop/EBM und welche Rolle spielte die "Hide & Seek"-EP dabei?
DINA: Die Entwicklung unseres Sounds war ein natürlicher Prozess. Wir haben uns erlaubt, zu experimentieren und uns von unterschiedlichen Einflüssen inspirieren zu lassen, ohne uns selbst Grenzen zu setzen. Die "Hide & Seek"-EP war ein Wendepunkt, da wir hier tiefer in düstere Klangwelten und strukturell komplexere Arrangements eingetaucht sind. Wir sind mit ganz unterschiedlichen Genres aufgewachsen, aber Synth-Pop und New Wave waren immer ein wichtiger Teil davon. Das sind alles Sounds, die wir lieben und die uns geprägt haben – es war also fast unvermeidlich, dass wir irgendwann auch Musik in diese Richtung machen würden.
BODYSTYLER: Bereits anhand der Cover Eurer Veröffentlichungen lassen sich verschiedene Schaffensphasen erkennen. In Schwarz/Weiß-Optik gestartet wurde es rund um "Rimini" sonniger bevor 2023 das Corporate Design mit dem seitlichen Schriftzug übernahm. Mit den letzten Veröffentlichungen schlagt Ihr wieder einen neuen, optischen Weg ein. Wie wichtig ist Euch dieses teils klar definierte/abgegrenzte Artwork-Design?
DINA: Wir legen großen Wert auf Ästhetik und haben ein Faible für stilvolles Design. Als Vinyl-Sammler sind wir zudem von Plattencovern fasziniert und haben selbst schon oft Platten allein wegen ihres Artworks gekauft. Das Artwork ist für uns ein essenzieller Teil des kreativen Prozesses – es muss den Sound repräsentieren und gleichzeitig visuell ansprechend sein.
BODYSTYLER: Wie entstehen Eure Songs? Beginnt Ihr mit den Beats/Sounds/einer Melodie oder bildet auch mal eine inhaltliche Idee/ein konkreter Text die Ausgangsbasis?
JAKOB: Die Songs auf dem Album sind fast immer zuerst mit einer Idee wie wir klingen wollen und dem Instrumental entstanden. Das ging bei diesem Album größtenteils ziemlich schnell. Ich glaube, im schnellen Arbeiten liegt eine Kompromisslosigkeit, die ich sehr gerne mag. Musik funktioniert für mich am besten impulsiv, aus einem Guss. Der größte Fehler ist es für mich zu verkopfen. Fast alle Instrumentale sind in nicht mehr als 7 Tagen entstanden. Das war eine super inspirierte und euphorische Zeit, in der wir genau wussten, wo wir hin wollen und an jedem Abend sind zwei bis drei Tracks entstanden. Der Gesang und die Texte kamen dann erst später drauf, wofür wir uns bisschen mehr Zeit ließen.
BODYSTYLER: Im Song "Girls gang" zählt Ihr diverse Gothic-Einflüsse auf. Wie seid Ihr diesbezüglich sozialisiert worden und was sind Eure (sonstigen) Favoriten in dieser Szene?
DINA: In meiner Teenagerzeit habe ich mich in die Musik von Bands wie The Cure, Depeche Mode, Dead Can Dance, Cocteau Twins, The Sisters of Mercy, Bauhaus und vielen anderen verliebt. Irgendwann begann ich, als Goth feiern zu gehen – ich war die einzige Goth in der kleinen Stadt, in der ich aufgewachsen bin, und später auch in der Kleinstadt, in der ich studierte. An der Uni lernte ich jedoch andere Musikliebhaber kennen, mit denen ich viele gemeinsame Vorlieben teilte und durch die ich auch neue Musik entdeckte.
Erst als ich nach Thessaloniki zog, traf ich andere Goths, mit denen ich viele Gemeinsamkeiten hatte. Trotzdem war mein Musikgeschmack immer zu breit, um mich auf eine Szene zu beschränken. Später zog ich für meinen Master nach Berlin, und dort eröffnete sich eine völlig neue Welt für mich. Zunächst tauchte ich in die Welt des Minimal Techno ein, später führte mich mein Weg über Dark Disco zurück zu Dark Wave und ähnlichen Genres. Besonders heute, wo die Szene wächst und es so viele großartige Bands gibt, finde ich mich in der Musik von Künstlern wie She Past Away, Boy Harsher, Lebanon Hanover, Whispering Sons, Sextile und vielen anderen wieder.
BODYSTYLER: "Schall und Rauch" enthält auch mal wieder deutschsprachige Bestandteile sowie Post Punk-Elemente. Wie sind diese Lyrics entstanden und wie kam es zum Duettgesang?
JAKOB: Dina hatte zuerst die Strophen geschrieben und eingesungen. Allerdings fehlte noch ein Refrain. Beim Autofahren ins Studio kam mir dann die Gesangsmelodie. Da Deutsch meine Muttersprache ist und es mir leichter fällt, hab ich die Demo erst mal auf Deutsch aufgenommen, was letztendlich dann so gut gepasst hat, dass es dabei blieb. Ich weiß allerdings bis heute nicht genau, ob mein Text im Refrain die Intension von Dinas Text in der Strophe spiegelt.
BODYSTYLER: Mit "Halkidiki" knüpft Ihr an den roten Faden "Mittelmeer" an, den ihr einst mit "Rimini" begonnen habt? Was könnten die nächsten Urlaubstipps sein?
DINA: Ahaha, wir sind doch Dina "Summer" – Sommerurlaubstipps wird es von uns definitiv weiterhin geben! Aber jetzt mal Spaß beiseite: Rimini haben wir damals ausgewählt, weil es in den 80ern der Nabel von Italo Disco war. Da unser Album sehr italo geprägt war, fanden wir es absolut passend. Halkidiki haben wir jetzt gewählt, weil ich aus Griechenland komme und seit meiner Kindheit fast jeden Sommer dort verbracht habe. Während der Pandemie haben Max und ich auch außerhalb des Sommers viel Zeit dort verbracht, und es wurde bis heute zu unserem zweiten Zuhause. Dieser Ort hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen – er war auch der Lieblingsort meines Vaters, der leider verstorben ist.
Der Song handelt von diesem nostalgisch-warmen Gefühl, das man hat, wenn man an schöne Urlaubsmomente denkt. Es ist eine Mischung aus Glück und Melancholie. Für mich ist Halkidiki genau dieser Ort.
Und Urlaubstipps für die Zukunft? Vielleicht eine musikalische Reise nach Griechenland, die noch tiefer in meine Wurzeln eintaucht, oder eine Hommage an Orte wie Capri oder die Côte d’Azur. Es ist faszinierend, wie viele Geschichten und Emotionen ein geografischer Ort transportieren kann.
BODYSTYLER: "Promise me" (feat. Curses & Joshua Murphy) sticht durch den rauen Charakter sowie den expressiven Gesangspart aus dem Album heraus. Was könnt Ihr zu dieser Kollaboration erzählen?
DINA: Wir sind sehr enge Freunde von Curses und Joshua Murphy und lieben ihre Musik, deshalb wollten wir sie unbedingt in das Projekt einbeziehen. In der Vergangenheit haben wir als Local Suicide schon mit Curses zusammengearbeitet, und er ist einer der talentiertesten und inspirierendsten Menschen, mit denen wir je Musik gemacht haben. Außerdem hat er eine sehr kraft- und gefühlvolle Stimme, die wir einfach lieben. Joshua Murphy ist ebenfalls ein großartiger Musiker. Er bot an, bei einem unserer Songs Gitarre zu spielen, also haben wir uns im Studio getroffen, und er hat auf "Promise Me" gejammt – wir sind super happy mit dem Ergebnis!
BODYSTYLER: Die Angst, etwas zu verpassen ist Thema des Songs "FOMO", welchen Ihr auch musikalisch sehr adäquat umsetzt. Man spürt die Hektik und kann sich in das Getriebensein/die Unruhe der Betroffenen gut hineinversetzen. Wie seid Ihr mit diesem weit verbreiteten Phänomen in Kontakt gekommen?
DINA: Die Idee für den Song kam von Max, der mir sagte, ich solle ein Lied über FOMO schreiben. Also schrieb ich zunächst einen Song darüber, dass man keine FOMO haben sollte und sich nicht von der Gesellschaft, sozialen Medien oder Ähnlichem sagen lassen sollte, was man tun oder wo man sein sollte. Als wir uns dann im Studio trafen, zeigte ich den Jungs meine Texte, und Max meinte: "Oh nein, ich wollte, dass das unser Party-Anthem wird. Komm zu unseren Konzerten, es wird mega." Also, du solltest FOMO haben, denn keine guten Geschichten haben je damit angefangen, dass jemand früh ins Bett gegangen ist. Deswegen habe ich den Song umgeschrieben.
Letztlich ist es also so: Ja, du solltest FOMO haben – aber nur, wenn wir in deiner Stadt spielen. Dann solltest du am liebsten dabei sein, damit du kein FOMO hast. Ansonsten lebe dein Leben, bleib nicht nur zuhause, sondern mach Dinge für dich selbst, tue, was dir Spaß macht, und mach nicht, was andere von dir wollen oder was gerade cool ist, usw.
BODYSTYLER: Rund um Euer Debüt habt Ihr eine beeindruckende Zahl an Remixen veröffentlicht. Im Vorfeld der VÖ von "Girls Gang" ist es diesbezüglich vergleichsweise ruhig. Bewusste Zurückhaltung oder die Ruhe vor dem Sturm?
DINA: Tatsächlich eher die Ruhe vor dem Sturm. Wir wollten, dass die Songs erst mal für sich wirken, bevor sie durch Remixe eine neue Dimension bekommen. Aber es wird definitiv wieder einen Haufen Remixe geben – wir freuen uns schon darauf, tolle Künstler:innen dabei zu haben, die unseren Sound in neue Richtungen bringen.
Und um es noch etwas spannender zu machen: Wir haben bereits die erste Runde an Remixern an Bord, und es sind alles Künstler, die wir absolut lieben und die uns sehr inspirieren. Der legendäre Electroclash-Held DJ Hell von Gigolo Records hat einen Remix gemacht – mit zwei Versionen, eine für die digitale Welt und eine für die Vinyl. Und es ist - wie erwartet - ein Brett.
Außerdem haben wir noch andere Künstler, deren Arbeit wir wirklich schätzen, und einige von denen sind auch gute Freunde von uns, wie Damon Jee, Phunkadelica und Populists, die allesamt unglaubliche Versionen abgeliefert haben, die perfekt für den Dancefloor sind. Diese zusammen mit Club-Versionen und alternativen Versionen sind auch auf der 12" erhältlich, die mit der LP gekauft werden kann.
Ursprünglich wollten wir nur ein paar Remixe haben, aber am Ende konnten wir nicht widerstehen und haben noch mehr Freunde ins Boot geholt. Es kommen noch einige großartige Remixe, über die wir bald mehr Infos geben werden.
BODYSTYLER: Unter dem Banner der Reeperbahn Festival Collide Cover habt Ihr eine grandiose Version von "I wanna be your dog" von den Stooges aufgenommen. Wie kam es dazu?
JAKOB: Es gab zuerst die Anfrage, ob wir nicht einen Song für die Collide Sessions covern und performen wollen. Auf Tour hatten wir dann überlegt, was passen könnte. Mir kam dann irgendwann, dass „I wanna be your dog“ zum einen absolut wegbereitend für Punk war und somit auch für Techno, wo ich klar Zusammenhänge sehe und zum anderen der Song durch sein super stumpfes, energievolles und repetitives Pattern wunderbar als elektronischer Song funktionieren könnte. Klar haben wir zwei Mal überlegt, ob so eine legendäre Nummer nicht vielleicht unantastbar sein sollte. War uns dann aber egal!
BODYSTYLER: Würden Euch Cover anderer Songs ebenfalls reizen?
DINA: Absolut! Wir lieben es, mit bekannten Songs zu spielen und ihnen unseren eigenen Stil zu verleihen. Wir haben auch schon ein Cover von Front 242 – "Headhunter" und eines von The Passions – "Flirt" gemacht, die sehr gut angekommen sind und die wir immer noch auf unseren Konzerten spielen. Es gibt so viele Klassiker, die uns inspirieren – wer weiß, vielleicht wagen wir uns bald wieder an einen weiteren.
BODYSTYLER: Warum sollte man eines Eurer Konzerte gesehen haben?
DINA: Unsere Konzerte sind eine Explosion von Energie, Emotion und Musik, die verbindet. Es geht nicht nur darum, unsere Songs zu hören, sondern sie zu fühlen – mit dem Publikum, das Teil der Show wird. Wir haben eine Vielfalt von Songs – von eher bandorientierten bis hin zu clubbigen Tracks. Keine Show ist gleich. Wir passen die Playlists an die jeweiligen Locations und Veranstaltungen an und haben immer wieder neue Songs dabei. Die Girls Gang Tour wird eine Mischung aus älteren und neuen Songs sein. Das Einzige, was für alle unsere Konzerte gilt: Es ist eine Einladung, den Alltag loszulassen und sich ganz in der Musik zu verlieren. Ihr wisst schon, sonst gibt es FOMO (zwinkert).
Wir freuen uns schon auf die Girls Gang Tour, bislang sind bestätigt:
27.01.2025 Berlin, Roughtrade instore
21.02.2025 Luxembourg, Kulturfabrik supporting Kompromat
13.03.2025 Berlin, Lido
14.03.2025 Zürich, KAUZ
20.03.2025 Mainz, Schon Schön
22.03.2025 München, Rote Sonne
27.03.2025 Hamburg, Bahnhof Pauli
29.03.2025 Leipzig, Conne Island
05.04.2025 Wroclaw, Transformator
More TBA
BODYSTYLER: Letzte Worte?
DINA: Lebt euer Leben in vollen Zügen und schließt euch der Girls Gang an!