The Wars

Inspiration zum Kampf

16.03.2012 - Die Electro-Gemeinde kennt die Band mit dem kriegerischen Namen vom "Advanced Electronics Vol.8"-Sampler, auf dem die drei Berliner Jungs durch ihre Rolle als unelektronischste Band hervorstachen. Abgesehen davon, ist der präsentierte "Succubus" ein schnuckeliger, kleiner Ohrwurm. Ab jetzt geht es nicht mehr um Heilige Kriege, sondern um Heilende Kriege, "Healings" - so der Name des tollen Debüts. Von: Torsten Pape

Image Das mit dem Sonnenstudio habt ihr falsch verstanden, Jungs! (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Welche Kriege, außer Euch selbst natürlich, mögt Ihr am liebsten?
CHRIS: Ich persönlich verabscheue Krieg und habe seit meiner Kindheit Albträume davon. Seine eigene Band so zu nennen, ist eher ein ironischer Versuch, sich von allen Konflikttreibern zu distanzieren. Alles, was ich bei The Wars durch meine Texte nach außen trage, befasst sich eher mit der Frage, warum sich die Menschheit ständig in Konflikte begibt - wo ist die Wurzel des Hasses?
GERNOT: Am allerliebsten mag ich Psycho-Krieg.
FELIX: Erstmal: Wir hassen den scheiß Krieg, zwischen Ländern, Religionen, Menschen! Es ist eine Schande, dass es so was in unserer Zeit noch gibt. Lernt denn keiner aus seinen Fehlern? Allerdings gibt es auch andere Kriege, gewaltfreie und diese sind sehr wichtig für unsere Gesellschaft und für uns persönlich. Es geht hier um Streit und zwar im positiven Sinne. Harmonie gehört ans Klavier, man muss kämpfen für seine Meinung. Wir leben hier in einer Demokratie, das ist eine Streitgesellschaft. Das scheinen viele Leute zu vergessen, kleben mit ihrem fetten Arsch vor dem Bildschirm, unglaublich träge. Auch in einer Beziehung läuft nicht immer alles glatt und das ist gut so, denn nur so kommt man weiter. In diesem Sinne soll unser Bandname und unsere Musik verstanden werden, soll Inspiration sein zu kämpfen.

BODYSTYLER: Wie sehr hat es Euch erstaunt, dass Euer Bandname noch nicht vergeben war?
CHRIS: Sehr! Als wir das damals im Internet überprüften, stießen wir auf genau eine Band aus Sheffield in England, die so hieß. Das war eine Schülerband, die nie irgendetwas veröffentlicht hat, geschweige denn irgendwo aufgetreten wäre. Es ist schon erstaunlich, dass sich niemand sonst diesen Namen geschnappt hat, da er einen sehr grundsätzlichen Begriff enthält, der wohl einer der ältesten der Welt ist.
FELIX: Hab ich ehrlich gesagt noch nie drüber nachgedacht. Aber stimmt, ist eigentlich komisch.

"Musst dir mal das Gesicht unseres Bassers anschauen, wenn der Musik macht. Sieht aus, als ob er gerade im Weltraum von 1.000.000 Aliens attackiert wird!"

BODYSTYLER: Halten Euch eigentlich viele Leute seit Eurem Beitrag auf dem "Advanced Electronics Vol.8"-Sampler für eine Electro-Band?
CHRIS: Nein, eher nicht. Allerdings gibt es halt Menschen, die über "Succubus" zu uns gestoßen sind. Viele davon kamen aus der Gary Numan- und Krautrock-Ecke.
GERNOT: Nein, ist mir nix zu Ohren gekommen. Wundert mich auch nicht. So sehr Electro ist "Succubus" ja gar nicht.
FELIX: Den Eindruck hab ich nicht. Allerdings war unsere Musik vor zwei Jahren definitiv elektronischer. Es wurde mit einem Drumcomputer gearbeitet, inspiriert von Krautrockbands wie zum Beispiel Kraftwerk. Auf dem neuen Album treten die elektronischen Elemente überwiegend als Fragmente auf. Die Drums habe ich live gespielt, mit Ausnahme von "Succubus". Wir haben uns entwickelt. Was die bisherigen Reaktionen betrifft, scheinen das die Fans gut nachvollziehen zu können.

BODYSTYLER: Ihr habt in den letzten Jahren ein paar schmucke Download-EPs/-Singles veröffentlicht und seid viel aufgetreten. War es eine bewusste Entscheidung, die Dinge bis zum ersten Album langsam reifen zu lassen oder hättet Ihr bei der passenden Gelegenheit gern schon früher auf der Matte gestanden?
CHRIS: Das war eine bewusste Entscheidung. Wir haben uns am Anfang geradezu darin gesuhlt, im totalen Underground zu sein. Das ist ein Gefühl großer Freiheit. Mit "Succubus" entdeckten wir unsere Faszination für Pop-Elemente und als wir im Laufe der Zeit merkten, dass das Interesse an der Band wächst - auch seitens der Industrie - freuten wir uns natürlich, aber warteten noch, bis wir soweit waren, ein ganzes Album abzuliefern, das unseren Ansprüchen genügte.
GERNOT: Ja, man könnte fast behaupten, dass alles nach Plan gelaufen ist. Theoretisch hätten wir auch früher mit einem Deal etwas anfangen können. Letztendlich glaub ich aber, der Zeitpunkt ist ein guter - für die Band und das Album.
FELIX: Im Nachhinein betrachtet war es gut, dass das ganze so lange gedauert hat. Wir haben die Zeit gebraucht, um uns zu entwickeln. Wäre das ganze allerdings schon früher passiert, hätten wir uns bestimmt nicht dagegen gewehrt. Es ist halt so, wie es ist und das Ergebnis gefällt uns sehr gut. Ich hatte nie das Gefühl, auf irgendwas zu warten.

BODYSTYLER: Obwohl Ihr mittlerweile fast jede relevante Auftrittslokalität in Berlin bespielt habt, hatte ich bis jetzt leider noch nicht das Vergnügen, Euch auf der Bühne zu sehen. Was bedeutet Euch die Livepräsentation und was erwartet einen beim Besuch einer Eurer Auftritte?
CHRIS: Live spielen ist wie das Essen servieren nach dem Kochen: Beides macht halt sehr viel Spaß. Als wir die Ehre hatten, auf dem Summer Darkness 2011 vor Killing Joke spielen zu dürfen, vor einem großen und wirklich wohlgesonnen Publikum, waren wir ziemlich happy. Ein Gefühl, das man gerne immer und immer wieder erlebt. Die Zuschauer erwartet bei Shows von The Wars vor allem sehr viel Energie. Wäre ich im Publikum, würde ich wahrscheinlich andauernd unseren Basser anglotzen und bei seinem irrsinningen Spiel denken: "Junge, du bist nicht ganz dicht." Musst dir mal sein Gesicht anschauen, wenn der Musik macht. Sieht aus, als ob er gerade im Weltraum von 1.000.000 Aliens attackiert wird.
FELIX: Wir lieben es, live zu spielen und es gibt dafür keinen Ersatz. Die Energie eines Konzertes lässt sich nicht nachbilden und auch in hundert Jahren werden die Menschen noch in Clubs gehen und sich ihre Bands live anschauen. Es ist etwas sehr persönliches, jedes Mal anders. Und genau darum geht es uns bei unseren Konzerten. Den Fans etwas einmaliges zu bieten, sie zu berühren.

BODYSTYLER: Ihr seid eine der Bands, die einem den Songtitel nicht ständig im Refrain um die Ohren hauen. Warum ist das bei Euch so? Schick oder Prinzip? Werden Eure Songs oft beim falschen Namen genannt?
FELIX: Ich würde sagen: Schick und deswegen Prinzip. Unsere Songs haben viel Interpretationsspielraum, ich mag es nicht, wenn Texte zu plump formuliert sind, jeder soll sich sein eigenes Bild machen. Aber da weiß Chris bestimmt mehr.
CHRIS: Nein, die Leute merken sich komischerweise die Namen unserer Songs, die ihnen gefallen. Die Marotte, Songs am Refrain vorbei zu benennen, habe ich von Kurt Cobain, der mal sinngemäß sagte:"Coole Indie-Bands geben ihren Songs verrückte Namen, die nicht im Lied vorkommen, im Gegensatz zu Mainstream-Bands."

BODYSTYLER: Wie kommt man denn auf einen Songtitel wie "Parsec"? Was ist Euer Bezug zur Parallaxensekunde?
CHRIS: Ein Parsec entspricht 3,26 Lichtjahren, also der Strecke, die das Licht in 3,26 Jahren zurücklegt. Der Bezug zum Text ergibt sich für mich, wenn man diese Weiten metaphorisch als seelischen oder kulturanschaulichen Abstand zwischen den Menschen betrachtet. In dem Lied singe ich:"A change in devotion. A wreck in the ocean. This queen is gone today. Melted with plastic this soul is elastic. Only breaking the cold hearts." Für mich sind die Zeilen als Ausdruck gegenseitiger Entfremdung gedacht - sowohl auf globaler als auch unmittelbarer Ebene.

BODYSTYLER: Das Video zu "Parsec" könnte man ja schon mit dem Untertitel "Krieg und Frieden" versehen. Wie ist diese simple, aber sehr effektive Idee entstanden und was könnt Ihr zur Umsetzung erzählen?
CHRIS: Wir haben ein Theaterstück von Dostojewski gesehen, gespielt von Iljá Pletner und Iris Boss, der Freundin von Gernot. In dieser Interpretation ging es auch um Entfremdung, allerdings in die Moderne übertragen. Ich dachte mir, was wäre, wenn man nur drei Minuten zur Verfügung hätte, etwas ähnliches zu erzählen. Da kam mir die Idee, das ganze völlig zu überzeichnen und zu raffen, indem man Schwarz gegen Weiß antreten lässt als eine Art Love/Hate-Story zwischen Superhelden. Wir hatten die großen Ehre, das Projekt mit den gleichen Schauspielern im gleichen Theater durchzuführen. Iris und Ilja hatten nur die Anfangs- und Endsequenz als Vorgabe. Die restliche Choreographie haben die beiden rasend schnell selbst entwickelt. Abgesehen von der Herstellung der Kostüme und dem Schneiden des Videos hat das eigentliche Drehen nur ein paar Stunden gedauert.

BODYSTYLER: Mit "Ethon" und "Succubus" habt Ihr zwei mythologische Wesen an Bord. Mögt Ihr vielleicht die Geschichte dieser beiden Songs erzählen?
CHRIS: Wie schon vorher beschrieben, befanden wir uns vor "Succubus" im totalen Underground. Als unsere damalige Veröffentlichung der "Rift"-EP ein paar Wellen im Netz schlug, traten die Macher von "Advanced Electronics" auf uns zu und fragten nach einem Beitrag von The Wars für den Sampler. Das war eine große Verführung für die Band, der wir letztendlich nachgeben wollten, da wir auch die Chance sahen, ein größeres Publikum zu erreichen. Verführung ist auch das Thema des Songs, dessen Heldin am Ende an ihrem eigenen Verlangen drastisch scheitert. "Ethon", nach dem gleichnamigen Adler, der Prometheus' Leber immer und immer wieder frisst, bezieht sich auf das Lebensgefühl der Moderne. Ich glaube, Gernot hatte damals dieses Bild im Kopf. Man ist ständig von inhaltsbefreiter Versuchung umgeben, die einen praktisch auffrisst, wenn man ihr erliegt. Ein ständiger Prozess des Wiederauffüllens der Leere. Der Refrain wird getragen durch die eskapistische Zeile:"When there is nothing I wanna sleep!"

"Live spielen ist wie das Essen servieren nach dem Kochen: Beides macht halt sehr viel Spaß!"

BODYSTYLER: Wie kam es zur wirklich tollen Idee der "Weekly Wars"?
CHRIS: Wir dachten uns, in einer Zeit der schmucklosen Tweets und der ständingen Live-Updates, wäre es doch mal interessant zu versuchen, sich auf wesentliche Informationen zu reduzieren, jene aber medial aufzubereiten und sie wöchentlich zu präsentieren. Das gibt den Leuten eventuell die Ruhe und den Rhythmus der guten alten Print-Magazine, gepaart mit den Vorteilen des Netzes.
FELIX: Wir möchten unseren Fans gerne mehr über uns erzählen, einen gewissen Einblick geben, was bei uns so passiert. Ich hätte mir das bei meinen Lieblingsbands immer gewünscht. Zudem ist es eine Art Dankeschön an alle, die sich für unsere Musik interessieren. Wir bieten dort regelmäßig Videos und Previews und einen Einblick in die Entstehung des Albums. Ein kleiner Bonus zum kommenden Album.

BODYSTYLER: Zum Song "Enclave" habt Ihr bereits in den "Weekly Wars" geschrieben, dass er aus einem Jam entstanden ist und da scheint ja auch wirklich etwas musikalisch Magisches passiert zu sein. Gibt es auf der anderen Seite auch die Momente, in denen Ihr um einen Song kämpfen müsst? Wie könnte so ein Kampf aussehen?
FELIX: Oh ja, das haben wir auch. Manchmal braucht es ein bisschen, bis die zündende Idee kommt. An einem Song des neuen Albums, saßen wir etwa drei Wochen. Wenn man an einen Song glaubt, muss man dranbleiben.
CHRIS: All unsere Songs entstehen aus Jams, die wir aufnehmen, nur dass wir uns im Falle von "Enclave" sehr viel vom ursprünglichen Take bewahrt haben. Man kann sehr viel Umgebungsgeräusche hören - auf der Gesangsspur hört man sogar vereinzelt die benachbarte Band. Die sehr positiven Reaktionen der Fans auf diesen Song haben uns insofern überrascht, als dass wir ihn selbst für unsere Verhältnisse als relativ gewagt empfanden, aber uns sicher waren, dass genau dieser Track die Platte abrundet. Um einen Song kämpfen zu müssen, kann durchaus vorkommen. "Safari" war so ein Kandidat. Irgendwann stellten wir fest, dass in dem einen Song mehrere Lieder steckten und es dadurch schwer war festzustellen, wo vorne und hinten ist. Der Prozess, "Safari" auf seine Substanz zu reduzieren, begleitete uns fast die gesamte Produktion von "Healings".

BODYSTYLER: "Krieg der Welten", "Krieg der Sterne" oder "Der Rosen-Krieg"?
CHRIS: "Battlestar Galactica"!
FELIX: "Krieg der Rosen", wobei "Krieg der Sterne" natürlich auch geil ist.

BODYSTYLER: Mögt Ihr es eigentlich, wenn sie sich Rache wünscht?(zwinkert)
FELIX: Seven switched witches watch swiss Swatch watches. Which switched witch watches which switched watch?
CHRIS: Nice try (lacht)! Aber im Ernst: She wants Revenge ist eine großartige Band, die ich leider erst kennen gelernt habe, als man anfing, uns mit ihnen zu vergleichen. Ich glaube, beide Bands haben ähnliche Wurzeln.