Escape With Romeo

Helikopter statt Engel

29.03.2012 - Es passiert nicht selten, dass die Band um Sänger Thomas Elbern als Urgestein des deutschen Wave-Rocks bezeichnet wird. Mit dem neuen Album beweist man nun eindrucksvoll, dass auch Dinos für einen Tapetenwechsel gut sind. Plötzlich präsentiert man gekonnt deutsche Texte und musiziert elektronischer denn je, ohne natürlich die typischen, lieb gewonnenen Stilistiken zu vergessen. Von: Torsten Pape

Image Thomas Elbern (rechts) und seine Mitstreiter wollen verblüffen. (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Der Helikopter hat sich mit der Zeit zu Eurem Markenzeichen entwickelt. War das ein Zufall - vielleicht ausgehend von den regennassen Hubschraubern oder symbolisiert das Flugobjekt gar etwas Besonderes für Euch?
THOMAS ELBERN: Der Helikopter symbolisiert Rettung, Flucht und Gefahr zugleich. Alles fing an mit dem Song "Helicopters in the falling rain", der besonders in Spanien großen Anklang fand. Ich war den Engel ehrlich gesagt leid, ich wollte eine neue, modernere Symbolik. Da war der Helikopter die passende Wahl.

BODYSTYLER: Seid Ihr schon mal mit einem Hubschrauber geflogen?
THOMAS ELBERN: Yo, ich bin einmal auf dem Bizarre-Festival in den 90ern geflogen, konnte Iggy Pop von oben sehen und unser Keyboarder Potti, der Arzt ist, ist gelegentlich mit dem Rettungshubschrauber unterwegs

"Ich möchte die deutsche Band Der Plan zitieren: "Es ist eine fremde und seltsame Welt!"

BODYSTYLER: Samsara, Kali, Shangri-La..., das sind nur die offensichtlichen Zeichen dafür, dass fernöstliche Lehren / Lebensweisen / Anschauungen / Orte Einzug in das Schaffen von EWR gehalten haben. Was konntet Ihr mit diesen Dingen besser vermitteln, als mit anderen Kulturen/Religionen? Was bedeuten Euch diese Begriffe und die Vorstellungen, die sich damit verbinden?
THOMAS ELBERN: Ich praktiziere schon seit vielen Jahren Yoga und Meditation, da ist man mit "Samsara" gut vertraut. Außerdem gibt es einen klasse Film von Pan Nalin, der auch "Samsara" heißt und den ich sehr mag. Gereizt hat mich, diesen Aspekt auf die Band und die Aussage des Albums zu übertragen und zwar ohne die sonst so üblichen esoterischen Beigaben und Symbole. Die Symbole, mit denen wir das jetzt transportieren, passen viel eher in das Escape-Universum. Du siehst brennende Städte, Helikopter, Flugzeuge, aber auch den Jungen, der die Zukunft repräsentiert und in dieser Welt leben muss. Das ist für mich "Samsara" und dieser typisch verhangene Himmel, der sich langsam aufklart, hat für mich viel mit Escape with Romeo und der Grundstimmung in der Musik zu tun.

BODYSTYLER: Wirkt der Samsara-Kreislauf auf Euch beruhigend / gibt er Euch Sicherheit oder wohnt ihm eher etwas Bedrohliches/Erschreckendes inne?
THOMAS ELBERN: Sagen wir mal so: Vergänglichkeit hat etwas sehr Erschreckendes. Es steht zwar im Drehbuch des Lebens, wird aber gerne immer wieder ausgeblendet. "Samsara" steht für den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen. Wir alle sind in diesem Kreislauf gefangen und müssen das Beste daraus machen.

BODYSTYLER: Ihr wolltet Euch nach über zwanzigjähriger Bandgeschichte neu definieren und erfinden. Das ist Euch mit dem aktuellen Werk definitiv gelungen. Was war der Hauptgrund dafür, die gewohnten, funktionierenden Bahnen zu verlassen und neues Terrain zu erforschen? Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr nicht alle Brücken zur Vergangenheit abreißt?
THOMAS ELBERN: Die erste Reaktion war, Escape with Romeo komplett auf Eis zu legen. Wir haben zu lange die immer gleichen Songs gespielt und irgendwie fehlte mir als Songschreiber bei Escape der aktuelle Bezug. Ich wollte EWR neu erfinden. Die Idee war, mit einem Album zu kommen, das alle irgendwie verblüfft. Keine Kompromisse, neue Wege, also auch beispielsweise Stücke in Deutsch zu machen. Ich hab mich dabei nicht am Elbern-Projekt orientiert, sondern wollte vielmehr die aktuellen Escape with Romeo mit deutschen Texten machen. "Samsara" ist also als eine Art Update einer Band gedacht, die es über 20 Jahre gibt und die sich nicht selbst kopieren will. Insofern findet man jetzt Songs wie "Simulationen" und "Wrong Laila", das noch an die alten EWR erinnert, nebeneinander. Natürlich stehen wir aber noch zu unserer Tradition und die ist, auch immer wieder alte Songs zu aktualisieren und live zu spielen.

BODYSTYLER: Thomas, inwiefern hast Du vielleicht trotzdem die Erfahrung, die Du mit Deinem Solo-Projekt gesammelt hast, beim Erstellen der deutschen Texte genutzt? Gab es eine ähnliche Herangehensweise oder hat sich da etwas Grundlegendes verändert?
THOMAS ELBERN: Das Elbern-Projekt hatte unter anderem die Idee, Schlager der 30er im Wavesound neu auferstehen zu lassen ("Der Wind hat mir ein Lied erzählt" beispielsweise...). Ich wollte mit EWR von all dem weg. Das war am Anfang schwer und ging nicht leicht von der Hand. Es brauchte eine Zeit, um herauszubekommen, welche Songs besser in Englisch und welche besser in Deutsch funktionieren.

BODYSTYLER: Ist das Gleichgewicht zwischen deutsch- und englischsprachigen Songs eigentlich Zufall oder Absicht?
THOMAS ELBERN: Es kam immer auf die Qualität der einzelnen Songs an. Einige Songs haben besser in Englisch funktioniert, andere wiederum in Deutsch. Die Zusammenstellung auf dem Album hat etwas mit einer Art Ranking innerhalb der Band zu tun: Songs auf die wir uns alle einigen konnten.

BODYSTYLER: Die elektronische/synthetische Komponente ist schon lange ein Bestandteil der Musik von EWR, jetzt aber noch präsenter und verleiht dem neuen Album so eine deutlich futuristische Note. Was hat sich bei der Komposition und dem Integrieren dieser Elemente über die Jahre verändert?
THOMAS ELBERN: Die veränderte Studiolandschaft. Du hast heute ganz andere Tools zur Verfügung. Das prägt auch die Musik von EWR. Außerdem bin ich ein riesiger Vocoder-Fan. Das hört man auf dem Album ("Ground control", "Simulationen" zum Beispiel). Uns ist es sogar gelungen, den Vocoder nun live zu integrieren.

BODYSTYLER: Welche Komponisten/Künstler/Bands inspirieren Euch beim Umgang mit dem Computer bzw. den Synthesizern?
THOMAS ELBERN: Ich hab während der Entstehung des Albums viel Trance gehört, aber auch einige Trip Hop- und Dubstep-Sachen. Burial, Armin van Buuren, aber auch Rockalben von Fair to Midland und Dredg waren Einflüsse.

BODYSTYLER: Die Welt der "Simulationen" kann etwas sehr reell Wirkendes, wenn auch nicht Reales sein, genau wie die Welt der Halluzinationen. Das eine ist von Menschenhand erschaffen, das andere durch pathologische Prozesse oder chemische Einflüsse. Kannst Du bitte etwas mehr zu diesem sehr vielschichtigen Song (-Inhalt) erzählen!
THOMAS ELBERN: Es ist eine Abrechnung mit Illusionen in den 2000ern. Mit dem Aspekt von "Glauben machen" und ständig ernüchtert zu werden. Es ist die Frage: Was ist eigentlich wirklich wahr? Welche Rolle spielt das Internet? Ist das wirklich eine parallele Realität? Eine Welt, in der alle nur noch in ihre Smartphones tippen und ihre Freunde im Netz rumspuken und die eigentliche Face To Face-Kommunikation zweitrangig wird. Es ist eine Art Protestsong, deswegen auch die Roboterstimme, die das Liebesbekenntnis bringt. Ich möchte die deutsche Band Der Plan zitieren: "Es ist eine fremde und seltsame Welt."

"Sagen wir mal so: Vergänglichkeit hat etwas sehr Erschreckendes!"

BODYSTYLER: Betrachtet man Eure Bandgeschichte und herausgelöst einzelne Songs, könnte man zu folgendem Schluss kommen: Zuerst war das Motto "Going underground", dann wurden wir (an der Oberfläche) geerdet ("Grounded") und nun geht's ins All und die Verbindung zur "Ground control" scheint abgerissen zu sein. Ist ja schon eine geradlinige Entwicklung, oder?
THOMAS ELBERN: Nicht wirklich, es hat sich so ergeben. Gerade "Ground control" hat eine ähnliche Thematik wie seinerzeit "Brainwashed again". Eine Art Update vom Song "Space oddity" von David Bowie. Verloren im All und das zwischen Glücksgefühl und Verzweiflung.

BODYSTYLER: Bis vor zehn Jahren waren Singles ein Teil Eurer Diskographie. Ist dieses Format für Euch noch bzw. wieder relevant?
THOMAS ELBERN: Höchstens als digitaler Download, denn Singles sind als Verkaufsaspekt eher tot. Ich denke, wir werden in dieser Form "Tears of Kali" als Single machen, da mein Freund Volker von T.O.Y.einen klasse Remix davon gemacht hat.

BODYSTYLER: Seit einiger Zeit arbeitet Ihr mit einem Visual Artist zusammen, der auch die Livedarbietung auf ein neues Niveau heben wird. Verrate doch bitte schon ein paar Details, damit man auch so richtig neugierig auf die Präsentationen wird. Wird es eventuell weitere Formen der optischen Darbietung geben (Videos, Bücher, interaktive Internetpräsenz...)?
THOMAS ELBERN: Wir haben das Konzept am letzten Wochenende erstmals ausprobiert und es hat funktioniert. Der Visual Artist unterstützt die Songs durch seine Bilder und wir sind damit erst am Anfang. Wir planen, auch mehr Videos zu machen und endlich die Website auf den neuesten Stand zu bringen. Eine DVD gibt es von uns ja schon.

BODYSTYLER: Warum fallen dem Jungen auf dem Cover eigentlich die Erdnüsse aus der Hand? Und was ist das für ein Molekül (??) zu seinen Füßen?
THOMAS ELBERN: Frag unseren Grafiker von www.pixellabor.com, der das Bild schon vorher fertig hatte und für den ich mich genau deshalb entschieden habe. Wir haben es nur escapifiziert.