Wir leisteten wie stets ein Stück Pionierarbeit, plünderten den Schminkkoffer deiner kleinen Schwester und begaben uns direkt in den Raubtierkäfig von Felix Flaucher…
BODYSTYLER: Scheiße nochmal! Mir fällt ja grad ein, dass 'ne ganz andere musikalische Fleischmütze dieses VW-Rumgeficke betrieb. Ihr hingegen habt ja bisher Omnipräsenz noch nicht mit Omnipotenz verwechselt. Wollen wir es dabei belassen, oder trotzdem noch ein wenig konspirativ palavern?
18 SUMMERS: Also ich fahr ja höchstens mal mit dem Omnibus und das lässt sich natürlich gar nicht vergleichen. Wo ist denn beim Grafen der Sonnenschutz mit lustigem Clownsgesicht? Also wo ist der Sonnenschutz? Ich hoffe, Volkswagen lässt sich nicht lumpen und stellt uns zu unserem großen Jubiläumskonzert auf der dunklen Seite des Mondes ein paar dieser fabelhaften MAGIC CIRCUS CADDYs vor die Tür. Dann macht uns die BILD endlich zur Volksband und die völkischen Beobachter knipsen Jubelfotos für das einfache Volk. Irgendjemand muss ja das Girl von Seite 1 ersetzen.
BODYSTYLER: Reden wir über Tatsachen... Ihr habt bewusst die Musikindustrie in den Ruin getrieben, indem ihr Euch zehn Jahre lang verweigert habt. Nun kommt ihr wie der Phoenix zurück und zerstört im titelgebenden Song des Albums mutwillig das emanzipatorische Männerbild dieser Tage. Was bitte ist so falsch daran, dass wir auch dank Eurer Lyrics kommunikativ und empfindsam geworden sind und muss man das denn gleich mit einem süffisanten "just a girl like me" geißeln?
18 SUMMERS: Natürlich müsste es heißen "just a girl like you", wenn ich Dich so sehe, und sind die Brüste eigentlich echt? So viel hat sich eben bis heute nicht geändert. Ich bin jedes Mal bass erstaunt, wenn die Mädels beiläufig erwähnen, dass sie gut kochen können "und backen kann ich auch". Nach wie vor scheint es das größte Glück auf Erden zu sein, den auserwählten Prinzen vor den Altar zu schleppen. Und während sie sich dann um die Aufzucht der Brutlinge kümmern und das Herdfeuer hüten, gehen die Krieger auf die Jagd. Bei Porsche oder Daimler. Sogar Single-Frauen sind eigentlich verheiratete Frauen, die noch auf der Suche nach der "Liebe ihres Lebens" sind und um das jetzt abzukürzen: Der Song hat mit all dem überhaupt nichts zu tun. Ebenso gut könnte man nämlich auch sagen, dass schon immer die Frauen den Rhythmus vorgegeben haben, und das machen sie so geschickt, dass wir Männer es nicht einmal bemerken. Meine Ex wusste immer, auf welche Brüste ich spechten werde, noch bevor ich die Frau, die an den Möpsen hing, überhaupt bemerkt hatte. Aber auch das hat mit dem Song rein gar nichts zu tun.
"Als ich schließlich fertig war, habe ich noch einmal von vorne angefangen und erst mal das ganze Blut weggewischt, die Waffen und chirurgischen Instrumente aufgeräumt und den Mädels gesagt, sie können sich wieder anziehen."
BODYSTYLER: Bleiben wir mal gleich bei dem Song... Wer bitte, außer Emerson, Lake & Palmer, hat denn tatsächlich in den letzten vierzig Jahren dermaßen lang auf ein Bild geglotzt und das Ganze hinterher auch noch vertont?
18 SUMMERS: Hahaha, da haste recht, aber es gibt Leute, die starren ins Nichts und vertonen das. Es soll sogar Männer geben, die auf Ziegen starren und Filme darüber drehen. Mittlerweile gibt es Dutzende von Ratgebern voller Hausfrauenpsychologie, in denen uns geraten wird, unser Leben zu verschlichtern und zu entschleunigen. Da kann es nicht schaden, ein paar Stunden, Tage oder Wochen lang ein einziges Bild anzuglotzen. Abgesehen davon vertonen wir aber keine, sondern erschaffen neue Bilder mit unseren Songs.
BODYSTYLER: Okay. Mark Ryden, Frank Kozik und Jeff Koons sind fürwahr lässig. Aber genügte deren abstrakte Fantasie und ausgeprägtes Spiel mit Ikonen und Symbolismus tatsächlich um beispielsweise den Papst, Manson oder den ollen LaVey als coolste Hunde Eures Universums abzulösen? Gibt's da vielleicht sonst noch was, worüber ihr mal reden wollt?
18 SUMMERS: Ich bade zwar noch immer gerne im warmen Blut frisch geschlachteter Jungfrauen, aber es ermüdet mich inzwischen ein wenig, immer und immer wieder den Höllenfürsten und seine lustigen Diener zu zitieren. Charles Manson war sicher eine charismatische Persönlichkeit, ein Popstar, der mit seinem wirren Geschwafel eine Schar von Losern auf die Family-Matratzen gelockt hat; aber eigentlich war er doch nur ein Nazi-Hippie, der sauer war, dass man ihn als Musiker nicht ernst genommen hat. Und LaVey hat großartige Texte geschrieben, die längst Pflichtlektüre im Religionsunterricht an unseren Schulen sein sollten, aber da machen ja Gorgoroth mehr Wind, wenn sie aufgespießte Schweinsköpfe am Bühnenrand drapieren. Und die ältere Dame in roten Schuhen ist doch schon lange keine coole Hündin mehr, sondern nur noch eine verschrumpelte Spaßbremse. Die niedlichen Plüschhasen und zuckersüßen Mädchen in den Werken der Pop-Surrealisten verlieren auch mal ihren Kopf oder ihren Unterleib in einer spritzigen Blutfontäne. Das sieht ja immer nur aus wie ein Kindergeburtstag. Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint und das macht den eklektizistischen Lowbrow-Eintopf schmackhafter als ewige Finsternis und Verdammnis. Trotzdem habe ich in einer Besprechung gelesen: “Das Album hört sich so an wie die Musiker auf dem Photo aussehen. Fern der Freude und düster.“ Und ich hatte gehofft, lesen zu können, dass wir für Kohle unsere Seelen verkauft haben. Das wird also wieder nix.
BODYSTYLER: Na, wenn wir hier schon klassische Prog-Rocker beiläufig erwähnten, so wie ihr das stilistisch ja auch macht, dann stellt sich zwangsläufig ebenso die Frage nach Eurer ureigensten Bildbeschreibung. Emerson hatte den "Pictures at an Exhibition" ja z.B. noch The Sage und The Curse of Baba Yaga beigefügt...
18 SUMMERS: Und ich dachte, Du kennst Dich nur aus mit "Malen nach Zahlen". Baba Yaga. Was fürn beknackter Name und wenn doch der Keith nicht immer diese schwulen Glitzeranzüge getragen hätte. Zum Glück hat er die inzwischen DJ Bobo vermacht. Allerdings bretzelt der nicht mal Messer in die Tastatur seines Keyboards.
BODYSTYLER: Bildlich gesehen, haben inzwischen wohl Google-Streetview und Androiden mit billigen Plastiklinsen die Hoheit im Reich der Möpse-in-Latex-Shots. War das ein Grund, auch beim Booklet-Artwork sichtbar neue, persönlichere Wege zu beschreiten?
18 SUMMERS: Mehr Möpse und Muschis im Booklet hätten den Vorteil gehabt, dass auf den ersten Blick erkennbar ist, dass es sich um Fotos von Felix Flaucher handelt, dass wir auch nach so langer Zeit nahtlos an unsere Vergangenheit anknüpfen blabla. Aber ich bin schnell gelangweilt und hatte mir sogar überlegt, ob ich nicht beim Artwork komplett auf Fotos verzichte und stattdessen Illustrationen wie auf dem Cover des Booklets verwende. Inzwischen ertrinken wir in einer wahren Flut an Fetisch-, Burlesque- und FickiFicki-Fotografien, kein Magazin, das nicht zum Jahreswechsel einen geschmackvollen Titten-Kalender rausbringt, wie er auch heute noch in jeder Autowerkstatt an der Wand hängt. Ich dachte, vielleicht interessiert es die Leute mehr, wie meine Mutter mit 14 Jahren aussah. Im dunklen Kleidchen mit Zöpfen und einer Zither.
BODYSTYLER: Nicht vom Verfassungsschutz, auch nicht von Euren Müttern... aber wir wissen, dass es bereits zig Entwürfe fürs Artwork gab. Du hast da mal mit Pop-Art rumgespielt und lange vor Instagram oder ähnlichen Apps mit wilden Effekten gearbeitet. Gibt es nach dem Album-Release dann eventuell auch ein neues Fotobuch? Nach "Under Your Skin - The Church of 18 Summers" vielleicht einen Wälzer namens "Our Love Is In Vain - Silke's Plattenbau"?
18 SUMMERS: Bisher gibt es keine Pläne für ein neues Fotobuch und Terry Richardson ist mir ja schon zuvor gekommen und hat einen fetten Bildband mit Lady Gaga an den Start gebracht. Und jetzt dackelt ihm auch noch Lindsay Lohan hinterher. Ich habe im Laufe der Zeit an verschiedenen Layouts gearbeitet und als ich schließlich fertig war, habe ich noch einmal von vorne angefangen und erst mal das ganze Blut weggewischt, die Waffen und chirurgischen Instrumente aufgeräumt und den Mädels gesagt, sie können sich wieder anziehen.
BODYSTYLER: Zurück zum Anfang. Beim Intro hat man das Gefühl, ähnlich wie jene kleine Lucy in den Chroniken von Narnia durch einen Schrank in eine ganz eigene Welt einzutauchen. Meinetwegen auch durch einen Spiegel, wie der am Kabinett des Dr. Parnassus. Soviel zur Magie, aber der Rest hat doch nix mit Trommelwirbel, Tusch, klassischem Clowns-Entrée oder Mardi Gras gemein. Hä?
18 SUMMERS: Für so ein Album sollte man einen schlichten Namen wählen, damit ihn sich auch Leute mit walnussgroßem Gehirn merken können. Und das hat ja auch prima funktioniert, oder? Wie heißt das Album? Richtig! SUPERCALIFRAGILISTICEXPIALIDOCIOUS ist echt ein Zungenbrecher und schon CHIPPEWA LAKE PARK hat einige Leute überfordert. Es geht auch nicht um Wasser für die Elefanten, sondern tatsächlich um das Eintauchen in eine andere Welt. Und wer nicht gerade ein ungehobelter Klotz ist, ein Redneck-Hillbilly, dem bei Magie nur ein blauer Schlumpf mit weißem Bart einfällt und der dabei ein Gesicht macht wie Leon, wenn Mathilda ihm Charlie Chaplin vorführt, wer also nicht nur dumm fragt, wann denn endlich die lustigen Clowns kommen, dem gelingt es vielleicht auch, hinter den Vorhang zu treten, und uns auf unserer Reise zu begleiten. Alle anderen werden sich am Spiegel nur den Kopf anstoßen.
BODYSTYLER: Eine Band, mit so viel Zweideutigkeit, kann keine schlechte sein. Dennoch glaube ich, die Mädchen werden wieder völlig ausblenden was Frank da an Soundperlen geschliffen hat und ihre Aufmerksamkeit erneut auf Deine Stimme reduzieren. Gäbe es da nicht mindestens sieben gute Gründe es auch mal mit völlig anderen Musikern auszuprobieren. Grad so wie es Robert Smith oder Brian Molko mal zwischendurch tun...
18 SUMMERS: Ich wollte schon lange mal schreiben, dass ich eine Gitarristin/Keyboarderin/Sängerin für ein Neo-Folk-/Dark Wave-Projekt suche. Ich traue mich nur nicht, weil Frank schnell eifersüchtig wird. Wir bekommen häufig Anfragen von anderen Bands, meist von hässlichen, dicken Kerlen, aber wir haben leider nicht unbegrenzt Zeit und selbst immer eine Menge angefangener Songs am Start. Das macht es schwierig, obwohl wir nicht nur mit Robert Smith oder Brian Molko gerne was zusammen machen würden.
"Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint und das macht den eklektizistischen Lowbrow-Eintopf schmackhafter als ewige Finsternis und Verdammnis."
BODYSTYLER: Mit unglaublich charmanten, scharfsinnigen Songs brecht Ihr erstarrte Gefühlskrusten auf und kommt dafür aber oft zwischen die Aktendeckel des Trübsals. Gibt's nen bestimmten Grund dafür? Sind denn Melancholie und Freude keine minderjährigen Zwillingsschwestern mehr, kann Frohsinn plötzlich nicht mehr weh tun und hat sich da seid Freud seinem Versprecher wirklich nichts bewegt?
18 SUMMERS: Ich hatte gehofft, das Jammertal der Tränen endlich durchschritten zu haben, aber offenbar schwebt die Trübsal noch immer wie ein Regenwolkenhut über meinem Kopf. Aber ich habe mir jetzt zwei fette, bequeme Schaukelstühle für den Balkon zugelegt. Da werde ich mich im Sommer reinfläzen, gekühltes Volvic Erdbeere-Rhabarber schlürfen und den allein erziehenden Müttern zuzwinkern, wenn sie ihre Kinderwagen am Haus vorbei schieben. Das wird der Sommer der Liebe!
BODYSTYLER: Du willst uns jetzt aber nicht verklickern das Hermann van Veen mit Alfred J. Kwak, und vielleicht auch dieser kleine Rumäne mit seinem Tabaluga-Drachen, schon immer den richtigen Blick aufs große Ganze hatten?
18 SUMMERS: Dem Tabaluga-Drachen würde ich gerne den Kopf abhacken. Und dem kleinen Rumänen auch. Kinderspielzeug, Kinderfilme, überhaupt alles für Kinder find ich blöd, wenn es von Kindern benutzt wird. Ich habe unter all meinen Schätzen auch zwei 1960-er Susie Sad Eyes in einer Vitrine. Die würde ich doch niemals einem Kind zum Spielen in die Hand geben!
BODYSTYLER: Sag uns besser nicht, wer dem National Enquirer 'nen leak von "The Funeral" zugespielt hat. Fakt ist aber, nach deren letztem Foto von Whitney seid Ihr skandaltechnisch wieder save... Da wir gerade von Mags reden, dann darf man ja auch mal sagen das z.B. das Groove sicherlich begeistert von "The Strange Fruit" oder "Dream Machine" wäre, und vom Rest auch all die anderen Bendzko/Bosse-Hochglanzverehrer. Brigitte Young-Miss mal mit eingeschlossen, die hatten ja schon mal ein Schandmaul-Feature. Weshalb ist es nun eigentlich so still bei denen, seid Ihr zu anspruchsvoll und daher nur für die einschlägig Abseitigen von Interesse?
18 SUMMERS: Ich habe keine Ahnung; allerdings gehören wir auch nicht zu den Bands, die ständig betonen, dass sie sich gar nicht erklären können, warum sie mit der Gothic-Szene in Verbindung gebracht werden. Gerne überschreiten wir Genre-Grenzen, aber in unseren Herzen sind wir schwarz hahaha. Es war schon immer so: Für die Leute, die sich für besonders "true" halten, sind wir zu sehr Pop und andere, die mit der Szene so gar nichts zu tun haben, halten uns für eine finstere Depri-Band. Woran man sehen kann, dass eine Rezension oft mehr über den Schreiber als über die Musik aussagt.
BODYSTYLER: Lass uns zum Abschluss noch einmal gemeinsame Geschichte rekapitulieren. Im Interview vor zwei Jahren habt Ihr uns gesagt: "Wir machen das, um Mädchen zu beeindrucken und weil wir uns sonst zu Tode langweilen würden". Kann man das nachwievor so stehen lassen, oder müssen wir unsere Groupies-Welcome-Shirts zu Putzlappen verarbeiten
18 SUMMERS: Das hab ich gesagt? Das muss ja schon ne Weile her sein, führe ich inzwischen doch das Leben eines Heiligen. Und jetzt müssen wir das Interview leider beenden. Ich schätze mal, die Mädelz nebenan haben sich schon nackich gemacht ;)