Happiness Project

Die verzweifelte Suche nach dem Glück

03.11.2012 - Es ist noch gar nicht so lange her, da glühte unser heißer Draht zum französischen Boredom Product-Label noch ein wenig heißer und es wurde ein spannender Neuzugang im Programm vermeldet. Das dazugehörige Album "9th heaven" überzeugte auf Anhieb mit seinem eingängigen und unterkühlt-frechen Synth-Wave-Charme und so baten wir die drei Protagonisten zum Gespräch. Von: Torsten Pape

Image Die Band und viel Himmel... (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Ihr seid das jüngste Mitglied der Boredom Product-Familie. Wie seid ihr denn überhaupt in Kontakt mit dem Label gekommen? Wann und warum war für euch klar, dass diese Partnerschaft der nächste Schritt in Eurer Karriere sein wird?
CYRILLE: Zunächst einmal Dankeschön für das Kompliment mit dem jüngsten Mitglied (lacht). Das ist sehr freundlich von dir! Wir sind auf ganz einfache Weise mit Boredom Product in Berührung gekommen, denn einige unserer Fans haben uns geraten, den Kontakt aufzunehmen. Sie hatten das Gefühl, dass unsere Musik dort recht gut ins Programm passen würde, also sandte ich eine Mail und unser erstes Album zu Member U-0176 (Labelchef, Produzent und Mitglied der Band Celluloide; Anm. d. Red.). Er hörte sich unsere Musik an und sah auch das Video zu unserer Ur-Version von "Blue Eyed Boy". Er teilte mir daraufhin mit, dass er viel Potenzial in der Band sieht und mit uns zusammenarbeiten wolle. Ich war und bin mir sicher, dass diese Partnerschaft eine großartige Gelegenheit für uns darstellt, um unsere Band und unsere Musik voranzubringen.

BODYSTYLER: Was könnt ihr mir denn zu eurem selbst produzierten und selbst veröffentlichten Album "Remove or disable" erzählen, das ich leider nicht kenne? Wo seht ihr Gemeinsamkeiten und wo Unterschiede im Vergleich zu "9th heaven"?
CYRILLE: "Remove or disable" ist schon recht anders, denn unsere Musik klingt darauf noch recht naiv und unschuldig. Aber es ist nun mal unser erster Schritt hinaus ins Musikuniversum. Man findet sicherlich auch schon viele Komponenten, die auch bei "9th heaven" eine Rolle spielen, so dass man beim Vergleich nicht vollkommen überrascht sein wird. Die elektronischen Elemente, die Kombination von weiblicher und männlicher Stimme, aber auch mein Bass sind alle schon dabei.

BODYSTYLER: Als ich das erste Mal einen Song von euch hörte, war ich schon ein wenig erleichtert, dass ihr nicht so klingt, wie man das angesichts eures Namens vielleicht zunächst erwarten mag. Spekuliert ihr vielleicht auf solch eine Reaktion seitens des Hörers oder kam es vielleicht sogar schon einmal vor, dass ein paar Happy-Happy-Techno-Leute enttäuscht waren, dass ihr so gar nicht in ihr Weltbild passt?
FRED: Ich denke nicht, dass unser Name so lustig ist, sondern verstehe ihn eher im Sinne eines Ideals, nach dem wir uns alle sehnen. Die Suche nach Glück und Zufriedenheit ist doch eher eine verzweifelte als eine, die Spaß macht, da man doch von vornherein weiß, dass man in dieser Hinsicht nie vollen Erfolg haben wird. Das ist es, was unser Name ausdrücken soll.

"Es geht um das volle Spektrum der Gefühle."

BODYSTYLER: Cyrille und Fred, wie habt ihr eigentlich festgestellt, dass ihr Musiker werden wollt und wie sah der Einstieg in die Welt der Synthesizer aus?
FRED: Musiker zu werden war für uns seit Kindertagen der größte Traum. Wir haben schon früh Underground-Musik gehört, dank eines älteren Bruders, der uns nicht mal erlaubt hätte, etwas anderes als Kraftwerk oder Space (70er Elektronik-Musik) zu hören. Danach ging es weiter mit einer Band, die wir in der Schulzeit entdeckten: New Order. Das Verlangen danach, selbst Musik zu machen, kam dann geradezu automatisch. Wir wollten ebenfalls etwas zur musikalischen Welt beitragen, ohne dass das jetzt überheblich klingen soll.
CYRILLE: Als ich das erste Mal Kraftwerk und Space hörte, war das eine echte Offenbarung. Ich war vollkommen fasziniert von den Strukturen der Synthesizer-Sounds. Später entdeckte ich Bands wie New Order, Depeche Mode oder Trisomie 21 und ihre Songs haben meinen Geschmack weiter geprägt. Irgendwann kaufte ich mir einen Synthie und komponierte meine eigene Musik als Reaktion auf all diese Einflüsse.

BODYSTYLER: Christelle, magst du eventuell beschreiben, wie es dazu kam, dass du Sängerin in einer Band wurdest? Gab es eine Ausbildung oder Erfahrungen vor Happiness Project?
CHRISTELLE: Ich singe bereits seit meiner Kindheit. Als ich klein war, stand ich bereits vor dem Spiegel mit einer Haarbürste in der Hand während meine Lieblingslieder liefen. Als Teenager verbrachte ich dann Stunden in meinem Schlafzimmer mit Kopfhörern auf den Ohren. Zu Singen ist ein inneres Bedürfnis, ein unkontrollierbarer Drang. Vor Happiness Project war ich jedoch nie in einer Band. Erst das Treffen mit Cyrille und Fred weckte wieder dieses Verlangen in mir.

BODYSTYLER: Wieso und weshalb entscheidet ihr, wann ein Lied eine weibliche, eine männliche oder gar beide Stimmen benötigt?
FRED: Wir treffen diese Entscheidung nie im Vorfeld. Bei Happiness Project beruht alles auf Intuition und Spontanität. Wir erschaffen den Song und nehmen immer beide Stimmen dazu auf. Erst danach treffen wir eine Entscheidung, was am besten zum Track passt.
CHRISTELLE: Du hast Recht, Fred, aber die Stücke werden schon so geschrieben, dass sie zum Charakter unserer Stimmen passen und wie die Wechselwirkung mit dem Text oder gewissen Passagen am besten funktionieren.

BODYSTYLER: Das Cover-Artwork ist insofern interessant, da man zunächst glaubt, eine Großstadt zu erkennen, dann aber merkt, dass es sich um ein(e) Computer-Motherboard/-Platine handelt. Was könnt ihr zur Geschichte bzw. Auswahl des Bildes erzählen?
CHRISTELLE: Die Idee dahinter war, die Omnipräsenz der Technologie und der Elektronik in unserer modernen Gesellschaft, aber auch unserer Musik darzustellen.

BODYSTYLER: Die Bedeutung des Albumtitels erschließt sich nicht sofort. 'Im siebenten Himmel zu schweben' ist ja eine gängige Redewendung, aber was ist denn der neunte Himmel? Ist es da noch schöner oder einfach nur schwieriger dahin zu kommen?
CYRILLE: Ich weiß nicht, ob es schwer ist, in den neunten Himmel zu gelangen, aber ich könnte an der Stelle erwähnen, dass wir eine Menge Arbeit in das Album gesteckt haben. Label, wie Produzent haben ebenfalls ihr Bestes gegeben. Der neunte Himmel reflektiert also diese Entwicklung bzw. diesen Aufstieg. Jeder Song ist ein weiterer Schritt, welcher den Hörer durch die verschiedenen Schichten unseres musikalischen Universums führt.

BODYSTYLER: Welche Art von Geschichten möchtet ihr eigentlich mit euren Texten erzählen? Entstehen sie aus persönlichen Erlebnissen oder eher aus Beobachtungen eurer Umwelt?
CHRISTELLE: Es geht um das volle Spektrum der Gefühle. Für mich persönlich ist das Schreiben und Komponieren ein Ausleben von Freiheit und gibt mir die Möglichkeit, alles erdenkliche auszudrücken: das eigene Leben, die Höhen und Tiefen, der Blick auf die Welt, Bedauern...
FRED: Ja, wir wollen einfach etwas vom Leben erzählen. Jeder Künstler möchte doch seine Vorstellungen vom Leben vermitteln, seien es nun persönliche oder allgemeine Dinge.

"Bei Happiness Project beruht alles auf Intuition und Spontanität."

BODYSTYLER: Ein recht offensichtlicher Einfluss auf eure Musik scheint das Genre des Cold Wave auszuüben. Welche Elemente faszinieren euch daran besonders und was sind eure Lieblingsbands in dieser Szene?
FRED: Ja, wir lieben diese Musik und Bands wie Joy Division, New Order oder Bauhaus, aber das sind nicht die einzigen Einflüsse. Aktuell mögen wir besonders Interpol, Editors, aber auch Client und Colder oder Portishead. Außerdem werden wir oft mehr durch einzelne Songs als durch ein gesamtes Genre beeinflusst. Unser Song "Desillusion" wurde zum Beispiel direkt durch "So sorry" von Dekad inspiriert, aber auch die anderen Bands des Boredom Product-Labels sind eine Quelle der Inspiration.

BODYSTYLER: Ein sehr interessantes Element eurer Musik ist die Bass-Gitarre und für meinen Geschmack könntet ihr sie sogar noch öfter einsetzen, da sie eine spannende Note einbringt. Wie kam es zur Idee, synthetische Klänge mit diesem Instrument zu kombinieren?
CYRILLE: Der Bass ist insofern interessant, da es ein Rhythmusinstrument ist und somit gut mit Drum-Machines und Synthesizern kombiniert werden kann. Es sollte jedoch nicht das Hauptelement sein und ich benutze es nur, wenn es wirklich eine weitere Dimension einzubringen vermag. Ich spiele es bei "Desillusion", "Train of life" und "Balloons and Zeppelins", was sehr intensive und persönliche Tracks sind, die dadurch noch dramatischer ausfallen. Wenn es in jedem Song vorkommen würde, würde es für den Hörer nur an Prägnanz verlieren.

BODYSTYLER: Wie sieht es eigentlich bei euch in Sachen Live-Aktivität aus? Ist das ein wichtiger Punkt für euch oder versteht ihr euch eher als Studio-Projekt?
FRED: Aufzutreten ist eine unserer Lieblingsbeschäftigungen, da es eine tolle Art ist, unsere Musik und unsere einzelnen Talente zu präsentieren. Auch Emmanuel, unser Kunstdesigner kann sich dann noch einmal speziell über Videos einbringen.
CHRISTELLE: Für mich bedeuten Auftritte, unsere Musik wirklich zu leben und sie weiterzugeben. Das ist der Höhepunkt unserer Arbeit.