Öhm

Öhm sweet Öhm

13.12.2013 - Wenn Electro-Fans den Namen der kanadischen Stadt Vancouver hören, bekommen sie meist recht schnell einen verklärten Blick, da dort bereits auffallend viel gute Musik produziert wurde. Das Debütalbum von Öhm, ein Projekt bestehend aus den erfahrenen Recken Chris Peterson und Craig Joseph Huxtable, festigt den Ruf der Electro-Metropole auf beeindruckende Weise. Von: Torsten Pape

Image Chris und Craig wollen nicht unbedingt im Rampenlicht stehen. (Foto: OHMelectronic)

BODYSTYLER: Ihr beide wart bereits in einigen Bands aktiv. Was ist bei Öhm anders, was macht Öhm speziell aus und warum liegt euch dieses Projekt besonders am Herzen? Gibt es eigentlich gewisse Konstanten, die bei all euren musikalischen Aktivitäten eine Rolle spielen müssen?

CHRIS: Zunächst einmal macht die Arbeit mit Craig dieses Projekt einzigartig. Ich habe schon immer seine besonderen Fähigkeiten und seinen unbeschwerten Umgang mit Klängen und Kompositionen bewundert. Öhm bedeutet für mich einen Neuanfang und eine neue Plattform, um mein Verlangen nach elektronischer, programmierter Musik zu befriedigen. Nicht, dass ich das bei meinen anderen Projekten nicht hätte, aber bei Öhm ist es noch präsenter. Wenn du danach fragst, was beim Musik machen immer dabei sein muss, so würde ich sagen, dass es mir einfach Spaß machen muss. Und dieses Projekt befriedigt dieses Bedürfnis bis jetzt am meisten.

CRAIG: Wenn ich ein Projekt mit jemandem starte, achte ich immer darauf, dass man sich in kreativer Hinsicht ergänzt und unterstützt. Wenn man sich gegenseitig unterstützt, kann man Barrieren überwinden und genau das ist es auch, was Öhm so speziell macht und funktionieren lässt. Wir wollten die Messlatte hoch hängen, uns in künstlerischer Hinsicht voranbringen und es letztendlich auch genießen, was wir tun.

BODYSTYLER: Ihr beide scheint eher Team-Player, denn Einzelkämpfer zu sein. Wie würdet ihr eure speziellen Stärken beschreiben, die es euch ermöglichen in einem Team die besten Resultate zu erreichen? Warum ist euch andererseits nicht so wichtig, allein im Rampenlicht zu stehen?

CHRIS: Ich stimme dir insofern zu, dass ich wohl wirklich ein Team-Player bin. Musik zu machen ist so ein verdammter Spaß, dass ich das einfach gemeinsam mit meinen Freunden machen möchte. Ich sehe keinen Sinn darin, Freude nicht zu teilen. Außerdem sind die Dinge, die ich bis jetzt als Teil eines Teams gelernt habe, einfach unbezahlbar. Die Zeit, die ich zum Beispiel mit einem Menschen wie Greg Reely in einem Studio verbracht habe, hat mich mehr gelehrt als alles, was ich mir allein hätte beibringen können. Da Craig und ich gleichermaßen ins Songwriting und Arrangieren involviert sind, habe ich auf diesem Wege viel über die Produktion und das Abmischen gelernt. Da Craig der weitaus bessere Musiker von uns beiden ist, hat er zwar deutlich mehr melodische Strukturen eingebracht, mir aber gleichzeitig viel darüber beigebracht und meine Fähigkeiten verbessert. Egal wie, wir ergänzen uns großartig und treten uns dabei nur selten auf die Füße. Wir können dabei auch mal unterschiedlicher Meinung sein, denn am Ende haben wir immer eine Lösung gefunden, die uns beide zufriedenstellt. Was das Rampenlicht angeht, so mache ich mir darüber kaum Gedanken. Ich genieße einfach den Prozess des Musikmachens.

CRAIG: Nachdem ich in der letzten Dekade viele Solosachen gemacht oder als Session-Musiker gearbeitet habe, ist es wirklich erfrischend, wieder Teil einer musikalischen Partnerschaft zu sein. An sich liebe ich es, allein zu arbeiten, habe aber festgestellt, dass einen das nicht besonders weit bringt. Gemeinsam mit den richtigen Leuten kannst du etwas weitaus Größeres erschaffen, das mehr ist als nur die Summe seiner Bestandteile. Ich stimme insofern Chris vollkommen zu, wenn er sagt, dass man sich in Zusammenarbeit mit anderen besser weiterentwickeln kann. Er hat mir mit seiner Kritik definitiv geholfen, ein besserer Musiker zu werden und mich dadurch auf eine neue Ebene geführt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Mit wirklich jedem Song haben wir etwas dazu gelernt. Davon abgesehen, kannst Du ohne Teamfähigkeit auch kein großer Solo-Star sein und ich sehe das Rampenlicht eher als ein Nebenprodukt, es steht für mich nicht an erster Stelle.

"Wir wollten den Fokus auf einfache Melodien, treibende Beats und fesselnde Sounds legen."

BODYSTYLER: Euer Projekt gehört für mich schon jetzt zu den besonderen "Vancouver-Juwelen", die Fans in der ganzen Welt schätzen. Gibt es ein Geheimnis des speziellen "Vancouver-Gens" oder liegt es nur an der besonderen Luft bei euch?

CHRIS: Danke für Dein Kompliment. Ich bin schon sehr stolz darauf, dass in dieser Stadt bereits so viel gute Musik entstanden ist. Es ist jedoch schwer zu sagen, was diesen Ort so besonders fruchtbar macht. Vielleicht ist es die kleine Gemeinschaft in der großen Stadt, wenn man das so sagen kann. Es ist jedenfalls einfach, hier Leute mit dem gleichen Musikgeschmack zu treffen und mit ihnen etwas auf die Beine zu stellen.

CRAIG: Vancouver ist schon irgendwie von der Welt abgeschottet, denn die nächste Großstadt ist zwölf Stunden weit entfernt. Das fördert natürlich ein gewisses Gemeinschaftsgefühl und für die dunkle Electro-Szene gilt das besonders. Jeder kennt jeden und man versucht, sich gegenseitig zu helfen.

BODYSTYLER: Natürlich muss ich euch fragen, warum ihr euch für die Schreibweise des Bandnamens mit dem "Ö" entschieden habt?

CRAIG: Wir haben diese Schreibweise gewählt, um uns von all den anderen Verwendungen des Wortes zu unterscheiden. Das Internet ist ja ein ziemlich überfüllter Ort mit zahllosen Informationen, so dass wir auf diese Weise vielleicht doch etwas aus der Masse herausstechen. Mir ist übrigens durchaus bewusst, dass das in einigen Sprachen zu einer interessanten Aussprache führt (lacht).

BODYSTYLER: Der erste Track des Albums trägt den Namen "When robots fuck". Warum stellt dieser Song den perfekten Ausgangspunkt für eure Reise dar?

CRAIG: Chris und ich sind große Fans von Alben, die eine geschlossene Einheit von Songs in einer ganz bestimmten Reihenfolge bilden. Wir hatten bei diesem Lied einfach das Gefühl, dass es an dieser Stelle am besten in den Kontext passt. Es hat zudem dieses Old-School-Gefühl, das den Einstieg vielleicht auch etwas erleichtern könnte.

BODYSTYLER: Was könnte eigentlich das Produkt einer solchen Kopulation sein? Kleine Roboter? Klänge? Musik? Ein Haufen Ersatzteile?

CRAIG: Die Idee entstand aus meinem "normalen" Job, in dem ich als Network-Analytiker arbeite. Ich habe den ganzen Tag mit diesen komplizierten Systemen und interagierenden Servern zu tun, dass ich automatisch darüber nachgedacht habe, wie diese miteinander in Verbindung treten. Es geht also weniger um kleine Roboter als vielmehr um die Beziehung untereinander. Wir haben übrigens zu dem Song gerade ein Video veröffentlicht und sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Der Filmemacher Geoff Mark hat diese maschinelle Beziehungsgeschichte noch einmal auf ein anderes Level geführt.

BODYSTYLER: Mein Lieblingsstück ist übrigens "Brute" mit seiner coolen Dampfhammer-Attitüde. Könntet ihr eventuell etwas über die Entstehung dieses fantastischen Songs erzählen?

CHRIS: Ich spielte eines Tages ein wenig mit einem Mini Brute-Synthie herum und gab etwas modulierten Doepfer-Kram dazu, nur ein paar Drones und abgehackte Sequenzen. Ich schickte das Craig, er fügte noch ein paar Drum-Machines hinzu und erstellte ein Arrangement, das Sinn ergab. Hinzu kamen noch ein paar Melodien und der Gesang. Die Drum-Parts benötigten jedoch noch ein menschliches Element und es war ein wahrer Glücksfall, dass Galen Waling gerade in der Nähe war. Es war bereits die letzte Woche des Abmischens angebrochen, also gingen wir ins Left Spine Down-Hauptquartier und nahmen mit Hilfe von Kaine Delay ein paar Schlagzeug-Spuren auf. Die Toms und das Live-Feeling brachten den Track weiter voran, gaben ihm zusätzliches Tempo und Intensität. Das veränderte die Dinge noch einmal insofern, dass es Craig inspirierte, seinen Gesang noch einmal neu aufzunehmen. Letztendlich bekamen wir den Song erst auf den letzten Drücker fertig, aber der Stress hat sich am Ende wirklich gelohnt.

BODYSTYLER: Wie kreiert ihr eigentlich eure Sounds? Stellt ihr sie wirklich noch in Handarbeit her, werden sie moduliert, gekauft oder "ausgeborgt"?

CHRIS: Handarbeit, Modulation und Missbrauch (lacht). Ich habe ein Doepfer A 100 System, das ich schon eine ganze Weile benutze. Es gibt aber auch Tage, an denen ich mehr Ambient-Klänge erschaffe und diese Entwürfe für zukünftige Verwendung abspeichere oder an Craig für weitere Manipulationen und Interpretationen schicke. Ich benutze aber auch oft meinen Zoom H4 Recorder und mache Außenaufnahmen, die ich durch verschiedene DSP (digitale Signalverarbeitungen) jage. Aber auch die Dinge, die Craig mir schickt, werden weiter verarbeitet. Die rhythmischen Aspekte setzen sich aus verschiedenen Dingen zusammen: Zerschneiden, Zusammenfügen, Auseinandernehmen, Verdrehen, Verzerren, Verwerfen und von vorn beginnen (lacht).

CRAIG: Wenn ich die Wahl habe, kreiere ich jedoch lieber, als mir etwas auszuborgen. Ich mache aus gesampelten Sounds lieber etwas komplett Neues, als sie nur etwas abzuwandeln. Wir verbringen deshalb eine Menge Zeit damit, neue Synth-Patches zu kreieren und Wege zu erforschen, auf denen man neue Ausdrucksmöglichkeiten mit Hilfe unserer Instrumente entdeckt. Die Leute wären dabei bestimmt überrascht, mit wie wenig Ausrüstung wir dabei arbeiten. Wir versuchen alles einfach optimal zu nutzen, so zum Beispiel einen Acccess Indigo V2, mit dem ich die meisten Synth- und Drum-Spuren erzeuge, um sie später in einer digitalen Workstation zu arrangieren.

"Wir ergänzen uns großartig und treten uns dabei nur selten auf die Füße."

BODYSTYLER: Ihr benutzt so viele, sehr komplexe Klänge und Rhythmen, dass man sich fragt, wie ihr dabei überhaupt den Überblick behaltet...?

CHRIS: Ich setze mir eigentlich immer eine Grenze, damit man es mit der Komplexität um der Komplexität willen nicht übertreibt. In diesem Album steckt eine Menge Arbeit, aber ich wollte es auch nicht mit endlosen Programmiertricks vollstopfen, sondern ihm vielmehr Luft zum Atmen lassen. Hierbei macht sich erneut die Arbeit mit Leuten wie Greg Reely bezahlt, da er mir beigebracht hat, die Dinge im Gleichklang zu halten und nicht alles unter unzähligen Schichten von Müll zu begraben. Ich habe dabei zudem den Anspruch, dass man mit jedem Durchlauf etwas Neues entdecken kann, so dass die Songs länger frisch bleiben. Ich muss allerdings gestehen, dass es eine echte Herausforderung war, den richtigen Mix zu erstellen, da ich in meiner derzeitigen Umgebung nichts mit ausreichender Lautstärke hören kann, um überflüssige Bass-Sequenzen und Dynamik-Probleme zu lokalisieren. Außerdem war mir klar, dass unser Album, für das es im Grunde kein Budget gab, natürlich mit anderen Alben, die richtig viel Geld gekostet haben, verglichen werden wird. Es war deshalb wahnsinniges Glück, dass Greg für uns das Mastering übernommen hat. Das war neben der technischen natürlich auch eine emotionale Entscheidung, denn wer wäre dafür besser geeignet als der Mensch, der mir alles darüber beigebracht hat?

CRAIG Wir sehen das Album übrigens als gar nicht so komplex an. Es war vielmehr eine Übung in Selbstbeschränkung, denn ich neige normalerweise dazu, Songs mit Ideen zu überfrachten. Ich habe also versucht, einen Schritt zurück zu gehen und es nicht zu übertreiben. Wir wollten den Fokus auf einfache Melodien, treibende Beats und fesselnde Sounds legen.

BODYSTYLER: Träumt ihr euer Leben oder lebt ihr eure Träume?

CHRIS: Ich verfolge meine Träume und lebe mein Leben. Es ist schön, sich ständig auf etwas zu freuen, die Vergangenheit dabei zu schätzen und den Moment zu genießen.

CRAIG: Den Traum in Bewegung versetzen und den Gedanken Realität werden lassen. Wenn wir unsere Träume nicht leben, was dann? Ich denke jedenfalls, dass ich schon ein paar interessante Dinge in meinem Leben erreicht habe...

BODYSTYLER: Gibt es vielleicht sogar schon Pläne, die Bühnen dieser Welt - vielleicht sogar speziell die europäischen - zu erobern?

CHRIS: Ja, absolut. Wir versuchen gerade, etwas auf die Beine zu stellen und schauen mal, was passiert. Es gestaltet sich allerdings schwieriger als ich erwartet habe, aber es handelt sich nun mal um ein neues Projekt, also üben wir uns ein wenig in Geduld. Das ist nicht immer leicht, da wir es beide lieben, live zu spielen und es von Anfang an zu unserem Plan gehörte.