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Weltweite Verbässerungen

16.12.2013 - Das Electro-Duo [De:ad:cibel] holt in diesen Tagen zum zweiten Album-Schlag aus und der Titel "Globalized" lässt bereits vermuten, dass man sich nicht nur (aber natürlich auch) darüber Gedanken gemacht hat, wie man die Tieftöner der Nation am besten zum Schwingen und Beben bringen kann. Die German-Bass-Machine steht wieder mal unter Strom. Von: Torsten Pape

Image Es gibt (fast) immer etwas zu tun. (Foto: Promo)

BODYSTYLER: Fühlt ihr euch globalisiert?

DANIEL GALDA: Permanent. Es fängt damit an, dass ich morgens aufstehe und bei einer Tasse Kaffee die Nachrichten lese. Der Kaffee stammt aus Südamerika, die Tasse wurde wahrscheinlich irgendwo im Osten produziert, die Nachrichten lese ich via Internet und hier interessieren mich vor allem die Geschehnisse der Weltpolitik. Erst wenn man sein Leben reflektiert, merkt man wie sehr alles schon globalisiert ist und man in den globalen Trott eingebettet ist. Das fängt eben schon mit der ersten halben Stunde des Tages an und geht so weiter.

BODYSTYLER: Was sind für Euch die wichtigsten positiven, was die negativen Seiten der Globalisierung?

DANIEL GALDA: Ein positiver Fakt ist, dass ich mir viele Dinge kaufen kann, weil sie in irgendwelchen Developed oder Last Developed Countries zu Dumpinglöhnen hergestellt wurden. Da steckt dann auch gleich der negative Aspekt drin. Irgendein armer Teufel oder arme Teufelin muss für meinen Miniluxus bluten und wird in seinem beziehungsweise ihrem Leben niemals meinen Lebensstandard erreichen können. Obwohl sie oder er mit Sicherheit ein härteres Arbeitsleben hat als ich. Der Song "Globalized" unseres neuen Albums befasst sich vor allem mit den negativen Sichtweisen der Globalisierung und kommt zum Fazit, dass wenn die Welt immer weiter zusammenwächst irgendwann eine Revolution globalen Ausmaßes stattfinden wird. Ob diese für uns in Good Old Germany positiv oder negativ endet, steht in den Sternen.

BODYSTYLER: Wie schätzt ihr den Stellenwert der Globalisierung für die Electro-Szene ein?

DANIEL GALDA: Wer heute in der Electro-Szene Musik macht, muss sich der Szene automatisch unter globalen Gesichtspunkten stellen – egal ob man es forciert oder nicht. Schon Wochen vor dem eigentlichen Release steht deine neue CD auf irgendeinem russischen Server und von dort wird deine Musik in alle Ecken der Welt gestreut. Das Feedback ist dann demzufolge auch global gefärbt. Beispielsweise bekommen wir das meiste Feedback aus dem Ausland. Auch aus Gebieten, in denen wir nachweislich auf keinerlei Vertriebsstrukturen zurückgreifen können. Das erstaunt und erfreut gleichermaßen. Der globalisierte Markt federt sozusagen ein wenig die Verkaufseinbrüche ab, die wir in Deutschland leider haben.

BODYSTYLER: Ursprünglich wolltet ihr das aktuelle Album schon im letzten Jahr im Kasten und auf dem Markt haben. Warum hat es denn nun doch etwas länger gedauert?

DANIEL GALDA: Wir hatten uns da wohl etwas verkalkuliert. Ich habe in der Zeit endlich meine letzten Prüfungen zum ersten und zweiten Staatsexamen gemacht und bestanden, parallel bin ich Papa geworden. Armin war mit seiner anderen Band Diskarnate schwer beschäftigt und hat hier auch ein grandioses Album abgeliefert. Du siehst, dass wir nicht ganz untätig waren. Parallel zu diesen ganzen Aktivitäten spielten wir "Globalized" ein. Unser Label Echozone plant jedes Jahr immer in zwei Phasen – es gibt Frühjahrs- und Herbst/Winter-Releases. Leider verpassten wir die Abgabe für die Frühjahrs-Releases 2013 knapp und wurden dann automatisch in die zweite Jahreshälfte verschoben. "Globalized" war also schon seit knapp einem halben Jahr fertig.

"Ich übernehme keine Haftung oder Rechnungen für gescheiterte esoterische Experimente."

BODYSTYLER: Das Titelbild ist ja ohne Zweifel ein Hingucker und bestimmt nicht ohne Grund etwas schief, oder? Was symbolisiert das Motiv mit dem altmodischen Bildgerät, das die Erde zeigt und die zwei Köpfe für Euch? Und warum brennt eigentlich alles? Muss man da nicht mal löschen?

DANIEL GALDA: Für das Coverartwork war mal wieder der Alex von Pixelbreed zuständig. Er hat einige Songs gehört und im Artwork seiner Kreativität und seinen Gedanken freien Lauf gelassen. Natürlich ist hier wieder jede Menge Symbolik verarbeitet. Beispielsweise nehmen wir das Weltgeschehen durch die Medien auf – hierfür steht der Fernsehapparat. Transportiert werden hier Negativschlagzeilen und Horrormeldungen und man hat eigentlich täglich den Eindruck, dass hier alles in Flammen steht. Dafür stehen dann wiederum Erdkugel und Flammen. Die zwei Köpfe könnten symbolisieren, dass das ganze Chaos eigentlich nur noch schwer kognitiv zu verarbeiten ist und die Köpfchen von uns allen langsam aber sicher anfangen zu rauchen. Dies ist jetzt aber, wie gesagt, meine Kurzinterpretation des Covers. Was sich jetzt der Alex dabei gedacht hat, weiß ich nicht. Aber ich denke, dass ich nicht soweit von seiner Sicht der Dinge entfernt bin.

BODYSTYLER: Ich habe das Gefühl, dass ihr immer mehr eine Affinität für bombastische Arrangements, teilweise ja auch mit (synthetischer) Bläser- oder Streicher-Verstärkung entwickelt. Zu viel Laibach gehört?

DANIEL GALDA: Nachdem "Globalized" fertig war, haben wir uns hingesetzt und darüber gesprochen, ob es sich jetzt in Bezug auf das Vorgängeralbum um einen Schritt nach vorne handelt und wo denn gegebenenfalls die Weiterentwicklungen oder Unterschiede zu "Klondike" sind. Es ist so, dass wir im Gegensatz zur "Klondike" langsamer geworden sind. Die Durchschnitts-BPM-Zahl von "Globalized" ist langsamer und wir neigen mehr zu Midtemponummern, die auf aggressive Vocals verzichten. Die Entschleunigung geht Hand in Hand mit einem üppigeren Arrangement. Dadurch, dass wir die Stimme entspannter einsetzen und der Großteil der Songs nicht unbedingt auf den Dancefloor schielt, blieb sehr viel Raum für Soundspielereien und Melodien, die auf Streichern und Bläsern basieren. Wir finden diese Entwicklung momentan nicht schlecht. In welche Richtung wir mit dem nächsten Album arbeiten, bleibt abzuwarten. Die Vergleiche mit Laibach sind für uns nicht neu und wir kommen damit klar.

BODYSTYLER: Der Text von "Stimulation" spielt mit Gegensätzen, aber auch Widersprüchen. Was wollt ihr mit dem Wechselspiel im Text ausdrücken?

DANIEL GALDA: In „Stimulation“ geht es darum, dass man als kreativ Schaffender immer auf der Suche nach Ideen und Inspirationen ist. Viele wagen sich hier in Grenzbereiche vor, experimentieren mit Drogen, suchen ständig seelische Tiefs und so weiter, nur damit sie möglichst authentisch in ihren Texten darüber sprechen können. In „Stimulation“ geht es eben genau um diese grenzwertige Suche nach verschiedenen Extremsituationen, die dir beispielsweise beim Texten und der Themenfindung helfen sollen. Daher auch die Textzeile 'Ist die Höhe noch so hoch – ein Gebet; Ist die Tiefe noch so tief – ein Magnet'. Man ist ständig auf der Suche und kommt sich manchmal wie ein Manischer vor. Überspitzt gesagt, soll heute ein Liebeslied aus Sicht eines Verliebten, morgen der Text zum Thema Tierversuche aus Sicht der Laborratte geschrieben werden und übermorgen der Text über die Sichtweisen eines Amokläufers. Das sind eben diese Wechselspiele und Widersprüche, die in „Stimulation“ zum Ausdruck kommen.

BODYSTYLER: Mir hat es ja besonders "Solar Plexus" angetan, vielleicht auch deswegen, weil dieses Lied (für Eure Verhältnisse) eine ungewohnte Leichtigkeit in sich birgt, der man sich nicht entziehen kann. Spannend ist zudem, dass sich der Text nicht automatisch erschließt. Was hat Euch zu diesem Song inspiriert? Bringt doch bitte etwas Licht ins "Sonnengeflecht"!

DANIEL GALDA: Da sind wir wieder bei der Inspiration.... (lacht). Der Solar Plexus ist Nerven- und Energiezentrum unseres Körpers. Wenn es dir richtig mies geht und der Grund dafür nicht sofort ersichtlich ist – also Grippe, Kummer, Vollrausch mit Kater etc... – dann solltest du eventuell mal deine Chakren und deinen Energiefluss im Körper überprüfen lassen. Bei körperlich und geistig gesunden Menschen strahlt das Chakra des Solar Plexus gelb wie eine Sonne. Wenn dies nicht der Fall ist, dann könnte es dir faktisch so gehen, wie es im Text „Solar Plexus“ beschrieben ist. Dann solltest du einen Spezialisten oder Spezialistin aufsuchen, die deinen Körper wieder mit deiner Seele in Einklang bringt und dich zu deiner Mitte führt. So steht es zumindest überall beschrieben, wenn man recherchiert. Ich übernehme also keine Haftung oder Rechnungen für gescheiterte esoterische Experimente (lacht). Uns gefällt der Song im übrigen auch sehr gut, weshalb wir ihn auch als nächste Maxi/ EP auskoppeln.

BODYSTYLER: "Disconnected Child" hätte ich so wahrscheinlich nicht von euch erwartet, erinnert mich aber im absolut positiven Sinne an die Glanzzeiten von The Fair Sex. Was könnt ihr zur Entstehung dieses tollen Stückes berichten?

DANIEL GALDA: Es ist der einzige Song auf dem Album, auf dem wir sehr viel mit Gitarren experimentiert haben. Unsere Arbeitsweise sieht ja bekanntlich so aus, dass Armin und ich im Studio gemeinsam Demos oder Rohfassungen entwickeln. Da sind dann die grundlegende Sound- und Songstruktur samt Gesang zu hören. Von da an arbeitet Armin faktisch allein weiter. Nach den Aufnahmen zu „Disconnected Child“ war es so, dass Armin viel herumexperimentierte. In diesem Zug lud er sich seinen Kumpel Bruno Baum ins Studio ein. Der brachte allerlei Amps und verschiedene Gitarren mit und dann wurde einfach mal losgejammt. Wie man auf „Disconnected Child“ hören kann, beschränkte sich das Einspielen nicht nur auf eine Spur. Es sind eben verschiedene Gitarrenparts unterschiedlicher Gitarren vertreten. Wir waren mit dem Resultat in jedem Fall sehr zufrieden. Dann gab es die Diskussion, ob wir unseren Fans so etwas überhaupt anbieten können – sprich Electroband goes Pop mit Gitarre usw.... Wir sind das Wagnis einfach eingegangen, weil wir den Song dann doch nicht für einen solchen Stilbruch halten. Die Reaktionen darauf fallen allerdings sehr unterschiedlich aus.

"Erst wenn man sein Leben reflektiert, merkt man wie sehr alles schon globalisiert ist."

BODYSTYLER: Könnte man "My whole life is an error message" eigentlich als Fortführung / Ergänzung von "Too tired to consume" verstehen? Wenigstens wird die verbale Lethargie neuerdings und wenigstens mit deutlich schwungvollerem Soundgewand abgeliefert... (zwinkert)

DANIEL GALDA: In jedem Fall (lacht). Der Song ist einer unserer Favoriten. Es gab die Diskussion, ob jetzt „My whole life is an error message“ oder „Solar Plexus“ ausgekoppelt werden sollen. Das nur als Hinweise darauf, welchen Stellenwert der Song für uns besitzt. Er hat jetzt zwar nicht die kritische Message wie „Too tired to consume“, aber der lockere Beat, der Kraftwerk-Bass und das Reimschema des Songs verbreiten einen ähnlichen Charme wie „Too tired to Consume“. Wir mögen besonders die Melodie, die sich am Ende entwickelt. Sie hat ein zeitloses Flair. Deshalb haben wir den Song auch an das Ende von "Globalized" gesetzt, weil dieser Song, speziell am Ende, noch mal alles erdet und Revue passieren lässt.

BODYSTYLER: Beim letzten Album habt ihr ja letztendlich fast alle Stücke noch einmal in einer anderen Version präsentiert. So wie ich Euch kenne, wird es irgendwann also mindestens noch eine weitere Single oder EP zum Album geben, oder? Gibt es vielleicht sogar schon konkrete Pläne?

DANIEL GALDA: Wie bereits erwähnt, wird es die "Solar Plexus"-EP geben. Auf ihr werden Songs wie „Interculturality“, „My whole life is an error message“, „Globalized“ oder „Stimulation“ geremixt werden. Unter den Remixern befinden sich wieder alte Hasen wie K-Bereit, AD-Key oder Aesthetische. Aber auch absolute Geheimtipps wie DJ Edobot oder die Band Denoisary. Daneben gibt es auch etwas für die Talentsichtung. Hier ist uns die Band Thron:Skull positiv aufgefallen und wir sind froh, dass wir von ihnen einen Remix bekommen haben. Natürlich gibt es auch wieder einen hauseigenen Remix von Armin. Er hat mit seinem Projekt Solar Powered Vampyre wieder einen sehr klassisch angehauchten Remix des Titelstücks produziert. Die EP kommt noch vor Weihnachten raus, allerdings nur in digitaler Form.

BODYSTYLER: Ihr seid bis dato ja eher sporadisch live aufgetreten und ich darf mal vermuten, dass eine ausgedehnte Tour auch dieses Mal kein Thema sein wird. Was könnt ihr denn bezüglich künftiger Bühnenpräsenz in Aussicht stellen?

DANIEL GALDA: Wir planen derzeit nichts. Was aber nicht heißen soll, dass wir nie mehr Konzerte spielen werden. Wir wissen, dass es Interesse in Russland und Frankreich gibt. Auch in den USA bewegt sich etwas. Aber das ist alles noch nichts Konkretes. Und auf Deutschland bezogen kann man gar keine Prognosen anstellen. Hier ist es so, dass die Konzertkultur in den kleineren Clubs am sterben ist. Entweder du spielst vor tausenden Menschen auf den großen Festivals oder vor 10 Leuten in einem kleinen Liveclub. Dazwischen scheint es nichts mehr zu geben. Also wenn man uns live sehen will, dann wird dies wohl im Ausland am wahrscheinlichsten sein – leider.