Abwärts

Krautpunk?

14.11.2014 - Die Punklegende Abwärts wird 35, ist über all die Jahre sich selbst treu geblieben und haut mit "Krautrock" im Jahre 2014 ein gewohnt schmissiges, wie bissiges Album raus. Bandkopf Frank Ziegert hat sich trotz seines mittlerweile nach Berlin verlagerten Wohnsitzes seine norddeutsche Mentalität bewahrt und besticht durch seine punk(t)genauen und übersichtlichen Antworten. Von: Torsten Pape

Image Neuer Abwärts-Trend: Spaß haben beim Foto-Shooting. (Foto: Promo)

BODYSTLER: Zunächst einmal die herzlichsten Glückwünsche zum 35-jährigen Bandjubiläum. Wie fühlen sich denn so viele Jahre in einem Musikerherz an?
FRANK ZIEGERT: Vielen Dank! Ansonsten: das subjektive Zeitgefühl vermittelt da nix.

BODYSTLER: Mit dem üblichen Verständnis bzw. Klang des Krautrocks hat Euer Album meines Erachtens nur bedingt zu tun und ich verstehe den Titel eher als Synonym für Deutschrock, obwohl dieser Begriff natürlich auch einige Untiefen bereithält...
FRANK ZIEGERT: Krautrock war in den 1960er/70er Jahren tatsächlich ein Synonym für 'progressive' Musik - von uns wurde der Titel allerdings eher aus sarkastisch-taktischen Gründen gewählt.

BODYSTLER: Wie bist Du denn auf die Kombination von Beobachtung des Dealer-Milieus am Görlitzer Park mit unzureichender Geschäftstüchtigkeit oder wahlweise Abgezocktheit im Song "Berlin Görlitzer Park"gekommen?
FRANK ZIEGERT: Ich wohne direkt am Park und wenn du das ganze Jahr über irgendwelche hilflosen Touris hier herumstolpern siehst, schreibt sich so ein Text sozusagen 'von selbst'.

BODYSTLER: Als ich das Album-Cover gesehen habe, musste ich gut lachen. Früher hat man beim Ertrinken sein Kind hoch gehalten, heute sein Smartphone, oder wie? Oder hat da jemand einfach nur Pech, weil sein Modell noch nicht wasserdicht ist?
FRANK ZIEGERT: Das Smartphone ist zu dem Icon unserer Gesellschaft geworden, fährst du in der U1 hat manchmal wirklich jeder so ein Teil vor der Nase. Der ganze Lebensinhalt ist in dem Phone, möglicherweise ist es jetzt schon noch mehr als ein Kind. Ohne Smartphone ist kein Leben mehr möglich. Wasserdicht sollte es allerdings sein...

BODYSTLER: Schön, mal wieder eine Banane im Artwork zu sehen. Euer Beitrag (neben dem Erscheinungstermin des Albums...) zum Jubiläum des Mauerfalls??? Wie kam es denn eigentlich zum orangefarbenen Exemplar? Ist das nun eine Möhrane oder eher eine Barotte oder in erster Linie nur eine Marktlücke?
FRANK ZIEGERT: Nichts von allem! Es ist einfach nur geklaute Kunst. So wie schon die Warhol-Banane auf der "Sonderzug zur Endstation"- Single.

BODYSTLER: Frank, was hattest Du denn mit dem 'es' in "Wachkoma" im Sinn, als Du den Text geschrieben hast und wie bist Du auf diesen grandiosen Refrain gekommen?
FRANK ZIEGERT: Schon mal versucht, 'ne abgebrochene festsitzende Schraube zu lösen? Schon mal versucht, mit einem Türsteher zu diskutieren? Es geht nicht...

BODYSTLER: Angesichts von "Peking Spring Smog" könnte man ja fast meinen, dass Du es nicht so mit Yoga, Chakren, Energieflüssen und all diesen Dingen hast. Wieso denn bloß nicht? Oder willst Du damit vielleicht nur sagen, dass die beste Atemtechnik (k)ein probates Mittel gegen den Smog ist?
FRANK ZIEGERT: Fakt ist, dass die Luft in kaum einer anderen Stadt so schön ist wie in Peking. Vielleicht ist Yoga die einzige Lösung. Vielleicht gibt es aber auch gar keine Lösung...

BODYSTLER: Letztens wurde ich mal wieder angerufen und konnte mich nur durch beherztes Auflegen vor der Teilnahme an der nächsten Umfrage bewahren. Nächstes Mal werde ich wohl einfach "Das Verhör" abspielen und den Hörer vor die Box legen. Allerdings nur, wenn Ihr dafür keine Tantiemen haben wollt... Wie sieht's aus? Gebt Ihr das Lied für diesen Einsatzzweck frei?
FRANK ZIEGERT: Eine Superidee! Man könnte den Song auch umgekehrt in die Service-Hotline der deutschen Telekom stellen!

BODYSTLER: Ist die Bestätigung, dass "Aus einem Gartenhaus", der "Computerstaat" und "Beirut Holiday Inn" heute aktueller denn je sind, ausschließlich ein erschreckendes Gefühl und was denkst Du angesichts der Tatsache, dass diese Texte so lange Zeit nichts an Relevanz verloren haben? Entstand die Idee der Neuvertonungen eigentlich spontan oder doch eher schleichend (vielleicht angesichts der beständigen Darbietung auf Euren Konzerten)?
FRANK ZIEGERT: Na ja, bald sind wir 10 Milliarden. Ist das erschreckend? (lacht) Ja, das sind starke Songs, die vor allem hervorragend in das Konzept der Platte passten. Und auf eine aktuelle Version von "C-Staat" (auch soundmäßig) haben tatsächlich auch ein paar Leute gewartet.

BODYSTLER: Wie findest Du eigentlich das neue FURT- und das neue Billy Idol-Album? Wäre die gerade erschienene Biographie des letzteren vielleicht sogar eine Option für Deinen Weihnachtswunschzettel?
FRANK ZIEGERT: Zu FURT kann ich nix sagen, weil ich es bisher nicht gehört habe. Aber ich denke, wer die Ärzte mag... Was ich vom Idol–Album gehört habe, war mir viel zu glatt. Die Bio könnte interessant sein.

BODYSTLER: Frank, Du hast über die Jahre mit vielen Kollegen zusammengearbeitet. Bist Du eigentlich ein Mensch, der versucht, all diese Kontakte - vielleicht sogar über die berufliche Ebene hinaus - zu pflegen oder schläft das mit der Zeit eher ein? Welche Musiker haben Dich durch den persönlichen Umgang am meisten bzw. nachhaltigsten geprägt?
FRANK ZIEGERT: Mit den Leuten aus der Frühphase habe ich faktisch nichts mehr zu tun, mit unserer aktuellen Band läuft es sehr gut, gerade auch die Zusammenarbeit mit Rod läuft hervorragend.

BODYSTLER: Magst Du vielleicht erzählen, auf welche Texte oder auch Textpassagen Du im Rückblick auf das Abwärts-Schaffen am meisten stolz bist? Im Gegenzug wäre es natürlich interessant, ob Dir irgendein offiziell veröffentlichter lyrischer Erguss heutzutage vielleicht sogar Bauchschmerzen bereitet oder gar peinlich ist?
FRANK ZIEGERT: Ich kann da nichts exemplarisch hervorholen. Ansonsten gilt für alles: Ich bereue nichts!

BODYSTLER: Was darf man von den anstehenden Konzerten erwarten?
FRANK ZIEGERT: Na, wie immer: echt chillige Athmo!

BODYSTLER: Viele Grüße, macht weiterhin so tolle Musik und bewahrt Euch Euren typischen Blick auf die Welt!
FRANK ZIEGERT: Thank u!