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Darkness On Demand "Post Stone Age Technology"

Neulich beim Mediafachhandel meines Vertrauens: Ein Verkäufer kommt langsam auf mich zu - ungewöhnlich genug. Er schaut sich verstohlen um, führt mich in eine wenig frequentierte Ecke des Geschäfts und öffnet dort eine unscheinbar aussehende Box. In dieser liegt eine Gutscheinkarte mit dem geheimnisvollen Aufdruck "DOD". Er überreicht sie mir mit einem vielsagenden Blick sowie einem Zwinkern, welches man fast schon hören kann und raunt mir ins Ohr: "Wenn Du es mal richtig dunkel haben willst..."
Natürlich kann ich dieser Aussicht nicht widerstehen. Absolute Dunkelheit und das, wann immer ich sie mir wünsche. Nichts als Schwarz und das zu jeder Gelegenheit. Traumhaft! Ich tausche die Karte an der Kasse für ein lächerlich kleines Entgeld gegen eine CD um, verstaue diese sorgfältig in meinem Mantel und begebe mich auf den Weg nach Hause. Ich möchte dieses kleine Wunder zunächst in heimischer Umgebung ausprobieren und auf mich wirken lassen, bevor ich es später, wenn ich das plötzliche, selbstbestimmte Verdunkeln in Perfektion beherrsche, auch im öffentlichen Raum anwenden werde.
Kaum zu Hause angekommen (es ist übrigens noch hell draußen), mache ich es mir unter meinen Kopfhörern gemütlich. Die ersten elektronischen Klänge umfangen mich und mir wird blitzartig schwarz vor Augen. Da, wo eben noch mein Glas Rotwein stand, herrscht einen Augenblick später nur noch allumfassende Dunkelheit. Da hält der Name ja mal wirklich, was er verspricht. Nachdem der Dienst der Augen nun nicht mehr benötigt wird, schärft sich der Hörsinn natürlich um ein Vielfaches und ich vernehme weitere Töne und Melodien. Das Kopfkino vor dem inneren Auge kann beginnen. Zunächst wird kräftig ins Horn geblasen, meine Lungen füllen sich mit salziger Lichtlosigkeit und das DOD-Schlachtschiff sticht in See. Getragen wird die mächtige Ouvertüre "I don't need anybody" zudem von einer Stimme, die ungewohnt sanft klingt. Die Reise führt weiter durch die "City of the dreamers" und danach hinein in die Vorstädte. Eisige Winde und ein unheimliches Grollen begleiten die Rückkehr nach Psychoburbia. Nun ist es Zeit für einen Blick in das imposante Kult-Buch mit dem Namen "Dance Or Die", obwohl die Buchstaben auf dem Deckel eindeutig "Darkness On Demand" ergeben. Toller Effekt und geschickt werden hier Verweise auf Hits aus der Vorzeit miteinander verknüpft sowie die Weichen für einen fließenden Übergang in das neue DOD-Zeitalter gestellt. Danach begegne ich Robin Hood, dem sozialdemokratischen Helden in Strumpfhosen. Die dazugehörige Hymne in bester Electro-Punk-Manier skandiert unmissverständlich "Take it from the rich" und kombiniert dies subversiv mit bombastischem Operngesang. Brachial erfolgt kurz darauf der Blick in die Post-Steinzeit und man muss aufpassen, dass man diese Zeitsprünge und mächtigen Soundwälle ohne Genickbruch übersteht. Man darf nicht vergessen, dass es trotz all der überwältigenden Eindrücke immer noch stockfinster ist... Nachdem das nächste Kapitel namens "Body bleed" fast schon in die Kategorie Winterhart fällt, folgt kurz danach der erste richtige Ruhepol und ich schwimme in brodelnden "Dark dreams" davon. Wenige Minuten später erklingt jedoch der Satz "We made mistakes to be correct" und prompt lande ich mit Chor-Untermalung im slowenischen Laibach. Leichtfüßig und an sich selbst glaubend geht es von dort aus direkt zum großen Finale zwischen Revolution und Zerschlagung von Diktaturen. Danach regiert einzig und für immer die Liebe und schlussendlich scheint sogar die Stimme des seligen David Bowie zu erklingen. Der letzte Ton verhallt und ich öffne langsam die Augen. Erfrischt von dieser faszinierenden Reise und der energiegeladenen Portion Dunkelheit bin ich nun wieder bereit, um mich den bunten, hellen und blendenden Gefahren dieser Welt zu stellen, immer in der Gewissheit, dass ich anscheinend einen zeitgemäßen Rückzugsort gefunden habe. Darkness On Demand - dass darauf nicht schon früher jemand gekommen ist. Und den Verkäufer muss ich mir merken. Guter Mann! (Torsten Pape)

Label RepoRecords | 26.02.2018 | Homepage www.facebook.com/darknessondemand/

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