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Roedelius & Story "4 Hands"

Und wieder eine Platte, die ich eigentlich eher zum Herbst erwartet hätte, um im Wintergarten mit einem schöne Glas Wein anzustoßen und zu entschleunigen. Der deutsche Sound- und Elektropionier und Ex-Cluster Mitbegründer Hans Joachim Roedelius hat wieder ein formidables Werk veröffentlicht und zwar zusammen mit dem US-amerikanischen, für den Grammy nominierten Komponisten Tim Story. Die Zwei zelebrieren die Platte "4 Hands" mit herzerwärmender und zugleich außerweltlicher Schönheit als ein intimes Gespräch unter Freunden. Das Perfekte daran ist, dass das Duo es mit seinen Künstlerhänden auf dem Klavier grandios umsetzt. Mehr Melancholie geht fast nicht. Dieses Gemeinschaftsprojekt, bei dem nacheinander auf ein und demselben Flügel gespielt wurde, begann im Mai 2019 als Ex-Harmonia-Mitglied Hans Joachim seinen Freund Tim Story besuchte (die beiden verbinden 40 Jahre Freundschaft) und spontan eine Reihe von Klavieretüden kreierte. Tim setzte sich dann intensiv mit den komplexen Phrasierungen auseinander und fügte seine eigenen kreativen Ideen und Klangfiguren hinzu. Daraus entstanden elf Stücke vom Album, die den geneigten Hörer auf ein hochsensibles Einfühlungsvermögen schließen lassen. Die zwei Künstler offenbaren also auf dem Entstehungsweg und bei den Arbeiten an der Platte eine (fast blinde) Kommunikation, die fast keiner Worte mehr bedarf.
Das Ergebnis sind Songs und Kompositionen, die musikalisch eine ganz eigene Art von Schönheit ausdrücken, da hier Klänge entstanden sind, die nur Klang selbst sein wollen. Die Leichtigkeit und die nahezu intime Atmosphäre ihrer beider Musik weisen Roedelius und Story als Musiker aus, die es verstehen, aufeinander zu hören und sich zu ergänzen. Eine ebenso kluge wie zeitgenössische Musik von zwei Ausnahmekünstlern, die ein Herz und eine Seele zu sein scheinen. Roedelius, der bisher teils auch schwer zugängliche Werke im Bereich Krautrock, Avantgarde, Elektronica, Ambient geschaffen hat, konzentriert sich hier auf sein sparsames Pianospiel und wer Klänge von Max Richter, Nils Frahm, Brian Eno, Harold Budd, George Winston, Ludovico Einaudi usw. gerne hören mag, ist hier genau richtig. Der in Berlin geborene und heute in Österreich lebende Roedelius hat in seiner glanzvollen Karriere sicherlich an die 100 Alben veröffentlicht, natürlich mehrere Generationen von Musikkonsumenten geprägt und ist zwischenzeitlich auch immer mal wieder in schwer definierbare, im Interferenzbereich des Klaviers liegende Klangregionen aufgebrochen.
Das Duo hat im Laufe der Jahre bereits an einigen Projekten zusammengearbeitet, u.a. beim Album "Lunz" (2003), "Inlandish" (2007), "Lazy Arc" (2014) und zuletzt "Lunz3" aus 2019, das sogar vom US-Sender NPRadio in die "Best of Music of 2019"-Auswahl aufgenommen wurde. Genießen wir die Platte also bald im Frühling, irgendwie passt sie dort auch hin. (Sven Hauke Erichsen - Northern Art Music)

Label Indigo | 25.02.2022 | Homepage www.roedelius.com

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