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The Cassandra Complex "The plague"

Mitte der 80er bis Mitte der 90er veröffentlichte The Cassandra Complex mehrere Alben, die die Band zum festen Bestandteil der EBM-/Industrial-/Gothic-Szene machten. So richtig einordnen konnte man die Mannen um Rodney Orpheus dabei nie, da die Einflüsse schlicht zu vielfältig waren. Es gab die Cyberpunk-Stücke, die voll auf die Zwölf gingen, aber auch epische Hymnen, einzelne Pop-Ausflüge und verträumte Balladen. Wenn man so will war Rodneys vibrierende, sich oftmals überschlagene und dabei sehr prägnante Stimme die einzige Konstante. Im Jahr 2000 erschien mit „Wetware“ dann ein weiteres, tolles Album und 13 Jahre später ein rein digitales Live-Dokument. Letzteres enthielt bereits drei neue Stücke, die sich nun auch auf „The plague“ wiederfinden. Der Blick auf die aktuelle Jahreszahl verrät, dass man sich augenscheinlich nicht hetzen ließ, sondern vielmehr reichlich Vorlauf (inklusive regelmäßiger Bühnenpräsenz) für das neunte Studioalbum gönnte.
Die angestaute Energie entlädt sich auch sogleich im Opener „Hotline to Elvis“, der definitiv nicht so klingt, als ob die Band an Kraft verloren hätte. Die Gitarren schrubben punkig, die Drums pluckern redlich und die Augen zwinkern ebenfalls. Beim folgenden „We defend ourselves“ geht es eher im Midtempo weiter und bedrohlich mahnend wird ein zentrales Thema der Bandgeschichte erneut aufgegriffen. Schon oft ging es in den Texten nämlich um politische Zustände und (fadenscheinige) Rechtfertigungen, welche Kriegshandlungen nach sich ziehen. Danach buhlt eine nette kleine Melodie um Aufmerksamkeit, aber aus dem Pop-Ansatz entwickelt sich schnell eine treibende und beißende Kritik an einem bekannten Staatsoberhaupt, das der großen Aufgabe offenbar nicht gewachsen ist: „The crown lies heavy on the king“. Definitiv ein weiterer gehaltvoller Hit in der Bandhistorie, genau wie das dreckig pogende „Old boys network“ oder das an alte nächtliche Textbilder anknüpfende, elegische „Speed of sound“. Mit diesen beiden Tracks stehen urige Rauheit und glatt produzierte Klänge dicht nebeneinander und ergänzen sich wahrlich perfekt. Im Anschluss walzen „In the dead of night“ und „The great sea“ tonnenschwer alles nieder bevor „The best thing“ anscheinend von Vaterfreuden kündet und gelassen Sonnenlicht versprüht. Bald wird es jedoch wieder deutlich dunkler und die hypnotisch vorgetragene Geschichte „All 3“ zieht den Hörer sofort in ihren Bann. Die hauptsächlich vom Klavier getragene Ballade „I miss you“ führt das Album danach zu einem ruhigen, geerdeten Ende.
Fazit: Nice work right into the heart leads to a happy customer! Das lange Warten auf „The plague“ hat sich definitiv gelohnt, denn die zehn Songs bieten alles, was diese Band ausmacht. Insofern passt natürlich auch das Cover optimal, welches in sich diverse Vorgänger vereint. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass es von diesem tollen Werk keine physische Version gibt. Diese scheint aber in Planung zu sein. (Torsten Pape)

Label self released | 06.05.2022 | Homepage www.facebook.com/thecassandracomplex

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