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Klangstabil

"Wir haben Techniken entwickelt, die Emotionalität 1:1 umsetzt!"


Wie kam es, dass der Song „Vertraut“ auf einer EP mit acht Remixen erschien? Und wie denkt Boris heute über die im Song beschriebene Situation? Zufällig traf die liebe Astrid den sicherlich auch lieben Boris auf dem Blackfield-Festival im Jahre 2010. Ein vertrautes Gespräch entstand…

 
Interview: Astrid Kerber // © 2010
 
Der Ton dient der Kommunikation. Wer aufhört zu kommunizieren, der verreckt.
 
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»Wir machen immer zeitaktuelle Musik und unseren Sound. Wir haben, darauf bezogen, was es sonst so gibt, gar keinen Plan!«
Boris
 
 
 
 
 
Klangstabil "Vertraut"
VÖ: 18.06., Ant-Zen Wenn man alle 11 Versionen des Titelstücks durch hat, ist man mit Anke vertraut. Schließlich entlockt eine Reinkarnation von Erika Berger bei zarten New Age-Klängen einem unsicher schwäbelndem jungen Mann so manches Detail über seine Gefühle zu ihr. Unterbrochen wird die Sitzung durch therapeutischen Krach, der im Original sehr industriallastig scheppert und, je nach Remix, auch mal etwas melodischer oder drum'n'bass-lastiger aufgepeppt ist. Diorama-Mastermind Torben Wendt schafft es sogar, das Stück so umzuformen, das es eine Titelmelodie eines TV-Krimis sein könnte. Quasi: Anke - das Mädchen auf der Treppe. Leider verlieren sich einige Arbeiten auch in eher langweiligen Soundspielereien. Und warum liebt ihr Anke? (Das steht im Interview - Anm.d.Red.)
Liebt ihr nur den Schein, dann holt Euch das Klangstabil-Album „archive.one“. Liebt ihr die ganze Persönlichkeit, dann braucht ihr diese Maxi. (Spider)  

 
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Klangstabil.com
 
 
 
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Bodystyler: klangstabil ist ein Name, der das, was ihr schon immer gemacht habt und  bis heute zaubert, treffend beschreibt.
Boris
: Er entstand, als wir in Stuttgart während eines Verkaufsgespräches für eine MS20 (ein monophoner Analogsynthesizer – Anm.d.Red.) einen Anruf bekamen, bei dem es um ein Angebot einer TB303 (ein Analogsynthesizer mit integriertem Step-Sequenzer. „TB“ steht für „Transistor Bassline“ – Anm.d.Red.) ging. Ich fragte, ob das Gerät klangstabil sei. Es heißt aber eigentlich „stimmstabil“. Darauf meinte Maurizio: „Ja, das ist es. Das ist unser Name: klangstabil.“

Bodystyler: Meistens findet der Name einen selbst.
Boris
: Richtig. Der Name hat uns gefunden. Und der Name passt einfach.

Bodystyler: War klangstabil von Anbeginn als Band mit regelmäßigen Releases geplant oder als Projekt im hobbytechnischem Sinne?
Boris
: Eigentlich als Hobby. Wir wollten nie Platten veröffentlichen. Das war nie unsere Idee. Die ganzen Konzepte kamen erst auf, als wir die Möglichkeit hatten, Platten über Labels zu veröffentlichen, die sich für uns interessierten. Wir wollten mit jedem Release etwas Besonderes bieten. Jedenfalls haben wir das versucht. Und ich hoffe, dass die Leute das auch so kapiert haben.

Bodystyler: Ist das auch der Grund dafür, dass die neueren Stücke poppiger und emotionaler sind als zum Beispiel „Menschenhasser“ oder „Regelkreisauslöser“, die mehr gekracht haben?
Boris
: Das Ganze hat sich vor ungefähr zehn Jahren „umentwickelt“. Wir haben die ersten fünf Jahre hauptsächlich die Geräte arbeiten lassen. Und schauten, was dabei rauskam. Nach und nach kamen Melodien und poppigere Gefüge hinzu, welche den Tracks  „Struktur“ gaben. Die früheren Elemente, also das Krachige und das Brachiale, wurden aber weiterhin mit eingebaut. So ergab sich eine eigene Mischung. Es hat sich dazu hinentwickelt, dass wir diese Art von Sound machen. Letztendlich ist es aus uns heraus entstanden. Wir haben versucht, es in unserer eigenen Sprache zu machen. Bei uns war es der emotionalere Weg, weil wir damit ganz gut umgehen konnten. Und wir haben Techniken entwickelt, diese Emotionalität 1:1 umzusetzen.

Bodystyler: Eure ersten Werke sind ausverkauft. Wird es diese noch einmal geben?
Boris: Es gibt Möglichkeiten bei unserem Label MHz Records direkt anzufragen, ob etwas in einer bestimmten Form zu bekommen ist. Einfach fragen. Ich kann es nicht versprechen. Es gibt ein paar MP3s, die über Ant-Zen erschienen sind. Aber ansonsten sind die Sachen eigentlich weg. Das waren meistens limitierte Auflagen.

Bodystyler: Der Musikstil von klangstabil vereint Electro/Synthpop mit Elementen des Industrial. Du sagtest eben schon, dass ihr vorher etwas Krachigeres gemacht habt und momentan etwas mehr Emotionales/Poppigeres. Was gefällt dir davon persönlich am Besten?
Boris
: Uff, also ich habe mich von den alten Sachen nicht distanziert. Ich habe darauf aufgebaut. Ich kann mit den neueren Sachen natürlich mehr anfangen, weil sie zeitlich einfach näher an mir sind. Wir machen immer zeitaktuelle Musik, eben das, was wir gerade durchleben. Deshalb sind die Sachen auch immer 1:1, so wie wir sind. Mir gefällt der emotionale Part, wenn man das jetzt so differenzieren kann. Ich versuche von Album zu Album immer mehr Kontrast zu bringen. Von lauten zu leisen, von schrillen zu weichen Tönen. Es muss immer mehr drin sein, mit jedem Album. Wir versuchen immer eine noch deutlichere Sprache zu sprechen.

Bodystyler: Damit hast du auch schon die nächste Frage beantwortet, nämlich, wie ihr es eigentlich schafft, Emotion und Gefühl mit Industrial und hartem Electro zu verbinden.
Boris: Für uns ist das ganz einfach. Wir haben, darauf bezogen, was es sonst so gibt, eigentlich gar keinen Plan. Zum Beispiel kenne ich hier auf dem Blackfield nur ein paar Bands. Ich weiß, was sie für einen Sound machen. Aber ansonsten interessiert mich das alles nur ganz, ganz minimal. Wir machen unseren Sound. Da gibt es keine Herangehensweise, dass es gezielt emotional ist.

Bodystyler: Wie kam es zu der Idee, ausgerechnet den seeeehr emotionalen und tiefgehenden Song „Vertraut“ für eine EP auszukoppeln?
Boris
: Daniel Myer hat uns gefragt, ob er einen Remix von dem Song machen könnte. Der Song war 2002 für das Album „Kopfmusik“ gedacht. „Kopfmusik“ wurde aber nie veröffentlicht, aus persönlichen und nahen Gründen. Wir sagten uns dann vor einem halben Jahr, „Ok, wir schnüren jetzt ein Vertraut-Paket mit Remixen und bringen noch zwei weitere Tracks mit ein, die noch nicht in der Form veröffentlicht wurden, hauen das Ding raus und schließen somit das Thema ein für alle Mal ab.“ Die Tracks lagen schon ewig bei mir auf der Festplatte und das Cover war auch schon seit zehn Jahren fertiggestellt, von Aiga Rasch, der Illustratorin der „Drei ???“-Covers.
Für mich ist es auf jeden Fall somit richtig abgeschlossen. Mit Anke, also der Frau, um die es hier geht, ist es für mich schon seit drei Jahren komplett vorbei. Ich habe keine Alpträume mehr, ich habe alles verarbeitet und ich kann mit dieser EP diesen Abschluss finden. Es geht weiter. Es gibt so viele andere Themen und ich bin inzwischen ein anderer Mensch. Ich habe mich in den letzten zehn Jahren auch durch die Musik praktisch selbst therapiert und jetzt geht es einfach voran.

Bodystyler: Also warst du da auch bei einer Psychologin?
Boris
: Ich war bei einer Psychotherapeutin. Sie wurde mir damals empfohlen. Ich habe mir damals gesagt „Ich bin 25 und ich will nicht mit einem Rucksack voll Scheiße weiter durchs Leben laufen und möchte versuchen, alles einer neutralen Person zu erzählen, was mir auf dem Herzen liegt.“ Ich habe diese Therapie gemacht und ich würde auch jedem, der mit bestimmten Problemen nicht klarkommt und mit seinen Freunden nicht alles besprechen kann, empfehlen, das zu tun. Mir persönlich hat es nichts gebracht, in Bezug darauf, dass mir etwas Neues über mich erzählt wurde. Aber letztendlich war es nach einer bestimmten Zeit, es wurden 30 Stunden veranschlagt, nach der 15. Stunde nur noch ein Kaffeeklatsch. Ich habe keine Hypnose-Therapie gemacht, ich konnte mich nicht darauf einlassen. Das war auch okay so.

Bodystyler: Es wurde dir aber angeboten?
Boris
: Es wurde mir angeboten. Es wurde zwei Mal versucht. Aber es hat nichts gebracht. Ich kann heute von mir aus sagen, dass ich nicht gestört bin. Ich habe Scheiße miterlebt mit einer Frau und ich habe das jetzt auch verarbeitet, jahrelang. Und das hat prima geklappt. Von meiner Seite aus bin ich wieder ein gesunder Mensch.

Bodystyler: Das ist schön.
Boris
: Ja, Danke. Ich sehe das ganz realistisch. Ich mache da jetzt keinen auf „Psycho“ oder was weiß ich. Ich habe einfach versucht, mich selbst wieder hinzubekommen.

Bodystyler: Das finde ich sehr, sehr mutig. Nur die wenigsten können das.
Boris
: Das Problem ist, es geht sehr viel kaputt in einem, wenn man alles in sich hinein frisst. Man sieht das auch äußerlich: Der Körper und der Kopf geht kaputt. Die Kommunikation ist das Wichtigste. Das war auch immer das Wichtigste in unserer Musik, dass wir kommunizieren. „Der Ton dient der Kommunikation“ – das war immer unser Leitmotto. Auch schon auf „Senden und Empfangen“ – unserem ersten Ding, 1995. Wer aufhört zu kommunizieren, der verreckt. Das sehe ich jedenfalls so. Ich kenne so viele Leute bei mir in der Psychostadt Reutlingen, die vor sich hinreden, weil sie niemanden zum Reden haben. Das gibt es in jeder Stadt, aber bei mir in Reutlingen fällt es einfach extrem auf, dass die Leute niemanden zum Sprechen haben und deshalb Selbstgespräche führen und nicht mehr mit sich klarkommen. Sie haben einfach kein Mittel nach Außen.

Bodystyler: Um das Thema auch abzuschließen. Hast du noch Kontakt zu ihr? Siehst du sie noch ab und zu?
Boris
: Seit 2005 habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr. Es war für mich mit einem letzten Anruf abgeschlossen. Ich habe aufgelegt und sagte mir „Das war es von meiner Seite aus.“ Natürlich habe ich immer versucht eine Freundschaft aufrecht zu erhalten, was vielleicht auch von meiner Seite aus nie geklappt hätte. Es ist vielleicht auch gut so, dass ich keinen Kontakt mehr zu ihr habe. Daran, dass ich keine Albträume mehr habe, habe ich erkannt, dass es für mich abgeschlossen ist.
Es geht immer vorwärts. Aber wichtig ist, dass es nicht wieder in die selben Muster gerät, wenn man sich wieder für jemanden Neues öffnet, dass man nicht wieder den selben Fehler wie vorher macht. Ich habe durch diese „Vertraut“-Geschichte unheimlich viel von meiner Person gelernt. An sich selbstanalytisch zu arbeiten, kann ich jedem nur empfehlen. Nichts in sich hineinfressen, gute Leute suchen, mit denen man das alles durchsprechen kann oder andere Wege suchen, einen freien Kopf zu bekommen. Das ist sehr wichtig. Am besten über Texte schreiben, Musik machen, Bilder malen. Den ganz normalen Output. Das ist auch eine Art von Kommunikation.

Bodystyler: Besonders das letzte Album „Math & Emotion“ war sehr emotional. Sind denn all die Themen, die sich darauf widerspiegeln, auch aus dem persönlichen Leben gegriffen?
Boris
: Alles, jedes einzelne Wort. Wenn ich meine Worte beispielsweise als Karaoke machen würde, dann könnten diese niemals so auf der Bühne rüber kommen. Jedes einzelne Wort, welches geschrieben wird, habe ich erlebt und kann das auch so auf der Bühne kommunizieren. Es geht auch nicht anders. Man muss es durchlebt haben, dass man es ehrlich rüber bringen kann. Man merkt es einfach, wenn es eine Playback Show ist. Das kommt bei uns nicht vor.

Bodystyler: Was hat es damit auf sich, dass einige Songs auf Italienisch sind?
Boris
: Ich liebe Italien. Es gibt Momente, in denen ich mich einfach so nach diesem Land sehne. Ich liebe es einfach, die Kultur, das Essen und die Sprache. Es ist für mich eine der schönsten Sprachen überhaupt auf der Welt, vom Melodiösen, Klang und der Dramatik her. Es ist eine reichhaltige Sprache zum Arbeiten und es hört sich einfach alles gut an. Wenn man Texte 1:1 in diese Sprache übersetzt, kann man immer etwas daraus machen.
Ich schreibe die Texte erst auf deutsch und wir übersetzen sie zusammen und Maurizio trägt sie vor. Ich versuche mehr italienische Texte in Zukunft zu machen.

Bodystyler: Du lebst deine Musik auf der Bühne! Ist es nicht schwierig für dich, dass dann noch einmal zu durchleben?
Boris
: Nein, es tut eher gut. Es gibt aber Situationen, bei denen ich sage „den Track mache ich nicht mehr“, weil es eben auch abgeschlossen ist. „Vertraut“ wird weiterhin gespielt, weil es eher ein Instrumental ist. Da muss ich einfach nur an den Geräten arbeiten. Aber manche Tracks, z.B. „Kill All Lifeforms“, kann ich nicht oft bringen, weil ich manchmal zum Schluss eines Auftrittes so positiv geladen bin, dass ich nicht noch einmal einen Abkotz-Track bringen kann.
Manchmal ist man nicht 100% drin, das muss ich auch sagen. Es kann nicht immer passieren, dass man sich bei jeder Show wirklich alles vor Augen führen kann, was im Track behandelt wird und auch will und man macht es dann trotzdem. Die Intensität ist nicht immer 100%ig. Ich versuche es. Ansonsten hätte ich nichts auf der Bühne verloren.

Bodystyler: Wie viele Remixe habt ihr insgesamt von „Vertraut“ machen lassen?
Boris
: Ein paar Künstler haben zwei, drei Sachen abgeliefert. Da konnten wir aussuchen. Insgesamt hatten wir, glaube ich, zwölf zur Auswahl und acht sind dann auf der EP gelandet.
Das ist natürlich unheimlich viel an Remixen von einem Stück, aber uns war es wichtig, dass für jeden etwas dabei ist. Jeder hat so sein Lieblingsding. Die
DIORAMA’s haben ihr Ding zum Hören. Leute, die auf Daniel Myer abfahren, haben  einen Track, Maurizio und die Synapsen haben ihre Parts beigesteuert usw. In die anderen Sachen muss ich mich selbst wirklich noch hineindenken und hineinleben. Sie sind wirklich teilweise sehr intensiv und ich kenne die Bands noch nicht. Ich muss mich selbst noch an diese EP heranarbeiten.

Bodystyler: Das Ausschlusskriterium für die Auswahl der Remixe war also, dass für jeden etwas dabei ist?
Boris
: Ja. Es sollte wie immer einen Kontrast bieten. Es sollte qualitativ hochwertig sein und es sollte uns natürlich gefallen, in erster Linie. Das war das Auswahlkriterium Nummer 1.
 
Bodystyler: Du hast eben auch den Namen Diorama, Projekt von Torben Wendt, erwähnt. Diesen Namen entdeckt man bei euch sehr viel. Was verbindet euch mit ihm? Vor allem die Emotionalität?
Boris
: Das Ernstmeinen, wie man an Musik herangeht. Wir wohnen in derselben Stadt. Wir haben uns 1997/1998 kennengelernt, als wir zusammen für ein Filmprojekt eines Freundes den Soundtrack gemacht haben. Anfangs war ich etwas sauer, dass noch jemand dazu genommen wurde. Ich kannte Torben noch nicht. Es hat sich dann aber sehr schnell eine Freundschaft entwickelt. Wir haben zehn Wochen fast täglich an diesem Soundtrack gearbeitet und das war eine große Erfahrung. Wir sehen uns oft in Reutlingen, um uns einfach auszusprechen. Wir haben sehr viel zusammen durchlebt. Es ist einfach eine großartige Freundschaft und es tut mir gut, dass ich jemanden habe in Reutlingen, weil Maurizio leider in Rottenburg wohnt. Dadurch habe ich auch noch einen Bezug zu Reutlingen. Wenn Torben aus dieser Stadt wegfallen würde, dann hätte ich in dieser Stadt auch nichts mehr verloren. Dann würde ich sofort versuchen, die Flucht zu ergreifen. Es ist einfach eine Bombenfreundschaft.

Bodystyler: Ihr habt auch so ziemlich die gleiche Herangehensweise?
Boris
: Ja, wir arbeiten beide unsere Konzepte aus und versuchen diese durchzuziehen. Wir beraten uns immer gegenseitig. Ich erzähle ihm von meinen Ideen und er mir von seinen. Jeder gibt seinen Senf dazu.

Bodystyler: Der Remix, den Torben für euch gemacht hat, beinhaltet sehr viele Gitarrenklänge. Wie empfindet ihr das? Das ist ja eigentlich nicht so typisch für euch.
Boris
: Man verbindet „Gitarre“ immer gleich mit Rock, oder zumindest mit diesem Bereich. Letztendlich ist es aber nur ein weiteres Musikinstrument. Man kann wirklich mit allen Gegenständen Musik machen. Gitarre ist einfach „Wohlklang“ und passt eigentlich überall. Ich habe nichts gegen Rock-Elemente. Ich mag auch Grindcore und solche Sachen.

Bodystyler: Hast du einen Lieblingsremix?
Boris
: Also ich finde Daniel Myer’s schon eine Bombe.

Bodystyler: Der kann das.
Boris
: Es war auch sein Ziel, das Maximale zu geben. Er hat sich viel Arbeit gemacht damit. Der Daniel Myer-Mix ist auf jeden Fall für mich der Top-Mix. 10 Punkte!

Bodystyler: Gab es während eurer Karriere schon einmal einen Punkt, an welchem ihr aufhören wolltet?
Boris
: Den Punkt gibt es immer wieder einmal. Es ist meistens während der Produktion, kurz vor der Abgabe, wo man sich dann sagt „Hey, das bringt doch alles nichts. Das kommt alles nicht so rüber, wie ich es sagen will. Ich lasse das Ding einfach fallen und ich höre mit allem auf.“
Dann besinnt man sich wieder sagt sich: „Ich mache das, um jemanden etwas zu geben“. Erstens mir, dass ich es gemacht habe, dass ich es geschafft habe, natürlich 100%ig auch in gleichen Teilen für Maurizio. Ich mache es eigentlich nur für mich und Maurizio und ein kleiner Part ist natürlich für die Leute, die es hören wollen.
Mich juckt das einen Koffer, ob das viele Leute hören oder nicht. Wichtig sind mir natürlich die nahestehenden Leute, die es kapieren. Viele dieser nahestehenden Leute haben mit dieser Musik teilweise auch gar nichts zu tun.
Wenn ich jetzt mit der Musik aufhören würde, dann würde ich, glaube ich, dumm werden. Die Musik hat mir so viel gegeben, die ganze Szenerie, die ganzen Leute, z.B. auch du jetzt, das Interview und auch die Fragenstellerei, dieses Feedback, das alles gibt mir so viel, dass ich das jetzt nicht einfach aufgeben würde. Das wäre blöd. Ich habe dadurch die Chance zu kommunizieren. Ich habe die Möglichkeit, mich auf der Bühne auszukotzen. Wer hat denn in seinem Leben die Chance, lauthals auf der Straße die Leute anzuschreien. Ich habe die Möglichkeit, dies auf der Bühne zu machen, in voller Lautstärke und niemand kreidet mir das an. Es ist erlaubt. Und das will ich mir nicht nehmen lassen. Ich will weiterhin schreien und laut sein dürfen auf der Bühne und die Chance haben, mich danach auch glücklich zu fühlen.

Bodystyler: Bevor „Math & Emotion“ herauskam, hattet ihr eine vierjährige Schaffenspause. Was habt ihr in dieser Zeit gemacht?
Boris
: Die Alben dauern halt sehr lange, weil wir versuchen, nicht jeden Scheiß herauszubringen, sondern weil auch jedes Wort gedreht, jeder Ton auseinander genommen wird. Wir haben kein großes Instrumentenspektrum. Wir haben meistens nur wenige Elemente in einem Track und diese müssen auch passen. Jeder Ton hat eine eigene Existenzberechtigung. Jeder Ton, hat eine klare Aussage, eine klare Sprache. Das zu erarbeiten, braucht viel Zeit. Auch das Ausarbeiten des Konzeptes, das Artwork, der Gedankengang, dass alles stimmig ist, ist sehr komplex.
Deswegen vier Jahre. Ich versuche es, beim nächst kommenden Album kürzer zu halten, aber...

Bodystyler: Das musst du nicht unbedingt. Hauptsache, es wird gut am Ende und dafür kann es auch länger dauern.
Boris
: Ja, und meine Uhr tickt. Nein Quatsch, ich mache ja immer Musik. Ich habe ja schon eine Glatze. Schlimmer kann es nicht werden.

[Beide lachen.]

Bodystyler: Als Musiker kann man in der heutigen Zeit nicht mehr vom Erlös der Musik leben. Machst du noch etwas hauptberuflich nebenbei?
Boris
: Ich bin bei zwei Freunden angestellt, welche eine Multimediafirma betreiben, die machen den Webbereich, ich mache alles, was mit Film zu tun hat. So kann man ein paar Kröten verdienen. Mit der Musik geht es nicht, wie du gesagt hast. Das will ich auch nicht. Ich würde niemals Musik machen, um Geld damit zu verdienen. Jeder Euro, den wir verdienen, geht eigentlich wieder in die Musik. Klar ist es schön, ein bisschen Taschengeld zu haben nach einem Auftritt und das ist ja nicht wenig, was wir inzwischen bekommen und das ist auch gut so, weil es auch einfach ein Gegenwert ist. Es steckt sehr viel Arbeit drin.
Mir tut es leid, wenn manche Bands auf der Bühne stehen und nichts bekommen. Es gibt so viele gute Leute, die einfach nicht gewürdigt werden. Es gibt auch große Bands, die einfach immer noch zu wenig bekommen.
Ich bin absolut kein Geldmensch. Ganz im Gegenteil. Aber ich freue mich, wenn ich nach einem Gig ein bisschen Spaß haben kann.

Bodystyler: Was macht ihr neben klangstabil noch in Sachen Musik?
Boris
: Wir machen Remixe, aber das läuft meistens auch über klangstabil. Es gibt keine Nebenprojekte oder etwas in dieser Richtung.

Bodystyler: Kommen wir einmal zu einem kleinen Wortspiel. Bitte antworte ganz spontan zu...
Kraftwerk: Kraftwerk haben maßgeblich unsere Startphase beeinflusst. Wir waren sehr große Kraftwerk-Fans. Wir waren auch bei Ralf Hütter und legten ihm eine Platte von uns vor die Haustür. Wir haben sehr viel gelernt. Nicht vom Musikalischen her, sondern eher von der Ideologie, einfach etwas Neues zu machen. Und das haben die damals. An denen kommst du nicht vorbei, die haben das einfach gemacht. Die haben auch die Techniken entwickelt. Sie hatten auch die Ingenieure, die mitentwickelt haben, an neuesten Synthesizern, an neuen Schaltkreisen, an neuen Tönen, Samplern. Das waren DIE. Kraftwerk ist der Leuchtturm.
Klangforschung: ... haben wir gemacht. Wir haben unsere Klänge erforscht und in unsere Musik eingebaut.
CD oder Vinyl? Maurizio würde jetzt sagen „Vinyl wird immer leben“. Ich sage, „Scheiß drauf.“ Ich bin froh, wenn ich nichts habe. Ich bin kein Sammler und habe alles von mir verkauft. Ich lebe mit zwei Taschen, einem Bett und meinem Computer-Equipment. Ich sammle natürlich meine eigenen Sachen und Sachen, die ich von Freunden bekomme. Aber ansonsten: Weg damit. Ich kann damit nichts anfangen. Ich bin kein Materialist. Ich habe auch keinen Bezug dazu. Ich habe meine Gedanken im Kopf, ich habe meine Gedanken verpackt in Alben und in schriftlicher Form. Ich brauche das nicht. Es ist für mich nur Ballast.

Bodystyler: Wenn ihr einen Tag „Gott“ sein könntet, was würdet ihr auf der Erde ändern?
Boris:
Keine Ahnung. Ich glaube auch nicht an Gott, also kann ich mich auch nicht in diese „Person“ hineinversetzen. Ich kann die Welt nur soweit verändern, wie ich sie in meinem Umfeld verändern kann. Das empfehle ich auch jedem, dass er praktisch an seinem Umfeld arbeitet. So dass Kommunikation entstehen kann und keine Diskrepanzen oder Kriege, wenn man das noch weiterspinnen will. Man muss von sich ausgehen. Da brauch man kein Gott sein. Wie gesagt, ich glaube nicht an Gott. Ich glaube einfach nur an Freundschaften und an eigene Kräfte und an das Leben an sich und an Liebe glaube ich auch noch.

Bodystyler: Gibt es ein neues Album?
Boris
: Klar. Wir sind mittendrin. Die Konzepte stehen. Wir sind am Arbeiten. Es macht unheimlich viel Spaß an diesem Konzept zu arbeiten und ich hoffe, mit Maurizio zusammen, Anfang nächsten Jahres etwas präsentieren zu können. Mal schauen.

Bodystyler: Wann kann man euch wieder Live erleben?
Boris
: Wir versuchen immer wieder Auslandsauftritte zu bekommen. Für Deutschlandauftritte werden wir wahrscheinlich mehr Absagen machen müssen, um Zeit für neue Musik zu haben. Aber am Ausland sind wir immer interessiert, weil wir die Welt sehen wollen.

Bodystyler: Dann werden wir uns mal überraschen lassen. Damit sind wir mit dem Interview auch durch.
Boris
: Echt, schon?

[Beide lachen.]


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