------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
 
 
Tibursky

"Die ganzen feierlichen Planungen und Ankündigungen bei den Majors finde ich ziemlich rückständig!"


Er lebt momentan wie ein Mönch. Johannes Tibursky erzählt von seinem Abschiedsong für John Peel, der dann unerwartet zu einem Song für ein Reiseanbieter wurde. Ausserdem nervt ihn die FDP, sowie manche deutsche Journalisten.

Interview:
Sir Raze // © 2010
 
Verliert gerade stressbedingt seinen schwarzen Humor: Johannes Tibursky // Foto: Thorsten-Eichhorst.com
 
----------------------------------------------------------------
 
 
 
 
 
 
 
 
 




 
 
 
 
»Man fühlt beim ersten Ton, wenn eine Band rassistische Scheisse verbreiten will. Und wer sein Gefühl dafür verliert, sollte seinen Job wechseln!«
Johannes Tiburksy
 
 
 
 
Tibursky "Back To Komo"
VÖ: 11.06.10, Kitchen Records Die beiden jungen Damen aus den 1920er Jahren, welche das Cover der CD zieren, liegen auf einer Wiese und genießen anscheinend die ersten warmen Sonnenstrahlen. Ein visuell stilvoller Einstieg in das Album, denn das Auge hört bekanntlich mit. Das Ohr vernimmt gitarrenlastigen Indie-Rock mit leicht elektronischen Untermalungen. Man meint Einflüsse von den Simple Minds oder den späten New Order herauszuhören. Es ist seltsam, schon bei dem Vorgängeralbum entstand der Eindruck, der Musik eines Gentleman zu lauschen, der very british zu sein scheint. Auch bei diesem Album wäre der Begriff des Gentleman-Rock sehr treffend. Das findet auch die BBC und hat den in Berlin lebenden Tibursky bereits in der Rotation. Deutsche Radiostationen zieren sich erwartungsgemäß noch etwas. Fazit: „Back To Komo“ kann mit Liedern wie „A Thousand Angels“ oder das in einem Café im West End von Glasgow geschriebene „West End Morning“ als wirklich gelungen betrachtet werden. (Sir Raze)

 
-------------------------------------------|
Myspace.com/Tibursky
 
 
 
 

Bodystyler: Ich gebe zu, ich sehe da gerade nicht ganz durch. „Back to Komo“ ist deine aktuelle Veröffentlichung. Dazu kam via Pool Music das Vorgängeralbum „Not Quite Bohemian". Ist die Reihenfolge korrekt so? In so kurzer Zeit zwei Alben. Wie kam es dazu?
Tibursky: Mit "Not Quite Bohemian" wollte ich ein Konzeptalbum ohne Kompromisse machen. Songs, die sehr persönlich sind, ohne an die kommerzielle Verwertbarkeit zu denken. Das ausgerechnet der Song „Peel“, der als Abschiedssong für John Peel (Radio DJ der BBC - /Anm.d.Red.) nach seinem Tod geschrieben wurde, von einer Werbeagentur für einen Werbeclip vor der Veröffentlichung ausgesucht wurde, hat schon etwas Makaberes. Sicherte aber auch in schweren Zeiten einen vollen Kühlschrank für einige Monate. So kam halt eins zum anderen. Mein Label Kitchen Records musste nochmal herhalten, um einen guten Digital Vertrieb zu finden und dann konnte das Album im November 2009 ersteinmal digital angeboten werden. Mehr sollte eigentlich gar nicht passieren. Doch nach ganz guten Resonanzen, und dem Gefühl, dass es in diesem Land wohl doch Leute gibt , die mit solcher schwer eintütbaren Musik was anfangen können, entdeckte ich viele ältere Songs wieder, die dann einfach unter dem Namen "Back to Komo", so hiess auch ein kurzzeitiges Bandprojekt von mir, im Frühjahr 2010 digital veröffentlicht wurden. Also diese ganzen feierlichen Ankündigungen und Planungen für eine Veröffentlichung, wie bei den Majors und grösseren Indies kann ich als kleines Label nicht leisten, und finde dieses ganze Theater auch ziemlich rückständig. Ich denke, bei relativ zeitloser Musik, kann man auch Plakatwerbung zwei Monate nach dem offiziellen Release machen. Weltoffene Menschen, die ihren eigenen Musikgeschmack haben, lassen sich ohnehin nicht von dieser immer noch zu aufgeblähten Musikindustrie manipulieren. Mit einem kleinen CD Vertrieb fangen wir jetzt wieder chronologisch an und veröffentlichen ersteinmal "Not Quite Bohemian" auf CD deutschlandweit. Am 11. Juni erscheint dann "Back to Komo" auf CD. Solange es Spaß macht, gehts in diesem Sinne weiter.

Bodystyler: Ok, dann sehe ich da erstmal durch. Aber wer ist Komo? Sind die beiden Mädchen auf dem Cover nun aus vergangenen Tagen, wie einige der Lieder, oder ist das Foto nur auf alt gemacht? Und wer sind sie?
Tibursky: Also das Cover von "Back to Komo" ist im Ursprung eine original französische Postkarte aus den 20er Jahren. Die hab ich in 2006 irgendwo in Kreuzberg entdeckt, in diesem Jahr entstanden auch viele Songs für "Back to Komo". Die Rechte zur Veröffentlichung, hab ich im selben Jahr vom Photografen Robert Lebeck erworben. Der Name Komo heißt eigentlich Kommos und ist ein ziemlich abgelegener Strand auf Kreta, von Bergen umgeben, wo Freaks auf der Sinnsuche sind. Das war immer wieder eine kleine Idee und Sehnsucht, auszusteigen und Neues, auch im Innern der Seele, zu entdecken. Sozusagen als sensibler Punk zwischen Hippies (lachen). Die Mädels auf dem Cover transportieren ein wenig das Lebensgefühl, dass man vielleicht bei Songs wie "Butterfly", "West End Morning" u.a. empfindet. Unbeschwert, freigeistig , erotisch.

Bodystyler: Diesen Traum vom Aussteigen habe ich auch. Bei mir ist das allerdings ein Haus auf Island mit drei Schafen und anderem Getier. Wo wir in der Ferne schwelgen: Du hast eben schon deinen Song „Peel“ angesprochen, der bei dem Werbespot von Weg.de läuft. Ich fand es schon seltsam, als ich ihn bei N24 oder so das erste Mal hörte. Wie kam es zu dem Deal und wo war bisher dein schönster Urlaub?
Tibursky: Wenn du den Traum auf Island verwirklicht hättest, wären deine drei Schafe jetzt vermutlich grau-schwarz und würden etwas nach Vulkanasche riechen. Ich meine Island ist auch eines meiner Traumländer und es wird da bestimmt auch wieder lebenswert. Ich war allerdings noch nie da, ein Freund hat mir da intensiv von seinem Trip berichtet.
Will damit nur sagen, dass manche Paradiese, wie z.B. für mich New Orleans im Süden der USA, so schnell in Katastrophen zerstört werden können, dass ich immer zu dem Schluss komme, geniesse den Moment, morgen kann alles vorbei sein.
Ich w äre so gern noch ein zweites Mal nach New Orleans gefahren, aber wie im Fall Kreta, gibt es nichts Übleres, als auf den Spuren der schönen, manchmal auch idealisierten, Vergangenheit zu sein und man absolut entäuscht wird. Also alles nicht mehr da ist, was einen begeistert hat. Insbesondere die Menschen verschwunden sind, die der Landschaft und der Architektur Leben eingehaucht haben.
Für die Werbeagentur bzw Filmproduktionsfirma, die die Weg.de-Spots gemacht hat, habe ich mich ganz normal, wie andere auch, mit ziemlich banalen Kompositionen á la "Tri Tra Tralala... wir Reisen" beworben. Ich wollte ja auch mal was neues probieren und nicht immer mit so einer Indie-Rocker-Arroganz über allen eingängigen, lebensbejaenden Songs stehen. Nur, das Erstaunliche war, dass die das alles nicht wollten, sondern etwas Authentisches gesucht haben. Nach vielen Versuchen hat mich dann ein guter Freund fast genötigt, endlich mal "Peel" hinzuschicken. Und das war es dann.

Bodystyler: Dem Freund hast du es sicherlich gedankt.
Tibursky: Ich hätte nie gedacht, dass so ein Song in der Werbung funktioniert. Insofern hab ich ihn mit Geld und Liebe überschüttet.

Bodystyler: Wir bleiben noch kurz in der Ferne. Dein Video zu „Travel“ ist visuell sehr schön umgesetzt. Wer finanziert Dir so ein Videodreh? Und wie war das mit der BBC? Hatte die sich bei dir gemeldet?
Tibursky: Die Idee zum Video kam von zwei Freunden: die beiden Fotografen und Videokünstler Thorsten Eichhorst und Tim Meier, der vor 2 Jahren nach Schweden gezogen ist. Insofern haben wir zum Großteil in der Nähe von Stockholm gedreht. Einen Teil aber auch in Berlin. War klasse, einfach die ganze Verantwortung für die Story, den Look, den Schnitt komplett abzugeben. Ich war nur der real kranke Schauspieler, der einfach nur raus wollte. Wie es im Lied heisst “...I will travel...“. Abends wurde dann schön gekocht in einem schwedischen Holzhaus am Meer. Die Kosten haben wir zusammen gelegt. Für ein Video in der Quallität müssten normalerweise zig 1000er draufgehen. Drei Freunde mit viel Energie können schon Einiges bewegen. Allerdings sehe ich in dem Clip oft ziemlich scheisse aus, da niemand da war, der den kranken Künstler hätte schminken können. Also wie gehabt, allet so wie it iss.
Die BBC hat schon in 2008 Prussia-Songs gespielt. Als dann meine Solo-CD kam, haben sie die CD gerne gespielt und soweit ich weiss mit Echo and the Bunnymen verglichen.

Bodystyler: Was nervt dich gerade total?
Tibursky: Die FDP, das ich gerade so n bisschen stressbedingt meinen schönen schwarzen Humor verliere und das ich zurzeit die von meiner kleinen Tochter erteilten Rollen als Prinz, Drache und Löwenpapa nicht sehr gut spiele. Bin aber ein alter Optimist. Wird allet wieder.

Bodystyler: Kurzer Rückblick: 1994 hattest Du bereits deine Band Prussia, mit denen Du bis heute musizierst. Eine Freundin sagte neulich „leckeres Bürschchen“, als sie Dich im Video zu „Dying Mother...“ sah. Ihre Freundin ist seither auch verändert. Du hättest also die Chancen weitere kleine Töchter mit verschiedenen Frauen zu zeugen. Wie seid ihr ausgerechnet auf Potsdam für den Videodreh zu „Dying mother of 16 sickly kids“ gekommen?
Tibursky: Na, dass klingt doch gut. Lebe momentan wie ein Mönch in den Gewölben der Kitchen Records-Studios. Immer gut, wenn man noch Videos aus jungen Jahren im Netz hat.
Ja, mit Prussia ist das so ne Sache. Wie ein schwelendes Feuer, was zurzeit nicht wieder richtig aufflackern will. Aber auch nicht völlig erlöscht.
Damals haben wir natürlich Potsdam für den Dreh gewählt, weil unser kleiner Star Friedrich II von Preussen da viel Zeit mit Musik und Philosophie verbracht hat. Haben aber leider viel kreatives Potenzial verschwendet, um uns als preussische Band vor der Presse zu positionieren. In einer Zeit, wo rechte Kleingeister und Schläger in der Presse ziemlich präsent waren. Ein ähnliches Problem hatte ja Rammstein auch vor einigen Jahren. Natürlich in einer anderen Grössenordnung.
Wo Freunde in Schottland und England jubelten, dass Prussia ein genialer Bandname sei, kamen von deutschen Jornalisten vor Live-Interviews oft nur ängstliche Fragen wie "Ihr seid doch nicht rechts, oder?". Und das ist das Dilemma in unseren humorlosen, deutschen Landen. Das eine Band wie Rammstein einen Song wie "Mein Herz schlägt links" veröffentlichen müssen, damit auch die körperlosen, ängstlichen Schreiberlinge endlich kapieren, dass diese Band so wenig mit Nazis zu tun hat, wie eine Öko-Gemüse- Verkäuferin mit einem Taliban. Das fühlt man mit dem Herzen und dem Bauch beim ersten Ton der Musik, wenn eine Band rassistische Scheisse verbreiten will. Und wer sein gesundes Gefühl dafür verliert, sollte seinen Job wechseln. Ansonsten jeder nach seiner Fasson, wie Friedrich meinte.

Bodystyler: Ohne Übertreibung, Du hast das Potenzial in einer Reihe neben Künstlern wie Brian Ferry, Nick Cave oder, wenn du älter bist, Leo Cohen genannt zu werden.
Welche Künstler haben Dich am meisten beeindruckt bzw. mit wem würdest du gerne mal ne Jamsession machen und anschließend ein Bier trinken gehen?
Tibursky: Keine Ahnung. War eigentlich nie ein grosser Fan von irgendjemandem. Also, wenn Bowie das nächste mal in Berlin wäre und mal Lust hätte was anderes ausser Schöneberg und Kreuzberg zu sehen, würde ich ihm gerne meine Tochter und unseren Garten vorstellen. Natürlich mit Thüringer Bratwurst und Bier. Also jetzt nicht arrogant gemeint, denn alle bekannteren Leute, die ich bisher getroffen habe, liebten es in das normale Leben der Leute einbezogen zu werden und nicht ständig angehimmelt zu werden.
Beeinflusst haben mich aber so ca. 1980 die britischen Bands Wire, Joy Division, Bauhaus, Echo and the Bunnymen, als ich mit meinen ersten zwei Akkorden Musik zu machen anfing.

Bodystyler: Dann bedanke ich mich für das Gespräch. Nächstes Mal komme ich dann mit dem von Dale Cooper so geliebten Kirschkuchen.


--------------------------------------------------------|
Homepage: Myspace.com/Tibursky

 

 
 
 
 
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Anzeige
 
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------