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Karl Bartos "The cabinet of Dr. Caligari"

"Das Kabinett des Dr. Caligari" gehört sicherlich zu den bedeutendsten deutschen Filmen aus den Pionierjahren der Kinokultur. 1920 von Robert Wiene in Berlin-Weißensee gedreht, prägte dieses Meisterwerk des Stummfilms die expressionistische Ästhetik der Folgejahre und ist bis in die Neuzeit immer wieder präsent und spürbar.
Über die bei den ersten Kinoaufführungen gespielte Musik rankt sich ein Geheimnis, da keine Aufzeichnungen überliefert sind. So gab es über die Jahrzehnte immer wieder Ansätze, den Bildern mit neu komponierten/arrangierten Tönen gerecht zu werden. Ich persönlich kenne zum einen die Vertonung durch Rainer Viertlböck. Hier wird mittels Synthesizer, Gitarre, Alt-Saxophon, Bass und Percussion eine teils atonale, teils quietschige, oft gespenstische, manchmal als zu laut empfundene Untermalung geboten. Das passt zu den oft abstrakten Bildern, der stets überzogenen Darstellung der Schauspieler sowie der verschachtelten Handlung. Eine absolute Symbiose gehen Bild und Ton für meinen Geschmack jedoch nicht ein. Die Vertonung durch In The Nursery wählt hingegen einen deutlich sphärischeren, düsteren Ansatz. Hier dominieren schwebende, ruhige Klänge und über diesem wogenden Meer der Synthieflächen liegen gesampelte oder modulierte Ausreißer.
Nach langer, intensiver Beschäftigung mit diesem Film hat sich nun auch Karl Bartos (bekannt durch sein Mitwirken bei Kraftwerk und Elektrik Music sowie seine Solo-Projekte) der Aufgabe angenommen, eine Vertonung zu realisieren. Von Beginn an fällt auf, dass sich die den Szenen zugeordneten Tracks recht harmonisch gestalten. Der Zugang für den Hörer ist gut möglich und bietet intensive Eindrücke, teils sogar prägnante Melodiebögen. Die rein elektronisch erzeugten Klänge decken dabei ein breitest Spektrum von Orgel bis Leierkasten oder diversen Blas- und Streichinstrumenten ab, sind aber auch als reine Synthesizer-Farbe verbaut. Spannung wird durch ausdauernde Wiederholungen und eingebaute Tonlagenwechsel geschaffen. Disharmonien sind zwar vorhanden, gehen jedoch nicht bis an die Schmerzgrenze und werden durch geradezu liebliche Zwischenspiele in der Balance gehalten. Hinzu kommen diverse Geräusche, die der Handlung mehr Tiefe verleihen und so das Gesamterlebnis noch plastischer gestalten.
Natürlich darf man gespannt sein, wie das Zusammenspiel der Kompositionen mit den bewegten Bildern in einem Kino funktionieren wird. Live zu erleben ist dies im Laufe des Jahres in verschiedenen Städten.
Wer nicht in den Genuss einer solchen Vorstellung kommt, sollte sich jedoch nicht grämen. Ich würde nämlich so weit gehen zu behaupten, dass man diesen Score auch ganz ohne den Film genießen kann. Die Tracks bringen auf sich allein gestellt viele emotionale Saiten zum Schwingen und erzeugen detaillierte Szenerien vor dem inneren Auge. (Torsten Pape)

Label Bureau B | 16.02.2024 | Homepage www.karlbartos.com/

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