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Eisfabrik "Null Kelvin"

Plötzlich ein Licht am Firmament. Daraus hervor tritt der Prophet im finsteren Gewande und spricht zu den umher stehenden Schlittenhunden: "Drei Mannen werden, aus dem ewigen Eis heraus geboren, zu euch kommen. Sie bringen Musik und Tanz. Gebt ihnen Gold und Platin." Der Prophet löst sich in Wohlgefallen auf. Das Eis bricht. Ein Schlund wird sichtbar. Drei hartgesottene Burschen erscheinen. Eiszapfen als Haare. Kristalle als Kleidung. Die Hunde jaulen vor Freude, als die drei aus der Eisfabrik die Schlitten besteigen, die Peitschen knallen lassen und über das ewige Weiß in Richtung Club rauschen.

"Null Kelvin" ist das vierte Album von Dr. Schnee, Der Frost und Celsius. Synth-und Future-Pop, Techno, 4-on-the-floor Rhythmen und Melancholie treffen aufeinander. Der Wiedererkennungseffekt liegt bei 100%. Leider aber war das alles schon mal geiler, u.a. weil sich die Erwartung an eine Band auch davon nährt, mit Überraschungen gefüttert zu werden. Bei minus 273,15 Grad Celsius treten Eisfabrik 2017 auf der Stelle. Das liegt nicht an der Soundqualität. Auch der Gesang ist klar und sauber. Was dem Album über weite Strecken leider fehlt, dies ist die kompositorische Qualität und Frische.

Das Intro zum Album ("Sein erstes Lied") ist eine gewaltige Hymne ohne viel Gefühl. Die Lightshow muss diesen Song als Einstieg ins Konzert aufwerten. "Shadows" und "Soon Enough" bieten druckvollen Electro-Dancefloor der Marke Eisfabrik, aber irgendwie hat man das alles schon mal gehört. Auch "The Choice" bietet in seiner Erscheinung nichts wirklich Überraschendes an, aber die Komposition ist gelungen, weshalb dieser Song als erster Track positiv auffällt. Die Single "Schneemann", ach Scheiße. Ich mag Eisfabrik. Aber "Schneemann" ist nur noch Bumm, Bumm, Bumm. Komposition, Text, Melodie, Arrangement? Auch das geht sehr viel besser, haben die Jungs mehrfach bewiesen. "White-Out" bewegt sich mit wesentlich mehr Atmosphäre durch die Nacht. Zwar sind die Beats auch hier im bekannten Druckformat gehalten, die Melodien und Emotionen aber haben Platz und Zeit, sich zu entfalten. Der Unterschied ist enorm.

Mit "Brother" gibt sich das Trio filmisch, was "Null Kelvin" gut tut. Selbstredend muss niemand den Club verlassen. Der Druck bleibt. Die Instrumentalpassagen aber erlauben ein Durchatmen. Die Sequenzer geben sich cool. "Too Many Miles", "Follow The Light" und "Payback" rauschen an mir vorbei. Tut mir echt leid drum, d.h. ich würde das Album gerne loben, aber vielleicht habe ich mich so sehr an diesen Sound gewöhnt, dass fast alles gleich klingt. Im Club werden Songs wie "No Time For Regret" sicherlich gut ankommen, aber ich bin nicht durchgehend im Club. Wer ist das schon?

Fazit: Zwischen 2015 und 2017 haben Eisfabrik vier Alben veröffentlicht. Das Medien-Interesse ist groß, die Hallen sind gefüllt. Vier Alben in nur drei Jahren heißt aber offensichtlich auch, dass die Liebe für das Detail immer wieder mal mehr oder weniger abhandenkommt. Das ist diesmal zu oft der Fall. (Manfred Thomaser)

Label NoCut | 24.11.2017 | Homepage eismusik.de/eisfabrik/

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