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Purwien & Kowa "Drei Mal Drei"

Das ging fix. Kaum sind die letzten Töne von "Zwei" verhallt, da stehen die Herren Purwien und Kowa bereits mit Werk numero "Drei" vor der Tür, das sich aus drei gleich großen EPs zusammensetzt und legen erneut ein Büchlein ("Vegas, vidi, non vici") obendrauf. Den Wermutstropfen gibt's allerdings gleich ohne Umschweife, denn das hier zu besprechende Liedgut gibt es nur als Download und Kassette, also anscheinend nur für die Voll-Digitalisierten oder die Ewig-Gestrigen. Dabei hätten die drei EPs doch so schön auf eine CD gepasst... Nun gut, so werden mal eben all jene geradezu zum Brennen gezwungen, die noch von einem CD-Abspielgerät abhängig sind. Obwohl, gibt es diese Spezies denn überhaupt noch?
Weg von der Form, hin zum Inhalt. Thematisch gesehen, geben die Titel der drei Einzelteile ("80s", "Disko" und "Vegas") jedenfalls sehr konkret den Weg vor und die Erwartungen können somit ganz gezielt ausgerichtet werden. Den Mittelpunkt bildet natürlich weiterhin die synthetisch erzeugte Musik und der kleinste gemeinsame Nenner ist immer noch der gute, alte Pop. Also hinein in die Zeitmaschine und geschaut, was vor gut dreißig Jahren anscheinend so viel Eindruck gemacht hat, dass die beiden Protagonisten als Überschrift für die ersten sechs Songs "80s" gewählt haben.

Wer die Band(vor)geschichte verinnerlicht hat, wird angesichts des Liedgutes von Second Decay, Rehberg oder NoComment natürlich nicht gleich vor Verwunderung vom Sitzmöbel fallen. Die 80er haben dort bereits ihre Spuren hinterlassen und im vorliegenden Kontext ist es erneut ein absoluter Pluspunkt, dass es sich um keine allzu offensichtliche oder gar platte Hommage, sondern um eine ganz eigene Version dieses Jahrzehnts handelt. Natürlich vernimmt man ein paar typische Keyboardklänge, aber letztendlich ist es doch die entspannte Melodieverliebtheit, die den offensichtlichsten Bezug zu dieser Musikepoche ermöglicht. Dazu kommen gewohnt spitzfindige und treffsichere, deutsche Texte wie bei "Nochmal", "Augenblick" oder "Für etwas mehr", aber auch die englische Sprache ist mit "Fake" und "Change my world" vertreten, wobei letzteres Lied der Hit in dieser Abteilung ist. Die prägnanteste Textzeile liefert jedoch mit "Junge Wiener wären gern Berliner" der Song "Pur(Wien)" und diese Städte- bzw. Namenskunde ist wirklich spaßig und hörenswert.

Nach diesem nostalgischen Trip geht es umgehend in die "Disko", um ein paar angestaute Energien abzubauen. Das fetzige "Observer" stürmt auch sogleich auf die Tanzfläche, obwohl der deutsch/englische Wechselgesang nicht jedermanns Sache sein dürfte. "Es ist wie es ist" knallt dafür hundertprozentig und trotz des geradezu unvermeidbaren, strammen Tanzschrittes bekommt man das Lächeln einfach nicht mehr aus dem Gesicht. Ich sage nur: "Heute spielen wir Gott!" Danach geht es beschwingt und schlaflos erstmals nach Vegas bevor man fesstellen darf, dass man die 80er im Grunde auch noch gar nicht verlassen hat ("Disko 80"). Klischees treffen hier auf cheesy Synthiegeklimper, aber auch schonungslose Peinlichkeiten (Schulterpolster, zu langes Schamhaar...) und witziges Namedropping. Mit einem eher nicht tanzbaren Instrumental ("Bozen Rimini") sowie dem im Midtempo angesiedelten "Regret" geht der Disko-Abend bereits zu Ende, aber es wartet ja im Anschluss bereits die ganz große Show.

Endgültig in "Vegas" angekommen, umschwirren den Hörer zunächst "Houdinis girls" und es entfaltet sich ein geradezu cooler Zauber mit markanter Bläserunterstützung. Auch das folgende "Komm zu dir" swingt sich lässig durch die glitzernde Szenerie bevor es im Stück "Film" düster und tiefsinnig zugeht: "Das Leben ist ein Film und wir sind mittendrin. Wir treiben hin und her und suchen nach dem Sinn." Klingt sehr nach einer Betrachtung, die ein gescheiterter Spieler am Ende der Nacht in sein Whisky-Glas spricht. Plötzlich gehen die Lichter jedoch wieder an und das hibbelige "Bedeutet nichts" trötet sich ins Bewusstsein. Ähnlich nervös, aber dabei recht nervig erklingt "Brazilian Cut" bevor zum Abschluss noch eine Coverversion geschmettert wird. Die Quoten bei der Wette, dass es sich dabei um "Viva Las Vegas" handelt, sind zwar nicht besonders hoch, aber immerhin finanziert man sich damit das Taxi nach Hause und sinkt nach diesem nostalgischen Glitzer-Trip, den man mit den Herren Purwien & Kowa erleben durfte, auf das knirschende Motel-Bett. Mit letzter Kraft schaltet man die ratternde Klimaanlage an und gleitet erschöpft in den Traum vom großen Gewinn, der vielleicht doch noch irgendwo wartet... (Torsten Pape)

Label Zwei Records | 07.06.2018 | Homepage www.purwienundkowa.com

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