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Abwärts "Krautrock"

Mit der altehrwürdigen Punk-Institution Abwärts kann man durchaus eine Vielzahl von Erlebnissen, Geschehnissen und Gefühlen verbinden. Ihr "Computerstaat" zum Beispiel rotzte einst auf grandiose Weise das Deutschpunk-Gefühl in die Welt, nicht wenige zählen den "Sonderzug zur Endstation" zu ihrem persönlichen Wende-Soundtrack und viele haben zu ihrer Charles Aznavour-Adaption "Alkohol" zu Hause und auf der Tanzfläche den Herzschmerz gelebt. Von 1979 bis heute sind Frank Z und seine (unterschiedlichen) Mannen aktiv und geben weiterhin ihren zynischen bis wütenden Kommentar zum Zeitgeschehen ab. Ihr zwölftes reguläres Album hört auf den Namen "Krautrock" und dieser Titel birgt natürlich einige Assoziationsmöglichkeiten, aber auch potenzielle Untiefen. Man muss jedoch als Fan keine Angst haben, denn einen radikalen Stilwechsel kann man dann doch recht schnell ausschließen und es reicht im Grunde vollkommen, wenn man den Titel ausschließlich als geographischen Verweis versteht.
Mit insgesamt dreizehn Songs wartet der pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit erscheinende Longplayer auf und startet gleich mal mit einer schrägen Hauptstadt-Hymne namens "Berlin Görlitzer Park". Diese stellt jedoch kein Loblied dar, sondern taucht kopfüber ins Drogenmillieu ab und am Ende steht ein gründlich geplatzter Deal. Natürlich gibt es im weiteren Verlauf weitere kleine und große Geschichten, Skurrilitäten und all das, was man eben von dieser Band erwarten darf. Da wäre zum Beispiel das Lied "Wachkoma" mit seinem absolut typischen Refrain, der eigentlich total simpel, aber dann doch ziemlich genial ist: "Doch es geht nicht alles das, doch es geht nicht irgendwas". Wenn man darüber länger nachdenkt, geht am Ende entweder wirklich alles oder eben gar nichts mehr... "Die Model" (welch kryptischer Titel!) ist mit seiner kleinen, twangenden Melodie vielleicht der kleine Hit des Albums und mit "Parallelwelt" hält man unserer Gesellschaft mal wieder erfolgreich den Spiegel vor's Gesicht. Nachdem man ein wenig an seiner Atemtechnik gefeilt hat ("Peking Spring Smog"), erwartet den Hörer an Tracklistenplatz numero 8 eine kleine Überraschung. Man wäre nämlich nicht unbedingt im ersten Gedankengang auf die Möglichkeit gestoßen, dass Abwärts einmal Leonard Cohen covern würden. "The future" führt einem aber eindrucksvoll vor Ohren, dass diese Kombination überhaupt nicht abwegig, sondern durchaus schlüssig ist. "Das Verhör" oder auch das tragikomische "Ein Bus wird kommen" ('Hey, ein Bi-Ba-Bus wird kommen, der bringt dir den einen...' - wie geil ist das denn!?) werden bestimmt auf den kommenden Konzerten das Abfeiern ermöglichen, wobei letzteres wohl ebenso durch die aktualisierten Versionen von "Aus einem Gartenhaus", "Computerstaat" und "Beirut Holiday Inn" garantiert wird. Diese Songs beweisen zudem, dass deutsches Kleinbürgertum, Überwachung, Technisierung/Automatisierung und Krieg weiterhin absolut relevante Themen sind, die einfach kommentiert bzw. kritisiert werden müssen. Der instrumentale Titeltrack beschließt ein absolut kurzweiliges, typisches Abwärts-Werk, das an den richtigen Stellen kraftvoll, aber auch nachdenklich und zwischendurch sogar amüsant ist. Ein bunter, stacheliger Punkrock-Blumenstrauß zum 35-jährigen Bandjubiläum. Glückwunsch! (Torsten Pape)

Label Cargo Records | 03.10.2014 | Homepage www.abwaerts.com

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