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Joachim Witt "Der Fels in der Brandung"

Für die Dauer von drei Alben schlüpfte Joachim Witt in die Figur des Berggeistes Rübezahl und teilte mit seinen Fans einen düsteren, oft bombastischen und beeindruckenden Blick auf die Welt. Nicht die erste Trilogie des Meisters, der bereits mit seiner "Bayreuth"-Reihe ein klanggewaltiges Monster abgeliefert hatte. Wer sich im Schaffen des Herrn Witt auskennt, wird bereits eine Ahnung haben, dass nach einem solchen Mammutprojekt eventuell wieder ein kleiner Kurswechsel anstehen könnte. Die erste Vorab-Single "Schwör mir" deutete es bereits an und mit dem jüngst veröffentlichten Duett mit Marianne Rosenberg ("In unserer Zeit") wird der Schritt zum Pop endgültig vollzogen und mit jeder Menge Pathos vermengt. Obwohl die Stimmen erstaunlich gut harmonieren, ist dies zweifelsfrei eine mutige Entscheidung, die sicherlich nicht jeder Fan auf Anhieb mögen wird.
Das vorliegende, neue Album hält weitere Herausforderungen parat, vergisst jedoch auch nicht die Anhänger, welche auf die eher dunklen Visionen stehen. Der Opener "Signale" ist zum Beispiel eine Mischung aus beiden Facetten, denn poppige Fanfaren vereinen sich hier mit strammen Gitarren und einem typisch hymnischen Text. Den Ethno-Gesangspart hätte es dabei allerdings nicht mal gebraucht, um die Völker zu vereinen… Auch beim nächsten Stück "Weg ins Licht" ist ein solches Stilelement vorhanden und begleitet den mitreißenden Weg des Fürsten der Nacht. Danach folgt das wohl ungewöhnlichste bzw. am wenigsten erwartbare Stück, denn mit "Sebelele" wird ein Duett mit Velile Mchunu präsentiert, die man vom Musical "König der Löwen" oder ihrem WM-Song "Helele" (zusammen mit dem Safri Duo) kennen kann. Ein Ethno-Hit wie er im Buche steht, aber gleichzeitig auch die größte Hürde für die alten Fans. Nun folgen die beiden Vorab-Singles bevor mit "Revolution" mal wieder die Gitarren ordentlich ran dürfen und erneut ein Aufbruch / Neuanfang thematisiert wird – ein Thema das sich durch das gesamte Album aber auch das Schaffen von Joachim zieht. Andere Lieblingsthemen des Herrn Witt sind Vergänglichkeit und Erinnerungen an vergangene Zeiten, welche im Song "Jung" wirklich herausragend umgesetzt werden. Auf der Suche ist der Künstler ebenso gern und fügt diesem Sujet das spritzige und mit Streicherklängen aufgepeppte "Hörst du mich" (ein Duett mit der mysteriösen M.L.) hinzu. Danach kommt der Hörer in den Genuss von "Bäume", welches auf typische Witt-Weise mit der Gesellschaft und ihren Werten abrechnet, aber gleichzeitig den Weg zu natürlichen Energieressourcen anbietet. Auch "Propaganda" stellt eine Abrechnung dar, hier allerdings mit deutlich mehr (Kinder-)Rotz und Augenzwinkern! Den Abschlusssong "Träume im Gegenwind" darf man durch seinen sinfonischen Bombast vielleicht sogar als sehnsüchtigen Blick über die Schulter und eindeutigen Verweis auf die Klangwelten des Rübezahl und von "Refugium" verstehen.
Man kann dem neuen Album somit attestieren, ein abwechslungsreiches und mutiges Werk zu sein, das Joachim Witt wieder etwas hinaus aus der Szene hin zur öffentlichen Wahrnehmung führen könnte. Es sei ihm gegönnt, denn wenige wandlungsfähige Musiker stehen so sehr für künstlerische Integrität - eben ein wahrer "Fels in der Brandung". (Torsten Pape)

Label Warner | 15.09.2023 | Homepage www.facebook.com/joachimwittmusik

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